Mein altes West-Berlin - Tanja Dückers - E-Book

Mein altes West-Berlin E-Book

Tanja Dückers

3,6

Beschreibung

Inspiriert von Walter Benjamins Buch »Berliner Kindheit um 1900« reflektiert Tanja Dückers ihre eigene Kindheit und Jugend im West-Berlin der 1970er- und 1980er-Jahre. In pointierten Alltags-Betrachtungen lässt sie das Leben und das Lebensgefühl im Westen der geteilten Stadt wieder lebendig werden. Auf der Straße und in Hinterhöfen, hinter Brandmauern und in alten Friseursalons trifft die Autorin auf Kurioses und Trauriges, auf Lustiges und Düsteres, und auch auf Tiere – von Ratten über Füchse bis hin zu Nilpferden.

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Sammlungen



TANJA DÜCKERS

MEIN ALTES WEST-BERLIN

BERLINER ORTE

BeBra Verlag

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten.

Dieses Werk, einschließlich aller seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen, Verfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung auf DVDs, CDROMs, CDs, Videos, in weiteren elektronischen Systemen sowie für Internet-Plattformen.

E-Book im BeBra Verlag, 2023

© der Originalausgabe:

3., erweiterte und überarbeitete Auflage

be.bra verlag GmbH

Berlin-Brandenburg, 2022

Asternplatz 3, 12203 Berlin

[email protected]

Lektorat: Matthias Zimmermann, Berlin

Umschlag und Titelfoto: Manja Hellpap, Berlin

Fotos: Uwe Friedrich, Berlin

ISBN 978-3-8393-0170-8 (epub)

ISBN 978-3-8148-0274-9 (print)

www.bebraverlag.de

Vorwort

Eines der Bücher, das mich besonders beeindruckt hat, ist Walter Benjamins Berliner Kindheit um 1900. Darin berichtet Benjamin über sein Aufwachsen im Berlin der Kaiserzeit anhand von ausgewählten Objekten des Alltagslebens und von Orten, die er als Kind oder junger Mann aufgesucht hat. Seine Auswahl hat keinerlei lexikalischen Anspruch, ist höchst subjektiv, die Texte zu den verschiedenen Sujets sind unterschiedlich lang. Das Privat-Intime und das Gesellschaftlich-Kollektive der damaligen Zeit mischen sich – es ist, als würde er mit der Lupe einen Fleck auf einer Tischdecke betrachten. Doch das Zimmer, in dem dieser Tisch steht, die Wohnung, die Umgebung ist – mal verschwommen, mal schärfer – immer im Hintergrund zu erkennen. Kritik am Militarismus des Kaiserreichs (Sedantag) wird in die Betrachtung eines Spielzeugs eingeflochten, Unbehagen an der Unüberwindbarkeit von sozialen Schranken, an der großen Kluft zwischen Wohlhabenden und Armen in Kapiteln wie Bettler und Huren geäußert. Die Veränderung des Alltags, der Wandel in Kommunikation und Beziehungen der Menschen untereinander werden in Telefon beschrieben, als die ersten, nicht nur als Fortschritt erlebten Telefonapparate in Berliner Haushalten Einzug hielten.

Vermutlich nahm sich Walter Benjamin auf der Flucht vor den Nazis in Port Bou (einem spanischen Grenzort nahe den Pyrenäen) das Leben. Am 26. September 1940 starb er. Seine Bücher, seine Gedanken aber leben weiter. So ist im Jahr 2002 im Steidl-Verlag ein wunderbares Buch erschienen, für das eine junge Fotografin – Aura Rosenberg – die Orte aus Walter Benjamins Berliner Kindheit um 1900 aufgesucht, fotografiert und mit Auszügen aus seinen entsprechenden Kapiteln versehen hat. Auch ich freue mich, wenngleich nicht in vergleichbarer Form, etwas zur Erinnerung an den großen deutschen Schriftsteller und Philosophen beizutragen, und hoffe, dass seine Berliner Kindheit um 1900 noch oft gelesen wird, nicht nur von Berlin-Interessierten oder Benjamin-Begeisterten.

Benjamins Erinnerungen haben mich dazu angeregt, Momente aus meiner eigenen Kindheit und Jugend in (West-)Berlin in Form von kurzen Alltags-Betrachtungen festzuhalten. Hier besteht absolut kein Vollständigkeitsanspruch, das »alte« West-Berlin, berühmte oder berüchtigte Orte betreffend. Ich gehe von den lückenhaften, persönlichen Erinnerungen des Kindes aus, das ich war.

Der andere Grund, warum ich dieses Buch verfasst habe, ist folgender: Nach der Wende ist viel über Ost-Berlin geschrieben worden und doch vergleichsweise wenig über West-Berlin – wenn man von Sven Regeners tragikomischem, auf Kreuzberg beschränkten Herrn Lehmann und wenigen anderen Titeln absieht. Dabei hat sich diese Stadt, vielmehr diese Stadthälfte, auch sehr verändert. Die damalige Atmosphäre, die natürlich nicht von allen Berlinern auf gleiche Weise empfunden wurde und deren Wahrnehmung von dem Milieu, in dem ich aufwuchs, geprägt wurde, versuchen die vorliegenden Momentaufnahmen einzufangen.

Lange Zeit wirkte West-Berlin in der Ära des Kalten Kriegs auf mich seltsam entfernt, fast näher am Zweiten Weltkrieg als am 21. Jahrhundert. Und doch kehrt diese Zeit, die ich für längst vergangen hielt, mit dem Krieg in der Ukraine auf verstörende Weise wieder zurück, nicht nur in die Erinnerung.

