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Wie ich eine Monsterinvasion überlebe und einen tierisch guten Freund bekomme Schlimm genug, dass ich auf der Schulparty ausgerechnet mit meiner griesgrämigen Deutschlehrerin Frau Schmidt-Habicht tanzen muss, statt wie geplant mit Dalia. Wofür hatte ich das mit Martin denn stundenlang geübt?! Dann zischt auch noch ein kleines nilpferdähnliches Wesen mit dreieckiger Schwanzspitze durch die Turnhalle. Echt jetzt?! Normalerweise öffnet sich das Portal zur magischen Parallelwelt Anderlande doch nur an Halloween, aber heute wimmelt es in Dunkelnest plötzlich von Dunstschwärmern, Riesenwürmern und jeder Menge anderer magischer Tierwesen. Und wer muss den ganzen Schlamassel wieder ausbaden? Ich natürlich! Zum Glück begleitet mich mein bester Freund Martin zusammen mit Béron und Epona auf dieser völlig verrückten Rettungsmission ... Auftakt zur spannenden Fantasy-Reihe für Kinder ab 10 Jahren Der 13-jährige Charly Hartnuss, Comic- und Fantasyfan, träumt davon Superheldenkräfte zu haben. Doch dann sorgt sein abgewetztes Halloweenkostüm dafür, dass Charly als vermeintlich magische Kreatur von Monsterjägern aus den Anderlanden, einer magischen Parallelwelt, eingefangen wird und bald schon entdeckt er, dass auch in ihm ganz besondere Fähigkeiten schlummern ... - Superwitzig, rasant und mit vielen coolen Monstern: Idealer Lesestoff für Jungs und Mädchen - Mit witzigen Kapitelvignetten: Kurze Kapitel auch für Wenig-Leser geeignet - Mit Monster-Glossar: Kurze Übersicht zu allen vorkommenden Monstern - Lese-Motivation: Zu diesem Buch gibt es ein Quiz bei Antolin Bisher erschienen in der Reihe "Mein geheimes Leben als Monsterjäger": Mein geheimes Leben als Monsterjäger – Warum du niemals in einen Gully fallen solltest Mein geheimes Leben als Monsterjäger – Warum du niemals an einem Riesenwurm hängen solltest Stimmen zum Band 1: »Ich habe selten ein Buch gelesen, welches mit so viel Witz und gleichzeitig mit Spannung auftrumpfen kann, wie dieses (...) einfach vollkommen gelungen« @eine.kissenschlacht »Die Geschichte ist einfach nur klasse. Taucht ein in ein mega Abenteuer mit Ghostbuster Vibes (...) Auch für Lesemuffel einfach nur monstermäßig cool.« Johanna @jowis_welt »Wer die Ghostbusters mag, der wird seine helle Freude mit diesem wundervollen Buch haben. Denn Protagonist Charly muss so einige Monster einfangen und erlebt dabei teilweise haarsträubende Abenteuer. Gekrönt wird das Ganze mit einer wundervollen Portion Humor.« Sandra @hoernchensbuechernest »Die Handlung reißt den Leser ungefragt mit und ist sowohl gruselig fantasievoll als auch lustig, wortwitzig und geheimnisvoll spannend.« Nina Albert @kanina_chen
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Seitenzahl: 214
Veröffentlichungsjahr: 2024
Originalcopyright © 2024 Südpol Verlag, Grevenbroich
Autorin: Iris Genenz
Umschlaggestaltung und Illustrationen: Corinna Böckmann
eBook Umsetzung: Leon H. Böckmann
ISBN: 978-3-96594-270-7
Alle Rechte vorbehalten.
Unbefugte Nutzung, wie etwa Vervielfältigung, Verbreitung, Speicherung oder Übertragung,
können zivil- oder strafrechtlich verfolgt werden.
