Mein Kampf zurück - Daniela Hümbeli - E-Book

Mein Kampf zurück E-Book

Daniela Hümbeli

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Beschreibung

Noch halb betäubt wacht Eva in einem Zimmer auf. An der Wand befinden sich Fotos von ihr bekannten, aber auch nicht bekannten Menschen und Tieren. Sosehr sie sich auch anstrengt, ihre Namen fallen ihr einfach nicht ein. Sie wird geradezu panisch, als sie bemerkt, dass nicht nur ihre Sinne getrübt sind, sondern auch ihr Körper ihr nicht wie gewohnt gehorcht. Mit aller Kraft schafft sie es dann doch, sich aus ihrer Lage zu befreien, und kracht unsanft vom Bett aus auf den Boden herab. Die eben beschriebene Szene wird sich noch einige Male wiederholen, und jedes Mal wird sich Eva in einer für sie fremden Welt wiederfinden. Total verzweifelt kämpft sie sich in ihr Leben zurück.

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Seitenzahl: 231

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Impressum

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie­.

Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://www.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte der Verbreitung, auch durch Film, Funk und Fern­sehen, fotomechanische Wiedergabe, Tonträger, elektronische Datenträger und ­auszugsweisen Nachdruck, sind vorbehalten.

© 2024Vindobona Verlag

ISBN Printausgabe: 978-3-903574-13-7

ISBN e-book: 978-3-903574-14-4

Lektorat: Kristina Steiner

Umschlagfotos: Daniela Hümbeli; Larichev89 | Dreamstime.com

Umschlaggestaltung, Layout & Satz: Vindobona Verlag

www.vindobonaverlag.com

Teil 1

Shila und ich galoppieren über eine saftig grüne Wiese. Einige gelbe Löwenzahnblumen beginnen schon aufzuwachen. Ich rieche das frische Gras. Die ersten morgendlichen Sonnenstrahlen streicheln mein Gesicht. Es tut unwahrscheinlich gut, die frische Luft des frühen Morgens einzuatmen, und ich genieße das körperliche Zusammenspiel von meinem Pferd und mir. Schon zehn Jahre bereichert Shila mein Leben. Seit ich sie damals gekauft habe, haben wir schon so vieles zusammen erlebt. Wir hatten viele schöne Stunden, aber auch einige Verständigungsprobleme miteinander. Jetzt gerade ist es einfach nur schön. Wir haben gelernt, miteinander zu kommunizieren, und es ist, als wären wir eins. Genüsslich sauge ich dieses wundervolle Gefühl in mir auf. Gemeinsam schweben wir dahin.

Ich wache auf. Es war ein schöner Traum, so friedlich. Mein Kopf fühlt sich etwas schwummrig an, als wäre ich gestern zu lange unterwegs gewesen. Was war gestern? Es fällt mir nicht ein. Auf einmal bemerke ich erschrocken, dass ich in einem fremden Zimmer liege und stehe sofort auf. Meine Beine halten mich nicht, und ich falle unsanft zu Boden. In meinem Kopf dreht sich alles. Verwirrt versuche ich, mich wieder aufzurappeln, doch der Versuch misslingt. Ein junger Mann kommt eilig auf mich zu. Bis jetzt habe ich ihn noch gar nicht bemerkt. Er ist süß und kommt mir irgendwie bekannt vor. „Schatz geht es dir gut? Warte, ich helfe dir!“ Perplex sehe ich ihn an. Tausend Fragen schießen mir durch den Kopf. Was ist hier los? Wer ist das? Wie hat er mich genannt? Er hilft mir wieder ins Bett, und als könnte er meine Gedanken lesen, fängt mein hübscher Helfer zu erzählen an. „Du hattest einen schweren Unfall. Du bist im Koma gelegen und kannst deshalb deine Beine nicht richtig bewegen. Leider ist dein Gedächtnis auch in Mitleidenschaft gezogen worden, und du kannst dich an das alles gar nicht erinnern.“ Erschrocken bleibe ich starr liegen. Anscheinend bin ich doch noch nicht wach und habe einen Albtraum.

