Mein Chef, der Pflegefall - Chris Herdo - E-Book

Mein Chef, der Pflegefall E-Book

Chris Herdo

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Beschreibung

Eigentlich möchte Anke nur, dass ihre drei wichtigsten Wünsche an das Leben in Erfüllung gehen. Wunsch Nummer eins – ihr Verhältnis zu ihrer Mutter soll sich bessern. Wunsch Nummer zwei – Robert, mit dem sie seit zwei Jahren ein Verhältnis hat, soll sich endlich von seiner Frau trennen. Wunsch Nummer drei – ein unbefristetes Arbeitsverhältnis in der Druckerei, in der sie arbeitet. Dafür erträgt sie sogar monatelang die fiesen Mobbingattacken ihres Chefs. Doch alles kommt anders, als erwartet. „Man sieht sich immer zweimal im Leben“, gibt Ankes Chef ihr am letzten Arbeitstag mit auf den Weg. Zu diesem Zeitpunkt ahnt noch niemand, wie mörderisch wahr diese Worte eines Tages werden ...

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Mein Chef, der Pflegefall

ROMAN

Chris Herdo

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Impressum

Personen und Handlungen sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind zufällig und nicht beabsichtigt.

Besuchen Sie uns im Internet - www.herzsprung-verlag.de

© 2023 – Herzsprung-Verlag GbR

Mühlstr. 10, 88085 Langenargen

Alle Rechte vorbehalten. Taschenbuchauflage erschienen 2023.

Cover gestaltet mit Bildern von © Susanne Borkmann (Illustration) sowie © Photograpee.eu (Foto) und noriokanisawa(Sprechblase) – beide lizenziert by Adobe Stock

Bearbeitung: CAT creativ - www.cat-creativ.at

ISBN: 978-3-96074-712-3 - Taschenbuch

ISBN: 978-3-96074-713-0- E-Book

*

Inhalt

Prolog

1

2

3

4

5

6

8

9

10

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20

21

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23

24

25

Epilog

*

Prolog

Die werden mich doch nicht für viele Jahre ins Gefängnis stecken? Ich habe nichts verbrochen, bin unschuldig! Es könnte endlich mal in meinem Leben alles gut werden, wenn diese Gerichtsverhandlung mir nicht einen Strich durch meine geplante Zukunft macht.

Ich sitze im Gericht von Feudelhagen, meiner Heimatstadt, und bin die Angeklagte. Mein Blick schweift zu dem Staatsanwalt, der behauptet, ich hätte einen Mord begangen. Purer Unsinn!

Für ein paar Sekunden treffen sich unsere Blicke. Sein Gesichtsausdruck lässt bei mir keinen Optimismus aufkommen. Sein Plädoyer hielt ich für eine Frechheit. Er hat für mich, nach Paragraf 211 des Strafgesetzbuches, einen lebenslangen Freiheitsentzug wegen Mordes mit schwerer Grausamkeit gefordert. Dieser Kerl hat doch tatsächlich behauptet, ich hätte den Verstorbenen durch das Unterlassen, ihm notwendige Medikamente zu verabreichen, getötet. Außerdem hätte ich zum Tod des Opfers durch Flüssigkeits- und Nahrungsentzug beigetragen. Durch diese Handlungsweise wäre meine gefühllose, unbarmherzige Gesinnung bewiesen.

Was heißt hier überhaupt schwere Grausamkeit? Ich habe den ums Leben gekommenen Pflegefall nicht geschlagen oder gequält. Er bekam nicht einmal einen Klaps hinter die Ohren, wenn er mir wiederholt den Löffel aus der Hand schlug, weil er nicht essen wollte. In diesen Situationen hatte ich ein Einsehen und zwang ihn auch nicht, etwas zu sich zu nehmen. Mit meinem, mir anvertrauten Pflegefall meinte ich es immer gut. Ich war davon überzeugt, dass eine Diät die schlimmsten Schmerzen verhindern könnte. Dass er trotz meiner fürsorglichen Pflege verhungert ist, dafür kann ich nichts. Ich wollte zu keinem Zeitpunkt während meiner aufopfernden Tätigkeit, dass er stirbt. Im Gegenteil, ich hätte gute Gründe gehabt, ihn lange leiden zu lassen. Das hatte er sich redlich verdient.

Niemand kann mir einen Mord anhängen! Das war Pflege mit tödlichem Ausgang, aber kein Mord! Mein Pech ist es nun allerdings auch, dass der Staatsanwalt ein Mann ist.

Wenn schon einer Siegbert Löffler heißt! Dieser rappeldürre, fast zwei Meter große Mensch mit abstehenden Ohren und einer Brille mit aschenbecherbodendicken Gläsern hat, so vermute ich, wenig Chancen bei einer Frau. Es sei denn, sie sieht nicht so gut. Ich kann erkennen, dass er an seiner rechten Hand keinen Ring trägt. Bestimmt ist er auf Frauen nicht gut zu sprechen. Das würde mich zu seinem Opfer machen, an dem er seinen Frauenhass ausleben kann.

Bei einer Staatsanwältin hätte ich auf etwas mehr Verständnis hoffen können. Meine Verteidigerin Frau Habig hat auf Freispruch plädiert. Etwas anderes dürfe es in meinem Fall nicht geben. Dennoch war ich mir nicht sicher. Sollte der Staatsanwalt den Richter von meiner Schuld überzeugen, müsste ich mit einer lebenslangen Freiheitsstrafe rechnen.

Der Richter erhebt sich, nachdem die Anwälte ihre Plädoyers gehalten haben, und sagt, dass die Urteilsverkündung nach einer Mittagspause um 14 Uhr stattfinden wird.

Ich finde es nicht richtig, dass das Gericht die Öffentlichkeit zugelassen hat. Das einzig Gute daran ist, dass mir nahestehende Menschen aus meinem Umfeld gekommen sind. Ich freue mich, dass ein paar Heimbewohner darunter sind, und auch darüber, dass Verena, meine beste Freundin, zu den Anwesenden gehört. Als sich Renis und meine Blicke treffen, zeigt sie mir mit beiden Fäusten, wie sehr sie mir die Daumen drückt.

Habe ich eine Veranlassung auf eine geringe Strafe zu hoffen oder muss ich mit der Höchststrafe rechnen?

Ich werde in einen Raum geführt, in dem nur ein Tisch und drei weinrot gepolsterte Holzstühle stehen. Mich begleiten Frau Habig und ein Polizist. In dem Raum steht die Luft. Meine Anwältin kippt ein Fenster. Ich atme die frische Luft ein. Heute ist Ostwind und so gelangt die kühle Küstenluft bis hierher nach Feudelhagen. Wir Frauen setzen uns, während der Polizist neben der Tür stehen bleibt.

„Ich denke“, sagt meine Anwältin, „der Ausgang der Verhandlung ist völlig offen. Der Staatsanwalt ist nicht zu unterschätzen. Dennoch hoffe ich, dass wir einen Freispruch bekommen. Nun bleibt uns etwas Zeit. Anke, machen Sie sich nicht verrückt. Ich werde Sie jetzt allein lassen, um in der Kantine etwas zu essen. Soll ich Ihnen etwas bringen lassen?“

„Nein danke! Ich bekomme keinen Bissen runter“, antworte ich.

Frau Habig verlässt diesen Raum – und ich sehe aus dem Fenster. Auf den schneebedeckten Ästen einer davorstehenden Buche tummelt sich ein Eichhörnchen. So frei und unbekümmert, wie mir der possierliche Nager erscheint, wäre ich auch gern.

Meine Gedanken gehen auf eine Reise in die Vergangenheit, verlassen diesen öden, steril wirkenden Raum. Wie bin ich bloß in diese ausgesprochen dumme Situation gekommen? Eigentlich begann alles vor drei Jahren ...

*

1

Es war ein Sonntagabend Mitte Juli 2014. Ein sonniger Sommertag neigte sich dem Ende zu. Ich lag geduscht und mit geputzten Zähnen in meinem Bett, hatte den Fernseher lautlos gestellt und telefonierte mit meiner Mutter. Sie hatte mich angerufen, so wie sie es jeden Tag tat. Meine Mutter genoss ihr Rentnerdasein, in dem sie regelmäßig das Theater besuchte, gern durch die Einkaufspassage unserer Stadt bummelte und mit ihr bekannten Leuten, wenn sie diese traf, redete. Mutter war für ihre 70 Jahre ziemlich fit. Sie las täglich die Zeitung, verfolgte die Nachrichten und konnte allein ihre Steuererklärung ausfüllen. Zwei Jahre zuvor, als mein Vater plötzlich einem Herzinfarkt erlag, währte ihre Trauer nur drei Wochen. Danach war nicht nur mein Vater begraben, auch ihr Selbstmitleid. Zu mir sagte sie damals, dass jetzt der Herbst ihres Lebens noch einmal die buntesten Blätter hervorbringen werde. Was und wie sie es auch meinte, blieb mir ein Rätsel. Ich freute mich, dass sie sich nicht gehen ließ. Da sie aber jemandem ihre Gedanken, ihre Tagesabläufe und ihre Arztbesuche mitteilen musste, rief sie mich täglich an. Ich akzeptierte ihre Anrufe, trotz der häufigen Vorhaltungen und Vorwürfe. Wer weiß, wie ich einmal mit 70 sein werde? Dennoch war ich im Gegenzug nicht bereit, ihr über all meine Schritte und Unternehmungen Rechenschaft abzulegen.