Mehr vom Südpol Verlag auf:
www.suedpol-verlag.de
Inhalt
Kapitel 1:Auf dem gesellschaftlichen Höhepunkt meines Lebens
Kapitel 2:In dem es steil bergab geht
Kapitel 3: In dem ich Bekanntschaft mit dem Flatus-Krachus mache
Kapitel 4:In dem ein Portal offen steht
Kapitel 5:In dem ich ordentlich Stunk verbreite
Kapitel 6:In dem Frau Schaulust rumschnüffelt
Kapitel 7:In dem ich eine Botschaft bekomme
Kapitel 8:In dem es Rüben regnet
Kapitel 9:In dem ich den Wurmexpress nehme
Kapitel 10:In dem ich Wurmfutter werden soll
Kapitel 11:In dem ich wieder zum Monsterflüsterer werde
Kapitel 12:In dem der Wurm zum Wurminator wird
Kapitel 13:In dem ich überlege, wie weit ich eine Katze werfen kann
Kapitel 14:In dem Monsteralarm herrscht
Kapitel 15:In dem Monster Sushi essen
Kapitel 16:In dem ich zum Gefriersnack werden soll
Kapitel 17:In dem ich eine Prise Knatterblumenduft gebrauchen könnte
Kapitel 18:In dem ein Elb an der Angel baumelt
Kapitel 19:In dem keine Zeit für Optimisten ist
Kapitel 20:In dem sich haufenweise Tümmler tummeln
Kapitel 21:In dem Dad und ich ein Aufklärungsgespräch führen
Kapitel 22:In dem eine Riesenspinne rumspinnt
Kapitel 23:In dem Kreuzlinge mit Klötzchen schmeißen
Kapitel 24:In dem es zu einer überraschenden Wendung kommt
Kapitel 25:In dem ich zum Portalwächter werde
Kapitel 26:In dem ich über mich hinauswachse
Kapitel 27:In dem ich einen tierisch guten Freund bekomme
Auszug aus Prof. Fingerhuts Grundlagenlexikon der Kryptozoologie (Beastbook)
Kapitel 1:
Auf dem gesellschaftlichen Höhepunkt meines Lebens
Drei Gedanken, die ich schon den ganzen Abend wie ein Mantra vor mich hin dachte:
Du schaffst das!
Auf diesen Moment hast du dich wochenlang vorbereitet!
Kneif jetzt bloß nicht den Schwanz ein!
Ich ließ die Schultern kreisen und atmete tief durch.
„Bereit?“, flüsterte mir mein bester Freund Martin zu. Seine Brillengläser waren vor Aufregung beschlagen.
Ich nickte.
Dann stießen wir die Tür zur Turnhalle auf und betraten die Schülerdisko.
Hinter der Tür erwartete uns ein noch schlimmerer Anblick, als ich befürchtet hatte. An der Decke der Halle baumelte eine riesige Diskokugel, die den Raum in ein gespenstisches rotes Glitzerlicht tauchte und allen Anwesenden einen kränklichen Look verlieh. Vielleicht lag das aber auch an dem Geruch nach versagenden Deos, alten Turnmatten und Desinfektionsmittel, der in der Luft hing. Dazu dröhnte eine gruselige Liebesschnulze aus den Boxen des DJs, die vermutlich schon zur Glanzzeit unserer Eltern ein Oldie gewesen war. Sämtliche Jungs aus der Oberstufe drückten sich an den Getränketischen herum und schielten immer wieder in Richtung der Mädchen, die in kleinen Trauben zusammenstanden und miteinander tuschelten.
Mit klopfendem Herzen ließ ich meinen Blick durch die Turnhalle schweifen und entdeckte schließlich Dalia.
Ihre Freundinnen schoben sie gerade in Richtung Tanzfläche. Dalia trug ein gelbes T-Shirt und einen passenden Haarreif dazu. Zumindest vermutete ich, dass es Gelb war, denn bei dem komischen roten Licht konnte man das nicht so genau sagen. Wie immer bekam ich weiche Knie, als ich sie entdeckte, keine Ahnung warum. Seit dem letzten Halloween hatten wir drei Dates gehabt. Doch so richtig kam unsere Beziehung nicht in Schwung. Wenn man das überhaupt eine Beziehung nennen konnte. Irgendwie waren wir beide zu schüchtern, um uns auch mal in der Öffentlichkeit zu unterhalten. Und das, obwohl ich in der letzten Halloweennacht mit zwei Monsterjägern aus den Anderlanden durch die Stadt gerast war, um entlaufene magische Kreaturen einzufangen und einen durchgeknallten Kryptozoologen-Zauberer aus der Stadt zu jagen. Irgendwie hatte ich gehofft, dass das auch meine Skills im normalen Leben ein bisschen aufputschen würde. Offensichtlich Fehlanzeige.
Als sich unsere Blicke trafen, spürte ich, wie mir das Blut in die Wangen schoss. Sie lächelte und winkte. Ich versuchte zurückzulächeln, musste dabei aber unheimlich blöde ausgesehen haben, denn ihre Freundinnen begannen bei meinem Anblick sofort albern zu kichern. Dann steckten sie die Köpfe so eng zusammen, dass jede Kopflaus ihre Freude daran gehabt hätte.
Ich stöhnte.
