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Der Protagonist schildert eine kurze Spanne seines Lebens, in der er die innige Freundschaft mit Karl, seinem platonischen Lebensabschnittskumpanen verbringen darf. Es beginnt mit einem Unfall, der in die engste Beziehung seines Lebens mit einem Menschen überführt. Langsam aber ziehen dunkle Wolken auf. Ein Küchengerät öffnet ihm die Augen und überzeugt ihn von der Notwendigkeit, sich gewaltsam von seinem bis dahin besten Freund trennen zu müssen. Eine seelische, geistige und körperliche Zerstörung beendet in fataler Weise die Episode und führt zu einem Neustart im Leben des Protagonisten.
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Seitenzahl: 76
Veröffentlichungsjahr: 2020
Hannes Bachkönig
Mein Freund Fritsch
Roman
© Hannes Bachkönig, 2020
Autor, Umschlaggestaltung: Hannes Bachkönig
Verlag & Druck: tredition GmbH, Halenreie 40-44, 22359 Hamburg
ISBN: 978-3-347-14888-8
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Ohne den Kühlschrank in der Küche unseres Hauses gäbe es dieses Buch nicht; mein Dank geht an die Hersteller von Elektrogeräten, die ihnen ungewollt manchmal doch ein bisschen Leben einhauchen.
Karl war mein bester Freund, weil mein einziger. Menschen hatten in meinem Leben noch nie einen wichtigen Platz eingenommen, in manchen Phasen wurden sie von mir gar ins Abseits verbannt. Nervig und wichtigtuerisch kamen sie mir vor, als ob es nichts Größeres und Erhabeneres als die menschliche Rasse gäbe. Ich hatte mich oft zurückgezogen in meinen Kokon, schloss die Tür hinter mir mit dem Zurrgeräusch des Lebenszipps zu und verschanzte mich wochenlang in meiner Wohnung, bis, ja bis ich wieder die ekelerregende Nähe der Menschen suchte, um Tage später abermals eine Ausrede zu haben mich zurückziehen zu dürfen. Mich vor mir selbst zu rechtfertigen war mir schon immer ein Bedürfnis gewesen. Und immer wieder drehte ich den Spieß in mir um und zeigte mir mein Spiegelbild, wo dann im besten Falle eine Kreatur entgegenblickte, die mit gutem Gewissen von sich sagen konnte, sie sei ein wahrhaft aufrichtiger Zeitgenosse, stets gut zu Mensch und Tier und für jeden humanitären Großeinsatz bereit.
Doch schlummerte oft Böses im Körper des Entgegenblickenden, drohend im nächsten Augenblick auszubrechen, gleich einem Vulkan mit eruptiven Stößen seine Umgebung einem Bosartigkeitsschwall auszusetzen, um sich kurz danach wieder für den wochenlangen Schlaf zurückzuziehen.
Karl konnte mich davon abhalten, überzeugte er mich doch in seiner charmanten, heiteren Art, die Waffen niederzulegen und sich der Schönheit des Lebens hingeben zu müssen. Ich durfte ihn nicht lange kennen, unsere Lebenslinien verliefen nur ein paar Monate parallel. Doch in dieser kurzen Zeit lehrte er mich mehr als je ein Mensch zuvor es tat, was es heißt ein Aufrichtiger zu sein, immer bereit für den anderen einzuspringen, der Notfallschirm im Sprung anderer Leben zu sein. Ein Freund, den man lange sucht und kaum finden kann, da solche Wesen Mangelware sind in der immer kälter werdenden Zeit des digitalen Daseins.
Ich lernte Karl durch den puren Zufall kennen. Eines Abends schlenderte ich ein paar Straßen entlang, die nicht weit von meiner Wohnung waren, wieder einmal knapp vor dem Zuziehen des Lebenszipps. Die Tage zuvor hatten mir hart zugesetzt, ich wurde enttäuscht von Mensch und Gesellschaft und sowieso wie schon so oft dem Leben an sich. Die Ereignisse entzogen meiner Gesinnung die letzte Hoffnung an das Gute im Menschen.