Ich wache auf. Mein Kopf fühlt sich seltsam an, und ich kann keinen klaren Gedanken fassen. Welcher Tag ist heute? Total verwirrt sehe ich mich in einem fremden Zimmer um. Was mache ich hier? Fast fluchtartig versuche ich aufzustehen, nur um zu bemerken, dass ich in einem Bett mit Gittern an der Seite liege. Wieso bin ich eingesperrt? Panisch klettere ich über das Gitter und falle sofort zu Boden. Autsch, mein Ellenbogen. Was ist hier nur los? Ein Pfeifton erklingt, und wenig später betritt eine junge Frau das Zimmer. „Das Sturzgitter hat seinen Zweck wohl nicht erfüllt, was?“, sagt sie spöttisch und hilft mir hoch. Verwirrt und ängstlich schaue ich in ihre blauen Augen. Sie drückt mich ein wenig unsanft in das Gitterbett zurück. Sichtlich genervt, und wohl unter Zeitdruck, erklärt sie mir in kurzen Sätzen, dass ich wohl einen Unfall hatte, halbseitig gelähmt bin und mein Gedächtnis verloren habe. Ich starre sie nur wortlos an. Sie bittet mich eindringlich, nicht mehr aufzustehen, und verlässt das Zimmer eilig wieder. Total überwältigt von den Ereignissen der letzten Minuten liege ich da. Eigentlich möchte ich meinen schmerzenden Ellbogen drücken, doch mein anderer Arm lässt sich nicht bewegen. Wieder macht sich Panik in mir breit. Konzentriert auf meine Atmung versuche ich, mich zu beruhigen. Die Panik legt sich, und ich atme immer ruhiger. Mein Kopf fühlt sich an wie ein Karussell.

Ich öffne meine Augen und bin in einem total fremden Zimmer. Erschrocken bemerke ich das Gitter an meinem Bett. Wo bin ich hier? Am Boden bemerke ich eine Matte, die mich etwas beunruhigt. Umständlich klettere ich über das Gitter. Vorsichtig lasse ich mich vom Bett auf den Boden plumpsen. Was ist nur mit meinem Körper los? Alles bewegt sich so schwerfällig. Wie in mir selbst gefangen, versuche ich, das Zimmer zu verlassen. Nur mühsam kann ich mich auf dem Boden liegend zur Tür schleppen. Es gelingt mir allerdings nicht, den Türgriff zu erreichen. Eingeschüchtert von dieser seltsamen Situation und total hilflos verkrieche ich mich in eine Ecke und fange zu weinen an. Ein junger Mann betritt das Zimmer, und seine Augen sind angsterfüllt, als er das leere Bett anstarrt. Sein suchender Blick fällt auf mich, und er stürzt zu mir hinunter. „Schatz! Was machst du denn da?“ Total verwirrt und eingeschüchtert sehe ich ihn an. Mein Versuch, ihn abzuwehren, misslingt, weil ich überhaupt keine Kraft habe. Und auch, weil ich es nur halbherzig versuche. Er vermittelt mir irgendwie ein Gefühl der Geborgenheit, und er sieht wirklich nett aus. Habe ich ihn schon einmal gesehen? Wie gelähmt, lasse ich mir von ihm wieder ins Bett helfen. Sanft zieht er die Decke über mich.