Martin tätschelte mir mitfühlend die Schulter. „Lass uns erst mal was trinken gehen, zum Warmwerden.“
„Grandiose Idee.“
Möglichst lässig schlenderten wir hinüber zu den Tischen an der gegenüberliegenden Wand, die als Tresen dienten. Dahinter stand ein älteres Mädchen mit düsterer Gothic-Schminke. Auf ihrem Shirt stand: ICH TRAGE SO LANGE SCHWARZ, BIS ES ETWAS DUNKLERES GIBT! Darunter war die Zeichnung einer Hand mit ausgestrecktem Mittelfinger abgebildet, um ihren Standpunkt noch einmal zu unterstreichen. Gelangweilt blickte sie von ihren nachtblauen Nägeln zu uns auf. „Was darf‘s sein?“
„Wie wäre es mit: schönen guten Abend, die Herren?“, stellte Martin die Gegenfrage.
Das Mädel zog nur eine schmal gezupfte Augenbraue hoch.
„Schon gut. Zwei Fassbrausen, bitte!“, grätschte ich dazwischen, ehe Martin mit ihr eine Grundsatzdebatte über gute Manieren startete.
Sie rollte mit den Augen, als hätte ich gerade von ihr verlangt den Eifelturm aus Zahnstochern nachzubasteln, und griff unter den Tisch.
Dann reichte sie uns zwei warme Limoflaschen und hielt mir fordernd die Hand unter die Nase. „Macht vier fuffzich!“
Oha, das war ja die reinste Abzocke!
Ich pfriemelte einen zerknüllten Fünf-Euro-Schein aus meiner Jeanstasche und reichte ihn dem Mädchen hinüber. Sie warf einen Blick darauf, schenkte mir ein freudloses Lächeln und stopfte den Schein dann in ihre Hosentasche. Mit korrekter Abrechnung hatte sie offenbar nicht viel am Hut.
Ohne ein weiteres Wort – oder mein Wechselgeld rauszurücken – wandte sie ihre todernste Miene dem nächsten hilflosen Kunden zu. Klasse! Das war mein ganzes Taschengeld gewesen.
„Hey Charly, du Lauch!“
Jemand schlug mir so heftig von hinten auf den Rücken, dass ich mich an meiner Brause verschluckte. Hustend drehte ich mich zu dem Übeltäter um. Es waren Oskar und Paul, die zwei schlimmsten Schläger der Schule. Sie grinsten von einem Ohr zum anderen.
„Schön dich zu sehen, Alter. Die Party hier is‘ doch voll lame“, sagte Oskar und prostete mir mit seiner Colaflasche zu.
„Keine Sorge“, sagte ich und grinste zurück. „Jetzt bin ich ja da, Jungs.“
Seitdem ich Oskar und Paul in besagter Halloweennacht aus den Fängen dieses irren Kryptozoologen-Zauberers gerettet hatte, waren die beiden ausgesprochen nett zu mir. Bis dahin war ich nämlich ihr Lieblingsopfer gewesen. Sie konnten sich zwar nicht mehr an die genauen Umstände der Rettungsaktion erinnern – ich hatte dafür zusammen mit dem Monsterjäger Béron und der Halbgöttin Epona gegen eine Bestie aus der magischen Parallelwelt kämpfen müssen – wussten aber dennoch, dass sie mir etwas schuldig waren. Diesen Teil ihrer Erinnerung hatten die Magischen nämlich netterweise nicht gelöscht.
„Also, was geht ab?“, fragte Oskar in die Runde.
„Nich’ viel, wa“, grunzte Paul und kratzte sich hinterm Ohr.
„Wie wär‘s mit Tanzen?“, fragte Martin und wippte mit den Füßen.
„Wir vier? Zusammen?“ Oskar beäugte Martin abschätzend, dann zuckte er mit den Schultern. „Okay.“
„Besser als mit der da!“, kicherte Paul und zeigte Richtung Tanzfläche. Dort stand Frau Schmidt-Habicht – unsere Deutschlehrerin und Aufsichtsperson an diesem Abend – und schunkelte mit geschlossenen Augen zum Takt der Schnulze, ein seliges Lächeln auf den Lippen. Sie war dabei scheinbar so in ihrer Welt versunken, dass sie nicht einmal merkte, dass etwas von ihrer Erdbeerbowle aus dem Becher über ihre Hand schwappte.
„Oh shit, Frau Schmidt“, zischte Oskar. Frau Schmidt-Habicht war mit Abstand die strengste Lehrerin unserer Schule. „Wenn die olle Schrapnelle hier Aufsicht hat, dann lass uns lieber abhauen“, sagte er und zog Paul mit sich Richtung Ausgang. Vor der Tür wandten sie sich noch einmal um und hoben zum Abschied die Hand, dann machten sich die beiden aus dem Staub.
„Und was ist mit dir?“, fragte mich Martin.