Wie gesagt, ich ging so diese kaum befahrene Straße dahin, wollte die Seite wechseln und bog gedankenverloren vom Gehsteig ab. Es ging alles schnell. Kaum mit der Wimper gezuckt, verspürte ich einen Stoß und einen leichten Schmerz im linken Knie. Ein Auto hatte mich angefahren, zum Glück nur leicht touchiert und kaum verletzt. Es kam aus dem Nichts. Ob der Gedankenlosigkeit vernahm ich keinen Lichtkegel der Scheinwerfer und auch kein Fahrgeräusch. Zweites hat sich als erklärbar herausgestellt, da der Fahrer ein Elektroauto seit kurzem sein Eigen nennen durfte.
Er sprang aus dem Wagen, eilte mir entgegen, fragte, ob ich verletzt wäre oder er einen Krankenwagen rufen sollte. Ich merkte schnell, dass alles in Ordnung sein müsste. Das Knie spürte ich nicht, präzise gesagt, ich spürte keinen Schmerz im Knie. Ich betastete Außen- und Innenseite des Gelenks und schob die Kniescheibe langsam mit situationsangepasster Vorsicht hin und her. Mit besonnener Stimme bestätigte ich dem besorgten Fahrer, dass ich nicht verletzt wäre. Er atmete erleichtert auf, wollte sich entschuldigen, er hätte besser aufpassen müssen, er ….
Ich unterbrach ihn und nahm seiner Sorge Wind aus den Segeln, legte alle Schuld auf mich.
„Kein Grund zur Panik.“, sagte ich. „Erstens bin ich anscheinend nicht verletzt, zweitens ist es rein meine Schuld. Ich hätte mehr aufpassen müssen. Das einzige, was ich Ihnen zur Last legen könnte, ist die Tatsache, dass Sie sich ein umweltschonendes und verdammt leises Auto gekauft haben und keines mit Verbrennungsmotor, welches Fußgänger klar und deutlich auf sein Kommen hinweist.“
Der Mann vernahm die Ironie in meiner Aussage und begann zu lächeln. „Darf ich Sie auf einen Kaffee einladen, nur um den Schock mit Koffein zu dämpfen?“, fragte er mit einnehmendem Grinsen im Gesicht.
So nahm alles seinen Lauf und Karl wurde der beste Freund, den ich seit jeher haben durfte. In den ersten Wochen nach dem Beinaheunfall trafen wir uns zwei-, dreimal. Danach wurden die Zusammenkünfte häufiger. Nach ein paar Monaten verabredeten wir uns fast jeden Tag, da Karl und ich unweit voneinander entfernt liegende Arbeitsplätze hatten.
Unsere Gespräche waren häufig geistreich, nicht so ein Pläuschchen unter besten Freunden, wo es um Farbe von Reizwäsche oder Grunzlaute von Damen während der Suche nach dem G-Punkt geht. Nein, wir trudelten nach kurzem Vorgeplänkel meist recht schnell in die Tiefe. Karl war ein Kulturgenießer in jedem Belange. Mit ihm über Malerei oder Literatur zu philosophieren, kam oft einem geistigen Orgasmus nahe, der stundenlang anhalten konnte und es sogar oft übertraf. Dies alles hatte in meinem Leben einen wohlbehüteten Platz gefunden und erfüllte mein Grundbedürfnis nach dem täglichen Geisteserguss. Ich wurde süchtig nach Gesprächen mit Karl. Konnten wir uns mal an einem Tag nicht treffen, wurde ich im Laufe der Stunden zunehmend nervöser und fand keine Ruhe, bis wir eine nächste Verabredung vereinbarten.
Karl hatte die Begabung, Menschen mit wertvollen Inhalten zu füttern. Was ich damit meine, ist ein Bad in Preziositäten einer Kultiviertheit, die ich vor Karl nicht gekannt hatte. Die paar Monate mit meinem wertvollen Freund verbrachte ich mein Leben in einer Art Zeitlupe. Oft hört man Menschen behaupten, schöne und interessante Zeiten vergingen wie im Fluge. Diese These muss ich ob meiner Erfahrungen verneinen, obgleich sie natürlich weltweite subjektive Gültigkeit hatte, für jedermann und jederfrau auf spezielle Art und Weise, aber dennoch.