Ich wache auf. Noch schlaftrunken höre ich zwei Stimmen, die sich nahe bei mir unterhalten. „Sie klettert immer wieder über das Gitter. Wir wissen bald nicht mehr weiter, sie könnte sich verletzen“, sagt die weibliche Stimme etwas verärgert. „Dann werde ich von nun an hierbleiben, wenn sie das nicht geregelt bekommen“, meint nun eine männliche Stimme ziemlich wütend. Ich spüre eine Hand an meinem Arm und reiße erschrocken die Augen auf. „Hallo Schatz, ich bin bei dir“, sagt die männliche Stimme aus meinem Traum von vorhin beruhigend, und ich sehe verwirrt in ein hübsches Gesicht. Kenne ich ihn? „Komm, ich helfe dir auf.“ Etwas benommen, lasse ich mir von dem Fremden aus dem Bett helfen. Das Ganze kommt mir ziemlich seltsam vor, und ich kichere albern. Verdutzt sieht mich der Fremde an und lächelt. „Du lachst“, sagt er mit hoffnungsvollem Blick. Ich versuche, ihm zu antworten, doch meine Lippen bewegen sich nicht. Tränen schießen mir in die Augen. Der nette junge Mann nimmt mich fest in seine Arme und tröstet mich. Was ist hier nur los? Ich fühle mich seltsam verloren und gleichzeitig geborgen.

Ich wache auf und fühle mich schlecht. Mein Bauch fühlt sich sorgenschwer an, doch ich kann mir nicht erklären weshalb. Grübelnd öffne ich meine Augen und erschrecke. Dieser Raum ist mir fremd und kommt mir doch seltsam bekannt vor. Wo bin ich? War ich hier schon einmal? Und wieso bin ich nicht zu Hause? Tausend Fragen schießen durch meinen Kopf. Argwöhnisch scanne ich das Zimmer mit meinem Blick. Da fällt mir der junge Mann neben mir auf dem Boden auf. Mit angehaltenem Atem versuche ich aus dem Bett zu kommen, ohne dass ich den Mann berühre. In diesem Moment schlägt er die Augen auf, und ich fühle mich ertappt. „Gut, dass ich hier bin, Schatz. Versuchst du schon wieder zu flüchten?“, sagt er mit einer von Ironie triefenden Stimme. Etwas desorientiert lächle ich ihn schüchtern an. „Komm, wir gehen in die Cafeteria“, meint er und steht auf. Bevor ich es ihm gleichtun kann, entfernt er das Gitter vom Bett. Dann packt er mich am Arm und um die Hüften und bringt mich zu einem Rollstuhl. Erstaunt lasse ich mich in den Stuhl setzen und starre fragend in sein Gesicht. „Ich erzähle es dir unterwegs.“ Er zwinkert mir zu. In der Cafeteria angekommen bestellt er für mich einen Kaffee, genau wie ich ihn gerne trinke, und ich bin ziemlich erstaunt darüber. Er scheint mich gut zu kennen, doch ich weiß nicht genau wohin mit diesem Gesicht. Kurz erzählt er mir von einem Unfall, den ich wohl hatte, und einige Anekdoten der letzten beiden Wochen. Entsetzt lausche ich seiner Stimme, doch ich bin zu müde, um etwas zu erwidern. Genüsslich nippe ich an meinem Kaffee und lasse mich danach wieder zurück ins Bett bringen.

Wie durch Wolken vernebelt, nehme ich meine Umgebung wahr. Drei meiner besten Freunde sitzen um mich herum. Die hübsche Blonde kenne ich noch aus Kindertagen, wir gingen gemeinsam zur Schule. Der junge Kerl mit dem gepflegten Dreitagebart und den süßen Grübchen ist ihr Freund. Zu meiner Rechten sitzt meine schwarzhaarige Schwägerin. Meine Schwägerin? Bin ich verheiratet? Seltsam, ich kenne von niemandem hier den Namen. Nervös sehe ich mich um. Wir sitzen in einem hübschen Garten an einem Steintisch, der mir bekannt vorkommt. War ich schon einmal hier? Alles kommt mir seltsam vor, und ich möchte aufstehen, doch es geht nicht. Meine Beine bewegen sich nicht richtig, und das macht mich nervös. Ein hübscher junger Mann, mit einem schwer beladenen Tablett, kommt auf uns zu. Er muss mir angesehen haben, wie verwirrt ich mich fühle, und setzt sich neben mich. „Hallo Schatz, sind die fünf Minuten wieder um, was?“ Alle anderen schmunzeln ein wenig belustigt und auch ein wenig besorgt. Besorgnis sehe ich auch auf dem Gesicht des jungen Mannes. „Du hattest einen schweren Unfall und warst im Koma. Deshalb ist dein Gedächtnis noch etwas verwirrt.“ Was? Du meine Güte, was ist hier nur los? Ich möchte davonlaufen, doch das kann ich ja nicht. Die friedliche Stimmung in meinem schönen Traum von meinen Freunden ist einem Albtraum gewichen.

