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Vom Fischer, der Fische hasste. Vom Tod, der Kuchen essen musste. Von Pechvögeln, Eheleuten. Hexen und Brüdern – vor allem aber von der Weisheit und dem Zauber, die in Geschichten stecken. Zwölf Geschichten für zwölf Monate. Ein märchenhafter Begleiter durch das Jahr. Zum Lachen, Nachdenken, Schmunzeln und einfach Genießen. Jede Geschichte mit Videolink, um sie nicht nur lesen, sondern auch anhören zu können, frei erzählt von der Geschichtenerzählerin und Autorin Marion Wiesler.
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Veröffentlichungsjahr: 2025
Pragantia Books
©2025 Marion Wiesler
www.marionwiesler.at
Pragantia Books
Elz 67
8182 Puch bei Weiz
Cover und Grafiken: Veronika Tanton
veronikatanton.com
Vertrieb:
tolino media
ISBN Taschenbuch: 978-3-819459-26-9
ISBN ebook: 978-3-903560-32-1
»Gute Geschichten sind Küsse für die Seele« war lange Zeit mein Motto als Erzählerin und ist etwas, an das ich immer noch glaube. Man ist nie zu alt für Geschichten und ich habe es schon oft genossen mitzuerleben, wenn Erwachsene den Zauber von Märchen und Geschichten wiederentdecken. Denn es ist ein Zauber, wie oft schlichte Geschichten uns berühren können, uns Weisheit vermitteln oder einfach zum Lachen bringen.
Im vorliegenden Buch möchte ich dich einladen, dich bewusst ein Jahr lang diesem Zauber zu öffnen. Zu jedem Monat findest du eine Geschichte, ein Märchen – zum Lesen, aber auch als Video – und ich hoffe, dass diese Geschichten dich in Gedanken durch den Monat begleiten und dich ein wenig genauer hinsehen lassen, was denn an deinem eigenen Leben gerade märchenhaft ist.
Oder aber du liest die Märchen einfach kunterbunt nach Lust und Laune – ich bin die Erste, die etwas justament nicht so tut, wie es gedacht ist. :-) Den Geschichten ist es egal, sie freuen sich einfach, wenn sie sich in dir breit machen dürfen.
So oder so hoffe ich aber, dass diese Märchen und Geschichten dir Freude bereiten, dich vielleicht ein wenig zum Nachdenken anregen oder dich an dunklen Tagen begleiten und trösten.
Im Anhang des Buches findest du zu jeder Geschichte etwas darüber, woher sie stammt und wie sie in mein Leben gekommen ist.
Gerne darfst du sie alle nicht nur vorlesen, sondern auch in deinen eigenen Worten weitererzählen, denn Geschichten sind meiner Meinung nach ein Schatz, der verbreitet und nicht gehortet werden will.
Deine
Marion Wiesler
www.marionwiesler.at
Das Jahr dreht sich, es bewegt sich,
jede Wiederkehr ein Neubeginn.
Und doch erfreuen wir uns an den ersten Sonnenstrahlen im Frühjahr genau so,
wie unsere Ahnen es taten.
NAMENSBEDEUTUNG
benannt nach Janus, dem zweigesichtigen Gott, der ein Bewacher der Stadttore war. Er blickt gleichzeitig vor und zurück.
ALTE NAMEN
Hartung, Eismond, Hartmond
Hartung und Hartmond stammen vom althochdeutschen hertimanod, bzw. mittelhochdeutschen hertemanot ab, wobei sich die Härte auf die des vereisten Bodens bezieht.
Der Januar (oder Jänner, wie wir in Österreich sagen) ist der Monat des Neubeginns, der guten Vorsätze, der großen Hoffnung, dass es heuer besser werden wird, wenn man nur mit dem Rauchen aufhört, abnimmt, trainieren geht … Es ist der Monat, in dem wir meist gedanklich mehr in der Zukunft als der Gegenwart leben und uns voller Enthusiasmus an die Lösung unserer Probleme machen.
Was macht für dich den Zauber des Januar aus?