Ich zog die Schultern hoch. „Ich würde schon gerne tanzen. Also, am liebsten natürlich mit Dalia.“
Martin nickte und sah mich erwartungsvoll an.
„Ich traue mich nur nicht, sie zu fragen“, gestand ich kleinlaut.
„Na hör mal!“, protestierte mein Freund lautstark. „Du hast einem Nachtschreck einen Schrecken eingejagt, zwei Raufbolde gezähmt und bist auf einer Teufeltöle geritten. Da ist das doch wohl echt easy!“ Mit diesen Worten schob er mich gnadenlos in Richtung der Mädchen. „Außerdem: Wofür haben wir denn sonst die letzten Tage zusammen Tanzen geübt?“
„Psst! Das wollten wir doch niemals wieder erwähnen!“, zischte ich durch zusammengepresste Zähne und gab mich geschlagen. Ich musste ihm recht geben – ich hatte echt schon wesentlich Schlimmeres überstanden. Und war gestärkt daraus hervorgegangen! Seit ich als Monsterjäger unterwegs gewesen war, hatte ich nicht nur erfahren, dass ich magisches Blut in mir trug – und damit so eine Art Supermonsterflüsterer war –, sondern war auch gesellschaftlich aufgestiegen und hatte endlich den Mut gefunden Dalia um ein erstes Date zu bitten.
Wie schlimm konnte es jetzt also schon werden?
Tja, wie schlimm es dann tatsächlich wurde, konnte ich nun wirklich nicht vorhersehen!
Kapitel 2:
In dem es steil bergab geht
Das Unglück fing ganz harmlos an.
Während ich zu den Mädchen hinüberstolperte, änderte sich plötzlich die Musik und Rockbeats dröhnten durch den Saal. Begeistert sprangen die Ersten auf die Tanzfläche und Dalia kam auf mich zu.
„Hey!“, rief ich über die Musik hinweg.
„Hi!“, antwortete sie und lächelte erwartungsvoll.
„Du bist also auch hier?“, stellte ich völlig überflüssigerweise fest.
Sie nickte. „Sieht so aus.“
Ich nickte ebenfalls. Und dann schwiegen wir. Nach einer Weile begann Dalia sich unsicher nach ihren Freundinnen umzusehen. Auch ich ließ meinen Blick unbehaglich im Raum umherschweifen.
„Also … äh …“, startete ich schließlich einen Versuch, sie zum Tanzen aufzufordern. „Hast du Bock zu tanzen? Also, mit mir?“ Ich bemühte mich um einen möglichst gleichgültigen Tonfall. Nicht, dass sie dachte, dass ich das unbedingt wollte oder so. Alles war cool. Ich war cool.
Dalia erwiderte etwas, aber ihre Antwort drang nicht bis zu mir durch. Nicht nur wegen der lauten Musik. Etwas anderes hatte schlagartig meine Aufmerksamkeit gefesselt: etwas Graues, Gezacktes. War da gerade ein Schwanzende mit dreieckiger Spitze unter einem der Stühle verschwunden?! Ich blinzelte und trat einen Schritt zur Seite, um unter den Stuhl sehen zu können. Doch der war beladen mit einem Berg aus Jacken und umstellt von unzähligen Taschen. Keine Chance, etwas dahinter zu entdecken. Angespannt behielt ich die Umgebung im Auge. Würde sich das, was darunter gehuscht war, noch einmal zeigen oder hatte mir meine Fantasie einen Streich gespielt? Ich wartete noch einige Sekunden. Aber es regte sich nichts weiter. Offenbar hatte ich mir das Ganze doch nur eingebildet. Erleichtert stieß ich einen Seufzer aus, behielt aber den Stuhl weiterhin im Auge.
Die letzten Töne des Rocksongs erklangen und die Leute um mich herum machten eine Tanzpause. Also versuchte ich den Faden der Unterhaltung mit Dalia wieder aufzunehmen. „Tanzen wir zum nächsten Song zusammen?“, brüllte ich in die Pause hinein. Anscheinend war die Information, dass gerade keine Musik lief, noch nicht von meinem Gehirn an meine Stimmbänder weitergegeben worden. Ich wandte mich ihr wieder zu – und erstarrte augenblicklich!
Vor mir stand nicht mehr Dalia in ihrem gelben Shirt, sondern Frau Schmidt-Habicht, die mich mit offenem Mund anstarrte. Shit! Hatte ich gerade wirklich meine Deutschlehrerin vor der versammelten Oberstufe angeschrien, ob sie mit mir tanzen wollte?! Bitte nicht! Doch wir hatten tatsächlich die Aufmerksamkeit des gesamten Saals. Sogar der DJ sah aus, als habe ihn eine Schockfrostpistole getroffen und glotzte dümmlich zu uns herüber. Einige Schüler fingen an zu kichern und zeigten tuschelnd mit dem Finger auf mich. Noch nie in meinem Leben hatte ich mir so dringend einen Gully zum Reinfallen gewünscht wie in diesem Augenblick!
