Mein geheimes Leben als Monsterjäger – Warum du niemals in einen Monstersee springen solltest - Iris Genenz - E-Book

Mein geheimes Leben als Monsterjäger – Warum du niemals in einen Monstersee springen solltest E-Book

Iris Genenz

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Beschreibung

Wie ich einen Monsterfelsen wecke und versuche mit einem Ogertaurus zu kuscheln Endlich bin ich mit meinem besten Kumpel Martin in den Anderlanden, der magischen Parallelwelt, aus der unsere Freundin, die Halbgöttin Epona stammt. Der Start im Ausbildungscamp der magischen Hüter und Jäger hätte allerdings kaum schlechter laufen können. Warum hat uns Béron aber auch erst so spät verraten, wie man ein Schnellchen bremsen kann?! Kein Wunder, dass alle erst mal sauer waren, als wir das halbe Camp in Schutt und Asche gelegt haben. Dass bei der Weihe der Jungjäger dann auch noch alles schief läuft, ist aber wirklich nicht meine Schuld. Ok, ein bisschen vielleicht, aber kann ja keiner ahnen, dass so ein einfacher Auftrag gleich ein riesiges Urzeitmonster auf den Plan ruft, das sich an meine Fersen heftet … Die spannende Fantasy-Reihe für Kinder ab 10 Jahren Der 13-jährige Charly Hartnuss, Comic- und Fantasyfan, träumt davon Superheldenkräfte zu haben. Doch dann sorgt sein abgewetztes Halloweenkostüm dafür, dass Charly als vermeintlich magische Kreatur von Monsterjägern aus den Anderlanden, einer magischen Parallelwelt, eingefangen wird und bald schon entdeckt er, dass auch in ihm ganz besondere Fähigkeiten schlummern ... - Superwitzig, rasant und mit vielen coolen Monstern: Idealer Lesestoff für Jungs und Mädchen - Mit witzigen Kapitelvignetten: Kurze Kapitel auch für Wenig-Leser geeignet - Mit Monster-Glossar: Kurze Übersicht zu allen vorkommenden Monstern - Lese-Motivation: Zu diesem Buch gibt es ein Quiz bei Antolin Bisher erschienen in der Reihe "Mein geheimes Leben als Monsterjäger": Mein geheimes Leben als Monsterjäger – Warum du niemals in einen Gully fallen solltest Mein geheimes Leben als Monsterjäger – Warum du niemals an einem Riesenwurm hängen solltest Mein geheimes Leben als Monsterjäger – Warum du niemals in einen Monstersee springen solltest Stimmen zum Band 1: »Ich habe selten ein Buch gelesen, welches mit so viel Witz und gleichzeitig mit Spannung auftrumpfen kann, wie dieses (...) einfach vollkommen gelungen« @eine.kissenschlacht »Die Geschichte ist einfach nur klasse. Taucht ein in ein mega Abenteuer mit Ghostbuster Vibes (...) Auch für Lesemuffel einfach nur monstermäßig cool.« Johanna @jowis_welt »Wer die Ghostbusters mag, der wird seine helle Freude mit diesem wundervollen Buch haben. Denn Protagonist Charly muss so einige Monster einfangen und erlebt dabei teilweise haarsträubende Abenteuer. Gekrönt wird das Ganze mit einer wundervollen Portion Humor.« Sandra @hoernchensbuechernest »Die Handlung reißt den Leser ungefragt mit und ist sowohl gruselig fantasievoll als auch lustig, wortwitzig und geheimnisvoll spannend.« Nina Albert @kanina_chen

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Seitenzahl: 234

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Originalcopyright © 2025 Südpol Verlag, Grevenbroich

Autorin: Iris Genenz

Umschlaggestaltung und Illustrationen: Corinna Böckmann

eBook Umsetzung: Leon H. Böckmann

ISBN: 978-3-96594-336-0

Alle Rechte vorbehalten.

Unbefugte Nutzung, wie etwa Vervielfältigung, Verbreitung, Speicherung oder Übertragung,

können zivil- oder strafrechtlich verfolgt werden.

Mehr vom Südpol Verlag auf:

www.suedpol-verlag.de

Inhalt

Kapitel 1:Auge in Auge mit meinem Essen

Kapitel 2:In dem es Monsterspucke zum Frühstück gibt

Kapitel 3:In dem ein Schnellchen schnell rennt

Kapitel 4:In dem das totale Chaos ausbricht

Kapitel 5:In dem ich mich so selbstsicher fühle wie ein Knallstinker

Kapitel 6:In dem Störenfried auf dem Holzdampfer ist

Kapitel 7:In dem ich versuche mit einem Ogertaurus zu kuscheln

Kapitel 8:In dem ich die Sekunden zähle

Kapitel 9:In dem ich easy-peasy-lemon-cheesy sage

Kapitel 10:In dem ich Felsenfutter werden soll

Kapitel 11:In dem ich monsterstarken Besuch mitbringe

Kapitel 12:In dem ich zum Kotzen bin

Kapitel 13:In dem ich miefe wie ein Gullymonster

Kapitel 14:In dem Eile Keile bringt

Kapitel 15:In dem Trolle gegen ihren Schatten kämpfen

Kapitel 16:In dem ich vom Erdboden verschluckt werde

Kapitel 17:In dem ich mich endlich beweisen kann

Kapitel 18: In dem alles zusammenbricht

Kapitel 19:In dem die Magie verschwindet

Kapitel 20:In dem wir verfolgt werden

Kapitel 21:In dem es hoch hinaus geht

Kapitel 22:In dem wir die Höhle der Drachen betreten

Kapitel 23:In dem ich eine ganz, ganz miese Idee habe

Kapitel 24:In dem ich überraschend Hilfe bekomme

Kapitel 25:In dem ich um einen Apfel zanke

Kapitel 26:In dem wir die Heiligen Hallen vor lauter Türen nicht sehen

Kapitel 27:In dem es Stunk mit dem Munk gibt

Kapitel 28:In dem wir ins Dunkle Maul steigen

Kapitel 29: In dem wir mit einem alten Feind plaudern

Kapitel 30:In dem wir die Hoffnung suchen

Kapitel 31: In dem ich die Hoffnung finde

Kapitel 32:In dem ich ein Geschenk erhalte

Auszug aus Prof. Fingerhuts Grundlagenlexikon der Kryptozoologie (Beastbook)

Kapitel 1:

Auge in Auge mit meinem Essen

Wenn es eine Hitliste mit dem Titel Was wirklich niemand jemals über sein Frühstück denken sollte geben würde, dann wären meine ersten drei Gedanken heute safe unter den Top 5:

1. Boah, ist das haarig!

2. Warum zur Hölle glotzt es mich so an?!

3. Hat es gerade etwa gegrunzt?

„Igitt, es zuckt ja noch!“ Angewidert starrte ich auf das leblose Tier, das da vor mir auf dem Boden lag.

Quatsch, es ist tot!, erwiderte mein bester Freund Martin schwanzwedelnd und trat unruhig von einer Vorder­pfote auf die andere. Jetzt beiß schon rein!

„Das Auge hat gerade noch geblinzelt!“, widersprach ich und versuchte tapfer den Würgereiz zu unterdrücken, den der Tierkadaver in mir heraufbeschwor.

Meine Güte, Charly Hartnuss, was sind wir heute Mor­­­gen empfindlich!, telepathierte Martins Stimme in mei­­nem Kopf. Beleidigt winselnd ließ er sich vor meinem Bett nieder.

„Na ja“, verteidigte ich mich, „du weißt doch, dass ich nor­­­­­­ma­­lerweise nicht so auf rohes Fleisch stehe. Vor allem nicht zum Frühstück. Pancakes wären mir lieber.“

Aber ich habe es extra für dich gefangen, maulte Martin und bedachte mich mit einem vorwurfsvollen Hun­de­­blick. Wobei er als Ferkeltöle eher an einen mageren, ver­­filzten Wolf erinnerte.

„Wir sind eh schon spät dran. Also lass uns doch morgen früh weiterstreiten, wenn du mir das nächste tote Tier servierst, das ich dann wieder dankend ablehnen werde“, schlug ich vor und schwang meine Beine aus dem Bett. Tunlichst darauf bedacht, nicht auf das magische Schla­ninchen zu latschen, das Martin auf dem Bettvorleger abgelegt hatte. Im Grunde hatte es Ähnlichkeit mit einem normalen Kaninchen. Doch anders als die niedlichen Hoppler aus der Menschenwelt besaß das Schlaninchen aus den Anderlanden eine Schweineschnauze, ein Paar beeindruckende Giftzähne und einen langen schuppigen Schwanz. Ich schüttelte mich. Selbst gebraten hätte ich das Viech nicht angerührt. Martin beugte sich zu dem Tier hinunter und begann trotzig, es selbst zu mampfen.

Dir bring isch nochma‘ wasch mit, nuschelte er dabei telepathisch in meinen Kopf hinein. Ich seufzte. In seiner zweiten Gestalt war mein Kumpel einfach nicht er selbst. Er musste erst noch lernen, seine tierischen Instinkte zu beherrschen. Genauso wie seine Verwandlung von Mensch zu Ferkeltöle. Die kam und ging so zuverlässig wie die Bahn bei Schnee – mal so, mal so.

Seit einer Woche waren Martin und ich nun in den An­­der­­landen – der magischen Parallelwelt, die vor Jahr­tau­­senden gegründet wurde, um die magischen Wesen vor dem technischen Fortschritt der Menschen zu schützen. Wir waren hier vorerst bei Bérons Mutter untergekommen. Der große, kräftige Kleriker hatte unsere Ankunft im Camp für magische Hüter und Jäger noch vorbereiten müssen. Die Ratsmitglieder der Jägerloge – so etwas wie ein ex­­klu­­sives Entscheidungsgremium, das aus den führenden Mit­gliedern der Jagdbruderschaft bestand – waren wohl noch nicht überzeugt gewesen, ob es eine gute Idee war, uns in ihrem Ausbildungscamp aufzunehmen.