Jeder Satz, der über unser beider Lippen kam, vollgefüllt mit Esprit und Witz, ließ unsere gemeinsam verbrachte Zeit langsamer vergehen. Minuten wurden zu Stunden, Stunden zu Tage, und ich glaubte Karl schon äonenlang zu kennen, obgleich ich ihn erst vor Wochen zum ersten Mal getroffen hatte.
Eines Samstagmorgens wollte ich mein Frühstück zubereiten und öffnete die Kühlschranktür. Zum besseren Verständnis soll gesagt werden, dass Frühstück für die Bezeichnung dessen, was ich mir üblicherweise einverleibte, ein etwas übertriebener Begriff mit erwartungsschwangerem Inhalt war. Frühstück, das lassen sich viele Menschen auf der Zunge zergehen und verbinden damit ein Buffet sondergleichen, dargeboten mit hunderten von morgentlich verträglichen Leckerbissen, kredenzt mit dem wundervollen Aroma von südamerikanischem Kaffee, der einem in die Nase flieht und den Tag einen gelungenen vortäuschen lässt.
Ich zog dem obig Beschriebenen drei Tassen transkognitiven Kaffee vor, woher er auch immer gekommen wäre, und wenn es das engste, sonnenärmste Alpental gewesen wäre. Neben Kaffee gab es meist gar nichts, kein Küchentisch musste herhalten, um all die Tellerchen und Tässchen des Frühstücks zu beherbergen. Es reichte schlicht eine hundert Quadratzentimeter große Abstellfläche in Handreichweite meiner Sitzstatt.
Und just an diesem Morgen kam mir etwas verdächtig vor nach dem Öffnen des Kühlschrankes. Nicht die übliche, kühlende und auf der Haut angenehm darüberstreichende Luft kam mir entgegen, sondern es war abgestanden riechender Hauch von Zimmertemperatur. Ein zu diesem Zeitpunkt, und wie es sich auch später herausstellen musste, nicht definierbarer Defekt ließ das Haushaltsgerät sich von mir verabschieden. Gut, ich hatte ihn noch nie wirklich gemocht, obgleich er über Jahre hinweg immer gute Dienste getan hatte, aber dennoch übermannte mich ein leichtes Gefühl von Wehmut. Wird wohl ein simpler Anfall von Knausrigkeit gewesen sein, da ich unmittelbar nach der Feststellung des Todes an die Kosten einer Wiederanschaffung denken musste. Das gute, alte und unscheinbare Gerät musste weg, nach gesetzlich vorgeschriebenem Prozess entsorgt und verschrottet werden. Wieder ein elektrisches Gerät mehr auf dem Müllgebirge unseres Planeten. Was ging mich das an, ich brauchte einen Kühlschrank.
Jedoch wofür, kam mir in dem Augenblick in den Sinn. Was war schon drinnen gewesen in dem Gerät außer eine abgelaufene Portion Butter, etwas Käse und ein paar Tomaten. Es bot sich jeden Tag dasselbe Bild beim Öffnen der Kühlschranktür. Butter, Käse, Tomaten. Als ob ich nie etwas dem Kühlschrank entnommen hätte, als ob diese Nahrungsmittel schon seit Anschaffung des Gerätes darin gelagert hätten, ja als ob ich den Kühlschrank schon mit Butter, etwas Käse und ein paar Tomaten gekauft hätte.
Dennoch entschied ich mir einen neuen Kühlschrank anzuschaffen, um wieder Butter, etwas Käse und ein paar Tomaten darin zu lagern. Kleiner sollte er sein, das war mir in dem Augenblick bewusst, denn Butter, etwas Käse und ein paar Tomaten brauchen kaum Platz. Auch ein kleiner Kühlschrank sollte genug Freiraum bieten für eine Erweiterung des Speiseplans.