Frau Schmidt-Habicht hatte ihre Überraschung schnell wieder im Griff. Wütend funkelte sie mich an, den Mund zu einem schmalen Strich verzogen. Auweia! Die war so sauer wie ein Center Shock!
„Charly Hartnuss, du bist ein unverbesserlicher Lümmel!“, fauchte sie.
Die Stille um uns herum war ohrenbetäubend. Ich war so perplex, dass ich nichts erwidern konnte. Genau so musste sich die Maus vor der Schlange fühlen. Es verstrichen mehrere Sekunden, in denen Frau Schmidt-Habicht und ich uns einfach nur anstarrten.
Dann erwachte der DJ endlich aus seiner Schockstarre. Eilig legte er einen neuen Song auf, um die unangenehme Stille zu übertönen, und die ersten Takte einer Liebesschnulze ertönten – ausgerechnet! Aber dadurch waren Frau Schmidt-Habichts nächste Worte wenigstens nur noch für mich zu hören: „Wenn das ein Scherz sein sollte, dann war er nicht komisch. Und außerdem ist er nach hinten losgegangen!“ Wie ein Schraubstock umklammerte sie mein Handgelenk und zerrte mich hinter sich her. Wahrscheinlich wollte sie mich vor die Tür setzen, was mir in dem Moment nur recht war. Doch zu meinem absoluten Entsetzen stoppte sie mitten auf der Tanzfläche und legte mir eine ihrer knochigen Hände auf die Schulter. „Ich hoffe, du bist ein guter Tänzer.“
Habt ihr schon mal mit eurer Deutschlehrerin auf einer Schulparty zu einem Lovesong getanzt?
Kann ich nicht empfehlen! Das Einzige, was diesen Albtraum noch toppen könnte, wäre, mit seiner Lehrerin eine Schnulze im Duett zu singen – im Partnerlook!
Zum ersten Mal in meinem Leben fiel mir auf, wie lang so ein Lied sein konnte. Mein Kopf hatte wahrscheinlich schon die Farbe einer Signalleuchte angenommen, so unendlich peinlich war mir die ganze Aktion. Als es endlich vorbei war, lächelte Frau Schmidt-Habicht mir zu und deutete einen damenhaften Knicks an. „Es war mir eine Freude, Charly Hartnuss.“ Ihr Lächeln wirkte amüsiert. Wenigstens sie hatte ihren Spaß!
Mit hochroten Ohren drehte ich mich um und schob mich durch die Menge zum Getränkestand. Dort wartete Martin auf mich und trat aufgeregt von einem Fuß auf den anderen. „Mensch Charly, was war das denn für ‘ne Nummer?! Ich dachte, du wolltest mit Dalia tanzen!“
„Wollte ich auch“, brummte ich. „Jetzt brauche ich dringend eine Erfrischung.“ Mir war noch nie so heiß gewesen in meinem Hoodie. Mein Mund war trockener als Mums selbstgemachter Dinkelvollkornkuchen. Während Martin – noch immer etwas verwirrt – zu der Gothic-Kellnerin stolperte, um die Getränke zu besorgen, zerrte ich mein Handy aus der Tasche, um zu checken, ob ich während des Tanzfiaskos den obligatorischen Kontrollanruf meiner Eltern verpasst hatte. Doch zu meiner Überraschung hatte meine Mum sich gar nicht gemeldet. Das hatte es ja noch nie gegeben! Musste ich mir jetzt Sorgen machen?!
Auf dem Display blinkte ein Störungssignal auf. Na dann war klar, warum Mum mich nicht erreichen konnte. Ich machte einen Screenshot, damit ich später ein Beweisfoto für den schlechten Empfang hatte, und steckte das Telefon wieder weg. Martin wartete immer noch in der Schlange, also angelte ich mir einen Becher vom Tisch nebenan und griff nach der Kelle für die Bowleschüssel. Vor lauter Durst konnte ich kaum klar denken. Und ich brauchte einen Plan, um diesen Abend noch irgendwie zu retten. Ich wollte die Kelle gerade eintauchen, da fing die rote Flüssigkeit auf einmal an zu blubbern, als würde sie kochen. Im nächsten Moment entdeckte ich die Umrisse eines durchsichtigen Schwanzes mit dreieckiger Spitze, der durch die Bowle glitt. Bei genauerem Hinsehen erkannte ich auch einen kleinen runden Körper und einen Kopf mit einer nilpferdähnlichen Schnauze.