Ich wache auf. Wieso liegt meine Matratze auf dem Boden? Ich schaue mich um und erkenne an der Wand einige Bilder meiner liebsten. Da sind meine Freunde und meine Familie auf einigen Bildern zu sehen, und auch meine geliebten Tiere sind abgebildet. Der Hund, der mich seit 14 Jahren stets begleitet, und das hübsche dunkle Friesenpferd, mit der wallenden Mähne. Wie schön sie ist. Eine wohlige Wärme erfasst mein Innerstes beim Anblick der Fotos. Doch das hier ist nicht mein Zuhause. Verwirrt sehe ich mich um und versuche aufzustehen, doch es will nicht klappen. Mein rechtes Bein lässt sich nicht anheben, und auch mit meinem rechten Arm scheint etwas nicht zu stimmen. Schon beinahe panisch zapple ich umher, und ein junger Mann kommt auf mich zugeeilt. Wo kommt er auf einmal her? War er schon die ganze Zeit hier? In diesem Zimmer, das ich nicht kenne? Er kommt mir irgendwie bekannt vor. „Schatz bist du aufgewacht? Musst du zur Toilette?“ Bitte was? Was interessiert ihn das? „Komm, ich helfe dir!“ Niemals! Auf die Toilette kann ich ja wohl noch allein gehen, ich bin doch kein kleines Kind mehr! Zorn und Verzweiflung machen sich in mir breit. Hastig versuche ich, wieder auf die Beine zu kommen, doch es klappt einfach nicht. Was ist das bloß für ein Horror hier? Es fühlt sich wie ein Albtraum an. Total benebelt lasse ich mir von ihm aufhelfen. Wie durch eine Wolke hindurch nehme ich wahr, was passiert, doch ich kann es nicht richtig verarbeiten. Tatsächlich benötige ich für den Toilettengang Hilfe, wie peinlich. Als er mich wieder zu meinem Bett führt, schlafe ich sofort ein.

Ich wache auf. Ein junger Mann sitzt bei mir auf dem Boden. Auf dem Boden? Wieso liegt mein Bett auf dem Boden? Wer ist dieser Mann, und wo bin ich? „Hallo Schatz! Heute kommt Besuch für dich. Lucky kommt!“ Verwirrt sehe ich ihn an, und er deutet erwartungsvoll auf das Bild an der Wand von meinem besten Freund, meinem Hund. Lucky … Langsam dämmert es mir. Mein geliebter Lucky kommt zu Besuch! Aber wieso habe ich seinen Namen nicht gleich erkannt und wohin zu Besuch? In meinem Kopf dreht sich alles, und ich bin gleichzeitig total durcheinander und freue mich irrsinnig. Total überwältigt von diesem Gefühlschaos fange ich hemmungslos zu weinen an. Der junge Mann fühlt sich sichtlich hilflos und versucht, mich zu trösten. Laut schluchzend lasse ich mir in den Rollstuhl helfen. Rollstuhl? Das ist alles so wahnsinnig verwirrend hier. Wie in einem schlechten Traum ergebe ich mich meiner Ahnungslosigkeit. Gekonnt schiebt er mich durch einen langen Korridor, und wir begegnen dort sehr vielen Menschen. Es sind alles Fremde, aber trotzdem scheinen sie mich zu kennen. Einige lächeln mir freundlich zu und grüßen mich mit meinem Namen. Mich beschleicht das Gefühl, dass ich mich hier auskenne. Aber hier war ich doch noch nie. Wo sind wir?