An diesem Abend hatte sie mir erzählt, dass sie sich Klöße mit Rotkohl und Gulasch zu Mittag zubereitet hatte, dass sie danach bis zum Kaffeetrinken allein im Wald spazieren war und dass sie nun eine romantische Komödie ansehen werde.

Ich hatte mir wieder mal nichts gekocht. Stattdessen hatte ich fast den ganzen Tag über auf meiner Couch gelegen und einen Krimi gelesen. Der war so spannend, dass ich nichts anderes auf die Reihe bekam.

Als das Telefonat mit meiner Mutter fast beendet war, wunderte ich mich, weil ich mir von ihr noch nicht den üblichen Sonntagabendvorwurf hatte anhören müssen, denn normalerweise fragte sie mich immer, warum ich sie nicht am Nachmittag auf einen Kaffee besucht hätte. Schließlich wäre ich doch auch allein. Ich atmete tief durch. Mutter glaubte, ich sei Single. Ich war seit zehn Jahren geschieden. Allerdings, mein derzeitiges Verhältnis mit einem verheirateten Mann hatte ich ihr verschwiegen. Auf den immer wieder von ihr gehörten Satz: „Ich dachte, ich hätte meine Tochter ordentlich erzogen!“, konnte ich gern verzichten. Auch wenn meine Mutter davon ausgehen musste, dass ich Single war, so bedeutete dies doch nicht automatisch, dass ich mich langweilte.

In dem Augenblick, als sie mich angerufen hatte, hatte ich es mir in meinem Bett gemütlich gemacht, ein Gläschen halbtrockenen Rotwein getrunken, vielleicht waren es auch zwei oder drei, und den Fernseher eingeschaltet. Ich hatte einen Fernseher im Wohnzimmer und einen im Schlafzimmer. Das hielt ich für sehr praktisch. Es war eine Angewohnheit geworden, den Sonntagskrimi vom Bett aus anzusehen.

Und dann kam die Frage doch. Was sollte ich meiner Mutter nun antworten, weshalb ich sie nicht auf einen Kaffee besucht hatte? Ich dachte mir eine Lüge aus, um ihr das Gefühl zu geben, dass ich gar nicht hätte zu ihr kommen können. Deshalb sagte ich ihr, dass ich meiner Freundin Verena beim Malern ihrer Wohnung geholfen habe. Ihr Mann war nach mehreren Bandscheibenvorfällen und einer darauf erfolgten Operation zu einer Rehakur. Verena wollte ihn mit der renovierten Wohnung überraschen, wenn er nach Hause kam. Das war nicht einmal gelogen. Meine einzige, beste Freundin malerte wirklich, wollte mich allerdings nicht dabeihaben. So etwas mache sie lieber selbst. Mit diesen Worten hatte sie mein Hilfsangebot abgelehnt. Mutter war mit meiner Antwort zufrieden und verabschiedete sich von mir.

Ich atmete tief durch und schaltete den Ton des Fernsehers wieder ein. Der Sonntagskrimi hatte bereits begonnen und ich während des Telefonats nicht mitbekommen, um was es ging. Wie immer sonntags! Auf meine Fernsehgewohnheiten konnte Mutter natürlich keine Rücksicht nehmen. Wenn sie telefonieren musste, dann war es egal, ob es der Person am anderen Ende, die meistens ich war, zeitlich passte.

Einer meiner Wünsche für dieses Jahr war gewesen, dass sich mein Verhältnis zu meiner Mutter verbessern sollte. Es gab aber noch zwei weitere Wünsche, die ich zum Universum geschickt hatte.

Ich zappte durch die Programme, schaltete den Fernseher aus, genehmigte mir noch ein Gläschen Rotwein und nahm mir meinen Krimi zur Hand, den ich bereits bis zur Hälfte durchgelesen hatte. Er war spannend und gut geschrieben. Es ging um eine Frau in einer Bankfiliale, die gemobbt und nun verdächtig wurde, den Filialchef ermordet zu haben. Ich konnte nicht nachvollziehen, dass sie nicht bemerkte, wie sie von ihrem Chef systematisch boykottiert wurde. So etwas konnte ich mir in unserer Firma nicht vorstellen. Ich war anerkannt, verstand mich gut mit meinen Kollegen, die überwiegend weiblich waren, und war fest davon überzeugt, am Jahresende in eine Festanstellung übernommen zu werden. Doch so wirklich überzeugt war ich dann doch nicht! Das war ein weiterer meiner drei dringendsten Wünsche für dieses Jahr. Ich hoffte, einen unbefristeten Arbeitsvertrag zu erhalten, denn ich war in der Druckerei Offset-Mann nur für ein Jahr befristet eingestellt worden.

Nachdem ich ein paar Seiten meines Krimis gelesen hatte, stellte ich den Wecker und hoffte, gut schlafen zu können. Ich musste um vier Uhr aufstehen, kurz nach fünf zur Arbeit fahren und um sechs in der Druckerei an meinem Computer sitzen.

Mein Wecker riss mich mit seinem durchdringenden Piepton aus dem Schlaf. Ich hatte das Gefühl, gerade erst eingeschlafen zu sein. Dieses Piepmonster besaß eine Schlummertaste, die ich drückte, denn ich beabsichtigte, noch zehn Minuten zu dösen. Es half nichts, als mein Wecker zum zweiten Mal piepte, musste ich mein kuschelig, warmes Bett verlassen.

Ich stellte meine Kaffeemaschine an und schlurfte schlaftrunken ins Bad. Es war jeden Morgen der abenteuerliche Versuch einer Metamorphose – die Verwandlung von einer knautschgesichtigen Raupe zu einem ansehnlichen Schmetterling. Oft genug misslang mir dieses Experiment. Doch an diesem Morgen hatte es nicht länger als eine halbe Stunde gedauert. Es gelang mir deshalb, so schnell fertig zu werden, weil ich nur die für andere Menschen sichtbaren Körperteile bearbeitete.

Vor einem halben Jahr hatte ich mir einen zweitürigen Schrank für mein Bad gekauft. Das überzeugende Verkaufsargument waren die Spiegel gewesen, die innen in beiden Türen angebracht waren. Darin konnte ich mich endlich von Kopf bis Fuß und von allen Seiten begutachten. Allerdings entdeckte ich dadurch an meinem Körper größere Baustellen, von deren Existenz ich bis dato keine Ahnung gehabt hatte. Ich trug gern und überwiegend Jeans. Und das würde auch so bleiben müssen, weil ich durch diese Spiegel an der Rückseite meiner Oberschenkel leichte Dellen entdeckt hatte. Ich bekam einen Schock, von dem ich mich lange Zeit nicht erholte. Seitdem schmierte ich mir täglich vor dem Schlafengehen verschiedene Cremes darauf, um die hässlichen Anfänge einer Cellulite nicht weiter wuchern zu lassen. Würde ich diese Unebenheiten meiner Oberschenkelrückseiten morgens auch noch zuspachteln wollen, wäre eine weitere halbe Stunde nötig. So aber hatte ich noch genügend Zeit, meinen Pott Kaffee zu genießen. Essen konnte ich morgens um diese unmenschliche Zeit nicht, aber ohne einen Kaffee getrunken zu haben, verließ ich nie meine Wohnung. Mein Morgenmotto lautete: Auf nüchternen Magen kann ich nichts essen! Meine erste Mahlzeit war das Frühstück um neun in unserer Kantine.

Es war zehn nach fünf, als ich in meinen kleinen Flitzer stieg. Noch blieben mir fünfzig Minuten, bis ich an meinem Arbeitsplatz sitzen musste, was zu schaffen war. Das war auch genau die Zeitspanne, die der Kaffee benötigte, um meinen Körper wieder verlassen zu wollen. Jeden Tag die gleichen Rituale. Es könnte ein sonniger Tag werden, vermutete ich, als ich ins Auto stieg, denn die Sonne kämpfte sich erfolgreich über den Horizont. Die Luft war klar und frisch. Ich glaubte, dass es irgendwie an diesem Morgen nach der See roch, obwohl die Küste noch knapp fünfzig Kilometer von Feudelhagen entfernt war.

Pünktlich um sechs Uhr saß ich an meinem Computer. Während der Rechner hochfuhr, holte ich mir von Daniela, unserer sehr jungen Abteilungsleiterin, die in ihrem kleinen Glaskabuff saß, eine Liste mit mehreren Dateien. Darin waren die Arbeitsaufgaben für die jeweilige Schicht zu finden. Vor mir stand bereits eine kleine Schlange mit Kolleginnen, die auch ihre Dateizettel abholen wollten. Endlich war ich an der Reihe.

„Guten Morgen, Dani, na, schönes Wochenende gehabt?“, gab ich mich freundlich.

„Ging so, ich musste meiner Mutter helfen. Ach übrigens, ich habe vergessen, den anderen zu sagen, dass heute um eins eine Betriebsversammlung stattfindet. Sage es bitte deinen Kolleginnen. Hier, deine Dateien.“ Sie reichte mir einen Ausdruck, auf dem zwölf verschiedene Zahlen standen.

„Danke, ich werde es ausrichten. Gibt wohl etwas Neues in der Firma?“

„Ich weiß auch nichts. Hab nur eine E-Mail auf meinem PC bekommen von der Geschäftsführerassistentin. So, nun zisch ab!“

Ich rief die Info wegen der anstehenden Betriebsversammlung ziellos in das Universum unseres Großraumbüros. Noch nicht an meinem Arbeitsplatz angekommen, spürte ich eine Vibration in meiner Hosentasche. Wie fast jeden Tag hatte ich auch an diesem vergessen, mein Handy auszuschalten. Zum Glück hatte ich es auf lautlos gestellt. Es war strikt verboten, das Mobiltelefon mit in die Abteilung zu nehmen. Ich setzte mich auf meinen Stuhl und kramte es umständlich aus meiner viel zu engen Jeans. Nachdem ich mich umgesehen hatte, um sicherzugehen, dass mich auch niemand beobachtete, hielt ich mein Handy unter meinen Schreibtisch. Die Nachricht kam von Robert, dem Mann meiner Träume!