Doch heute war es endlich so weit – unser Unterricht konn­­te beginnen. Martin sollte lernen, seine Menschen- und Wer­­wesengestaltwandlung zu steuern und ich sollte den Umgang mit meinen magischen Fähigkeiten als Portal­wäch­­ter und Monsterflüsterer verfeinern. Superkrass, oder?! Noch vor wenigen Monaten hatte ich mich für einen bes­­ten­­falls durchschnittlichen Typen gehalten, der höchstens durch seine Tollpatschigkeit auffiel. Aber jetzt war ich tat­­sächlich so etwas wie eine Art Held mit Superkräften! Der Monsterflüsterer, der eine besondere Gabe hat, mit ma­gischen Tierwesen zu kommunizieren. Deswegen war ich auch in der Lage, mit meinem Kumpel zu quatschen, selbst wenn er sich gerade in seiner Ferkel­tölen­gestalt befand. Und ich konnte es kaum erwarten, im Aus­bildungscamp noch mehr über meine Fähigkeiten zu erfahren.

Martin schien es damit nicht so eilig zu haben. Er war gerade vollauf damit be­­schäftigt, einen Knochen hochzuwürgen, den er versehentlich mitgefressen hatte. Ich stellte mir vor, wie er dies in der piekfeinen Küche seiner Mutter tat und musste grinsen. Frau Hirsebein würde abgehen wie ein Mentosbonbon in der Cola. Und Martin müsste wahrscheinlich für den Rest seines Lebens den Boden schrubben. Umso wichtiger, dass er das mit der Ver­wandlung bald in den Griff bekam.

„Wenn du dich nicht beeilst, kommen wir gleich am ersten Tag zu spät“, mahnte ich, während ich versuchte in meine Hose zu steigen und gleichzeitig mein Shirt überzustreifen, wobei ich mich heillos verhedderte. Martin wandte sich zu mir um. Das Schlaninchen war schon zu zwei Dritteln verputzt.

Na und?, knurrte er und zuckte dabei mit den Schul­ter­­blättern, sodass er aussah wie ein buckelndes Pony. Meinst du, die haben da Bock auf eine Ferkeltöle? Wenn ich in dieser Gestalt dort auftauche, bin ich doch sofort der Freak.

Ich hielt im Kampf gegen meine Klamotten inne und sah meinen besten Freund bedauernd an. Das steckte also hinter seiner schlechten Laune.

„Hey“, versuchte ich ihn aufzumuntern. „Das wird schon, Kumpel. Im Camp bringen sie dir ganz schnell bei, deine Ver­wandlung zu kontrollieren. Und dann wirst du der Mega­­­star sein, der jeden, der ihm dumm kommt, in den Hin­­­­tern beißen kann.“ Ich grinste ihn an. Martins Mund­win­kel zuckten leicht. Ein gutes Zeichen.

„Sieh mal“, versuchte ich es weiter. „Du wirst ganz sicher nicht der einzige Gestaltwandler dort sein. Und wir sehen Epona wieder.“ Das war mein Joker. Martin war nämlich heftig in die coole Halbgöttin Epona verknallt. Mein Plan zeigte Wirkung. Beim Klang von Eponas Namen hielt er inne und seine Augen nahmen einen verträumten Ausdruck an. Genauso spooky guckte ich vermutlich aus der Wäsche, wenn ich an meine Mitschülerin Dalia dachte. Ich spürte einen leichten Stich in meinem Herzen. Doch ehe ich mich einem Tagtraum mit meinem Schwarm hingeben konnte, nieste Martin plötzlich heftig. Es machte PLOPP! und mein Kumpel stand mit einem Mal als Mensch vor mir. Haarlos wie ein Nacktmull. Schon wieder. Ich wusste nicht, ob ich mich jemals an diesen Anblick gewöhnen würde. Allein das verschmierte Blut um seinen Mund verriet, dass er eben noch als Ferkeltöle an dem magischen Schlaninchen ge­­­knab­bert hatte. Rasch hielt ich mir die Hände vor die Au­­gen.

„Mit dem Trick könntest du echt auf Tournee gehen“, zog ich ihn auf.

„Boah“, stöhnte Martin. Ich hörte, wie er sich raschelnd ein Laken vom Bett angelte. „Zum Glück ist mir das nicht vor Epona passiert.“

Vorsichtig spähte ich zwischen meinen Fingern hindurch, um zu checken, ob die Luft wieder rein war. Martin sah aus wie ein griechischer Gelehrter in seiner weißen Bettlakentoga. Mit fahrigen Fingern tastete er nach seiner Brille, deren dicke Gläser seine Augen ums Doppelte vergrößerten. Er blinzelte ein paarmal, dann fiel sein Blick auf die Überreste des toten Schlaninchens und er gab ein seltsames gurgelndes Geräusch von sich. „Ich glaub, ich muss kotzen.“ Hastig schlug er eine Hand vor den Mund und verschwand hinter einer Trennwand, die den Schlafbereich vom Bad – das lediglich aus einer Waschschüssel und ei­­nem Nachttopf bestand – abgrenzte.