Draußen angekommen sehe ich von Weitem meinen Lucky. Er scheint mich nicht richtig zu erkennen. Das schmerzt. Ganz vorsichtig klettert er in meine Nähe auf den Rollstuhl und beginnt leise zu wimmern. Völlig überwältigt von meinen Gefühlen, fange ich wieder zu weinen an. Zwei Leute, die ich kenne, haben Lucky zu mir gebracht. Aber ich kann mich gerade nicht mit ihnen befassen, das ist mir alles zu viel. Ewig weine ich einfach weiter. Einerseits aus endloser Liebe und Glück wegen meines Luckys und andererseits bin ich unglaublich leer. Mein Kopf fühlt sich an wie eine leere Hülle, und alles ist so unwirklich, wie in einem Traum. Nach einer Weile fragt jemand, ob wir uns auf die Terrasse setzen sollen, und ich hebe den Kopf. Es ist der Freund meiner Schulfreundin. Wie hieß sie doch gleich? Es fällt mir nicht ein. Ich blicke beschämt auf meine Knie. Gemeinsam bringen die drei mich zu einem Tisch auf einer hübschen Terrasse. Einiges kommt mir hier bekannt vor, aber ich kann mich nicht erinnern, schon einmal hier gewesen zu sein. Die drei platzieren sich so um den Tisch, dass sie mich im Rollstuhl an die Stirnseite des Tisches schieben können, und Lucky legt seinen Kopf auf meine Knie. So schön. Die Bedienung grüßt uns freundlich und lächelt mir zu, als würden wir uns kennen. Komisch. Die anderen drei bestellen ihre Getränke, und der junge nette Kerl bestellt für mich gleich mit. Er bestellt einen Kaffee, genauso, wie ich ihn bestellen würde, aber ich hätte lieber ein Glas Wasser. Als ich mich einmischen will, kommen nur komische Laute aus meiner Kehle. Ich erstarre. Was war das? Total irritiert und beschämt schaue ich in die Runde. Meine Freundin beginnt mir zu erzählen, dass ich, seit ich im Koma gelegen bin, nicht richtig sprechen kann. Mein Magen krampft sich zusammen, als ich ihr zuhöre, und ich kann kaum noch atmen. Wieso Koma? Ich kann nicht sprechen? Das ist doch alles nur ein schlechter Traum hier, oder?

Ich wache auf. Vor dem Fenster regnet es in Strömen, und das Wasser peitscht gegen die Glasscheibe. Wo bin ich hier? Mein Versuch, aufzustehen, gerät etwas ins Wanken, weil mein rechtes Bein einfach nicht richtig mitmacht, und mein Arm ist auch keine große Hilfe. Mit viel Mühe schaffe ich es ins Badezimmer und bin sichtlich stolz auf mich. Wieso bin ich darauf stolz? Von draußen höre ich panisch meinen Namen, und ein junger Mann betritt eilig das Badezimmer. Ich bin schockiert! Ist das hier normal? Kann man nicht einmal in Ruhe auf die Toilette gehen, und wer ist dieser süße Typ, der mich in diese peinliche Situation bringt? „Schatz! Du gehst ja! Ganz allein!“ Ja, natürlich gehe ich. Was soll denn das ganze Theater. Mit einem finsteren Blick auf dem Gesicht humple ich gegen die Wand gestützt an ihm vorbei. Es erscheint mir schon seltsam, wie viel Kraft ich für die paar Schritte brauche. Völlig erstaunt, beobachtet mich der Fremde. Die Freude in seinem Gesicht und seine feuchten Augen rühren mich beinahe zu Tränen. Wieso empfinde ich so? Mühsam setze ich mich auf einen Sessel. Was sind das für Möbel, und wo sind wir hier? Eine tiefe Falte bildet sich auf meiner Stirn. Der freche Unbekannte setzt sich auf einen Sessel neben mir und fährt mir zärtlich über den Arm. Bevor ich protestieren kann, erzählt er mir, dass er mein Ehemann wäre und dass ich mit meiner Shila gestürzt wäre. Von mir im Koma und meinen Symptomen davon. Alles in mir ist schwummrig und mir wird richtig elend bei seinen Erzählungen. Irgendwie kenne ich die Geschichte, das habe ich doch geträumt, oder? Das Ganze ist so unglaublich verwirrend. Ich kann mich kaum noch aufrecht halten, und mein vermeintlicher Ehemann bringt mich wieder ins Bett.