Wir kannten uns seit zwei Jahren. Damals hatten wir nach einem Klassikkonzert den Parkplatz im Nachbarort, in Blumheide, verlassen. Ich fuhr vor ihm, allerdings nur so lange, bis mich ein platter Reifen zum Anhalten zwang. Robert hielt ebenfalls an und fragte, ob er mir helfen könne. Er wechselte schließlich das Rad. Das hätte ich auch selbst gekonnt, vermutlich aber in einer längeren Zeit. Wir tauschten unsere Handynummern aus. Falls wieder einmal ein Konzert stattfinden würde, könnten wir es gemeinsam besuchen, so lautete Roberts Vorschlag. Es fanden in den nächsten Wochen keine weiteren Veranstaltungen statt. Deshalb fragte Robert mich, ob wir uns auf einen Kaffee treffen könnten. Ich willigte ein – und so fing unsere Beziehung an.

Am vergangenen Wochenende hatten wir uns nicht sehen können. Wo Licht ist, ist auch Schatten! Wenn Robert das Licht war, so war seine Frau der dazugehörige Schatten. Seit zwei Jahren versprach er mir, sich von seiner Frau zu trennen. Jedoch fiel es ihm wohl schwer, weil da noch seine zwei Kinder wären, seine Tochter und sein Sohn. Spätestens bei jedem zweiten Treffen hielt er mir die Fotos seines Nachwuchses unter die Nase. Ich hätte regelmäßig kotzen können. Auf meine öfters mal gestellte Frage, ob wir nicht auch ein Kind haben sollten, was ich zwar nicht so ernst meinte, antwortete er regelmäßig, dass ich nicht albern sein solle und mich an unser Alter erinnern möge. Er war achtundvierzig und ich fünfundvierzig. Insgeheim sah ich ein, dass dieser Zug schon lange abgefahren war. Vermutlich fuhren noch Dampfloks, als ich hätte Mutter werden können oder sollen. Was mich an meiner Beziehung zu Robert auch nervte, waren die zweihundert Kilometer, die unsere Wohnorte trennten. Er war es, der einen Kompromiss fand. Wir trafen uns fortan auf halber Strecke in dem Örtchen Drömelig in einer Pension namens Zum Nestchen. Der Name der Pension entsprach unserer Absicht. Oft fragte ich mich, was ich mir mit diesem Mann antat. Vermutlich würde er seine Familie nie verlassen. Allerdings konnte Robert unglaublich zärtlich sein! Ich hatte noch nie einen Liebhaber gehabt, der mich so innig und liebevoll verführt hatte. Verena sagte mir immer wieder, dass ich in diesem Punkt total bescheuert wäre und sie darüber nichts mehr hören wolle. Außer den Satz, in dem ich ihr mitteile, dass ich diese Beziehung beendet habe.

Samstag, zwölf Uhr im Nestchen?, las ich auf dem Handydisplay. Antworte bitte gleich, muss Zimmer mit Übernachtung und Frühstück buchen! Hdl! R..

Ich verließ meinen Arbeitsplatz und begab mich zur Toilette, den einzigen Ort, an dem man in Ruhe eine Nachricht ins Handy tippen konnte!

Ja, werde kommen! Kann nicht mehr schreiben! Handyverbot! Bin auf Toilette! Ich liebe dich! Anke.

Ich betätigte die Spülung und warf noch einen Blick aufs Handy, bevor ich es wieder in meine Hosentasche stopfte.

Danke, freue mich auf Samstag! Hdl, R.

Ich schrieb immer Ich liebe dich!, während er seine Nachrichten stets mit Hab dich lieb! beendete. Hab dich lieb war die Info für mich. Ich liebe dich, so vermutete ich, die für seine Frau. Mit Robert fest zusammenzukommen war mein dritter Wunsch für dieses Jahr.

Ich öffnete an meinem Computer die Dateien, welche ich zu bearbeiten hatte. An diesem Montag musste ich Preise in Speisekarten ändern, sollte einen Kinderkalender setzen und Preise in Werbebeilagen aktualisieren. Diese Werbeblätter wurden in irgendwelchen Zeitungen, als Beilagen mitgeliefert.

Plötzlich sah ich, wie meine sehr dünne Abteilungsleiterin mit ihrem zarten Körper mir förmlich entgegenschwebte. Es musste einen wichtigen Grund geben, persönlich an meinem Arbeitsplatz zu erscheinen, sonst klärte Daniela alles nämlich per E-Mail oder per Telefon. „Anke, ich muss dir vom Produktionsleiter Hartmut Weichert etwas ausrichten“, trillerte meine Vorgesetzte mit ihrem hohen Stimmchen.

„Bin gespannt, was es diesmal ist!“

„Vor der Betriebsversammlung will der große Chef Horst Mann einen Firmenrundgang machen. Aus diesem Grund sollst du mit zwei Lehrlingen, den Gitterkäfig in Ordnung bringen.“

„Was wird mit meiner Arbeit?“, fragte ich stinksauer. Anscheinend fiel dem Weichert immer nur mein Name ein, wenn es eine Scheißarbeit zu verrichten gab. Vermutlich, weil ich nur befristet eingestellt war.

„Es wird doch höchstens eine Stunde dauern“, bemühte sich Daniela, meine merklich aufsteigende Wut abzuschwächen. „Wenn Kathrin ein wenig Zeit hat, kann sie an deinem Rechner schnell mal eine Datei von dir abarbeiten. Ihr packt das schon. Nun beeil dich, zum Käfig zu kommen!“ Nach diesen Worten drehte sie sich um und verzog sich wieder in ihr kleines Büro. Ich schüttelte meinen Kopf und erhob mich von meinem Stuhl.

„Mach dir keine Gedanken!“, sagte Kathrin, meine Kollegin, die neben mir saß. „Du weißt doch, Daniela ist auch nur diejenige, die Weicherts Anweisungen weitergeben muss.“

„Sie könnte ihm aber auch sagen, dass wir alle genug zu tun haben. Es gibt auch noch andere Abteilungen, die mal mit Sonderarbeiten bedacht werden könnten.“

„Anke, wie soll sie sich denn gegen den Weichert durchsetzen? Sie ist 22 und der Job, den sie hier hat, ist ihr erster in einer Leitungsfunktion. Außerdem ist sie auch erst ihr zweites Jahr hier.“

„Vielleicht hast du recht, Kathrin. Bis später!“ Ich verließ widerwillig die Abteilung.

Der Käfig war ein fünf mal zehn Meter großer Gitterkäfig, in dem zahlreiche Container standen, die für die verschiedenen Abfallpapiere vorgesehen waren. Meist lagen Reste von Papierbögen und Papierschnipsel davor. Oft schon so lange, dass das Papier mit dem Betonboden eins geworden war und sich nicht so leicht entfernen ließ. Wenigstens schien an diesem Tag die Sonne. Der Produktionsleiter hätte mich auch bei Regen diese Arbeit erledigen lassen.

Am Käfig standen bereits die zwei Lehrlinge und erwarteten mich. Einer hatte einen Drahtbesen dabei, mit dem sonst das Laub draußen zusammengerecht wurde, der andere hielt sich an einem normalen Straßenbesen fest. Ich besaß nur eine Spachtel und ein paar Handschuhe. Beides hatte mir der Hausmeister gegeben, als ich ihm auf dem Weg zum Käfig begegnet war.

Wir drei Auserkorenen begannen mit der so wichtigen Arbeit. Ich versuchte, mit der Spachtel die Schnipsel vom Boden zu kratzen. Das war mühsam und nach einer Stunde schmerzte mir der Rücken. Wenig später war es geschafft und ich konnte zu meinem Arbeitsplatz zurückkehren.

Kathrin hatte inzwischen eine meiner Dateien abgearbeitet. Ich bedankte mich dafür bei ihr. Bis zur Betriebsversammlung konnte ich jetzt nur noch den Kinderkalender setzen. Die Preise in den Werbeblättern mussten bis zum nächsten Tag warten. Allerdings würde ich sie zusätzlich zu den neuen Dateien abarbeiten müssen. „Danke, Herr Weichert!“, dachte ich.

Endlich war es Zeit für die Versammlung. Im Anschluss daran wartete der Feierabend. Kathrin und ich holten uns am Getränkeautomaten schnell noch einen Becher Cappuccino, bevor wir uns zum Versammlungsraum begaben. Es hatten sich fast einhundertfünfzig Kollegen auf der Anwesenheitsliste eingetragen. Die Kollegen der Nachtschicht fehlten natürlich. Ihnen war der Schlaf wichtiger als das Gelaber, mit dem wir zu rechnen hatten. Kathrin erwähnte, dass die letzte Betriebsversammlung bereits zwei Jahre her sei. Da ich erst seit Januar dieses Jahres in der Druckerei arbeitete, war diese Versammlung die erste, die ich erleben durfte. Vorher hatte ich kaum etwas vom großen Chef, dem Herrn Mann, gehört, außer ein brummiges: „Mahlzeit“ oder „Guten Tag“, wenn wir uns zufällig auf dem Flur begegneten.

