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Die Menschheit steht kurz davor, sich in einem globalen Krieg zu vernichten und die Erde mit in den Abgrund zu reißen. Deswegen wird ein Marskolonisten-Programm gestartet, aber um auf unserem unwirtlichen Nachbarplaneten ohne Hilfsmittel zu überleben, müssen die Körper der Siedler verändert werden. Roger Torraway ist das erste erfolgreiche Produkt des Mensch-Plus-Programms. Äußerlich hat er nur noch wenig mit seinen Mitmenschen gemein. Aber innerlich ist er nach wie vor ein Mann – und genau hier liegt sein Dilemma …
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Seitenzahl: 484
Veröffentlichungsjahr: 2022
Das Buch
Nach mehreren bemannten Marsmissionen wollen die Menschen nun unseren Nachbarplaneten dauerhaft besiedeln. Die Zeit drängt, denn die Supercomputer sagen einen globalen Konflikt voraus, der nicht nur die Menschheit vernichten, sondern auch die Erde vollständig zerstören wird. Doch um auf dem Mars, einem kalten Planeten ohne nennenswerte Atmosphäre, überleben zu können, müssen die ersten Siedler physisch verändert werden. Im Mensch-Plus-Programm werden die ersten Pioniere mit kybernetischen Implantaten ausgestattet. Ihre Arme und Beine ersetzt man durch Prothesen, statt Augen haben sie nun Scanner und Kameras. Roger Torraway ist das erste erfolgreiche Produkt des Programms. Äußerlich hat er kaum noch etwas mit einem Menschen gemein. Aber in seinem Inneren ist er nach wie vor ein Mann – und genau hierin liegt sein Dilemma …
Der Autor
Frederik Pohl, 1919 in New York geboren, zählt neben Isaac Asimov und Robert A. Heinlein zu den Gründervätern der amerikanischen Science-Fiction. Er gehörte zu den SF-Herausgebern der ersten Stunde und machte schnell auch mit eigenen Romanen und Kurzgeschichten von sich reden, darunter Mensch Plus, für den er mit dem Nebula Award ausgezeichnet wurde. Zusammen mit Cyril M. Kornbluth schrieb er Eine Handvoll Venus. Die Gateway-Trilogie gilt als sein bedeutendstes Werk. Frederik Pohl starb 2013 in seiner Heimat Illinois.
Mehr über Frederik Pohl und seine Werke erfahren Sie auf:
Frederik Pohl
Mensch Plus
Roman
Überarbeitete Neuausgabe
WILHELM HEYNE VERLAGMÜNCHEN
Titel der Originalausgabe: MAN PLUSAus dem Amerikanischen von Tony Westermayr Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.Sollte diese Publikation Links auf Webseiten Dritter enthalten, so übernehmen wir für deren Inhalte keine Haftung, da wir uns diese nicht zu eigen machen, sondern lediglich auf deren Stand zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung verweisen.
Vollständig überarbeitete Neuausgabe 02/2022
Copyright © 1976 by Frederik Pohl
Copyright © 2022 dieser Ausgabe und der Übersetzung by Wilhelm Heyne Verlag, München,
in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,
Neumarkter Straße 28, 81673 München
Umschlaggestaltung: DAS ILLUSTRAT, München, unter Verwendung eines Motivs von iStockphoto/smartboy10
Satz: Uhl + Massopust, AalenISBN 978-3-641-28418-3V001
www.diezukunft.de
1 Ein Astronaut und seine Welt
2 Was der Präsident wollte
3 Ein Mensch wird Marsianer
4 Eine Gruppe potenzieller Sargträger
5 Ein Monster wird wieder sterblich
6 Sterblich in Todesfurcht
7 Ein sterbliches Monster
8 Durch trügerische Augen
9 Dash an der Bettkante
10 Batmans Entrechats
11 Dorothy Louise Mintz Torraway als Penelope
12 Zwei Simulationen und eine Realität
13 Jetzt gibt es kein Zurück mehr
14 Missionar für den Mars
15 Wie die guten Nachrichten vom Mars zur Erde gelangen
16 Über die Wahrnehmung von Gefahren
17 Ein Tag im Leben eines Marsianers
18 Mensch Plus Wir
Es ist notwendig, von Roger Torraway zu berichten. Ein menschliches Wesen scheint nicht besonders wichtig zu sein, wenn acht Milliarden leben. Nicht wichtiger als etwa ein Mikrochip in einem Datenspeicher. Aber ein einziger Chip kann entscheidend sein, wenn er eine fundamentale Information enthält, und Torraway war genau auf diese Art wichtig.
Er war ein gut aussehender Mann, wie es Menschen eben sein können. Und berühmt dazu. Oder war es gewesen.
Es hatte eine Zeit gegeben, als Roger Torraway zwei Monate und drei Wochen am Himmel gehangen hatte, zusammen mit fünf anderen Astronauten. Sie waren alle schmutzig, geil und vorwiegend gelangweilt. Das war es nicht, was ihn berühmt gemacht hatte. Das war nur Leute-mit-Nachrichtenwert-Stoff, gut für zwei Sätze in der Sieben-Uhr-Zusammenfassung an einem ereignislosen Abend.
Aber berühmt wurde er. In Betschuanaland und Belutschistan und Buffalo kannten die Leute seinen Namen. Er war auf der Titelseite des TIME Magazine. Aber nicht allein. Er musste sie mit dem Rest seiner Mannschaft im Raumlabor teilen, weil sie diejenigen waren, die Glück hatten und die sowjetische Besatzung retteten, die ohne Steuerdüsen zur Erde zurückkam.
So waren sie über Nacht alle berühmte Leute. Torraway war achtundzwanzig Jahre alt, als das passierte, und hatte gerade eine grünäugige, schwarzhaarige Lehrerin für Kunst und Keramik geheiratet. Dorrie auf der Erde war, was ihn sehnsüchtig, Rog in der Umlaufbahn das, was Dorrie selbst zu einer Berühmtheit machte, und das gefiel ihr.
Es brauchte etwas Besonderes, um der Frau eines Astronauten Nachrichtenwert zu verschaffen. Es gab so viele davon. Sie sahen einander so ähnlich. Die Journalisten vertraten die Meinung, die NASA suche die Astronautenfrauen aus den Bewerberinnen um den Titel der Miss Georgia aus. Sie sahen alle so aus, als wollten sie, kaum aus dem Badeanzug geschlüpft, Tambourmajor-Vorführungen zeigen oder ein Allerweltsgedicht vortragen. Dorrie Torraway wirkte dafür ein bisschen zu intelligent, obwohl sie auf jeden Fall hübsch genug war. Sie war die einzige Astronautenfrau, über die das Ladies’ Home Journal (»Zwölf Weihnachtsgeschenke, die Sie in Ihrem Brennofen backen können«) und die Zeitschrift Ms. (»Kinder würden meine Ehe ruinieren«) ausführlich berichteten.