Tanja Dückers

Berlin, im Juni 2016 und im Januar 2023

Auf der Mauer, auf der Lauer

Wir sahen die Mauer täglich. Zum Greifen nahe war sie für uns. Vom Fenster aus. Sie war nicht wegzudenken aus unseren Leben. Die Mauer trennte unser Haus vom Nachbargrundstück und wir durften auf keinen Fall auf oder über die Mauer klettern. Auf der Mauer hatte jemand spitze Glasstücke befestigt, damit keine Gören über sie hinüberkletterten – in den genauso wenig aufregenden Nachbarhof. Manchmal lasen sich die Eltern aus der Zeitung vor, dass es wieder einen Mauertoten gegeben habe. Jemand war an der Mauer erschossen worden. Erschossen werden wollten mein Bruder und ich natürlich nicht, wobei wir uns nicht wirklich etwas darunter vorstellen konnten. »Erschießen« war Kurz-Umfallen und dann Weiterspielen. Sicher nicht schlimmer, als von der dürren, ketterauchenden Hauswartfrau von gegenüber mit dem Teppichklopfer einen übergezogen zu bekommen. Die Klagen der Eltern über das Ärgernis der Mauer schienen mir eine Weile lang vollkommen kongruent mit meiner eigenen Lebenswelt zu sein.

Vor der Mauer, die bei uns nur »die Mauer« hieß, spielten wir beinahe täglich in unserem Hinterhof. Vor der Mauer standen sieben gefährliche Hexenhäuser – Mülltonnen –, und wir fürchteten uns, in ihre Nähe zu geraten. Je näher man der Mauer kam, desto mehr war man in Gefahr.

Tatsächlich »lebten« die Mülltonnen. Oft genug öffneten sie sich und klapperten, vor allem abends: Dann krochen Ratten aus ihnen, machten die Nacht zum Tag. Ratten gab es ja genug in Berlin, dreimal mehr als Berliner, wie die Hauswartfrau von »drüben« mal gesagt hatte.

Auf der Mauer, auf der Lauer …

Inhalt

Vorwort

Auf der Mauer, auf der Lauer

Ü (Türken in Berlin)

Marmortreppe, Hinterhöfe, Rattenloch

Bunte Vögel

Puff

Polenpäckchen

Gespenster

Schecksies

Einschusslöcher

Schokolade

Hunde

Tierheim Lankwitz

Märkisches Viertel

Botanischer Garten

NASANK

Wände-Anmalen-Dürfen

Ku’dammladies

Penner

Nutten / Christiane F.

Der katholische Jugendtreff

Peepshow

Savignyplatz

Hier wohnte

Telefon

Eine Höhle namens West-Berlin

Schränke

Vietnamschiff

Gedächtniskirche

Stümpfe (Weihnachten mit den Großeltern)

Vergangenheit, per se

Mauer

Zoo (Berliner Winter)

Franziskus-Krankenhaus

Alte Kongresshalle

Psychoanalytiker

Schloss Charlottenburg

Autofreie Sonntage

Vom Kindergarten zum Kinderladen (Piratenschiff)

Kinderladen

Altes Gemäuer

Lümmeln und Lesen (Anna Seghers)

Geografie

Déjà-vu

Plötzensee

Sterbende Stadt (Bahnhof Zoo)

U-Bahn

Osten

Tempelhof

Nilpferde (Königsfamilie)

Der Stadtfuchs

Wannsee

Restdeutschland, Wessis (nicht Ressis)

Dreilinden und Helmstedt

KaDeWe

Wertheim

Ostern

Siegessäule

Der Dicke und das Dingsdabumsda

Das Prachtboot aus Papua Neuguinea

Nationalgalerie

Freie Volksbühne (Kleiderkisten)

Allein zu Hause

Fontane-Bibliothek

Grunewald

Pfaueninsel

Der Unfall (Sonnenblumenkerne)

Brandenburger Tor

Danksagung

Die Autorin

Danksagung

Besonderer Dank gilt Anton Josef Landgraf und Emil Alexander Landgraf.

Mein Dank gilt ferner Alexander und Margarethe Dückers, Daniel Dückers, Anne Ursel Schmöle (†), Inge Niemöller (†), Maria Tautz, Berenike Evers, Martina Nell, Steffi Renk, Gabriele Hanky, Ulrich Hopp, Robert Zagolla, Matthias Zimmermann sowie Karin Graf und Hanne Dürholt von der Agentur Graf & Graf.

Ebenso möchte ich Veronika Fuechtner und dem German Department des Dartmouth Colleges in New Hampshire sowie Mariana Ivanova und dem German Department der Miami University in Ohio jeweils für einen writer-in-residence-Aufenthalt danken.

Die Autorin

Tanja Dückers, geboren 1968 in Berlin, hat zahlreiche Romane, Kurzgeschichten, Lyrikbände, Kinderbücher, Hörspiele und Essays veröffentlicht. Als Journalistin schreibt sie u. a. für Die Zeit, Tagesspiegel, Berliner Zeitung, Berliner Morgenpost, Süddeutsche Zeitung, tageszeitung, Jungle World, Deutschlandfunk Kultur und rbb. Tanja Dückers hat an verschiedenen amerikanischen Colleges und Universitäten Deutsche Literatur / German Studies gelehrt. Mit »Preussisch süß Berliner Stadtteilschokolade« gelang ihr zudem eine kulinarische Sicht auf Berlin. Für ihr Werk wurde sie mit zahlreichen Preisen und Stipendien ausgezeichnet.   www.tanjadueckers.de • www.preussisch-suess.shop

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