Ich wache auf. „Shila!“, rufe ich. Ein junger Mann stürzt sich zu mir, mit riesigen Augen und einem breiten Lachen im Gesicht. Dieses Lächeln kommt mir sehr bekannt vor. Als er näherkommt, sehe ich Tränen auf seinen Wangen. „Shila“, sage ich noch einmal, nun etwas leiser. In meinem Innersten brennt eine Sehnsucht, die ich nicht für möglich gehalten hätte. Vor lauter Freude fällt mir der Mann um den Hals. Erstarrt vor Erstaunen, bleibe ich unbewegt sitzen. Er stürmt aus dem Zimmer, nur um kurz darauf wieder hereinzukommen und mich zu packen. „Wir fahren zu Shila!“ Ich kann meine Freude kaum bändigen. Trotzdem finde ich es etwas seltsam, mit einem völligen Fremden mitzugehen. Wieso interessiert ihn das überhaupt? Er sucht Kleider für mich zusammen und hilft mir, mich anzuziehen. Das fühlt sich seltsam vertraut an. Alles sehr verwirrend und geradezu unheimlich. Wie in Trance lasse ich mir von ihm in den Rollstuhl helfen, und er bringt mich zum Parkplatz. Mit einiger Anstrengung verfrachtet er mich ins Auto. Es tut mir leid, dass er sich so anstrengen muss, aber mehr helfen, kann ich trotzdem nicht. Eine gefühlte Ewigkeit verbringen wir in einem Auto, das ich als mein Auto betitelt hätte, wäre da nicht dieser Fremde mit dem Schlüssel. Das macht mich alles etwas konfus, doch ich freue mich schon so auf mein Pferdchen, dass alles andere egal scheint. Von Weitem erkenne ich das Stallgebäude, in dem meine geliebte Shila seit ihrer Geburt lebt. Vor lauter Vorfreude schießen mir Tränen in die Augen. Der nette Fahrer macht sich sichtlich Sorgen um mich und versucht, mich zu beruhigen. Doch mein einziger Gedanke ist Shila. Der Fremde parkt das Auto und öffnet mir die Tür. Mit vereinten Kräften schaffe ich es heraus, und er stützt mich. Die gesamte Kraft, die ich aufbringen kann, und jedes Fünkchen Konzentration brauche ich, um mich zu meinem Pferd zu schleppen. Sehr seltsam. Eingepackt in eine Hülle von Liebe und Glück falle ich Shila um den Hals und wäre beinahe gestürzt. Eine starke Hand packt mich bei den Hüften, und ich höre ein tadelndes „Schatz“. Ich drehe mich um, und der nette Mann von vorhin verdreht genervt die Augen. Es ist ihm anzumerken, dass er sich hier extrem unwohl fühlt. Warum nur ist ihm so unbehaglich? Einerseits sehe ich in seinem Blick tiefes Verständnis, aber auch eine große Angst. Ich genieße die Berührung von Shilas Fell wahnsinnig. Sie drückt mir ihre Nüstern ans Ohr und atmet mir warme Luft entgegen. Das macht sie immer, und ich mag das. Ich küsse auf ihre Nüstern. Eine Hand zieht mich zurück. „Nicht so nah. Pass auf.“ Frustriert über die Einmischung in diese wohlige Zweisamkeit verdrehe ich die Augen. „Du brauchst dich gar nicht zu beschweren, schließlich bin ich extra mit dir hergefahren.“ Allem Anschein nach hält mich dieser Kerl für total undankbar. Dabei habe ich doch schon so ein schlechtes Gewissen und weiß nicht einmal genau wieso. Nach einiger Zeit schiebt er mich wieder aus dem Stall. Was fällt ihm ein? „Genug jetzt, du kannst ja kaum noch die Augen offenhalten“, meint er. Widerwillig lasse ich mir wieder ins Auto helfen. Das ist einfach nicht fair. Wieso durfte ich nicht länger hierbleiben? Ein Ausritt wäre schön gewesen. Stumm setzt er sich hinters Steuer und fährt ohne ein weiteres Wort los.