In der Schüssel planschte ein Tier – und zwar keins aus unserer Welt!
Das Wesen schien sich in der Erdbeerbowle pudelwohl zu fühlen. Als es mein verdutztes Gesicht sah, drehte es sich auf den Rücken und zwinkerte mir grinsend zu. Dann nahm es einen großen Schluck Bowle, gurgelte und spuckte sie im hohen Bogen zurück in die Schüssel, wie ein Springbrunnen.
Alarmiert sah ich mich um. Aber außer mir schien das niemand sonst zu bemerken. Offenbar handelte es sich dabei um ein Tier der Gattung Tarntäuscher, die sich außergewöhnlich gut darauf verstand, sich vor den Blicken der Menschen zu verbergen.
„Sag mal, brauchst du noch lange, bis du die schönste Erdbeere ausgewählt hast?“
Dalia! Ich bekam einen solchen Schreck, dass ich die Kelle losließ, die nun scheppernd auf den Tisch fiel.
Sie stand hinter mir, ebenfalls mit einem Becher in der Hand, und grinste. „Das war ja eine interessante Show, wirklich sehr harmonisch, du und Frau Schmidt-Habicht“, witzelte sie, während sie die Kelle aufhob. Dann trat sie neben mich und machte Anstalten sich Bowle einzuschenken. Das Wesen in der Schüssel drehte sich blitzschnell zu ihr herum und knurrte bedrohlich.
„Trink das nicht!“, rief ich und warf mich zwischen sie und die Schüssel. „Ähäm … die ist schlecht, fürchte ich.“
Dalia lachte und schob mich zur Seite. „Lass den Blödsinn, Charly. Ich hab die Bowle gerade schon probiert. Alles bestens!“ Sie hob die Kelle erneut an und das Wesen duckte sich angriffslustig. Ehe Dalia die Oberfläche berühren konnte, zog ich die Schüssel eilig beiseite, sodass ein Teil der roten Flüssigkeit auf das weiße Tischtuch schwappte.
„Mann Charly, was ist denn mit dir los?!“ Langsam wirkte Dalia echt genervt. Erneut machte sie einen Schritt auf die Schüssel zu, doch ich war schneller und schob sie im letzten Augenblick wieder von ihr fort.
„Hör auf damit!“ Energisch stieß Dalia mich weg und stürzte auf die Bowle zu. Nun war sie wirklich sauer. Das schien auch das Tier zu spüren. Es begann zu schrumpfen, bis es nur noch die Größe einer Erdbeere hatte, und duckte sich zitternd hinter eine der Früchte. Natürlich tauchte Dalia die Kelle ausgerechnet an der Stelle in die Schüssel, an der das Tierchen sich versteckte, hob es zusammen mit ein paar Früchten heraus und kippte dann den gesamten Inhalt in ihren Becher. Geschockt sah ich zu, wie sie Anstalten machte, daraus zu trinken.
„NEIIIIN!“ Geistesgegenwärtig sprang ich vor und schlug ihr den Becher aus der Hand. Gerade noch rechtzeitig, bevor sie die Bowle mit dem Tier verschlucken konnte. Leider hatte ich bei der Aktion nicht bedacht, dass der Inhalt des Bechers nun in alle Richtungen spritzte und die größte Portion in Dalias Haaren und auf ihrem T-Shirt landete.
Kapitel 3:
In dem ich Bekanntschaft mit dem Flatus-Krachus mache
„Charly!“ Fassungslos starrte Dalia an sich herunter. Ihr T-Shirt hatte nun dank der roten Erdbeerbowle einen unmodischen Batiklook und ihre Haare waren völlig verklebt. „Bist du komplett irre geworden?!“ Sie funkelte mich beinahe so angsteinflößend an wie Frau Schmidt-Habicht. Bestimmt hätte sie mich in diesem Augenblick am liebsten mit dem Kopf in die Schüssel getunkt.
„Tut mir wirklich leid“, murmelte ich und tupfte ihr unbeholfen mit einer Papierserviette über die Haare. „Aber es war nur zu deinem Besten!“, beteuerte ich wahrheitsgemäß.
„Is‘ klar!“, schnaubte sie und schlug meine Hand weg. Dann stapfte sie hocherhobenen Hauptes zurück zu ihren Freundinnen. Verfluchter Mist! Konnte es eigentlich noch schlimmer kommen?