Rog war ganz für die Nicht-Familie. Er war für alles, was Dorrie wollte, weil er sehr für Dorrie war.
In dieser Beziehung unterschied er sich etwas von seinen Kameraden, die im Weltraumprogramm hauptsächlich erfreuliche Nebenleistungen weiblicher Provenienz entdeckt hatten. In anderer Hinsicht war er genau wie sie. Aufgeweckt, gesund, klug, von angenehmem Äußeren, technisch ausgebildet. Die Journalisten glaubten eine Weile, auch die Astronauten selbst kämen irgendwo von einem Fließband. Es gab sie mit einem Spielraum von zwanzig Zentimetern in der Körpergröße und zehn, zwölf Jahren im Alter, wahlweise in vier Hautfarben, von Milchschokolade bis Wikinger. Ihre Freizeitbeschäftigungen waren Schach, Schwimmen, die Jagd, Fliegen, Tauchen, Fischen und Golf. Sie pflegten mühelosen Umgang mit Senatoren und Botschaftern. Wenn sie das Raumprogramm verließen, fanden sie Posten bei Luft- und Raumfahrtunternehmen oder traten für hoffnungslose Anliegen ein, die ein neues öffentliches Image brauchten. Diese Posten wurden sehr gut bezahlt. Astronauten waren wertvolle Produkte. Sie wurden nicht nur von den Massenmedien und dem Mann auf der Straße geschätzt. Wir bewerteten sie ebenfalls sehr hoch.
Was die Astronauten verkörperten, war ein Traum. Der Traum war unbezahlbar für den Mann auf der Straße, vor allem, wenn es sich um eine feuchte, stinkende Straße in Kalkutta handelte, wo Familien auf dem Gehsteig schliefen und sich in der Morgendämmerung hochrafften, um sich für eine kostenlose Schüssel Essen anzustellen. Es war eine schmutzige, schmierige Welt, und der Weltraum verschaffte ihr ein wenig Schönheit und Erregung. Nicht viel, aber besser als gar nichts.
Die Astronauten bildeten rings um Tonka in Oklahoma eine enge, kleine Gemeinschaft, wie Baseball-Familien. Jeder, der seine erste Mission flog, gehörte zur Oberliga. Von da an waren sie Rivalen und Mannschaftskameraden. Sie konkurrierten miteinander, um ausgewählt zu werden, und unterstützten einander vom Spielfeldrand aus. Es war die Dichotomie des Berufssportlers. Kein alternder Veteran, der auf der Bank saß und den neuesten Jungstar beobachtete, empfand mehr Bedrückung und zornigen Neid als der Ersatzmann für eine Landung auf einem anderen Planeten, wenn er Nummer eins in den Raumanzug steigen sah.
Rog und Dorrie passten gut in diese Gemeinschaft. Sie schlossen schnell Freundschaft. Sie waren gerade ausgefallen genug, um ein wenig hervorzutreten, aber nicht so seltsam, dass jemand sich hätte Sorgen machen müssen. Wenn Dorrie selbst keine Kinder haben wollte, war sie doch lieb zu den Kindern anderer Frauen. Als Vic Samuelson auf der anderen Seite der Sonne fünf Tage lang keine Funkverbindung hatte und bei Verna Samuelson vorzeitig Wehen einsetzten, nahm Dorrie Vernas drei Kleinkinder in ihrem Haus auf. Keines war älter als fünf Jahre. Zwei trugen noch Windeln, und sie wechselte sie klaglos, während andere Ehefrauen sich um Vernas Haus kümmerten und Verna in der NASA-Klinik ihr viertes Kind zur Welt brachte. Bei den Weihnachtspartys waren Rog und Dorrie nicht die Betrunkensten und gingen auch nie als Erste.
Sie waren ein nettes Paar.
Sie lebten in einer netten Welt.
Damit hatten sie, wie sie wussten, Glück. Der Rest der Welt war durchaus nicht so nett. Die kleinen Kriege jagten einander durch ganz Asien, Afrika und Lateinamerika. Westeuropa wurde manchmal von Streiks gedrosselt und oft von Lieferengpässen geplagt, und wenn der Winter kam, fror es meist. Die Menschen waren hungrig, viele zornig, und es gab sehr wenige Großstädte, in denen man sich nachts allein auf die Straße wagen konnte. Aber Tonka war davon nicht betroffen und blieb ziemlich sicher, und Astronauten (und Kosmonauten und Taikonauten) besuchten neben dem Mond den Merkur und den Mars, schwebten in die Schweife von Kometen und hingen in Umlaufbahnen um Gasriesen.
Torraway selbst war an fünf großen Missionen beteiligt gewesen. Als Erstes nahm er an einem Fährenflug zum Aufbau des Raumlabors teil, ganz am Anfang nach der Sperrpause, als das Weltraumprogramm wieder auf die Beine kam.
Dann verbrachte er einundachtzig Tage in der Raumstation der zweiten Generation. Das war sein großer Augenblick, der ihn auf das Titelblatt von TIME brachte. Die Russen hatten eine bemannte Kapsel zum Merkur geschossen, sie war auch richtig hingekommen und richtig gelandet und zum Rückflug wieder richtig gestartet; aber danach lief nichts mehr richtig. Die Russen hatten immer Schwierigkeiten mit ihren Stabilisierungsraketen gehabt – mehrere von den frühen Kosmonauten waren ins Rotieren gekommen, hatten nicht mehr stoppen können und hilflos das ganze Innere ihrer Raumfahrzeuge vollgespien. Diesmal gab es wieder Probleme, und sie verbrauchten ihre Lagekorrektur-Reserven.
So gelang es ihnen, in eine breite Ellipsenbahn um die Erde zu gelangen, aber sie konnten sie nicht gefahrlos verlassen. Oder auch gefahrlos auf ihr bleiben. Inzwischen funktionierte die Steuerung nur noch annähernd, und der erdnahe Punkt lag tief genug in der Ionosphäre der Erdatmosphäre, um sie ziemlich aufzuheizen.