„Ja, genauso ging es mir auch, an meinem ersten Schul­tag.“ Béron lehnte lässig im Türrahmen und sah Mar­tin belustigt hinterher. Seine braunen Augen blitzten schel­misch.

„Béron!“ Überschwänglich begrüßte ich den hünenhaften Monsterjäger und ließ mich von ihm in eine seiner Schraub­­stockumarmungen ziehen. „Schön, dich zu sehen, Mann.“

„Gleichfalls“, antwortete der Monsterjäger.

Von Martin war nur ein gequältes Blöken hinter der Trenn­­wand zu hören.

„Nach der Vorstellung hier werde ich heute wohl aufs Früh­­stück verzichten“, sagte Béron mit einem gequälten Ge­­­sichtsausdruck.

„Nichts da!“, schimpfte eine Frauenstimme in seinem Rücken. „Niemand verlässt mir das Haus mit leerem Ma­­gen!“ Bérons Mutter, die ebenso groß und breitschultrig war wie ihr Sohn – und fast ebenso bärtig -, hatte die Hände in die Hüften gestemmt und machte deutlich, dass sie keinerlei Widerspruch dulden würde. Sie erinnerte mich an meine Mum, die genauso starrsinnig war, wenn es um ihre gesunde Schmause-Pause ging. Ich unterdrückte einen Seufzer. Ein bisschen vermisste ich meine überfürsorgliche Mum und meinen verrückten Dad schon. Aber ich schob die Gedanken an die beiden schnell beiseite. Wenn alles so lief wie geplant, würde ich sie ja bald wiedersehen.

„Das Hirn ist, was es isst!“, betonte Bérons Mutter Es­­trildis nun. „Und euer Hirn werdet ihr in nächster Zeit definitiv brauchen. Darum wird jetzt erst einmal ordentlich gefrühstückt.“

Martin schielte grünlich hinter der Wand hervor.

„Na gut“, räumte Estrildis ein, nachdem sie einen besorgten Blick auf sein Gesicht geworfen hatte. „Bei dir mache ich eine Ausnahme.“

Kapitel 2:

In dem es Monsterspucke zum Frühstück gibt

20 Minuten später saßen wir alle um die steinerne Tisch­platte herum, die das Zentrum des kleinen, gemütlichen Wohnraums im Haus bildete. Unter der Platte loderten orangeglitzernde Flammen, die das rote Rübenmus warmhielten, von dem Béron und ich bereits einen Napf voll vor uns stehen hatten. Die hölzernen Wände des Raumes waren zugepflastert mit Portraits sämtlicher Ahnen und Urahnen der Familie. An der Decke wuchsen Moose und Kräuter, in denen ein Schwarm Summseln gerade emsig den Morgentau aberntete. Dabei summten sie eine Melodie, die mich an den Imperialmarsch von Darth Vader aus den Star Wars-Filmen erinnerte. Die putzigen Tierchen hatten die Größe von Hummeln, erinnerten sonst aber eher an Minihelikopter mit zwei Köpfen. Ihre langen Flügel rotierten unablässig, während der eine Kopf die Tautropfen mit seinem Rüssel einsaugte und der Kopf am anderen Ende sie als geleeartige Substanz im Summselstock wieder aus­spuckte. Estrildis, die gerade dabei war, mit einem Messer, so groß wie eine Axt, unterarmdicke Scheiben von einem Brotlaib zu säbeln, pflückte eine Summsel aus der Luft und drückte den Gelee direkt aufs Brot. Der süße Geruch von Zimt und Vanille stieg mir in die Nase.

Snuffle, der igelähnliche Schnuff, der mich seit meiner ersten Begegnung mit magischen Tierwesen begleitete, ließ seine Monsterzunge hervorschnellen und schnappte mir meine Brotscheibe direkt aus der Hand. Null Problemo. Ich hätte es ihm eh heimlich unter dem Tisch zugeschoben. An die Monsterspucke zum Frühstück würde ich mich nämlich genauso wenig gewöhnen wie an halbtote Tierkadaver. Seit wir hier waren, hatte ich schon zwei Kilo abgenommen.

Martin saß, noch immer etwas blass um die Nase, auf seinem Stuhl und schlürfte Saft aus einer Hornhoblerkugel, die ein bisschen an eine bernsteinfarbene Kokosnuss erinnerte. Estrildis versicherte, dass der Saft den Magen beruhigen würde. Hätte Martin allerdings gewusst, um was es sich dabei tatsächlich handelte, hätte er das Zeug ausgespuckt wie ein Springbrunnen. Ich hatte Hornhobler näm­­lich zufällig schon mal in Eponas Beastbook entdeckt. Eklig, echt!

„Also, Béron, im Ausbildungscamp geht jetzt alles klar?“, fragte ich, um mich von dem Gedanken abzulenken.

Béron kaute seinen Bissen bedächtig zu Ende, bevor er antwortete. „Es bedurfte bei dem ein oder anderen ein wenig Überzeugungsarbeit, zwei Jungen aus der Menschenwelt im Ausbildungslager aufzunehmen, aber letztendlich wissen wir alle, dass ihr beiden mit euren magischen Gaben eine Menge Ärger für beide Seiten bedeuten könntet, wenn ihr sie nicht zu kontrollieren vermögt.“ Er pulte einen Teig­brocken aus seinen Zähnen.