Es war einmal, vor langer Zeit – und die Geschichte ist wahr, auch wenn sie nie geschehen ist – da lebte ein Mann, der war ein unglaublicher Pechvogel.
In der Früh konnte er sicher sein, dass er verschlief, weil sein Wecker nicht läutete. Sprang er dann aus dem Bett, landete er bestimmt mit einem Fuß in der Mausefalle unter dem Nachttischchen, hüpfte er dann auf einem Fuss die Treppe hinunter, stolperte er sicher und fiel. Im Herd war gewiss das Feuer ausgegangen und wenn er es schaffte, es wieder in Gang zu bringen, war er gewiss voller Ruß, oder er schaffte es nicht und musste ohne Frühstück in die Arbeit gehen – so er denn eine Arbeit hatte. Am Weg in die Arbeit wurde er gewiss von einem Regenguss überrascht und auch wenn in der Arbeit nicht hundert Katastrophen passierten, so bezahlte sein Herr ihn oft dennoch nicht. Bekam er einen Lohn, so wurde er am Heimweg gewiss überfallen oder verlor seine Brieftasche.
Kurz und gut, einen schlimmeren Pechvogel konnte man sich nicht vorstellen.
Eines Tages, nachdem das nun jahrelang so gegangen war, setzte sich der Pechvogel auf einen Sessel und dieser brach zusammen. Da beschloss der Pechvogel, seinem Leben ein Ende zu setzen.
Nun war er aber ein Pechvogel und er musste feststellen, dass man selbst fürs Umbringen Glück brauchte. Als er versuchte, sich zu erhängen, riss das Seil und er brach sich den Fuß. Als er sich erschießen wollte, klemmte er sich den Finger im Abzug und konnte nicht abdrücken, sondern lief dafür tagelang mit einem geschwollenen Finger umher. Und als er es schließlich mit Schlaftabletten versuchte, erwischte er das Abführmittel. So beschloss der Pechvogel, sich an jemanden zu wenden, der sich mit dem Sterben und Umbringen auskannte.
Er traf den Pfarrer nach der Messe in der Sakristei, wo dieser gerade dafür sorgte, dass der Messwein nicht schlecht wurde.
»Herr Pfarrer, ich bin so ein Pechvogel, ich will Ihnen gar nicht erzählen, was mir alles so passiert, nur ein Beispiel – wenn ich Tee koche, so brennt er gewiss an. Deshalb will ich mich umbringen, Herr Pfarrer, aber das ist nicht so einfach, deshalb bin ich hier, um Sie um Rat zu fragen.«
»Nun, wir von der Kirche sehen es nicht so gerne, wenn unsere Beitragszahler sich selbst erlösen«, sagte der Pfarrer. »Warum gehst du nicht in den Wald, dort gibt es tief drinnen eine uralte Eiche auf einem Hügel, und unter der Eiche ist eine Höhle. Jetzt würd ich gerne sagen, in der Höhle lebt ein Mönch oder ein weiser Mann, aber es ist eine Frau. Und die weiß alles. Gewiss auch, warum du so viel Pech hast und was du dagegen tun kannst.«
Das klang nach einer guten Idee. Umbringen konnte er sich ja immer noch, das lief ihm ja nicht davon.
Und so machte sich der Pechvogel auf in den Wald. Aber, das war damals noch ein richtiger Wald, nicht so wie heute – da eine Fichte, hier eine Fichte und dazwischen schön staubgesaugt. Das war noch ein richtiger Wald, mit Unterholz, das wirklich Holz war, und Dickicht, das richtig dicht war. Da hat man schon Mut gebraucht, wenn man in den Wald ging, weil da gab es auch Tiere. Richtige, gefährliche Tiere, nicht so wie heut, da ein Eichkatzerl, hier ein Spatz, sondern da gab es Wildschweine und Bären und Wölfe.
Der Pechvogel stand am Waldesrand und hatte Angst. Denn bei seinem Pech, da begnete ihm sicher gleich – tatsächlich, da war er schon, der Wolf.