Kathrin und ich fanden in der letzten Reihe noch zwei freie Plätze nebeneinander. Wir setzten uns. Das Gemurmel der Belegschaft verstummte, als die Tür geöffnet wurde und Horst Mann, der Firmenchef, Edmund Schreiber, der Personalchef, und Dana Jakob, die Geschäftsführerassistentin, den Saal betraten. Sie nahmen auf dem Podium an einem langen Tisch mit weißer Tischdecke Platz. In der Mitte saß der Chef, klopfte auf den Tisch und erhob sich wieder. Er lief ein paar Schritte zum Mikrofon, tippte ein paar Mal darauf herum und grinste seinen neugierig gewordenen Untergebenen entgegen.

„Moin zusammen! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen“, begann er seine Ausführungen. Er stand lässig vor dem Mikro und hatte eine Hand in der Hosentasche. Sein Jackett spannte über seinem nicht zu übersehenden Bauch. Mit der anderen Hand schob er sich seine Brille zurück auf die klumpige, rote Nase und setzte seine Rede fort: „Es gibt einen positiven Anlass, hier wieder einmal zusammenzukommen! Ich muss mich ein bisschen zurückhalten, um nicht vor Freude zu platzen. Liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, ich kann es mit Fug und Recht preisgeben: Wir haben Amerika entdeckt! Zugegeben, ich bin nicht Kolumbus, aber wir haben den amerikanischen Markt erschließen können. Ja, so ist es!“, betonte Herr Mann, der ohne Notizen frei zu uns sprach. „Wir haben etwas geschafft, was allergrößten Respekt verdient. Daran haben Sie, liebe Kollegen, einen entscheidenden Anteil. Kurz und gut, ich will Sie nicht länger auf die Folter spannen. Die ausgezeichnete Qualität unserer Printerzeugnisse hat sich bis in die USA herumgesprochen. Wir arbeiteten bisher für einige Länder Europas, ich nenne hier nur den Reisekatalog für das österreichische Busunternehmen Wiegand-Reisen. Jetzt aber wird es ein neu gegründetes, amerikanisches Unternehmen sein, das eine Zeitschrift auf den hart umkämpften Markt bringen wird. Diese Zeitschrift heißt Beautiful Worldpeople. Das ist noch nicht das Besondere. Bitte halten Sie sich fest: Es ist eine vierteljährliche Auflage von vierzehn Millionen Stück geplant.“

Ein Raunen der Kollegen war zu hören.

„Später wird noch eine Kinderzeitschrift namens Beautiful Worldkids dazukommen“, setzte unser Geschäftsführer seine Rede fort. „Allerdings mit einer geringeren Auflage. Der Vertrag wird im September in den USA unterschrieben. Diese unsere betriebliche Zukunft sichernde Maßnahme erfordert eine immense Investition. Wir haben vier Offset-Druckmaschinen gekauft und zwei neue Heftmaschinen. Dafür wird in Kürze eine neue Produktionshalle entstehen, in der ausschließlich für Amerika produziert wird. Und ich verrate nicht zu viel, wenn ich Ihnen mitteile, dass das Lichtkonzept bereits steht. Sobald die Halle fertig ist, bekommen wir die Druckmaschinen und die Heftmaschinen geliefert. Das, was ich Ihnen nun berichtet habe, hat auch personelle Konsequenzen. Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit und bitte dich, Edmund, noch ein paar Worte an unsere Belegschaft zu richten. Ich wünsche uns viel Kraft, die bevorstehenden Aufgaben so zu bewerkstelligen, wie es sich für unsere Offset-Mann GmbH geziemt. Wie sagen wir Hamburger Jungs gern: Wat mut, dat mut!“

Beifall erfüllte den Saal. Herr Mann war auf dem Weg zu seinem Platz. Bevor er sich setzte, umarmte er Edmund Schreiber, der sich von seinem Platz erhoben hatte. Der kleine, etwas dicke, fast glatzköpfige Personalchef begab sich ans Mikrofon, das er erst einmal umständlich auf seine Größe einstellen musste.

„Liebe Kollegen, ich will die Versammlung nicht zu sehr ausdehnen, schließlich will die Frühschicht nach Hause und die Spätschicht voller Elan an ihre Arbeit gehen. Es ist mir eine ganz besondere Freude, Ihnen mitteilen zu können, dass durch dieses Geschäft mit den Amis Ihre Arbeitsplätze langfristig gesichert sind. Es wird notwendigerweise sogar Neueinstellungen geben müssen. Und unseren befristet eingestellten Kollegen und Kolleginnen kann ich die Zusage geben, dass ihre Arbeitsverträge in eine unbefristete Festanstellung übergehen werden. Ich wünsche uns allen den nötigen Elan, schließlich sitzen wir alle im selben Boot. Alle Mitarbeiter unserer Druckerei sind gleichwertig, wir alle begegnen uns auf Augenhöhe. Das waren erst einmal meine Ausführungen. Na dann, frohes Schaffen!“ Edmund Schreiber lief zu seinem Platz zurück, während sich der Geschäftsführer noch einmal erhob.

„Ich habe noch etwas Wichtiges vergessen“, sagte er mit einem breiten Grinsen. „Meine Assistentin, die gute Dana, hat mich daran erinnert: Im August wird es ein großes Sommerfest geben. Genaue Informationen werden wir noch aushängen. Das Geld für so eine Feier werden wir durch den Amerikaauftrag locker wieder hereinholen. Ich bin Optimist, seien Sie es auch! Danke, damit ist die Versammlung beendet.“

In mein Gesicht zog ein Lächeln.

„Freust du dich wegen des Sommerfestes?“, fragte mich Kathrin.

„Das ist schön, aber du hast keine Ahnung, was es mir bedeutet, übernommen zu werden, endlich wieder einen festen Arbeitsvertrag zu bekommen!“

Wenn die vor wenigen Minuten angekündigten Aussichten wahr werden sollten, würde einer meiner drei Wünsche in Erfüllung gehen.

Kathrin und ich liefen zu unserem Umkleideraum, als uns Hartmut Weichert über den Weg lief. Wir sagten wie aus einem Mund: „Tschüss“, als wir an ihm vorbeiliefen.

„Moment mal!“ Er warf einen Blick auf seine Armbanduhr. „Ihr habt doch noch zehn Minuten Zeit ...“

„Wir müssen uns auch noch umziehen!“, unterbrach ihn Kathrin.

„Nein, nein, Fräulein, die Arbeitszeit beginnt und endet am Arbeitsplatz! Du kannst gehen. Frau Klein, Sie müssten allerdings noch einmal schnell in die Materialausgabe und zwei Kartons Sprühkleber holen. Wenn Sie diese der Daniela gebracht haben, können Sie natürlich auch nach Hause.“

„Wie nett!“, zischte ich.

Weichert ließ mich stehen, ohne etwas zu erwidern, und verschwand.

„Warte“, sagte Kathrin, „ich helfe dir! Die Kartons sind doch sauschwer!“

Ich bedankte mich bei meiner Kollegin.

Auch Daniela bedankte sich bei uns, als wir mit vier Kartons Sprühkleber in ihr Büro kamen. Sie sagte uns, dass sie Hartmut Weichert eine E-Mail geschrieben habe bezüglich des Sprühklebers. Er hätte geantwortet, dass er sich darum kümmern würde. Das hatte er ja wohl auch getan – auf unsere Kosten.

An diesem Tag verließen Kathrin und ich sogar eine Viertelstunde später die Druckerei als sonst. Meine Kollegin verabschiedete sich von mir am Firmentor, wo ihr Mann schon mit seinem Auto stand, um sie abzuholen.

Auf der Fahrt nach Hause konnte ich ein Lächeln nicht unterdrücken. Es könnte doch noch mein Glücksjahr zu werden: die Aussicht auf eine Festanstellung, glückliche Zeiten mit Robert, der sich von seiner Frau getrennt haben würde, und ein besseres Verhältnis zu meiner Mutter!

„Alles wird gut!“, sagte ich mir und verbesserte mich sofort: „Quatsch: Alles ist gut!“

*

2

Die Woche zog sich wie Kaugummi unter einer Schuhsohle. Es war erst Donnerstag, Kathrin und ich passierten die Wache. Endlich Feierabend, schönes Sommerwetter und gute Laune, die ich seit Tagen in mir gebunkert hatte. Die Glückshormone, die plötzlich wieder zum Leben erwacht waren, flippten aus. So gut hatte ich mich seit einer Ewigkeit nicht mehr gefühlt. Ich beeilte mich, schnell vom Firmenparkplatz zu kommen. Wegen der vielen guten Neuigkeiten hatte ich am Abend zuvor meine Freundin Verena angerufen und sie eingeladen. Sie wollte bereits am Telefon wissen, worum es ging. Ich verriet nichts. Wir verabredeten uns im Café am Markt, unserem Lieblingscafé.

Ich war vor meiner Freundin am verabredeten Treffpunkt. Viele freie Plätze gab es draußen nicht mehr. Das schöne Wetter war schuld daran, dass zahlreiche Menschen die gleiche Idee hatten wie wir. Ich hielt nach zwei freien Plätzen Ausschau. Die gab es aber nicht. Nach fünf Minuten, die ich wartete, erhob sich ein älteres Ehepaar und sein Tisch wurde frei. Kaum hatte ich mich gesetzt, kam Verena. Sie sah umwerfend aus. Der kurze, hellblaue Rock und die weiße Bluse waren der Grund, warum alle anwesenden Männer sich den Kopf verdrehten. Es kam mir so vor, als hätten sie Witterung aufgenommen, wie die Hirsche während der Brunft, wenn sie ein Weibchen witterten. Verena und ich begrüßten uns. Ich stand auf und wir hauchten uns rechts und links Küsschen auf die Wangen.