„Wenn ihr mich fragt, tut ihr das absolut Richtige, mein Junge“, sagte Estrildis und klopfte Béron auf die Schulter. Sie hatte ihr Massaker am Brot beendet und lehnte sich nun zufrieden in ihrem Stuhl zurück, während sie sich genüsslich ein Kräuterpfeifchen anzündete. „Dieses ganze Gerede und die Vorurteile gegenüber den Menschen und ihrer Lebensweise … Leben und leben lassen, meine Meinung. Und wenn die beiden sich nicht wie komplette Trolltrottel anstellen, dann ist es doch auch ein Gewinn, ein paar Magische als Verbündete in der Menschenwelt zu haben.“ Sie zwinkerte uns zu und wackelte mit den schmutzigen Zehen.

Martin ließ zur Antwort plötzlich einen gewaltigen Rülp­ser der Windstärke zehn los, der Snuffle fast vom Tisch und Estrildis beinahe vom Stuhl fegte. Grummelnd verschwand der Schnuff in der Tasche meines Hoodies, während Martins Gesicht wieder ganz rosig wurde.

„Das war doch mal ‘ne Kampfansage.“ Estrildis klopfte anerkennend mit den Fingerknöcheln auf die Tischplatte. „Mit der richtigen Einstellung wird das schon, Jungs.“

„Na ja“, warf Béron ein, „es geht ja nicht nur darum, dass die beiden aus der Menschenwelt stammen, sondern auch um Charlys Fähigkeiten.“

Ein gequälter Ausdruck huschte über Estrildis’ Gesicht. Die Tatsache, dass ich dieselbe Gabe für magische Tierwe­sen besaß wie ihr ältester Sohn Zorán, war nur einmal kurz bei unserer Ankunft Thema gewesen. Zorán setzte seine Gabe allerdings ausschließlich für die dunkle Magie ein. Der Spinner hatte sogar versucht uns zu töten.

„Er war ein guter Junge, wisst ihr“, flüsterte Estrildis und betrachtete ein Gemälde, das ihre beiden Söhne als jun­­ge Männer Arm in Arm zeigte. Sie grinsten breit und in Zoráns Augen lag derselbe übersprudelnde Funke, wie ich ihn von Béron kannte. Damals war Zorán vielleicht genauso cool gewesen und noch nicht das Monster, das mir vor wenigen Monaten gegenübergestanden hatte.

Estrildis seufzte. „Er wollte sich immer beweisen und ein ganz großer Magier werden.“

Ja, und die Weltherrschaft an sich reißen, dachte ich.

„Wir alle wünschen uns, dass er tief im Inneren noch der­­selbe ist wie früher. Aber er hat sich verändert“, sagte Béron und strich seiner Mutter tröstend über den Arm.

Sie lächelte schwach. „Ich bin noch immer davon überzeugt. Er ist ein guter Junge.“

Ich mochte Estrildis. Sie war ein bisschen grob, aber ein herzensguter Kerl. Doch in diesem Punkt irrte sie sich gewaltig. Zorán war ein skrupelloser, durchgeknallter Kryp­­­­to­­zoologe, der für seine Zwecke über Leichen ging, daran bestand für mich kein Zweifel. Und bei dem Ge­­dan­­ken daran, dass wir weder wussten, in welcher Welt er sich gerade herumtrieb, noch was er in diesem Moment ausheckte, schüttelte es mich.

Béron räusperte sich. „Jungs, wir sollten jetzt aufbrechen.“

Kapitel 3:

In dem ein Schnellchen schnell rennt

„Äh, Béron, was ist das?“, fragte ich den Monsterjäger entsetzt, der gerade dabei war, unser Gepäck aus der Hütte zu schleppen und auf zwei pferdegroße Tausendfüßler zustapfte, die unruhig mit ihren vielen Beinchen im Sand scharrten und hin und wieder nach einem silbrigen Grashalm schnappten.

„Das sind Schnellchen“, verkündete Béron strahlend, wäh­­rend er eines der Tiere mit unseren Koffern belud. „Die besten Fortbewegungstiere diesseits des Grollenden Was­sers.“

„Aha. Mooooooment! Wir reiten auf diesen Dingern?“ Das konnte unmöglich sein Ernst sein! Die Viecher sahen alles andere als verkehrstauglich aus. Ihre langen Stiel­­au­gen zuckten nervös in alle Richtungen und ihre Schwänze rasselten wie aufgebrachte Klapperschlangen. No way! Da würde ich mich garantiert nicht draufsetzen.

„Eine Frage“, Martin hob den Finger wie in der Schule, „wo ist denn der Klabautermann abgeblieben?“

Der Klabautermann war ein magisch betriebener Schul­­bus aus den USA, mit dem Epona und Béron jedes Jahr an Hallo­­ween entflohene Tierwesen einfingen, die sich in dieser Nacht versehentlich in die Menschenwelt verirrten. Die einzige Nacht im Jahr, in der die magische und die nichtmagische Welt miteinander verbunden waren.