Ich wache auf und bemerke, dass ich in einem Auto sitze. Ist das mein Auto? Seltsam, wie bin ich bloß hierhergekommen? Schlaftrunken nehme ich den Fahrer wahr und schrecke auf. Belustigt klopft der Fremde auf meinen Oberschenkel. „Na, wieder wach?“, sagt er, und meine Sinne reagieren auf seine Stimme entspannt. Auf einem großen Platz, den ich schon einmal gesehen habe, parkt er das Auto und hilft mir, auszusteigen. Er führt mich über den Parkplatz in ein großes Gebäude, das mir bekannt vorkommt. War ich schon einmal hier? Es ist echt anstrengend, mich auf den Beinen zu halten, und ich kralle mich an seinem Arm fest. Bin ich froh, als wir endlich in einem hübschen Zimmer angekommen sind und er mir auf einen Sessel hilft. Es ist mir egal, dass ich nicht weiß, wo wir sind und wer er eigentlich ist, ich bin so müde, es ist mir alles egal. Eigentlich möchte ich mich bei ihm bedanken, aber das bekomme ich nicht hin, keine Ahnung wieso. Alles um mich herum verschwimmt, und ich schlafe ein.

Wie durch Wolken hindurch nehme ich meine Umgebung wahr. Eine junge, nett aussehende Frau sitzt mir gegenüber und fragt mich, wie mein Tag gestern war. Beim Versuch, ihr zu antworten, bemerke ich, dass ich das nicht weiß. Seltsam. Die Frau schaut mich wissend an und nickt. Sie streckt mir etwas wie einen Stift entgegen. Er ist leuchtend gelb und auf der einen Seite etwas dicker als auf der anderen. Irgendwie glaube ich, das Ding schon einmal gesehen zu haben. „Nehmen Sie das bitte mit der rechten Hand und halten Sie es ganz fest.“ Sie redet mit mir wie mit einem Kleinkind. Ein wenig verwirrt und auch genervt über diese seltsame Situation strecke ich die Hand aus. Was soll das hier? Beim Versuch, den Stift zu greifen, verlässt scheinbar meine Hand alle Kraft, und der Stift fällt zu Boden. „Noch ein Versuch?“ Die junge Frau streckt mir ein weiteres Mal den Stift entgegen. Total gedemütigt zwinge ich mich zu einem freundlichen Gesicht. Beim nächsten Versuch kann ich tatsächlich den Stift greifen, und ich freue mich total über diese Leistung. Diese Leistung? Verwirrung und Zorn brennen in meinem Bauch, doch ich lasse mir nichts anmerken. Eigentlich kommt mir hier vieles bekannt vor, aber ich weiß trotzdem nicht, wo ich bin. Mein Kopf ist etwas schwummrig, und die nette Frau meint, ich solle mich doch etwas ausruhen. Heute hätte ich schon so viel geleistet. Irgendwie macht mich dieser Satz stolz und demütigt mich zugleich wahnsinnig. Was soll ich bitte geleistet haben? Ich erinnere mich an gar nichts. Alles in mir dreht sich, und es kommt mir irgendwie unwirklich vor. Was soll das? Was für ein seltsamer Traum.