Aber Roger und die fünf anderen Amerikaner saßen da in einem Raumfahrzeug für Schleppzwecke, mit Treibstoff für ein halbes Dutzend weiterer Flüge. Das war nicht übermäßig viel, aber sie kamen aus damit: Sie passten Kurs und Geschwindigkeit an die der Avrora Dva an, dockten an und holten die Kosmonauten heraus. Was für ein Schauspiel von heftigen Umarmungen im freien Fall, von stoppelbärtigen Küssen! Wieder im Raumschlepper, mit dem, was die Russen hatten zusammenraffen können, gab es eine Party – Johannisbeersaft stieß an mit Limonade, Leberpastete wurde getauscht gegen Cheeseburger. Und zwei Umläufe später verglühte die Avrora als Meteorit. »Wie gleißender Dunst am Abend«, sagte Yuli Bronin, der Kosmonaut, der in Oxford studiert hatte, und küsste seine Retter noch einmal.
Als sie zur Erde zurückkamen, zu zweit in je einer Liege angegurtet, enger als Liebende, waren sie alle Helden und wurden alle angebetet, sogar Roger, sogar von Dorrie.
Aber das war lange her.
Seitdem hatte Roger Torraway zwei Mondumrundungen hinter sich gebracht, war für das Schiff verantwortlich, während die Radioteleskopbesatzungen ihre Orbitalversuche mit dem neuen, großen Hundert-Kilometer-Radiospiegel auf der Rückseite anstellten. Und schließlich hatte er an der abgebrochenen Marslandung teilgenommen, wieder eine Gelegenheit, bei der sie von Glück sagen konnten, alle lebend wieder auf die Erde zurückzubringen. Aber inzwischen war der Glorienschein ein zweites Mal verblasst. Es war nur Pech und mechanisches Versagen gewesen, nichts Dramatisches.
Und so war Rogers Arbeit seitdem, nun ja, diplomatischer Natur gewesen. Er spielte Golf mit Senatoren vom Weltraumausschuss und reiste zu den Eurospace-Einrichtungen in Zürich, München und Triest. Er verkaufte in bescheidenem Umfang seine Memoiren. Er diente gelegentlich bei Missionen als Ersatzmann. Während das Weltraumprogramm schnell von höchster nationaler Priorität zu Übungen nach Zufallsplanung absank, hatte er immer weniger Bedeutsames zu tun.
Immerhin, er war jetzt Ersatzmann für eine Mission, auch wenn er nicht darüber sprach, wenn er politische Unterstützung für seine Behörde erbat. Er durfte nicht sprechen. Dieser neue bemannte Flug, der den Eindruck machte, früher oder später wirklich genehmigt zu werden, war der erste im Weltraumprogramm, den man als streng geheim eingestuft hatte.
Wir erwarteten sehr viel von Roger Torraway, obwohl er sich von keinem der anderen Astronauten besonders unterschied: ein bisschen übertrainiert, oft unterbeschäftigt, ziemlich unzufrieden mit dem, was aus dem Job wurde, aber ganz und gar nicht bereit, ihn gegen irgendeinen anderen zu tauschen, solange noch die Aussicht bestand, wieder zu Größe zu gelangen. Sie waren alle so, selbst jener, der ein Monstrum war.
Der Mann, der ein Monstrum war, beschäftigte Torraway viel. Roger hatte ein spezielles Interesse an ihm. Er saß in 24 000 Meter Höhe über Kansas auf dem Co-Piloten-Sitz und sah einen Lichtfleck auf dem IDF-Radar vom Bildschirm verschwinden.
»Mist«, sagte der Pilot. Der Lichtfleck war eine sowjetische Concordski III; ihre CB-5 hatte sich mit ihr ein Rennen geliefert, seitdem sie sie über dem Garrison-Damm entdeckt hatten.
Torraway grinste und nahm den Hebel noch um eine Spur zurück. Mit der Zugabe an relativer Geschwindigkeit beschleunigte der Concordski-Lichtfleck.
»Wir verlieren sie«, sagte der Pilot mürrisch. »Wohin will sie wohl? Vielleicht nach Venezuela?«
»Hoffentlich«, meinte Torraway, »wenn man bedenkt, wie viel Treibstoff ihr beide verbraucht habt.«
»Ja, hm«, sagte der Pilot ohne jede Verlegenheit angesichts der Tatsache, dass er weit über dem international vereinbarten Limit von 1,5 Mach gewesen war. »Was ist in Tulsa los? Gewöhnlich dürfen wir doch sofort rein, mit einem VIP wie Ihnen.«
»Wahrscheinlich landet gerade ein noch wichtigerer VIP«, sagte Roger. Es war keine Vermutung, weil er wusste, wer der VIP war, und einen wichtigeren als den Präsidenten der Vereinigten Staaten gab es nicht.
»Sie fliegen das Ding sehr gut«, sagte der Pilot großzügig. »Wollen Sie es landen – sobald wir dürfen, meine ich?«
»Danke, nein. Ich gehe besser nach hinten und suche meine Sachen zusammen.« Aber er blieb sitzen und schaute hinunter. Sie hatten mit dem Sinkflug begonnen, und das zerrissene Feld von L-1-Kumuluswolken lag unmittelbar unter ihnen; sie konnten die Stöße vom Aufwind über den Wolken spüren. Bald würden sie Tonka überfliegen, das rechts seitab lag. Er fragte sich, wie es dem Monstrum gehen mochte.
Der Pilot war immer noch großzügiger Stimmung.
»Sie fliegen nicht mehr viel, wie?«
»Nur, wenn jemand wie Sie mich lässt.«
»Gern geschehen. Was machen Sie eigentlich, wenn ich fragen darf? Außer als VIP herumzureisen, meine ich.«
Torraway hatte darauf eine Antwort parat.
»Verwaltung«, sagte er. Das sagte er immer, wenn die Leute fragten, was er mache. Manchmal besaßen die Leute, die ihn fragten, die richtige Sicherheitseinstufung, nicht nur die staatliche, sondern auch die seiner inneren Radaranlage, die ihm verriet, welcher Person er trauen konnte und welcher nicht. Dann sagte er: »Ich mache Monster.« Wenn die nächste Bemerkung erkennen ließ, dass derjenige ebenfalls eingeweiht war, ging er manchmal um eine Kleinigkeit weiter.