„Nun, der Klabautermann muss nach unserem letzten Abenteuer erst mal wieder mit Magie aufgeladen werden“, erklärte Béron. „Das dauert seine Zeit. Solange müssen wir auf Alternativen zurückgreifen. Und Schnellchen sind für unsere Zwecke die beste Entscheidung, das kann ich euch versichern. Ich war einmal gezwungen mit einem Phoe­nix zu reisen, das war die reinste Tortur. Nicht nur, dass man von seinen Krallen am Schlafittchen gepackt wird – was wirklich keine angenehme Art zu reisen ist -, ich hatte obendrein das Pech an einen Vogel zu geraten, der kurz nach Reiseantritt wegen Altersschwäche in Flammen auf­­ging. Drei Tage saß ich mit angesengten Augenbrauen auf den Gipfeln des Endlosgebirges fest, ehe er aus seiner Asche wiederauferstand und groß genug war, mich weiterzutragen. Mit den Schnellchen hier sind wir ratzfatz im Camp.“ Er packte einen borstigen Stachel, der aus dem Panzer des Tieres wuchs, und hievte sich daran vor unseren Koffern auf dessen Rücken. „Sieh es doch einfach als deine erste Prüfung als Monsterflüsterer an“, schlug er vor und zwinkerte mir verschmitzt zu. „Außerdem, habe ich dich schon jemals in Gefahr gebracht?“

„Mal sehen: Da war das eine Mal, als du mich mit einem Betäubungspfeil ausgeknockt und entführt hast“, begann ich. „Außerdem bin ich beinahe von einer Teufeltöle zerfetzt worden“, zählte ich weiter an den Fingern auf.

„Oder die Sache mit dem Riesenwurm, der uns alle an seine Schlüpflinge verfüttern wollte“, ergänzte Martin. „Und der Monsterkrabbler nicht zu vergessen!“

Ich nickte.

„Jaja“, sagte Béron und wischte mit der Hand durch die Luft. „Ich meine natürlich abgesehen davon.“

Ich holte tief Luft, um auf weitere lebensgefährliche Situ­ationen einzugehen, doch noch bevor ich loslegen konnte, wurde ich von Bérons Mutter unterbrochen.

„Genug geschwatzt. Ihr solltet euch endlich auf den Weg machen. Bis zum Camp ist es weit und ich habe heute noch viel vor.“ Estrildis streifte sich ein geflügeltes Kettenhemd und ein paar lederne Schienbeinschoner über. Dann bückte sie sich und rupfte ein Büschel merkwürdig duftender Blumen aus. „Du musst sie füttern, dann werden sie ruhiger.“ Sie drückte mir den Strauß in die Hand.

Unbeholfen stolperte ich auf das freie Schnellchen zu und streckte den Arm aus. Es schnüffelte geräuschvoll, als ich mich näherte. Ich atmete einmal tief durch, schloss die Augen und glitt hinüber in die Welt der magischen Auren. Das war nämlich so etwas wie meine Superkraft als Monsterflüsterer. Ich hatte eine Art besonderen Draht zu den magischen Geschöpfen und konnte mich mit dem Zauber, der ihnen innewohnte, verbinden. Und genau das tat ich nun auch bei dem Schnellchen. Kaum war ich hinübergeglitten wie durch einen sanften Wasserschleier, nahm ich die lebende und pulsierende Aura des Tieres wahr. Ich spürte sein unbändiges Verlangen nach dem Grünzeug, das ich ihm entgegenstreckte. Gleichzeitig empfand ich aber auch eine gewisse Skepsis und Angst mir gegenüber. Ich konzentrierte mich auf meine Aura und versuchte, möglichst viel Ruhe auszustrahlen. Dann verband ich mich mit dem Zauber des Schnellchens. Es war wie jedes Mal überwältigend. Auf einmal stand da kein furchterregendes, hässliches Geschöpf vor mir, sondern ein atemberaubendes, denkendes und sensibles Tier. Das Schnellchen schnappte nach dem Pflanzenbüschel und zermalmte die Stängel laut schmatzend zwischen seinen Kiefern. Dabei schäumte ihm jede Menge Speichel um den Mund. Als ich seine Zufriedenheit über das Mahl spüren konnte, wagte ich mich an den Aufstieg. Und zu meiner Überraschung knickte das Schnellchen die Beine unter seinem Körper ein, um mir das Aufsitzen zu erleichtern.

Martin schnalzte anerkennend mit der Zunge. „Das ist doch immer wieder beeindruckend.“

Ich grinste, dann zog ich mich an einem Stachel auf den Rücken des Tieres und half Martin hinter mir Platz zu nehmen. Als wir es uns bequem gemacht hatten, grunzte das Tier und erhob sich. Dabei wurden wir ganz schön durchgeschaukelt. Martin krallte sich schmerzhaft an meiner Hüfte fest.

