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Kapitel aus dem Band 'Recherche im Netz' Recherche ist eines der wichtigsten Handwerkszeuge der journalistischen Praxis. Doch wie recherchiert man richtig? Welche Techniken muss man beherrschen – speziell bei der Recherche im Netz? Welche rechtlichen Rahmenbedingungen gilt es zu beachten? Wie fundiert sind die Suchergebnisse von Google und anderen Suchmaschinen? Wie geht man mit Leaking und Fakes um? Welches Recherchepotential birgt das Soziale Netz? Wie funktionieren Crowdfounding, Crowdsourcing und Crossborder-Reporting, welche Rolle können diese Herangehensweisen in Zukunft spielen? Und: Worin besteht die Herausforderung für die demokratische Öffentlichkeit in der modernen Mediengesellschaft? Diese und weitere fragen werden in diesem Band von Medienexperten, Juristen und Journalismusforschern erörtert und beantwortet.
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Seitenzahl: 34
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Christoph Nuernberger / Christian Nuernbergk
Mehr Webkompetenz tut not: Forschungsstand über das Recherchieren
Europa Verlag AG Zürich
CHRISTOPHNEUBERGER/CHRISTIANNUERNBERGK
Im Internet verliert der Journalist seine zentrale Rolle als »Gatekeeper«: Er hat auf viele seiner Quellen keinen exklusiven Zugriff mehr. Das Publikum kann die Redaktionen umgehen und sich – im Prinzip jedenfalls – direkt aus den Quellen informieren. Dies ändert die Vermittlerrolle des professionellen Journalismus und die Anforderungen an die Recherche: Die Journalistin ist nun auch Navigatorin, die dem Publikum dabei hilft, hochwertige Informationen im Netz zu finden. Außerdem kann sie das Publikum an Recherchen beteiligen. Fachliteratur zur Recherche beschränkt sich häufig auf Praxistipps und auf Appelle an journalistische Tugenden, dieses Kapitel hingegen will die Strukturen aufzeigen und damit die Bedingungen, unter denen journalistische Arbeit stattfindet. Um den Stellenwert der Recherche im Internet richtig einschätzen zu können, wird deshalb zunächst der Kontext, nämlich der Wandel von Öffentlichkeit und Journalismus insgesamt in den Blick genommen. Darauf folgen Ergebnisse aus drei Redaktionsbefragungen.
Potenziale und Probleme journalistischer Internetrecherche erkennen
Den journalistischen Umgang mit Social Media wie Twitter, Wikipedia und Weblogs verstehen
Suchmaschinen als Hilfsmittel einsetzen können
Fachliteratur zur Recherche geht nur selten auf Forschungsergebnisse ein, sondern leidet, wie es Redelfs (1996: 22) formuliert hat, unter einer »praktizistische[n] Verkürzung«. Sie beschränkt sich oft auf Appelle an die journalistischen Tugenden und blendet die Strukturen aus, also die Bedingungen, unter denen journalistische Arbeit stattfindet. Um den Stellenwert der Recherche im Internet richtig einschätzen zu können, wird deshalb zunächst der Kontext, nämlich der Wandel von Öffentlichkeit und Journalismus insgesamt, in den Blick genommen.
Eine zentrale gesellschaftliche Leistung des Journalismus ist die Umweltbeobachtung: Er verschafft seinem Publikum Einblick in verschlossene, unübersichtliche oder weit entfernte Wirklichkeitsbereiche. In Presse und Rundfunk galt bisher ein linearer Ablauf journalistischer Kommunikation: Zuerst recherchierten Journalisten, indem sie Ereignisse beobachteten, Personen befragten oder Dokumente auswerteten, dann berichteten sie darüber, und das Publikum informierte sich anschließend. Auf dieser Einbahnstraße im Nachrichtenprozess standen Journalistinnen zwischen den Quellen und ihrem Publikum: Auf der einen Seite hatten sie einen exklusiven Zugang zu Parteien, Unternehmen, Prominenten, Augenzeugen und anderen Quellen. Auf der anderen Seite entschieden sie als Schleusenwärter (»Gatekeeper«) im Wesentlichen darüber, welche Informationen in die Öffentlichkeit und zu den jeweiligen Zielgruppen gelangten.
Diese Konstellation hat sich im Internet in entscheidender Weise geändert (zum Folgenden vgl. Neuberger 2009): Das Internet ist zugleich Publikations- und Rechercheplattform. Weil neben Journalistinnen und Journalisten jeder Nutzer ohne allzu großen Aufwand veröffentlichen kann, entsteht ein enormer, vielfältiger und auch chaotischer Vorrat an Informationen, aus dem sich jeder bedienen kann. Suchhilfen wie Google liefern in Sekundenschnelle Ergebnisse. Auch wenn Suchhilfen keine perfekten Wegweiser sind, so hat sich dennoch die Zone des Sichtbaren im und durch das Internet erheblich erweitert – und zwar nicht nur für die Redaktionen, sondern auch für das Publikum des Journalismus. So haben Internetnutzerinnen nun oft einen direkten Zugriff auf jene Quellen, die bisher den Journalisten vorbehalten geblieben sind (»Disintermediation«).