Das Projekt Exomedizin war nicht geheim. Jeder wusste, dass in Tonka Astronauten darauf vorbereitet wurden, auf dem Mars zu leben. Das Geheimnis war, wie sie es machten: das Monstrum. Wenn Torraway zu viel gesagt hätte, wären sowohl seine Freiheit als auch seine Arbeit in Gefahr gewesen. Und Roger mochte seine Arbeit. Damit konnte er seine hübsche Frau in ihrer Töpferwerkstatt unterhalten. Sie verlieh ihm das Gefühl, etwas zu tun, woran die Leute sich erinnern würden, und er lernte dadurch interessante Orte kennen. Sicher, als er noch aktiver Astronaut gewesen war, hatte er noch interessantere Orte kennengelernt, aber die lagen draußen im Weltraum und waren eher einsam. Besser gefielen ihm die Orte, die er mit Privatjets besuchte, mit schmeichelnden Diplomaten und anhimmelnden Cocktailparty-Damen zur Begrüßung. Natürlich hatte er an das Monstrum zu denken, aber darüber machte er sich keine Sorgen. Keine großen.
Sie kamen über dem Cimarron-Fluss herein, oder vielmehr der gekrümmten roten Schlucht, aus der ein Fluss werden würde, wenn es wieder regnete, knickten den Düsenstrahl beinahe senkrecht, nahmen Schub weg und setzten sanft auf.
»Danke«, sagte Roger zu dem Piloten und ging nach hinten, um aus der VIP-Kabine seine Sachen zu holen.
Diesmal waren es Beirut, Rom, Sevilla und Saskatoon gewesen, bevor er nach Oklahoma zurückgekehrt war, ein Ort heißer als der andere. Weil sie zum feierlichen Besuch des Präsidenten erwartet wurden, holte ihn Dorrie im Flughafenmotel ab. Er zog schnell die Sachen an, die sie mitgebracht hatte. Er war froh, zu Hause zu sein, froh darüber, wieder Monster machen zu können, froh, wieder bei seiner Frau zu sein. Als er aus der Duschkabine stieg, spürte er plötzlich ein starkes erotisches Bedürfnis. Er hatte so etwas wie eine Uhr im Kopf, die registrierte, welche Zeitspannen verfügbar waren, also brauchte er nicht auf die echte Uhr zu sehen: Es blieb Zeit. Es spielte keine Rolle, wenn sie ein paar Minuten zu spät kamen. Aber Dorrie saß nicht in dem Sessel, wo er sie zurückgelassen hatte; das Fernsehgerät lief, ihre Zigarette verglühte im Aschenbecher, aber sie war fort. Roger setzte sich auf die Bettkante, ein Handtuch um die Hüften geknotet, bis die Uhr in seinem Kopf sagte, dass nicht mehr genug Zeit blieb. Dann begann er sich anzuziehen. Er knotete die Krawatte, als Dorrie an die Tür klopfte.
»Entschuldige«, sagte sie, als er öffnete. »Ich konnte den Cola-Automaten nicht finden. Eine für dich und eine für mich.«
Dorrie war fast so groß wie Roger, brünett aus eigener Wahl, grünäugig von Natur. Sie zog eine Bürste aus der Handtasche und fuhr damit über Rücken und Ärmel seines Jacketts, dann stießen sie mit den Coladosen an und tranken.
»Wir gehen besser«, sagte sie. »Du siehst großartig aus.«
»Du siehst vernaschbar aus«, sagte er und legte die Hand auf ihre Schulter.
»Ich habe mich gerade geschminkt«, sagte sie, drehte die Lippen weg und ließ sich auf die Wange küssen. »Aber es freut mich, dass die Señoritas dich nicht ganz ausgelaugt haben.«
Er lachte gutmütig in sich hinein; es war ein alter Witz bei ihnen, dass er in jeder Stadt mit einer anderen Frau schliefe. Der Witz gefiel ihm. Er entsprach nicht der Wahrheit. Seine paar durchwegs unbefriedigenden Experimente mit dem Ehebruch waren eher schäbig und ärgerlich gewesen als lohnend, aber er sah sich gerne als die Sorte von Mann, dessen Ehefrau sich Sorgen wegen anderer Frauen machen musste.
»Lassen wir den Präsidenten nicht warten«, sagte er. »Ich erledige das mit dem Motel, während du den Wagen holst.«
Sie ließen den Präsidenten keineswegs warten; sie mussten sich noch über zwei Stunden gedulden, bevor sie ihn überhaupt zu sehen bekamen.
Roger war vertraut mit dem allgemeinen Verfahren der Durchleuchtung, weil er das schon miterlebt hatte. Es war nicht allein der Präsident der Vereinigten Staaten, der heutzutage zweihundertprozentige Absicherungen gegen Attentäter für nötig hielt. Roger hatte einen ganzen Tag gebraucht, um den Papst zu sehen, und selbst dann hatte jeden Augenblick im Audienzraum ein Schweizer Gardist mit einer Beretta hinter ihm gestanden.
Die Hälfte der hohen Tiere vom Labor war zur Stelle. Man hatte das Chefcasino zu diesem Zweck geputzt und poliert, und es hatte nichts von seinem vertrauten kaffeefleckigen Aussehen. Selbst die Wandtafeln und die Papierservietten, die gerne für Notizen verwendet wurden, hatte man versteckt. In den Ecken waren Faltwände aufgestellt worden, und die Jalousien der nächsten Fenster hatte man diskret heruntergelassen; das war, wie Roger wusste, für die körperliche Untersuchung. Danach kamen die Gespräche mit den Psychiatern. Sobald alle passieren konnten, falls keine tödliche Spritze in einer Hutnadel oder mörderische Besessenheit in einem Schädel auftauchte, würden sie alle zum Auditorium gehen, wo endlich der Präsident erscheinen würde.
Vier Mann vom Secret Service waren an dem Verfahren beteiligt, die männlichen Gäste zu durchsuchen, abzutasten, zu identifizieren und mit Magnetometern zu prüfen. Das heißt, nur zwei davon betätigten sich. Die beiden anderen standen nur da, bereit, bei Bedarf zu schießen. Weibliche Secret-Service-Agentinnen (sie wurden abwertend Sekretärinnen genannt, aber Roger sah, dass auch sie Schusswaffen trugen) durchsuchten die Ehefrauen und Kathleen Doughty. Die Frauen wurden hinter einer der schulterhohen Faltwände durchsucht, aber Roger konnte an der Miene seiner Frau das Fortschreiten der tastenden, forschenden Hände erkennen. Dorrie ließ sich von Fremden nicht gern berühren. Manchmal ließ sie sich überhaupt ungern berühren, aber von Fremden schon gar nicht.