„Also dann“, rief Béron gut gelaunt und hob die Hand, um sich von seiner Mutter zu verabschieden. „Mögen die roten Sonnen heute lange für dich scheinen!“

„Und morgen wieder für euch aufgehen“, erwiderte Estrildis und schwenkte zum Abschied einen Pömpel durch die Luft.

Meine Augen tränten und in meinen Ohren rauschte der Wind, so rasant jagten die Schnellchen über silberglän­zende Wiesen, träge Bäche und Anhöhen hinauf und hinunter. Hinter mir konnte ich Martin murmeln hören. Erst klang es wie ein Gebet. Dann vernahm ich Satzfetzen wie „… niemals wieder die Klobrille oben lassen“ und „… jeden Tag meinen Kohlrabi aufessen“. Armer Kerl. Er hatte sich vor Angst so stark an mich gepresst, dass es mir fast die Luft abschnürte. Doch ich hatte selbst alle Mühe, nicht vom Rücken des Schnellchens zu rutschen. Béron dagegen saß so lässig auf seinem Tier wie ein Cowboy im Sattel.

Nach ungefähr zwei Stunden erreichten wir einen riesigen Wald, in dem die Bäume so dicht und so hoch wuchsen, dass man kaum die Kronen erspähen konnte.

„Das ist der Wandelwald“, rief Béron zu uns herüber, als wir durch das Unterholz preschten. „Tückisches Terrain. Die Bäume hier sind launisch und die Wege ändern gern ih­­ren Verlauf. Der Wald hat seinen eigenen Willen und brei­­tet sich jedes Jahr ein Stück weiter aus, obwohl ihn die fähigsten Druiden regelmäßig zurückschneiden. Er be­­herbergt mächtige magische Kreaturen. Ein Ausflug ohne fachkundige Begleitung ist nicht zu empfehlen. Das Aus­­­bil­dungscamp, auch Die Jägerschmiede genannt, liegt gleich dahinter.“

Ich nickte nur, unfähig zu antworten, wusste aber sofort, was er meinte. Kaum hatten wir die ersten Bäume passiert, wurde es schummrig und ich hatte das Gefühl, durch eine stark getönte Sonnenbrille zu blicken. Es roch nach Baumharz und Kiefernnadeln. Gleichzeitig aber auch nach frischer Minze und unbekannten Blumen. In dem Rascheln der Blätter war ein Wispern zu hören. Der Wald selbst schien lebendig zu sein, zu atmen. Und die Schnellchen mussten immer wieder Hindernissen ausweichen, die wie aus dem Nichts vor ihnen auftauchten. Sie verlangsamten ihr Tem­po, aber ich spürte ihre Unruhe. Meine Nackenhär­­chen stellten sich auf. Dieser Wald war unheimlich.

Da streifte plötzlich ein warmes Leuchten mein Blickfeld und ich hatte das Gefühl, als würde eine leise Stimme meinen Namen hauchen. Doch ehe ich richtig hinsehen konnte, war es verschwunden und wir brachen aus dem Wald her­aus.

Vor uns lag eine weitläufige Wiese, die zu einem kleinen Hügel anstieg und die Schnellchen nahmen sofort wieder an Fahrt auf. Obwohl mir der Wind in den Augen brannte und meine Hände schon völlig verkrampft waren vom Festkrallen, konnte ich es kaum erwarten, endlich einen Blick auf die Jägerschmiede zu werfen. Dieser neue, aufregende Ort, der mich endlich zu einem Teil der Anderlande machen würde. Am Ende der Wiese ragte ein Tor in den Himmel. Dahinter konnte ich weiße Zeltspitzen ausmachen, die wahnsinnig schnell näher kamen. Plötzlich überfiel mich ein Gedanke.

„Béron, wie bremst man die Schnellchen eigentlich?“

„Oh, habe ich das gar nicht erwähnt?“ Béron wandte sich zu uns um und strich sich über den gestutzten Bart.

„Äh, nope!!!“

„Tja, das ist eigentlich ganz einfach – mit ein bisschen Übung.“

„Waaas?! Wir haben darin aber keine Übung“, brüllte ich über den Fahrtwind hinweg. Von Martin kam nur ein lei­­ses Wimmern.

„Streicheln!“, brüllte Béron. „Zwischen den Stielaugen. Aber ihr müsst die richtige Stelle treffen!“ Dann, nach einem prüfenden Blick auf das sich rasend schnell nähernde Eingangstor, rief er: „Jetzt!“

Hektisch beugte ich mich vor und versuchte den Kopf des Riesentausendfüßlers zu erreichen. Doch mein Arm war zu kurz. Verflucht! Hätte Béron das mit dem Bremsen nicht schon früher erwähnen können? Dann hätte ich mich weiter nach vorne gesetzt. Vorsichtig hob ich den Hintern ein Stück in die Luft und presste mich mit den Schenkeln am Körper des Tieres fest. Was mir angesichts der Geschwindigkeit, die wir draufhatten, absolut lebensmüde erschien. Ich machte mich so lang ich konnte, doch es reichte nicht einmal für die Fingerspitzen. „Martin!“, keuchte ich und drehte mich zu ihm um. „Du musst loslassen, sonst gehen wir hier beide drauf.“