Also, bei genauerem Hinsehen war das mehr so ein Wolferl, weil der war vielleicht mager! Nix auf den Rippen, nix auf den Schenkeln, aber scharfe Zähne im Gesicht.
Aber das Wolferl, das wollt ihn gar nicht fressen, das hat nur mit schief gelegtem Kopf gefragt: »Wer bist denn du, wo willst denn hin?«
Und da hat der Pechvogel erzählt, dass er so viel Pech hat, dass wenn er sich einen Splitter aus dem Finger zieht, er sich gewiss mit der Pinzette so sticht, dass er eine Blutvergiftung hat. Da will er nun zur alten weisen Frau und sie fragen, warum er so Pech hat und was er dagegen tun kann.
»Aha«, hat da das Wolferl gesagt und hat gemeint: »Wenn du zu der alten, weisen Frau gehst, könntest du sie von mir auch etwas fragen?«
»Aber sicher. Was soll ich sie denn fragen?«
»Schau mich an, wie dünn ich bin. Ich kann essen, was ich will – Eichkatzerl, Spatzen, Mäuse – nie bin ich satt, nie nehm ich zu. Kannst sie bitte fragen, was ich tun soll, dass ich mal so richtig satt bin?«
»Ja, gerne, mach ich«, hat der Pechvogel gesagt und ist weiter durch den Wald marschiert.
Wie er zu Mittag dann schon sehr müde und durstig war – weil durch so ein Dickicht, das ist kein Sonntagsspaziergang – da kam er an einen Weiher. Das Wasser plätscherte klar und fröhlich, da hat er sich ans Ufer gesetzt, seine schmerzenden Füße ins kühle Nass gehalten und ordentlich getrunken. Und dann hat er sich gedacht, dass es umgekehrt wohl klüger gewesen wäre, erst trinken, dann die stinkenden Füße reinhalten, aber er war halt ein Pechvogel Und wie er da so sitzt, da hört er eine Stimme.
»Wer bist denn du, wo willst denn hin?« Er schaut sich um, aber da ist niemand. Wieder das Stimmchen: »Magst mir nicht sagen, wer du bist?«
Da merkt er, dass das der Baum ist, unter dem er sitzt, der da redet. Wobei, das war mehr ein Bäumchen, so ein Krischpinderl von einem Baum, ganz schief und krumm, mit dünnen Ästen.
Der Pechvogel hat dem Baum seine Geschichte erzählt, dass er immer so viel Pech hat – wenn er sich ein Buch kauft, fehlen gewiss die letzten Seiten des Krimis, sodass er nie weiß, wer der Mörder ist –, und dass er nun zur weisen Frau will, sie um Rat fragen.
Da hat der Krischpindelbaum geseufzt und hat gefragt: »Sag, magst sie von mir auch etwas fragen?«
»Sicher, gerne.«
»Schau mich an, und schau meine Brüder an – sieh, wie die gerade und mächtig in den Himmel wachsen! Und ich kann mich plagen, so viel ich will, es wird einfach nix aus mir. Kannst du die alte Frau fragen, warum ich so ein Zniachterl bin und was ich dagegen tun kann?«
Der Pechvogel versprach's, und nachdem er sich ausgeruht hatte, ging er weiter.
Gegen Abend kam er zu einer Lichtung, die war unglaublich schön.
Die Abendsonne schien auf einen prächtigen Garten, mit Obstbäumen, Blumen und ein paar Gemüsebeeten. Mitten auf der Lichtung stand ein Haus, das war gerade perfekt. Groß genug, dass es keine Hütte war, klein genug, dass man nicht zu viel Holz zum Heizen brauchte. So fasziniert war der Pechvogel von diesem Garten mitten im Wald, dass er gar nicht merkte, dass vor dem Haus eine hübsche Frau saß. Erst, als sie ihn ansprach, da ist ihm das Herz in die Hose gerutscht, weil noch nie hatte eine hübsche Frau ihn angesprochen. Und diese hier, die lud ihn sogar ein, sich zu ihm zu setzen! Ehe man sich's versah, saßen sie nebeneinander auf dem Bankerl. Und der Pechvogel bewunderte den Gemüsegarten und die Frau erzählte, wie prächtig heuer die Erbsen gewesen wären. Der Pechvogel erzählte, dass die Schnecken all seinen Salat gegessen hätten. »Die Kirschen waren heuer auch eine Pracht«, sagte die Frau. »Mein Apfelbaum hatte nur einen Apfel, und der fiel mir auf den Kopf, als ich darunter lag«, sagte der Pechvogel.