Als Roger an die Reihe kam, verstand er die kalte Wut seiner Frau zum Teil. Man war ungewöhnlich gründlich. Seine Achselhöhlen wurden untersucht. Man löste seinen Gürtel und fuhr ihm in die Gesäßfalte. Man betastete seine Hoden. Alles, was er in den Taschen trug, musste heraus; das Taschentuch in seiner Brusttasche wurde ausgeschüttelt und wieder zusammengefaltet, schöner als vorher. Gürtelschnalle und Uhrarmband wurden mit einer Lupe betrachtet.
Jedermann wurde so behandelt, sogar der Direktor, der sich mit gutmütiger Resignation im Raum umschaute, während Finger das gekräuselte Haar unter seinen Armen durchkämmten. Die einzige Ausnahme war Don Kayman, der angesichts der Förmlichkeit des Anlasses seine Soutane trug und nach Diskussionsgeflüster in einen anderen Raum geführt wurde, um sie dort auszuziehen.
»Tut mir leid, Pater«, sagte der Agent, »aber Sie wissen, wie es ist.«
Don zuckte die Achseln, ging mit und kam mit verärgertem Gesichtsausdruck zurück. Auch Roger begann sich zu ärgern. Es wäre vernünftig gewesen, dachte er, wenn sie ein paar von den Leuten nach Abschluss der Durchsuchung an die Seelenklempner weitergereicht hätten. Schließlich waren das wichtige Leute, und ihre Zeit kostete Geld. Aber der Secret Service hatte sein eigenes System und ging stufenweise vor. Erst als alle durchsucht waren, wurde die erste Dreiergruppe zu den Büros geführt, eigens frei gemacht für die Gespräche.
Rogers Psychiater war ein Afroamerikaner, seine Haut hatte die Farbe hellen Milchkaffees. Sie saßen sich auf geraden Stühlen gegenüber, mit fünfundvierzig Zentimeter Zwischenraum zwischen den Knien. Der Psychiater sagte: »Ich mache es so kurz und schmerzlos, wie ich kann. Leben Ihre Eltern noch?«
»Nein, beide nicht mehr. Mein Vater starb vor zwei Jahren, meine Mutter, während ich das College besuchte.«
»Was hat Ihr Vater beruflich gemacht?«
»Fischerboote in Florida vermietet.« Mit halber Aufmerksamkeit beschrieb Roger den Bootsverleih seines Vaters auf Key Largo, während er mit der anderen Hälfte seine rund um die Uhr laufende Selbstüberwachung fortführte. Zeigte er genug Gereiztheit darüber, so befragt zu werden? Nicht zu viel? War er entspannt genug? Zu sehr entspannt?
»Ich habe Ihre Frau gesehen«, sagte der Psychiater. »Sie sieht sehr sexy aus. Stört es Sie, wenn ich das sage?«
»Durchaus nicht«, sagte Roger aufgebracht.
»Manche Männer würden das nicht gerne hören wollen. Was empfinden Sie dabei?«
»Ich weiß, dass sie sexy ist«, knurrte Roger. »Deshalb habe ich sie auch geheiratet.«
»Würde es Ihnen etwas ausmachen, wenn ich einen Schritt weiter ginge und fragte, wie das Bumsen ist?«
»Nein, natürlich nicht … Ach, verdammt. Ja, es macht mir etwas aus«, sagte Roger wütend. »Es ist ungefähr so wie bei allen anderen auch, nehme ich an. Wenn man mal ein paar Jahre verheiratet ist.«
Der Psychiater lehnte sich zurück und sah Roger nachdenklich an.
»In Ihrem Fall ist dieses Gespräch praktisch nur eine Formalität, Doktor Torraway. Sie sind in den letzten sieben Jahren vierteljährlich überprüft und jedes Mal im Normbereich eingestuft worden. In Ihrer Vorgeschichte gibt es nichts Gewalttätiges oder Labiles. Ich möchte Sie nur fragen, ob Sie unruhig sind, weil Sie dem Präsidenten begegnen.«
»Ein bisschen ehrfürchtig, vielleicht«, sagte Roger.
»Das ist doch ganz natürlich. Haben Sie Dash gewählt?«
»Sicher … Moment mal. Das geht Sie überhaupt nichts an!«
»Richtig, Doktor Torraway. Sie können jetzt in den Einweisungsraum zurückgehen.«
Er durfte nicht mehr in denselben Raum zurück, sondern kam in eines der kleineren Besprechungszimmer. Gleich darauf kam Kathleen Doughty herein. Sie arbeiteten schon zweieinhalb Jahre zusammen, aber sie war immer noch förmlich.
»Wir scheinen bestanden zu haben, Mister Doktor Colonel Torraway, Sir«, sagte sie, den Blick wie immer auf einen Punkt über seiner linken Schulter gerichtet, die Zigarette zwischen ihrem Gesicht und ihm. »Ah, gut, ein kleiner Schluck«, sagte sie und griff an ihm vorbei.
Ein livrierter Kellner – nein, dachte Roger, ein Secret-Service-Mann in Kellnerkleidung – stand mit einem Tablett voller Gläser hinter ihm. Roger nahm einen Whisky-Soda, die hochgewachsene Prothesiologin ein kleines Glas trockenen Sherry.
»Dass Sie aber auch alles trinken«, flüsterte sie seiner Schulter zu. »Ich glaube, sie tun etwas hinein.«
»Nämlich?«
»Um einen zu beruhigen. Wenn man nicht alles austrinkt, bekommt man einen bewaffneten Aufpasser.«
Um sie zu beruhigen, trank Roger seinen Whisky aus, aber er fragte sich, wie jemand mit ihren Wahnvorstellungen und Ängsten die psychiatrische Durchleuchtung so schnell überstanden hatte. Seine fünf Minuten mit dem Psychiater hatten seine Haltung der Selbstbeobachtung noch verstärkt, und er war mit einem Teil seines Gehirns eifrig beschäftigt zu analysieren. Warum fühlte er sich in Gegenwart dieser Frau unsicher? Nicht nur wegen ihrer Eigenheiten. Er fragte sich, ob es daran lag, dass sie seinen Mut so bewunderte. Er hatte ihr zu erklären versucht, dass es nicht mehr viel Mut erforderte, Astronaut zu sein, nicht mehr, als ein Transportflugzeug zu steuern, wahrscheinlich weniger, als ein Taxi zu lenken. Als Ersatzmann für das Unternehmen Mensch Plus schwebte er natürlich in einer sehr realen Gefahr, aber nur, wenn alle Mann vor ihm ausfielen, und das war keine Aussicht, die großes Kopfzerbrechen machte. Trotzdem fuhr sie fort, ihn mit jener Beharrlichkeit zu betrachten, die in einer Hinsicht Bewunderung, in einer anderen Mitleid zu sein schien.