„Los, erzähle, was es für Neuigkeiten gibt!“, bedrängte mich meine Freundin. „Du hast mich neugierig gemacht.“

Gerade als ich damit beginnen wollte, erschien die Bedienung und wir bestellten uns jeder einen Cappuccino und einen Erdbeereisbecher mit Schlagsahne. Bei dem Eisbecher war in der Eiskarte vermerkt, dass es dazu frisch geerntete Erdbeeren gab. Ich fand, dass Erdbeeren zum Sommer gehörten wie Sonne, Baden und Sonnencreme. Es würden sich wieder ein paar Fettpölsterchen nach dem Eisbecher zu den anderen dazugesellen. Man konnte eben nicht alles haben! Wer sich jeden Genuss verbot, konnte sich gleich begraben lassen. Ich musste mir allerdings mehr Gedanken über zu viele Kalorien machen als Verena, die mit einer super Figur gesegnet war. Ich nahm schon zu, wenn ich Schlagsahne nur ansah.

„Was denkst du, mit welchen Neuigkeiten ich dich überraschen möchte?“, fragte ich Verena. Meine Freundin zog die Augenbrauen hoch und auf ihrer Stirn bildeten sich ein paar Falten.

„Du hast dich endlich von diesem bescheuerten Robert getrennt?“, begann sie ihre Vermutung mit dieser unangenehmen Frage.

„Nein, verdammt noch mal! Das habe ich nicht!“ In diesem Punkt verstand ich keinen Spaß. Verena konnte da nicht mitreden. Sie war seit Jahren verheiratet und, welch Wunder, glücklich! Ihren Mann Steffen kannte sie bereits seit der Schulzeit. Sie waren damals ein paar Mal zusammen im Kino gewesen. Ein paar Küsschen, mehr war damals nicht, so hatte sie es mir einmal erzählt. Vor zehn Jahren sahen sie sich auf einem Klassentreffen das erste Mal wieder. Sie verabredeten sich, waren wie früher ins Kino gegangen und landeten danach bei ihm zu Hause. Seitdem waren sie ein glückliches Paar. Vor fünf Jahren hatten sie geheiratet. Meine Freundin hatte mir an meinem 40. Geburtstag gesagt, dass es in meinem Alter kaum noch möglich wäre, einen geeigneten Mann zu finden. Ich musste ihr, jetzt, fünf Jahre später, recht geben. Ich hatte in den letzten Jahren immer mal wieder einen Mann kennengelernt, aber die längste Zeit, die ich es mit einem aushielt, waren drei Monate gewesen. Es lag nicht nur an diesen Typen, ich hatte auch keine Lust mehr, etliche Kompromisse einzugehen. Ich brauchte keinen Couch-Potato, der jeden Samstag die Bundesligaspiele sehen musste, ich wollte keinen Mann, der nur gut drauf war, wenn er genug Alkohol im Blut hatte. Genauso wenig hatte ich Interesse an einem Typ, der im Bett zwar gut war, aber dessen IQ gerade mal der Länge seines besten Stückes entsprach. Ich behauptete dabei nie, dass meine Beziehung zu Robert perfekt war. Er war verheiratet und hatte zwei Kinder. Immer wieder beteuerte er mir, dass zwischen ihm und seiner Frau nichts mehr liefe ... und er sich nur wegen der Kinder nicht zu trennen vermochte! Robert war es aber, der mich wirklich glücklich machte. Und das sagte ich meiner besten Freundin jetzt deutlich.

Verena zog die Mundwinkel breit und schüttelte ihren hübschen Kopf. „Okay, was gibt es sonst Neues?“

Ich erzählte ihr von unserer Betriebsversammlung und was da zur Sprache gekommen war. Dabei betonte ich, wie sehr ich mich über die Festanstellung freuen würde. Trotz der ständigen kleinen Schikanen von Weichert, unserem Produktionsleiter, arbeitete ich gern in der Druckerei. Die Arbeit machte mir Spaß. Als ich mit der Schilderung meiner voraussichtlichen glücklichen Zukunft fertig war, schwieg meine Freundin. Plötzlich zog ein Lächeln in ihr Gesicht und sie beglückwünschte mich. Allerdings sagte sie auch, dass ich mich mit angezogener Handbremse freuen sollte, schließlich hätte ich noch nichts schwarz auf weiß. Ich wollte davon nichts hören, wollte mir meine rosaroten Zukunftsaussichten nicht madig reden lassen. Verena bemühte sich, das Thema zu wechseln, und sagte, dass wir mit dem Wetter großes Glück hätten. Ich stimmte ihr zu und sah zum blauen, wolkenlosen Himmel. Schwalben tanzten in der Luft und flogen immer höher, bis sie nur noch als kleine schwarze Punkte zu sehen waren. Wir hatten unsere Cappuccino getrunken und auch den Inhalt unserer Eisbecher erfolgreich vernichtet. Verena wollte mir meine Freude nicht vermiesen. Sie klopfte mir an den Oberarm. „Diese Neuigkeiten müssen begossen werden!“

Minuten später saßen wir in der Sommersonne und tranken Prosecco. Bei einem Glas blieb es nicht! Ein zweites Glas würde uns nicht umhauen, behauptete Verena. Wir wurden übermütig und kicherten über Belanglosigkeiten, machten uns über einzelne, vorbeilaufende Leute lustig. Das lag vermutlich am Alkohol – und die Sonne tat ihr Übriges. Kurz bevor wir unser zweites Glas Prosecco getrunken hatten, wurde Verena plötzlich wieder ernst und redete noch einmal auf mich ein, dass ich einen besseren Mann verdient hätte als Robert. Ich erwiderte darauf, dass er mir versprochen habe, sich im kommenden Januar von seiner Frau zu trennen. Überschwänglich schilderte ich ihr mein nächstes Jahr, so wie ich es mir ausmalte. Ich pries meine Zukunft mit Robert, schwärmte von meiner Festeinstellung bei der Druckerei Offset-Mann und dass ich mit meiner Mutter gut zurechtkommen würde. Außerdem wäre ich im kommenden Jahr schon deshalb glücklich, weil ich den besten Menschen auf dieser Welt als meine Freundin besitzen würde.

„Du bist so lieb!“, antwortete Verena auf meine Zukunftsschilderung, die vermutlich durch den Prosecco noch euphorischer ausfiel. Sie legte ihre Hand auf meine und sagte: „Ich wünsche mir nichts sehnlicher für dich, als dass alles so wird, wie du es dir vorstellst!“

Meine Freundin wollte unbedingt die Rechnung übernehmen. Ich leistete keinen Widerstand. Zufrieden über den schönen, gemeinsamen Nachmittag verabschiedeten wir uns voneinander.

Da das Glück auf meiner Seite zu sein schien, dachte ich mir, dass es mir auch beistehen würde, wenn ich trotz des Proseccos die zwei Kilometer bis zu mir nach Hause mit dem Auto fuhr. Ohne einen Zwischenfall kam ich vor meinem Wohnblock an. Ich vermutete, das Glück gerade gepachtet zu haben. Und die Aussicht, bereits zwei Tage später von Robert verwöhnt zu werden, ließ meine Glückshormone durchdrehen.

*

3

Endlich war Freitag! Ich stieg in mein Auto und fuhr müde, aber immer noch mit einem unbeschreiblichen Glücksgefühl zur Druckerei. Dass noch acht Stunden Arbeit vor mir lagen, störte mich nicht. Die Vorfreude auf das morgige Treffen mit Robert konnte durch nichts getrübt werden.

Der Arbeitstag ähnelte den vorherigen dieser Woche. Ich holte mir von Daniela meinen zu bearbeitenden Dateienausdruck ab und fing mit der Arbeit an. Ich musste ein paar Ansichtskarten für einen kleinen Verlag retuschieren. Auf einem Foto stand ein Baugerüst vor einer Kirche, das ich im Bildbearbeitungsprogramm entfernen musste. Auf einem anderen Bild passte dem Auftraggeber der graue Himmel nicht. Also suchte ich in unserem digitalen Bilderarchiv nach einem blauen Himmel mit ein paar Wölkchen. Ich musste gar nicht lange suchen, bis ich einen geeigneten Himmel fand. Den fügte ich so in das Bild ein, dass es echt wirkte. Ich kam gut voran. Meine Gedanken reisten schon zum Samstag – zum Treffen mit Robert.

Beim Frühstück, das ich zusammen mit Kathrin einnahm, schwärmte ich vom bevorstehenden Wochenende. Sie wusste, dass ich mich regelmäßig mit Robert traf. Was sie nicht wusste, war die Tatsache, dass er verheiratet war. Sie hatte mich schon öfter einmal gefragt, warum wir nicht zusammenzögen. Ich wich ihr immer wieder aus. Die Pause ging schnell um. Die danach folgenden Stunden bis zum Feierabend allerdings nicht. Immer wenn ich zur Uhr über unserer Bürotür sah, hatte ich das Gefühl, dass es eigentlich schon viel später sein müsste. Nervig!

Es war fast Mittag, als ich feststellte, dass mein Vorrat an Arbeitsnachweisprotokollen aufgebraucht war. In diesen Protokollen mussten wir unsere abgearbeiteten Aufträge eintragen, wie viel Dateien bearbeitet wurden und in welcher Zeit. Mir blieb nichts anderes übrig, als im Büro unserer Abteilungsleiterin neue zu holen. Die Dateien mit den Fotos, die ich bis zu diesem Zeitpunkt bearbeitet hatte, hatte ich mir auf einem kleinen Zettel notiert. Um zum Feierabend mit der gesamten Schreiberei nicht in Stress zu kommen, wollte ich meine bis zu diesem Zeitpunkt erledigten Arbeiten eintragen.