Doch er schüttelte nur den Kopf. Verfluchter Mist! Ich versuchte erneut mich nach vorne zu drücken. Béron war mit seinem Reittier bereits weit hinter uns zurückgefallen. Er brüllte irgendetwas, aber ich verstand kein Wort. Das Tor war nun nicht mehr weit von uns entfernt. Das Schnellchen müsste doch eigentlich auch mal von selbst langsamer werden?! Ganz im Gegenteil schien es sogar noch an Tempo zuzulegen und wieherte freudig. Ich schloss die Augen und konzentrierte mich. Jetzt konnte ich mich nur noch magisch mit ihm verbinden und hoffen, dass ich es so davon überzeugen konnte, verflucht noch mal endlich anzuhalten. Angesichts meiner heiklen Lage fiel es mir deutlich schwerer durch den magischen Vorhang zu gleiten als heute Morgen. Doch dann sah ich die Aura des Schnellchens vor mir und tastete mich mit meiner eigenen voran. Ich erreichte sie, aber als ich mich mit ihr verbinden wollte, stieß sie mich einfach ab. Was war hier los? Ich versuchte es erneut und tastete mich am Rande der Aura entlang. Schließlich fand ich eine Lücke.

Juhu! Rennen, sausen, eilen. Das macht Spaß! Schneller, schneller! Juhu! Rennen, sausen, eilen.

Die Gedanken des Schnellchens drehten sich im Kreis. Doch kaum wollte ich Kontakt zu ihm aufnehmen und ihm meine Gedanken schicken, schrie es erbost auf und warf mich wieder aus seinem Kopf. Abrupt tauchte ich in der Realität auf und fühlte mich, als habe mir etwas vor die Stirn geschlagen. Ich war total baff. Vorhin war mir die Verbindung mit dem Tier doch mühelos gelungen. Warum funktionierte es jetzt nicht? Lange konnte ich darüber nicht nachdenken, denn das Schnellchen donnerte in vollem Tempo weiter. Snuffle lugte empört brummelnd aus meiner Tasche heraus. Als er sah, dass wir direkt auf das ge­­schlossene Tor zuhielten, verkrümelte sich der Schisser ganz schnell wieder.

Kapitel 4:

In dem das totale Chaos ausbricht

Ein ohrenbetäubender Knall. Holz splitterte. Martin und ich wurden durchgerüttelt wie Crashtest-Dummies. Aber das Schnellchen preschte unbeirrt weiter. Es sauste zwei Runden um den Sockel einer gigantischen Marmorstatue herum, eine Kriegerin mit Schild und Schwert, und hielt dann direkt auf eine Ansammlung von weißen Zelten zu.

„WAAAHHHH! Vorsicht, aus dem Weg!“, brüllte ich einigen Leuten entgegen, die dort herumsaßen und erst im letzten Moment aus der Bahn hechten konnten. Wir jagten weiter und rissen dabei alles um, was sich im Weg befand. Das Schnellchen sauste durch ein Zelt hindurch, dessen Plane an seinen langen Stielaugen hängen blieb und ihm die Sicht verdeckte. Panisch quiekend versuchte es, den Sichtschutz abzuwerfen. Dabei nahm es noch an Geschwindigkeit zu und raste blindlings direkt in eine gro­­ße Arena hinein. Auf den Zuschauerrängen wimmelte es von Schülerinnen und Schülern, die gerade mehr oder we­­niger aufmerksam einem Vortrag von Störenfried – einem mir wohlvertrauten Monsterjäger mit blauer Haut, vier Armen und Augen – lauschten, der in der Mitte der Arena stand. Neben ihm drängte sich eine Herde schafähnlicher Kreaturen mit zwei Köpfen zusammen, die träge ein paar Juckbuschtriebe mampften. Doch als wir mit dem Schnell­chen durch die Arena schossen, kam sofort Leben in die Schüler und Tiere. Einige Leute keuchten erschrocken auf, andere johlten und jubelten, dankbar für die Ablenkung. Die zweiköpfigen Schafe stoben panisch in alle Richtungen auseinander, als das Schnellchen eine Schnei­­se durch ihre Herde zog. Beim Anblick der flüchtenden Tiere schaltete sich sofort Martins Jagdtrieb ein. Ich hörte hinter mir ein Niesen, ein PLOPP! und dann das Zerreißen von Stoff. Im nächsten Moment spürte ich, wie sich Martin vom Rücken des Schnellchens abstieß und zu Boden sprang. Er überschlug sich, rappelte sich wieder auf und jagte den Tieren kläffend hinterher. Klasse! Noch mehr Chaos. Und obendrein saß ich nun ganz allein auf diesem unkontrollierbaren Biest.

„Brrr. Halt! Jetzt beruhig dich doch mal!“, rief ich dem Schnellchen zu und griff nach der Zeltplane. Ich bekam einen Zipfel davon zu fassen und zog sie mit einem Ruck herunter. Das Schnellchen hatte wieder freie Sicht und ließ die Stielaugen verwirrt in alle Richtungen kreisen.