Mit dem anderen Teil seines Gehirns achtete er, wie immer, auf seine Frau. Als sie endlich hereinkam, war sie wütend und, für ihre Verhältnisse, zerzaust. Das Haar, das sie eine Stunde lang hochgesteckt hatte, hing nun herunter. Es reichte bis zur Taille, ein weiches, schwarzes Fließen, mit dem sie aussah wie Alice im Wunderland, gezeichnet von Tenniel, wenn Tenniel damals schon für den Playboy gearbeitet hätte. Roger eilte hin, um sie zu beruhigen, eine Aufgabe, die ihn so beanspruchte, dass er überrascht wurde, als eine Regung durch den Raum ging und jemand nicht besonders laut oder förmlich sagte: »Meine Damen und Herren, der Präsident der Vereinigten Staaten.«
Fitz-James Deshatine kam grinsend und nickend herein und sah genau aus wie im Fernsehen, nur kleiner. Ohne vorherige Aufforderung bildeten die Leute vom Labor einen Halbkreis, und der Präsident ging herum und drückte jede Hand, während der Projektdirektor neben ihm die Leute vorstellte. Deshatine war großartig vorbereitet. Er besaß das Talent des Politikers, jeden Namen zu erfassen und irgendeine persönliche Reaktion zu zeigen. Zu Kathleen Doughty: »Freut mich, Irisches in dieser Mannschaft zu sehen, Doktor Doughty.« Zu Roger: »Wir sind uns schon einmal begegnet, Colonel Torraway. Nach der hervorragenden Leistung mit den Russen. Warten Sie, das muss sieben Jahre her sein, als ich Vorsitzender des Senatsausschusses war. Vielleicht erinnern Sie sich.« Natürlich erinnerte sich Roger – und war geschmeichelt und wusste, dass ihm geschmeichelt wurde, dass der Präsident sich erinnerte. Zu Dorrie: »Guter Gott, Mrs. Torraway, wie kann ein hübsches Mädchen wie Sie sich an einen von diesen Wissenschaftler-Burschen verschwenden?« Roger erstarrte ein wenig, als er das hörte. Es war nicht so sehr die Tatsache, dass ihn das herabsetzte, es war die Art von leerem Kompliment, die Dorrie immer verabscheute. Aber sie verabscheute es nicht. Es kam vom Präsidenten der Vereinigten Staaten und ließ ihre Augen aufblitzen. »Was für ein wunderbarer Mann«, flüsterte sie, während sie jeden seiner Schritte verfolgte.
Als er den Halbkreis durchschritten hatte, sprang er auf das kleine Podium und sagte: »Nun, meine Freunde, ich bin hergekommen, um zu sehen und zu hören, nicht, um zu reden. Ich möchte aber doch jedem von Ihnen dafür danken, dass er sich mit dem Unfug abfindet, den man ertragen muss, wenn ich irgendwo bin. Ich bedaure das. Es ist nicht meine Idee. Man sagt mir nur, dass es notwendig sei, solange es so viele Sonderlinge gibt. Und solange die Feinde der freien Welt bleiben, was sie sind, und wir die offenen, vertrauensvollen Menschen, die wir sind.« Er grinste Dorrie direkt an. »Sagen Sie, haben Sie Ihre Fingernägel eintunken müssen, bevor man Sie hereingelassen hat?«
Dorrie lachte melodisch und überraschte damit ihren Mann. (Sie hatte sich wutentbrannt darüber beklagt, dass ihr Nagellack ruiniert sei.)
»Gewiss, Mr. President. Genau wie bei meiner Maniküre«, rief sie.
»Das tut mir leid. Es heißt, damit wolle man sich vergewissern, dass Sie keine geheimen biochemischen Gifte haben, mit denen Sie mich kratzen könnten, wenn wir uns die Hand geben. Nun ja, man muss eben tun, was verlangt wird. Abgesehen davon« – er lachte leise – »sollten Sie, wenn Sie meinen, dass das für die hübschen Damen unerfreulich sei, mal sehen, was meine alte Katze macht, wenn sie das mit ihr tun. Nur gut, dass sie nicht wirklich Gift an den Krallen hatte, das letzte Mal. Sie hat drei Secret-Service-Leute, meinen Neffen und zwei von ihren eigenen Kätzchen erwischt, bevor sie fertig war.« Er lachte, und Roger war ein wenig erstaunt darüber festzustellen, dass er, Dorrie und die anderen einfielen. »Jedenfalls bin ich dankbar für Ihre Liebenswürdigkeit«, sagte der Präsident und kam zur Sache. »Und ich bin noch tausendmal dankbarer für die Art, wie Sie das Projekt Mensch Plus durchziehen. Ich brauche Ihnen nicht zu sagen, was es für die freie Welt bedeutet. Da draußen ist der Mars, der einzige Grundbesitz ringsum, den zu haben sich lohnt, abgesehen von dem, auf dem wir jetzt alle stehen. Bis zum Ende dieses Jahrzehnts wird er jemandem gehören. Es gibt nur zwei Möglichkeiten. Er wird ihnen gehören oder uns. Und ich möchte, dass er uns gehört. Sie hier sind diejenigen, die dafür sorgen werden, dass es dazu kommt, weil Sie uns den Menschen geben werden, der auf dem Mars leben kann. Ich möchte Ihnen aus ganzem Herzen im Namen aller Menschen in den demokratischen Ländern der freien Welt dafür danken, dass Sie diesen Traum möglich machen. Und nun«, sagte er, einen Versuch zu höflichem Applaus unterdrückend, »wird es Zeit, dass ich aufhöre zu reden und anfange zuzuhören. Ich möchte sehen, was mit unserem Plus-Menschen geschieht. General Scanyon, Ihr Stichwort.«
»Jawohl, Mr. President.«
Vern Scanyon war Direktor der Laborabteilung des Grissom-Instituts für Raummedizin. Er war außerdem pensionierter Zweisternegeneral und benahm sich auch so. Er schaute auf die Uhr, warf seinem Assistenten (manchmal nannte er ihn seinen Stabsoffizier) einen Blick zu und sagte: »Wir haben noch einige Minuten, bis Commander Hartnett seine Aufwärmtests abgeschlossen hat. Vielleicht sehen wir ihn uns eine Minute über die Monitoranlage an. Dann werde ich versuchen, Ihnen zu erklären, was heute geschehen wird.«
Es wurde dunkel im Raum. Ein Fernsehprojektionsschirm hinter dem Podium leuchtete auf. Ein Scharren wurde hörbar, als einer der Kellner einen Stuhl für den Präsidenten heranschob. Er murmelte etwas. Der Stuhl wurde zurechtgerückt, der Präsident nickte, schattenhaft im Flackern des Projektionsschirms erkennbar, und hob den Kopf.