Daniela, unsere Abteilungsleiterin, saß vor ihrem Computer und starrte auf den Bildschirm, während ich hockend in den zahlreichen Schüben ihres Büroschrankes nach den Protokollvordrucken suchte. Plötzlich wurde die Tür aufgerissen und der Produktionsleiter Hartmut Weichert kam herein. Er schien mich gar nicht zu bemerken, als er zu Daniela sagte: „Wir müssen am Samstag, also morgen, eine Zusatzschicht fahren ...“

„Das ist aber sehr kurzfristig!“, unterbrach ihn Daniela.

„Ja, aber es muss sein. Der Reisekatalog für Wiegand-Reisen muss Anfang nächster Woche in Druck gehen.“

Als ich den Produktionsleiter hörte, stieg in mir Wut auf. Schon der Satz: „Wir müssen eine Zusatzschicht fahren“, war eine Lüge. Der Weichert meinte: „Ihr müsst eine Zusatzschicht absolvieren, während ich mein Wochenende genieße.“

„Der Auftrag wurde vorgezogen!“, setzte Weichert seine Ankündigung fort. „Doch vor dem Druck muss die Druckvorstufe ran. Ihr müsst am Samstag alles fertig bekommen, die Druckplatten müssen hergestellt werden und die Dummys fürs Layout geklebt werden. Noch Fragen?“

Daniela runzelte ihre Stirn. „Da muss ich die Frauen mal fragen, wer Lust hat, eine Zusatzschicht zu machen.“

Weichert stemmte seine Arme in die Hüfte und sein Gesicht färbte sich krebsrot. „Du musst nicht fragen, du musst nur anweisen! Du bist die verantwortliche Leiterin! Alles klar?“

Daniela nickte und vermied es, etwas darauf zu erwidern.

Mir rutschte eine Schublade beim Schließen aus der Hand. Das daraus resultierende Geräusch verriet meine Anwesenheit.

„Die Frau Klein ist hier? Aha, ein Spion also! Die ist so klein, dass ich sie glatt übersehen habe. Aber, wenn die Anke schon mitbekommen hat, was ich auf dem Herzen habe, kann sie es gleich ihren Kolleginnen mitteilen.“ Weichert verließ mit grinsendem Gesicht das Büro unserer Abteilungsleiterin, die mich anstarrte.

„Du hast gehört, was er gesagt hat, da müssen wir in den sauren Apfel beißen!“

„Wieso sagt ihr immer wir?“, platzte es aus mir heraus. „Der Weichert und du, ihr werdet bestimmt keine Zusatzschicht machen müssen. Das sind immer nur wir Frauen, die vielleicht auch am Wochenende bereits etwas geplant haben.“

„Mag sein. Aber dafür habe ich nicht sechs Semester Mediendesign studiert. Wenn ihr nicht genug Kolleginnen wärt, um die Arbeit zu bewältigen, würde ich mitmachen. Sehe aber auch keine Notwendigkeit“, gab sie zurück. „Du hast doch keine Familie. So wird es dir wenigstens nicht langweilig. Außerdem gibt es fünfzig Euro extra!“

„Na danke, die sind auch noch Brutto! Was bleibt davon schon übrig?“

„Anke, wenn du jetzt rausgehst, kannst du deinen Kolleginnen gleich die Nachricht überbringen.“

Ich musste mich stark bremsen, um ihr nicht meine Meinung an den Kopf zu schleudern. Ihr konnte es egal sein, ob ich Familie hatte oder sonst etwas. Ich musste mich doch nicht rechtfertigen, warum ich keinen Bock auf eine Zusatzschicht hatte. Die würde das ganze Wochenende mit ihrem Mountainbike unterwegs sein, ihre Smoothies in sich hineinschlürfen und sich abends irgendwelche Schnulzen reinziehen. „Die tolle Neuigkeit kannst du den Frauen selbst mitteilen“, sagte ich patzig. „Ich weiß jetzt schon, wie die reagieren werden.“

Daniela stöhnte: „Na ja, dann muss ich mal zu euch kommen!“

Ich verließ mit den Arbeitsnachweisprotokollen das Büro und lief zu meinem Arbeitsplatz. Dort warf ich die Vordrucke auf meinen Schreibtisch und ließ mich auf meinen Stuhl plumpsen.

„Was ist denn los?“, erkundigte sich Kathrin. „Du machst ein Gesicht, als würde die Welt untergehen! Hey, wir haben gleich Wochenende!“

„Da lass dich mal überraschen. Daniela wird gleich zu uns kommen und uns etwas sehr Wichtiges mitteilen!“

„Bin ja mal gespannt“, sagte Kathrin und tippte wieder auf der Tastatur ihres Computers herum.

Wenige Minuten später kam Daniela und baute sich in der Mitte unseres Großraumbüros auf. Alle starrten sie erwartungsvoll an, außer ich, da ich wusste, um was es ging.

Kaum hatte unsere Abteilungsleiterin die Zusatzschicht angewiesen, hagelten lautstark Einwände auf sie ein. Die meisten Kolleginnen riefen, dass sie bereits etwas geplant hätten. Die Aufzählung reichte vom Wochenendeinkauf über Familienbesuche bis zu Garteneinsätzen. All diese Argumente wurden von Daniela im Keim erstickt, als sie sagte: „Ihr könnt zu Herrn Weichert gehen und euch dort beschweren. Von mir kam die Anweisung nicht. Bevor ihr Feierabend macht, kommt ihr bitte in mein Büro. Dort werde ich die Arbeitseinteilung für morgen vornehmen. So, nun könnt ihr weitermachen.“

Kathrin sah mich an und blies ihre Wangen auf.

„Jetzt machst du ein Gesicht, als würde die Welt untergehen!“, getraute ich mich, zu sagen.

„Die spinnen doch!“, brüskierte Kathrin sich. „Wir sind doch nicht deren Leibeigene!“

Die ganze Aufregung half nichts. Ich nahm mir vor, gleich, wenn ich nach Hause käme, Robert eine Nachricht zu schreiben, dass ich am Samstag erst am späten Nachmittag in Drömelig erscheinen würde.

Kurz bevor wir unsere Abteilung verließen, meldeten wir uns bei Daniela, die jeder einzelnen von uns zwölf Mitarbeiterinnen der Druckvorstufe eine Arbeit für den Samstag zuwies. Ich sollte Druckplatten belichten, Kathrin musste die Filme dafür herstellen. Wir sahen uns alle an und in jedem unserer Gesichter war die Wut abzulesen, die wegen der Zusatzschicht in uns kochte.

Am Nachmittag legte ich mir schon die Sachen zurecht, die ich beabsichtigte, nach Drömelig anzuziehen, und rasierte meine Beine. Dafür würde morgen keine Zeit mehr sein. Durch die Zusatzschicht war die Freude aufs Wochenende deutlich getrübt. „Na gut“, dachte ich, „wenn du das Ufer erreichen willst, musst du schwimmen!“

Es war Samstag früh um vier, als mein Wecker das erste Mal in Aktion trat. Am liebsten hätte ich ihn gegen die Wand geworfen. Was musste man im Leben falsch gemacht haben, um an einem Samstag in aller Frühe zur Arbeit gehen zu müssen? Das Letzte, was ich am Abend zuvor im Fernsehen gesehen hatte, war der Wetterbericht, der ein sonnenreiches Wochenende ankündigte. Noch ein Grund mehr, sich aufzuregen: bei so schönem Wetter zusätzlich arbeiten zu müssen!

Mir gelang es in einer halben Stunde, im Bad mit der provisorischen Restauration meines Körpers fertig zu werden, trank im Stehen meinen Kaffee und verließ danach die Wohnung. Die Sonne kletterte über den Horizont und am Himmel zog eine kleine Herde winziger Wolkenschäfchen vorüber. Ich sah eine Möwe, die in Richtung Küste unterwegs war. Gern hätte ich sie zu meinem Lieblingsstrand in Dorschow begleitet, um dort den Sonnenaufgang zu bewundern.

Eine Dreiviertelstunde, nachdem ich zu Hause losgefahren war, stand ich an der Belichtungsmaschine in der Druckerei und legte nacheinander die Druckplatten und die Filme hinein und wartete, bis die Platten endlich belichtet waren. Alle dreißig Minuten kam Kathrin zu mir, um mir die entwickelten Filme zu geben. Sie sprach kaum ein Wort und wenn, dann kamen nur Flüche aus ihrem Mund. Das Wort, das ich von ihr wohl an die dreißig Mal hörte, lautete: „Scheißladen!“

Endlich war auch diese Schicht vorüber. Ich beeilte mich, so schnell wie möglich aus der Druckerei zu kommen. Am Firmenausgang verabschiedete ich mich von Kathrin. In meinem Auto sah ich erst einmal auf mein Handy. Robert hatte gestern nach meiner Ankündigung, dass ich erst am Nachmittag in Drömelig sein würde, nicht geantwortet. Nun aber blinkte ein kleines, blaues Lämpchen an der oberen Seite meines Mobiltelefons, um mir eine eingegangene Nachricht anzukündigen. Ich öffnete sie und las:

Mein Liebling, ich werde sehnsüchtig auf dich warten. Beeile dich nach deiner Zusatzschicht! Der kleine Robert und ich können es kaum noch aushalten!