Doch darüber konnte ich nicht lange nachgrübeln, denn das Tierwesen war mitsamt dem Becher zu Boden gegangen und flitzte nun entlang der Tische davon. Dabei schimmerte es nicht mehr ganz so durchsichtig und wuchs mit jedem Schritt auf die Größe eines Chihuahuas. Ich musste es unbedingt aufhalten, bevor es tatsächlich noch jemanden angriff!
Ich verfolgte das Tier aus der Turnhalle hinaus in den Flur, in dem sich die Umkleidekabinen und die Toiletten befanden. Der Schwanz des Tierchens verschwand gerade hinter einer der vielen Türen, die einen Spaltbreit offen stand. Ich spurtete los. Hinter der Tür befand sich ein Waschraum mit drei Toilettenkabinen. Sofort stieß ich die erste Kabine auf und sah gerade noch, wie sich das Wesen unter der Zwischenwand hindurch in die nächste Kabine zwängte. Eilig sprang ich zur zweiten Tür, doch als ich sie öffnete, war das Tier schon in die letzte Kabine geflohen. Jetzt saß es in der Falle!
Behutsam schob ich die Tür der dritten Kabine auf und lugte hinein. Das Tier hockte auf dem Rand der geöffneten Kloschüssel und starrte mich an. Es hatte nun am ganzen Körper eine graue Farbe angenommen und sah aus wie eine Art Zwergnilpferd-Drache mit Fledermausflügelohren. Sein gezackter Schwanz peitschte nervös hin und her und seine Nase zuckte.
„Ganz ruhig, kleiner Freund“, flüsterte ich und machte einen vorsichtigen Schritt auf ihn zu. „Ich will dir nichts tun. Ich möchte dich nur hier rausbringen.“ Das Wesen spannte die Ohren auf und schien mir tatsächlich zuzuhören. Aufmerksam sah es mich aus kleinen schwarzen Knopfaugen an. Es blinzelte verträumt. Für den Bruchteil einer Sekunde glaubte ich, es von meinen harmlosen Absichten überzeugt zu haben. Doch dann knallte die Kabinentür hinter mir zu. Das Wesen zuckte zusammen und schien es sich augenblicklich wieder anders überlegt zu haben. Unwillig schüttelte es den Kopf, als wolle es sich aus einer Hypnose befreien, und ließ seine Fledermausohren schlackern. Dann hechtete es mit einem Kopfsprung in die Kloschüssel.
„Halt!“ Mit einem Satz war ich beim Klo und bekam das Wesen gerade noch am Schwanz zu packen.
„Hiergeblieben!“, knurrte ich mit zusammengepressten Zähnen. Das Tier wehrte sich mit ganzer Kraft und krallte sich von innen am Toilettenrand fest. Ich hatte Mühe es nicht entkommen zu lassen. Stöhnend und schnaufend zog und zerrte ich, so fest ich konnte.
„Komm … endlich … da … raus!“, keuchte ich. Dabei hielt ich das Tier wie einen Pümpel, der immer wieder ins Toilettenwasser platschte und gurgelnde Geräusche von sich gab.
Plötzlich ertönte Gelächter und jemand klopfte von draußen an die Tür. „Äh, alles okay da drinnen?“, fragte eine Mädchenstimme besorgt.
Shit! Ich musste hier im Mädchenklo gelandet sein, darauf hatte ich in der ganzen Aufregung gar nicht geachtet. „Jaja, alles in Ordnung“, flötete ich mit verstellter Stimme. „Bin gleich fertig.“
„Wie schön!“, brummte das Mädchen vor der Tür und schien sich glücklicherweise damit zufriedenzugeben. Sie wandte sich wieder ihren Freundinnen zu: „Und Charly hat dir wirklich den Becher mit voller Absicht aus der Hand geschlagen?“, hörte ich sie fragen. Oh no! Dalia und ihre Freundinnen standen da vor der Tür – ausgerechnet! Bei allen Göttern, womit hatte ich das verdient?!
„Definitiv! Ich weiß echt nicht, was in ihn gefahren ist!“, schimpfte Dalia.
„Hihi, vielleicht hat ihm Frau Schmidt-Habicht den Kopf verdreht“, kicherte eine ihrer Freundinnen. Blöde Trine!
Ich biss mir auf die Lippen und versuchte trotz der Anstrengung und der Häme keinen Ton von mir zu geben.
Das Nilpferd-Drachen-Wesen begann nun wild mit den Hinterbeinen zu zappeln, um mich abzuschütteln. Lange würde ich das nicht mehr durchhalten, das war mir klar. Also zog ich noch einmal mit aller Kraft – und plötzlich gab das Tier einen durchdringenden, knatternden Furz von sich.