Der Schirm zeigte einen Mann.
Er sah nicht aus wie ein Mann. Sein Name war Will Hartnett. Er war Astronaut, Demokrat, Methodist, Ehemann, Vater, Amateurschlagzeuger, ein wunderbar eleganter Tänzer; aber für das Auge war er nichts von alledem. Für das Auge war er ein Monstrum.
Er sah in keiner Weise menschlich aus. Seine Augen waren glühende, rot facettierte Kugeln. Seine Nasenflügel bauschten sich in Fleischfalten, wie die Schnauze eines Sternmull-Maulwurfs. Seine Haut war künstlich, die Farbe war von normaler, starker Sonnenbräune, die Beschaffenheit aber von der einer Rhinozeroshaut. Nichts, was an ihm sichtbar war, hatte das Aussehen, mit dem er geboren worden war. Augen, Ohren, Lungenflügel, Nase, Mund, Kreislaufsystem, Wahrnehmungszentren, Herz, Haut – alles war ersetzt oder verändert worden. Die sichtbaren Veränderungen waren nur die Spitze des Eisbergs. Was man in ihm geschaffen hatte war viel komplexer und wichtiger. Er war zu dem einzigen Zweck umkonstruiert worden, dass er ohne äußere künstliche Hilfen auf der Oberfläche des Planeten Mars leben konnte.
Er war ein Cyborg – ein kybernetischer Organismus. Er war halb Mensch, halb Maschine, die beiden ungleichartigen Teile so zusammengefügt, dass selbst Will Hartnett bei den Gelegenheiten, wo er sich im Spiegel betrachten durfte, nicht wusste, was von ihm und was hinzugefügt war.
Trotz der Tatsache, dass nahezu jeder im Saal bei der Erschaffung des Cyborgs mitgewirkt, trotz der Vertrautheit, die jeder mit seinen Fotos, dem Fernsehbild und seiner Person selbst hatte, gab es ein unterdrücktes Ächzen. Als die Fernsehkamera Hartnett erfasste, machte er gerade, ohne jede Anstrengung zu zeigen, Liegestütze. Der Blick ging aus einer Entfernung von etwa einem Meter auf seinen seltsam geformten Kopf, und immer, wenn er sich hochstemmte, kam er mit den Augen auf Kamerahöhe, und die Facetten, die ihm Vielfachsicht auf die Umgebung gestatteten, glänzten.
Er sah sehr merkwürdig aus. Roger, der sich an die alten Fernsehfilme aus seiner Kindheit erinnerte, fand, dass sein guter, alter Kumpel viel unheimlicher aussah als irgendeine belebte Karotte oder ein Riesenkäfer in den Horrorfilmen. Hartnett war in Danbury, Connecticut, geboren. Alle sichtbaren Kunstprodukte, die er trug, waren in Kalifornien, Oklahoma, Alabama oder New York hergestellt. Aber nichts davon sah menschlich oder auch nur terrestrisch aus. Er wirkte marsianisch.
In dem Sinn, dass die Form der Funktion entspricht, war er Marsianer. Er war für den Mars gestaltet. In gewissem Sinn war er auch schon dort. Das Grissom-Institut hatte die besten Marsnormtanks der Welt, und Hartnetts Liegestütze wurden auf Eisenoxidsand ausgeführt, in einer Druckkammer, wo der Gasdruck auf zehn Millibar gesenkt worden war, nur ein Prozent des Drucks auf der anderen Seite der doppelten Glaswände. Die Temperatur der spärlichen Gasmoleküle um ihn wurde bei fünfundvierzig Grad Celsius unter null gehalten. Batterien starker Ultraviolettlampen fluteten die Szene mit dem genauen Spektrum des Sonnenlichts an einem Wintertag auf dem Mars.
Wenn der Ort, wo Hartnett sich befand, nicht wirklich der Mars war, kam er ihm nah genug, um sogar einen Marsianer – falls es je so etwas gegeben hatte – in jeder Beziehung bis auf eine zu täuschen. In jeder außer dieser einen Beziehung hätte ein Ras Thavas oder eine Molluske von H. G. Wells aus dem Schlaf erwachen, sich umschauen und zu dem Schluss kommen können, dass er sich wirklich auf dem Mars befände, an einem Spätherbsttag in den mittleren Breiten, kurz nach Sonnenaufgang.
Der einzigen Anomalie konnte einfach nicht abgeholfen werden. Er war der gewohnten Erdschwerkraft unterworfen, statt des Bruchteils der Anziehung, die für die Marsoberfläche passend gewesen wäre. Die Ingenieure waren so weit gegangen, die Kosten dafür zu berechnen, den ganzen Marsnormbehälter mit einer umgebauten Düsenmaschine hochzufliegen und in einer vorausberechneten Parabel hinabzustürzen, um wenigstens für zehn oder zwanzig Minuten jeweils die richtige Marsschwerkraft zu erzeugen. Sie hatten sich wegen der hohen Kosten anders entschieden und die Auswirkungen dieser einen Unstimmigkeit bedacht, eingeschätzt, einberechnet und schließlich abgetan.
Das einzige, was niemand bei Hartnetts neuem Körper befürchtete, war, dass er zu schwach für irgendeine Belastung sein mochte, die man ihm zumuten würde. Er stemmte bereits Gewichte von einer halben Tonne. Wenn er den Mars endlich erreichte, würde er in der Lage sein, solche Lasten herumzuschleppen.
In gewissem Sinn wirkte Hartnett auf der Erde grausiger, als das auf dem Mars der Fall gewesen wäre, weil seine Telemetrieausrüstung so monströs war wie er selbst. Puls-, Temperatur- und Hautwiderstandsensoren klebten an Schultern und Kopf. Sonden reichten unter die zähe künstliche Haut, um seine inneren Strömungen und Widerstände zu messen. Sendeantennen ragten wie ein Reisigbesen aus seinem Tornister. Alles, was in seinem System vorging, wurde unablässig gemessen, verschlüsselt und auf die 100-Meter-pro-Sekunde-Breitband-Aufzeichnungsbänder übertragen.