Die Nachricht hatte er erst vor einer halben Stunde in sein Handy getippt. „Na toll“, dachte ich, „erst die Zusatzschicht, mich zu Hause schnell umziehen und zurechtmachen, dann die Fahrt nach Drömelig bei gefühlten vierzig Grad und anschließend zur Befriedigung des kleinen Roberts meinen Beitrag leisten.“ Ich fragte mich, warum konnte ich nicht ein normales Leben führen, so wie meine Freundin Verena?

*

4

Neben dem Ortseingangsschild von Drömelig stand eine große Werbetafel. Darauf las ich: Erholen Sie sich gut in unserer Gemeinde! Ich war mir nicht sicher, ob die knapp vierundzwanzig Stunden, die ich beabsichtigte, hier zu verbringen, zu meiner Erholung beitragen würden.

Endlich erreichte ich die Pension Zum Nestchen und fand sogar noch einen Parkplatz. Ich war platt von der Arbeit und mir lief der Schweiß in Sturzbächen den Rücken hinunter. Ich sah hinauf zu unserem Zimmer, das Robert immer buchte. Er winkte mir. Keine Ahnung, wie lange er so dort schon stand und auf mich wartete?

Ich nahm meine Handtasche, hievte den Trolley aus dem Kofferraum und begab mich in die Pension. Nachdem ich Frau Kuppmann an der kleinen Rezeption begrüßt hatte, schleppte ich mich und meinen Trolley in die zweite Etage. Kaum hatte ich die Tür unseres Zimmers hinter mir geschlossen, stürzte Robert sich auf mich. Er umarmte mich, besser gesagt, – er umklammerte mich und küsste mich wie ein Verrückter.

„Lass mich erst einmal Luft holen“, keuchte ich.

„Hast du schon etwas gegessen?“, fragte er mich und entließ mich aus seiner Umarmung.

„Wann sollte ich denn etwas essen? War gleich nach der Arbeit kurz in meiner Wohnung, den gepackten Trolley holen, und bin dann sofort hierhergefahren. Großen Hunger habe ich nicht, aber eine Kleinigkeit könnte ich schon vertragen!“

Robert küsste mich erneut. Sein Kuss schmeckte nach Pfefferminzkaugummi. Ich liebte den Geschmack seiner Küsse! Obwohl ich todmüde und erschöpft war, fühlte ich eine Lust auf Zärtlichkeit in mir aufsteigen. Mir war bewusst, wenn ich ihm nur eine Andeutung diesbezüglich machen würde, fiele er über mich her. Robert unterschied sich in diesem Punkt nicht so sehr von anderen Männern: Reichte man den kleinen Finger, rissen sie dir den Arm raus! Ich hielt mich mit einer Andeutung, dass ich gegen etwas Zärtlichkeit nicht abgeneigt wäre, zurück.

Weil die Sonne sich immer noch große Mühe gab, entschieden wir uns, draußen vor dem Restaurant unserer Pension unsere Mahlzeit einzunehmen. Unter einem der großen Sonnenschirme fanden wir einen freien Tisch. Es wehte kein Lüftchen. Ich beobachtete ein halbes Dutzend Schwalben, die zu ihren Lehmnestern flogen, die sie unterhalb des Dachgiebels gebaut hatten.

Robert und ich saßen erst seit ein paar Minuten, als eine kleine, untersetzte, heftig geschminkte Kellnerin kam und uns fragte, was wir zu trinken beabsichtigen. Mein Freund bestellte sich ein Bier und ich eine Apfelschorle. Wir entschieden uns auch gleich für eine Speise. Robert wollte eine Nudelpfanne, während mir eine Gulaschsuppe erst einmal genügte. Es war noch später Nachmittag und zu früh fürs Abendessen.

Die Kellnerin brachte kurze Zeit später die Getränke. Wir prosteten uns zu. „Auf ein schönes, intensives Wochenende!“, sagte Robert und lächelte. Dabei glänzten seine braunen Augen. Ich liebte diesen Gesichtsausdruck an ihm. Er schien wirklich glücklich zu sein, wenn wir zusammen waren. Plötzlich zog er sein Portemonnaie aus seiner Hosentasche. „Schau mal“, sagte er und fischte zwei Fotos heraus. „Kevin ist jetzt schon dreizehn Jahre alt und Leonie ist zehn!“

Ich bestätigte ihm, dass sie niedlich seien. Das waren sie auch. Besonders der Junge, der Roberts Gesichtszüge aufwies. Dennoch nervte es mich, bei jedem unserer Treffen seinen Nachwuchs ansehen zu müssen.

„Wenn du dich im nächsten Jahr von deiner Frau trennen wirst, so hast du es mir versprochen, wirst du deine Kinder weniger zu Gesicht bekommen. Ist dir diese Tatsache bewusst?“

Robert legte seine Hand auf meine, musste sie aber wieder zurückziehen, weil unser Essen serviert wurde.

Ich löffelte meine Gulaschsuppe, obwohl ich plötzlich keinen Hunger mehr spürte, und sah Robert in seine schönen Augen. „Du hast mir noch nicht geantwortet!“

Er legte sein Besteck zur Seite. „Ich könnte damit nicht leben. Meine Kinder sind mein Ein und Alles!“

„Was heißt das?“, bohrte ich weiter.

„Dass ich meine Frau nicht mehr liebe, habe ich dir schon hundertmal gesagt. Da läuft auch nichts mehr, keine Zärtlichkeiten, keine Küsse und von Sex ganz zu schweigen. Manchmal fühle ich mich wie ein störender Fremdkörper in meinem eigenen Haus. Aber auf meine Kinder verzichten, nein, das könnte ich nicht!“

„Hast du schon mit deiner Frau gesprochen und habt ihr eine Einigung erreicht, was den Umgang mit den Kindern angeht?“

Robert wandte seinen Blick von mir ab und schien zu überlegen. „Ich habe mit Olivia noch nicht gesprochen. Sie ahnt nicht, dass ich mich trennen werde ...“

„Die ist doch nicht blöd!“, unterbrach ich ihn „Sie wird doch etwas bemerken. Oder hast du das Gefühl, dass sie mit eurer Ehe zufrieden ist?“

„Jedenfalls lässt sie sich nichts anmerken. Fest steht, ich werde mich trennen! Vielleicht nehme ich ein Kind zu mir. Und alle halben Jahre tauschen wir die Kinder.“

„Das ist für die Kinder totaler Mist. Die brauchen einen festen Bezugspunkt und wollen sich nicht alle sechs Monate auf einen neuen Ansprechpartner einstellen müssen.“

Robert stocherte mit seiner Gabel in seiner Nudelpfanne herum. „Hast du eine bessere Lösung?“

„Wenn du deine beiden Kinder alle zwei Wochen übers Wochenende zu dir nimmst ...“

„Vergiss es!“, unterbrach er mich. „Das wäre mir zu wenig. Ich muss mir noch eine Lösung überlegen. Nun lass uns von etwas anderem reden! Was ist denn bei dir auf Arbeit los?“

Das von ihm angesprochene Thema fand ich auch nicht gerade prickelnd. Deshalb schilderte ich ihm kurz, warum wir eine Zusatzschicht machen mussten, und erzählte ihm von unserem Amerikaauftrag. Meine Stimmung besserte sich wieder, als ich Robert vorschwärmte, dass ich mit ziemlicher Sicherheit von der Druckerei eine Festeinstellung erhalten werde.

„Lass uns diese Neuigkeit heute Abend feiern“, schlug Robert vor. „Wir gehen irgendwo in eine Nachtbar, trinken Sekt und tanzen bis zur Erschöpfung!“

„Tolle Idee! Danke, ich freue mich!“, log ich. Allerdings befürchtete ich, dass wir nicht lange tanzen müssten, bis ich erschöpft umfallen würde. Schließlich war ich seit morgens um vier auf den Beinen.

Robert schien meine Gedanken erraten zu haben. Wir hatten gegessen und unsere Getränke getrunken. Deshalb schlug er vor, in die Pension zurückzukehren, um uns ein Stündchen hinzulegen. Ich war einverstanden, befürchtete allerdings, dass wir uns zwar hinlegen würden, aber wohl nicht zum Schlafen kämen.

Eine halbe Stunde später, wir hatten beide geduscht, lagen wir in unseren Betten. Ich verzichtete auf mein verführerisches Nachthemdchen, wollte es erst während der Nacht anziehen. Nur mit Slip und ohne BH kuschelte ich mich in das frisch duftende Bettzeug. Es dauerte nur Sekunden und Robert hob meine dünne Bettdecke hoch, um zu mir herüberzurutschen. Ich hatte ihm den Rücken zugekehrt und war bereits in der Übergangsphase vom Wachsein in einen Tiefschlaf. Er drücke sich an mich. In der Löffelchenstellung konnte ich eigentlich gut einschlafen. Sie gab mir immer das Gefühl, beschützt zu sein. Doch jetzt fühlte ich deutlich, dass ein Körperteil von Robert nicht gewillt war, zu schlafen. Plötzlich suchte eine Hand meine Brüste. Weil sie vermutlich unverändert immer noch an der gleichen Stelle waren wie sonst, kroch seine Hand weiter an meinem Körper hinunter in mein Höschen und knetete sanft meinen Po.

Was sollte ich tun? Ich hatte in diesem Moment wirklich keine Lust auf Sex. Allerdings wollte ich Robert auch nicht vor den Kopf stoßen. „Ich bin so gut wie tot“, sagte ich schließlich. „Wir haben doch noch die ganze Nacht für uns! Und mit einer Toten wird es dir jetzt auch keinen Spaß machen!“

„Du hast recht! War blöd von mir! Aber ich werde wahnsinnig, wenn ich dich so spüre wie jetzt in diesem Moment. Allerdings habe ich auch noch nie darauf bestanden, mit einer Leiche Sex zu haben. Schlaf gut!“

Ich drehte meinen Kopf zu ihm, so weit es möglich war, also bis meine Halswirbel knackten, gab ihm einen flüchtigen Kuss und bedankte mich. Wenig später verebbte seine Anspannung und sein forderndstes Körperteil zog sich zurück. Ich schlief sofort ein!