„Ühjäh!“
Eine fies stinkende Gaswolke nebelte mich ein und nahm mir die Luft zum Atmen. Erschrocken riss ich die Arme nach oben und schleuderte das Wesen dabei im hohen Bogen über die Tür. Mit einem dumpfen PLOMM landete es auf dem Fliesenboden. Hustend und würgend stürzte ich aus der Kabine und rang nach Luft. Dabei nahm ich den Mief gleich mit. Dalia und ihre Freundinnen starrten mich einen Moment lang geschockt an. Dann flüchteten sie kreischend aus dem Waschraum.
Klasse! Mein hart erarbeiteter sozialer Aufstieg war innerhalb eines einzigen Abends wieder ein komplettes Trümmerfeld. Und wieso musste ausgerechnet Dalia jetzt hier auftauchen?!
Seufzend öffnete ich das kleine Badfenster und ließ einen Schwall frischer Januarluft hinein. Als ich wieder durchatmen konnte, ohne würgen zu müssen, machte ich mich auf die Suche nach dem Tierwesen. Meine soziale Opfergabe an den Gott der Fettnäpfchen und Peinlichkeiten sollte schließlich nicht völlig umsonst gewesen sein. Zum Glück war der Waschraum überschaubar und ich wurde schnell fündig.
Die unfreiwillige Flugrunde und der Aufprall hatten dem Tier offenbar den Rest gegeben. Es lag mit offenem Maul unter einem Waschbecken und ließ die Zunge heraushängen. War es etwa tot? Mich schauderte. Vorsichtig pirschte ich mich an das Wesen heran, stupste es mit der Fußspitze an und sprang sicherheitshalber einen halben Meter zurück. Eine Stinkdusche am Tag reichte mir völlig.
Es regte sich nicht.
Mutig schlich ich wieder darauf zu, ging neben dem Tier in die Hocke und legte ihm eine Hand auf den runden Bauch. Keinen Plan, wo man bei so einem Wesen den Puls fühlen konnte, aber ich spürte, wie sich sein Bauch ganz leicht unter meiner Hand hob und senkte. Ich atmete auf. Offenbar war das Tier nur ohnmächtig.
Auf einmal hörte ich hinter mir ein Poltern. Ich sprang wieder auf die Füße und wirbelte herum. Gleich darauf zischte etwas in atemberaubender Geschwindigkeit an mir vorbei und stoppte vor dem Wesen. Es war ein Junge, ungefähr in meinem Alter. Er war schlaksig, hatte rotbraune Haare und Sommersprossen. Außerdem trug er einen Lederharnisch und darüber einen roten Mantel. Zufrieden lächelnd beugte er sich über die Kreatur am Boden.
„He!“, warnte ich ihn. „Geh da lieber weg, mit dem ist nicht zu spaßen.“
Der Junge grinste und winkte ab. „Keine Sorge, so einen mächtigen Flatus-Krachus schafft ein Teufelsschwanz nur einmal am Tag, danach ist er für mindestens drei Stunden ausgeknockt. Und so wie du riechst“, er rümpfte die Nase, „hattest du heute schon das Vergnügen.“
Ich schnüffelte unauffällig an meinem Hoodie und musste sofort wieder würgen.
„Wo bist du überhaupt so plötzlich hergekommen?“, fragte ich den Jungen, nachdem ich den Brechreiz einigermaßen unter Kontrolle hatte.
„Von draußen“, antwortete er und ruckte mit dem Kopf Richtung Fenster. Ich drehte mich zu dem winzigen eckigen Loch, das nicht einmal groß genug war, genügend Frischluft reinzulassen, um den Duft einer einzelnen Kackwurst zu eliminieren. Der Typ wollte mich offensichtlich auf den Arm nehmen.
„Okay. Wo immer du auch hergekommen bist, ich habe diesen … äh … Teufelsschwanz verfolgt und werde ihn jetzt einfangen um ihn …“
„Zu spät“, lachte der Junge. Im Bruchteil einer Sekunde zog er einen Jutesack unter seinem Mantel hervor und verfrachtete den Teufelsschwanz dorthinein. „Der Empfänger dankt“, grinste er frech und ließ dabei seine blendend weißen Zähne aufblitzen.
„Moment!“, protestierte ich und stellte mich ihm in den Weg. „Was hast du jetzt mit ihm vor?“
„Ich werde ihn brarten“, antwortete der Junge ungerührt.
„Braten?! Du willst das Ding essen?“ Mir drehte sich der Magen um.
„Igitt, nein! Wie bist du denn drauf? Teufelsschwänze sind ganz und gar ungenießbar. Brarten bedeutet beruhigen, reinigen und artgerecht unterbringen. Das ist doch Jägervokabular der ersten Stunde!“
Mir blieb mal eben die Spucke weg.