Ich wache auf. Meine Matratze liegt wie gewohnt auf dem Boden. Doch es liegt jemand neben mir. Wer ist das? Heimlich versuche ich, einen Blick zu erhaschen. Ein nett aussehender Kerl, aber was hat er unter meiner Decke zu suchen? Möglichst unauffällig versuche ich, aus dem Bett zu kriechen. Das ist gar nicht so leicht in meiner derzeitigen Verfassung. Welche Verfassung? Was stimmt mit mir nicht? Langsam werde ich nervös. Mein Körper lässt sich nicht richtig bewegen. Wer ist dieser Mann? Weil ich kaum vom Fleck komme und an der Wand liege, versuche ich, ihn von der Matratze zu schieben. „Hey!“, schimpft er schlaftrunken. Schnell rolle ich mich zusammen, ziehe die Decke über den Kopf und versuche, unschuldig zu wirken. Vielleicht bemerkt er mich nicht. Eine Hand hebt die Decke an, und mit einem Schmunzeln im Gesicht fragt er mich: „Wolltest du mich aus dem Bett werfen?“ Ich versuche, ernst zu bleiben, obwohl mir das im Moment extrem schwerfällt. Aber schließlich hat sich ein Fremder in mein Bett geschlichen. „Wer du?“, höre ich mich sagen. Mir fällt wohl auf, dass etwas mit meiner Frage nicht stimmt, aber ich finde den Fehler nicht. Er fängt zu lachen an. Sein Lachen wird lauter und lauter und bald kommen ihm die Tränen. Total verdattert über diese Reaktion sehe ich ihn verwirrt an. Was habe ich denn so Lustiges gesagt? Irgendwie weiß ich, dass der Satz falsch war, aber muss er mich deswegen so schamlos auslachen? Endlich kriegt er sich wieder ein, und sein Lachen beruhigt sich. Er erklärt mir mit unterdrücktem Kichern, dass das meine ersten Worte seit Wochen sind und er sich so darüber freut, meine Stimme zu hören. Auch wenn sie anscheinend nicht so klingt wie gewöhnlich. Nach langen Erklärungen seinerseits, bin ich still und grüble vor mich hin. „Ein seltsamer Zeitgenosse“, denke ich mir. Der hat ja Geschichten auf Lager.

Ich wache auf. Mein Ehemann sitzt auf meiner Matratze auf dem Boden. Sie muss am Boden liegen, weil ich in letzter Zeit mehrmals aus dem Bett gefallen bin. Wieso wohl? Umständlich richte ich mich auf und küsse ihn. „Guten Morgen Lieb“, sage ich. Er sieht mich verdutzt an. „Du erkennst mich?“, raunt er mit halb erstickter Stimme. „Ja klar ich dich!“ Was für eine dumme Frage. Mit meiner Antwort stimmt aber irgendetwas nicht, denke ich. Er erklärt mir, dass ich wohl einen schweren Unfall hatte und mich mehrere Wochen beinahe an nichts erinnert hätte. Auch das Sprechen falle mir immer noch etwas schwer, aber es klappt schon besser. Mir schnürt es bei seinen Erzählungen die Kehle zu. Ich bin seit bald sechs Wochen in einer Klinik und kann mich eigentlich an nichts erinnern. Diese Neuigkeit haut mich um, und ich ringe um Fassung. Tränen brennen in meinen Augen. Während er mir einige Details der letzten Wochen erzählt, fällt es mir schwer, ihm zu glauben. Wenn das wirklich alles stimmt, tut es mir wahnsinnig leid. Auf einmal werde ich extrem schläfrig, und er erklärt mir, das sei völlig ok. Scheinbar habe ich die letzten Wochen so gut wie nur geschlafen. Nur für das Essen und für die Therapien wurde ich jeweils geweckt. Die Ärzte meinten wohl, mein Körper und mein Gehirn bräuchten noch so viel Erholung, und ich wäre deswegen immer so müde. Während er noch mit mir spricht, schlafe ich ein.