Es war bereits nach achtzehn Uhr, als mich Robert weckte. Ich hatte geschlafen wie ein Stein. Taumelig begab ich mich ins Bad, um mich frisch zu machen. Allmählich fühlte ich mich wieder wie ein Mensch.

Robert nahm mich in seine Arme, als ich nackt aus dem Bad kam und küsste mich sehr lange. Ich hatte ein Gefühl, dass er nur auf ein Signal von mir wartete, das ihm erlaubte, über mich herzufallen. Dieses Signal gab ich ihm nicht. Ich löste mich von ihm und fischte aus meinem Trolley, in dem ich das Nötigste eingepackt hatte, die Klamotten, die ich am Abend anziehen wollte, wenn wir ausgingen.

Robert fragte mich: „Wollen wir gleich zum Essen fahren? Am Ortseingang hat ein kleines Restaurant eröffnet. Vielleicht bekommen wir dort einen Tisch.“

„Ich bin eigentlich noch von vorhin satt. Wir können doch das Auto stehen lassen und dorthin laufen. Es ist so schönes Wetter. Mit dem Essen möchte ich gern noch warten!“

Er war einverstanden. Wir liefen Hand in Hand an schönen, kleinen, reetgedeckten Häusern mit sauberen und sehr gepflegten Vorgärten vorbei. Nach einer Dreiviertelstunde erreichten wir das Restaurant und gingen hinein. Die einzelnen Tische waren in kleinen Separees voneinander getrennt. Über den Tischen hingen Kupferlampen und spendeten nur ein spärliches Licht. Ein Herr mit langen, grauen Haaren, die er zu einem Pferdeschwanz gebunden hatte, begrüßte uns überschwänglich und führte uns zu einem Tisch in einem dieser abgetrennten Abteile. Er zündete die auf dem Tisch stehende Kerze an und verabschiedete sich mit den Worten, dass er uns einen angenehmen Aufenthalt wünsche und eine Kellnerin gleich zu uns kommen würde.

Robert und ich nahmen fast gleichzeitig die vor uns liegenden Speisenkarten und schlugen sie auf. Mir fiel es schwer, mich zu entscheiden, stattdessen beobachtete ich Robert. Ich musste mir eingestehen, ihn wirklich zu lieben. Er war ein Traummann, leider nicht meiner! Noch nicht! Am meisten an ihm mochte ich, dass er mir zuhören konnte und mich auch ernst nahm. Er konnte sehr charmant sein und versuchte mir immer einen guten Rat zu geben, wenn ich ihm von meinen Problemen berichtete. Robert war nicht nur ein Frauenversteher, er war auch ein toller Liebhaber, einer, der nicht nur um seine Befriedigung kämpfte, sondern sich einfühlsam bemühte, dass auch ich genügend Vergnügen an unserem Sex empfand. Außerdem schätzte ich seinen trockenen Humor. Der Mann war einfach perfekt, nur mit dem einen Fehler, verheiratet zu sein. Ich tröstete mich allerdings mit seinem Versprechen, sich zu Beginn des nächsten Jahres von seiner Frau zu trennen. Aus meinen schwärmerischen Gedanken riss mich die junge Kellnerin, die uns fragte, ob wir schon etwas zu trinken bestellen wollten.

Robert bestellte sich ein alkoholfreies Bier und für mich eine Apfelschorle, womit ich einverstanden war. Die Kellnerin verschwand. Seine Hand ergriff meine. „Ich habe mich während der ganzen Woche auf dieses Wochenende gefreut. Es ist schön, dass wir zusammen sind!“.

„Wir sind nicht zusammen!“, reagierte ich trotzig. „Du bist mit deiner Frau zusammen und ich bin nur der Lückenbüßer!“

Robert zog seine Hand zurück. „Du weißt, dass das nicht stimmt.“

„Lass uns den Abend genießen!“, sagte ich. „Und nicht zum tausendsten Mal über dieses Thema sprechen. Ich will dich nur daran erinnern: Wenn du dich zu Beginn des nächsten Jahres nicht von deiner Frau trennst, dann trenne ich mich von dir! Das schwöre ich!“

„Du wirst dich nie von mir trennen! Selbst dann nicht, wenn ich bei meiner Familie bliebe. Es ist doch gut, so wie es ist!“

„Nur für dich! Du hast eine Frau zum Kochen, Putzen, Kinder erziehen und eine fürs Bett. Wenn deine Frau so leben möchte, bitte! Ich möchte mehr sein als dein Bettvergnügen!“

Die Kellnerin brachte unsere Getränke und damit war unser Gespräch zu diesem leidlichen Thema beendet. Das war auch gut so. Sonst wäre unsere Stimmung in den Keller gerutscht. Anschließend bestellten wir unser Essen. Robert orderte eine Forelle mit Bratkartoffeln und ich ein Schweinesteak mit Champignoncremesoße und Kroketten. Es dauerte auch nicht lange und uns wurde das Essen serviert. Ich hatte mittlerweile wirklich Hunger.

Während des Essens schwiegen wir. Das empfand ich als sehr angenehm. Nachdem wir mit dem Abendessen fertig waren, bezahlte Robert, was ich nicht wollte. Er ließ aber nicht mit sich darüber diskutieren.

Ich wollte noch nicht zurück zu unserer Pension und überredete meinen Freund, noch ein wenig durch den schönen Ort zu laufen. So gelangten wir an das Ortsende von Drömelig. Hinter dem letzten Haus gab es eine große Wiese mit verschiedensten Blumen. Es dämmerte bereits. Noch immer war das Zirpen von unzähligen Grillen zu hören. Nach einigen Hundert Metern endete die Wiese und ein sich bis an den Horizont erstreckendes Feld lag vor uns. Die goldenen Ähren wiegten sich sanft im aufkommenden Abendwind. Bevor Robert und ich zurückliefen, nahm er mich in seine Arme und küsste mich.

Ich war erschöpft, als wir an der Pension ankamen. Der Tag hatte mir bis zu diesem Zeitpunkt einiges abverlangt. Mein Freund kaufte bei Frau Kuppmann schließlich noch eine Flasche halbtrockenen Sekt, den er mit auf unser Zimmer nahm.

Dort angelangt, nahm ich sofort das Bad in Beschlag, duschte ausgiebig, putzte mir die Zähne und legte Parfum auf, Roberts Lieblingsduft. Endlich fertig, schlüpfte ich in mein schwarzes, seidenes Nachthemdchen mit den Spaghettiträgern und in mein dazu passendes Höschen. Ich verließ das Bad und sah, dass Robert uns Sekt eingeschenkt hatte. Er saß auf einem Sessel mit einem abgewetzten, hellgrünen Polster. Robert griff nach meiner Hand, als ich an ihm vorbeigehen wollte, und zog mich auf seinen Schoß. Wir prosteten uns mit dem Sekt zu und wünschten uns einen schönen Abend. Wir hatten unsere Gläser ausgetrunken, als Robert mich küsste und danach von seinem Schoß schob. Mit den Worten: „Ich beeile mich! Kann es kaum erwarten!“, verschwand er im Badezimmer.

Während er im Bad war, kuschelte ich mich in das breite Bett. Ich lag links und er immer rechts an der Fensterseite. Es fiel mir schwer, wach zu bleiben. Mein Tag hatte schließlich um vier Uhr morgens begonnen und jetzt forderte mein Körper seinen Tribut. Doch ich bekämpfte die Müdigkeit erfolgreich.

Robert kehrte aus dem Bad zurück und war nur wenige Sekunden später im Bett neben mir. Wir lagen beide auf der Seite und sahen uns an. Er strich mir mit seiner linken Hand über meine Wange. „Ich bin froh, dass es dich gibt!“ Kaum hatte er diesen Satz gesagt, hob er meine Bettdecke an und rutschte zu mir herüber. Seine gepflegten Hände eroberten meinen Körper und er entkleidete mich. Kaum war ich nackt, begann er mich zu küssen – zuerst auf den Mund, dann meinen Hals, meine Brüste und allmählich gelangte er an die Stelle, die zu küssen mich in den Wahnsinn trieb. Ich schloss meine Augen, während mein Körper unregelmäßig zuckte. Endlich drang er in mich ein. Ich genoss es, surfte auf einer Welle der Lust und vergaß alles um mich herum. Als sich Robert keuchend und erschöpft von mir löste, fühlte ich mich unendlich glücklich. Um nichts in der Welt wollte ich auf den Sex mit ihm verzichten.

Wir lagen nebeneinander, immer noch schwer atmend. Er streichelte über meine Brüste. Allmählich fing ich an, zu frösteln. Ich schob seine Hand weg und zog die am Fußende liegende Bettdecke hoch bis unter mein Kinn. Robert rutschte dicht an mich heran. Ich drehte mich um. Er drückte sich an mich, mit seinem Bauch an meinem Rücken, meine Lieblingseinschlafstellung. Ich genoss die Wärme, die sein Körper mir schenkte. Bei dem Gedanken, dass es mir lieber war, nur einmal während der Nacht richtig guten Sex zu haben, den ich genießen konnte und bei dem ich zu meiner Befriedigung kam, als mehrfach hintereinander so, als müsse das gesamte Kamasutra abgearbeitet werden, schlief ich zufrieden ein.