Und so plauschten sie und plauschten sie, bis es dunkel wurde, und taten Dinge, die man im Dunkeln halt so tut, als Mann und Frau.
Am nächsten Morgen musste der Pechvogel der Frau gar nicht erst seine Geschichte erzählen, dass er Pech hatte, das war ihr klar. Als er ihr erzählte, dass er zu der weisen Frau ging, da fragte sie: »Sag, wenn du zu der alten Frau gehst, meinst du, du kannst sie von mir auch etwas fragen?«
»Sicher, von Herzen gerne.«
»Also, weißt du, hier ist es ja wunderschön und ich hab alles, was ich brauche – Obst und Gemüse und schöne Blumen und ein Haus, das ist weder zu groß, noch zu klein, aber trotzdem, manchmal, ich weiß nicht warum, da bin ich so unendlich traurig. Kannst du sie fragen, warum ich manchmal so traurig bin und was ich dagegen machen kann?«
So machte sich der Pechvogel weiter auf den Weg und gegen Mittag kam er zu dem Hügel mitten im Wald, auf dem stand die riesige, alte Eiche. Die war so alt, das kann man sich gar nicht vorstellen. Nachdem er sie fünfmal umrundet hatte und über zwanzig Wurzeln gestolpert war, entdeckte er den Eingang in die Höhle. Und in der Höhle unter der Eiche, da saß eine alte Frau, die war gewiss schon so alt wie die Eiche. Da war sich der Pechvogel sicher, die alte, weise Frau gefunden zu haben, und er erzählte ihr seine Geschichte, und sie hörte ihm aufmerksam zu und dann schloss sie die Augen und dachte nach. Und sie dachte nach, und dachte nach, und dachte nach … Der Pechvogel dachte schon, sie wäre gestorben – bei seinem Pech wäre das nicht verwunderlich gewesen – da öffnete sie die Augen und sagte: »Dein Glück liegt auf deinem Weg.«
Hastig bedankte sich der Pechvogel und wollte schon davon eilen, doch dann fielen ihm die Fragen von Wolf und Baum und Frau ein und er fragte das auch noch und erhielt für alle eine Antwort.
Gegen Abend war er dann wieder bei der Lichtung mit der hübschen Frau und die beiden mochten einander noch viel mehr als beim ersten Mal und plauderten und plauderten die ganze Nacht.
Und erst am Morgen, da fragte die Frau: »Sag, hat dir denn die weise, alte Frau etwas für mich gesagt, warum ich manchmal so traurig bin?«
»Naja, sie hat gemeint, du bist so traurig, weil du so alleine bist und sie hat gemeint, wenn das nächste Mal ein netter Mann vorbeikommt, der dir gefällt, dann sollst du ihn doch fragen, ob er nicht bei dir bleiben will, dann wirst du nicht mehr traurig sein.«
Da errötete die junge Frau. »Du … gar so viele kommen hier ja nicht vorbei … und gefallen tätest du mir schon ... magst nicht bei mir bleiben?«
Da sprang der Pechvogel auf und sagte: »Du, von Herzen gerne, aber weißt, mir hat die alte Frau gesagt, mein Glück liegt auf meinem Weg, und wenn ich nun bei dir bleib, dann hab ich Angst, dass ich es nicht rechtzeitig finde und es mir davonläuft, deshalb muss ich mich sputen, damit ich es einhol.«
Und weg war er.
Mittags kam er dann zu dem Weiher und natürlich fragte auch der Baum ihn: »Und, was hat die alte Frau gesagt, warum ich so ein Krischpinderl bin?«