Der Präsident flüsterte etwas. Roger Torraway beugte sich vor und hörte den Schluss: »… er hören, was wir hier sagen?«
»Nicht, bis ich uns an sein Kommunikationsnetz anschließe«, sagte General Scanyon.
»Aha«, sagte der Präsident langsam, aber was immer er hatte sagen wollen, wenn der Cyborg ihn hören konnte, er sprach es nicht aus. Roger spürte einen Stich des Mitgefühls. Er selbst musste immer noch überlegen, was er sagte, wenn der Cyborg mithören konnte, und zensierte, was er sprach, selbst dann, wenn Hartnett nicht dabei war. Es war einfach nicht recht, dass etwas, das Bier getrunken und ein Kind gezeugt hatte so hässlich sein durfte. Alle Worte, die von Belang sein mochten, wirkten nur ärgerlich.
Der Cyborg schien entschlossen zu sein, seine metronomhaften Übungen endlos fortzusetzen, aber jemand, der laut den Rhythmus angegeben hatte – eins und zwei, eins und zwei –, hörte auf, und der Cyborg hörte auch auf. Er stand auf, methodisch und ganz langsam, so, als übe er einen neuen Tanzschritt. Mit einer Reflexbewegung, die keine Funktion mehr erfüllte, rieb er mit dem Rücken seiner dickhäutigen Hand seine kunststoffglatte und brauenlose Stirn.
Roger Torraway rückte in der Dunkelheit seitwärts, um am berühmt kantigen Profil des Präsidenten vorbei besser sehen zu können. Selbst am Umriss konnte Roger erkennen, dass der Präsident die Brauen ein wenig zusammengezogen hatte. Roger legte den Arm um die Hüfte seiner Frau und fragte sich, wie das sein musste, in einer empfindlichen und heimtückischen Welt der Präsident von dreihundert Millionen Amerikanern zu sein. Die Kraft, die durch den Mann in der Dunkelheit vor ihm floss, konnte binnen neunzig Minuten Fusionsbomben in jede entlegene Ecke der Welt schleudern. Es war die Kraft des Krieges, die Kraft der Bestrafung, die Kraft des Geldes. Die Macht des Präsidenten hatte das Projekt Mensch Plus überhaupt erst in Gang gebracht. Der Kongress hatte sich gegen die Finanzierung nie gesträubt und wusste nur ganz allgemein, was vorging: das Ermächtigungsgesetz hatte den Titel »Gesetz zur Schaffung ergänzender Raumforschungseinrichtungen nach dem Ermessen des Präsidenten« getragen.
»Mr. President«, sagte General Scanyon, »Commander Hartnett würde Ihnen gerne einige Fähigkeiten seiner Prothesen vorführen. Gewichtheben, Hochsprung, was Sie wünschen.«
»Ach, für einen Tag hat er genug gearbeitet«, sagte der Präsident lächelnd.
»Gut. Dann machen wir weiter, Sir.« Er sprach leise in das Kommunikatormikrofon und wandte sich dann wieder dem Präsidenten zu. »Der heutige Versuch sieht vor, unter Einsatzbedingungen einen Kurzschluss im Kommunikationsgerät aufzuspüren und zu beheben. Wir veranschlagen sieben Minuten für die Aufgabe. Eine Gruppe unserer Werkstatttechniker, in ihren Werkstätten mit allen verfügbaren Werkzeugen, kam auf einen Durchschnitt von etwa fünf Minuten, und wenn Commander Hartnett es in der Bestzeit schafft, ist das ein recht schlüssiger Beweis für gute motorische Steuerung.«
»Ja, das ist mir klar«, sagte der Präsident. »Was macht er jetzt?«
»Er wartet, Sir. Wir steigern ihn auf hundertfünfzig Millibar, damit er etwas leichter hören und reden kann.«
»Ich dachte, Sie hätten Geräte, um mit ihm im absoluten Vakuum zu sprechen«, sagte der Präsident.
»Nun … äh … ja, Sir, das ist richtig. Damit hatten wir einige Schwierigkeiten. Im Augenblick ist unsere Hauptverständigungsanlage bei Marsnormbedingungen visuell, aber wir rechnen damit, dass das Sprechsystem in Kürze funktioniert.«
»Ja, das hoffe ich«, sagte der Präsident.
Auf Höhe des Tanks, dreißig Meter unter dem Raum, in dem sie sich befanden, reagierte ein graduierter Student, der als Laborassistent tätig war, auf ein Signal und öffnete ein Ventil – nicht für die äußere Atmosphäre, sondern für die Tanks von Marsnormgas, das im Druckbecken fertig gemischt bereitstand. Stufenweise steigerte sich der Druck zu einem dünnen, anschwellenden Pfeifen. Das Anheben des Drucks auf 150 Millibar trug zu einem besseren Funktionieren Hartnetts nichts bei. Sein umkonstruierter Körper beachtete die meisten Umweltfaktoren nicht. Er vermochte gleichermaßen gut arktische Winde, absolutes Vakuum oder einen heißen Tag am Erdäquator mit einem Luftdruck von 1080 Millibar und 100 Prozent Luftfeuchtigkeit zu ertragen. Das eine war so behaglich für ihn wie das andere. Oder so unbehaglich, denn Hartnett berichtete, dass sein neuer Körper schmerzte, zwickte und scheuerte. Man hätte ebenso gut die Ventile öffnen und die Außenluft hineinlassen können, aber dann hätte man sie für den nächsten Versuch nur wieder abpumpen müssen.
Endlich hörte der Pfeifton auf, und sie hörten die Stimme des Cyborgs. Sie klang puppenschrill.
»Donkessschön. Losssst essss dabei, jo?« Der niedrige Druck verzerrte seine Aussprache, zumal da er nicht länger über eine richtige Luftröhre nebst Kehlkopf verfügte. Nach einem Monat als Cyborg wurde ihm das Sprechen fremd, denn er war ohnehin dabei, die Gewohnheit des Atmens abzulegen.
Der Laborfachmann für das Visiosystem hinter Roger sagte düster: »Sie wissen, dass diese Augen plötzlichen Druckveränderungen nicht standhalten. Geschieht ihnen recht, wenn eines platzt.« Roger zuckte zusammen, mit dem eingebildeten Schmerz eines facettierten Kristallaugapfels, der in seiner Höhlung zersprang. Seine Frau lachte.
»Setzen Sie sich, Brad«, sagte sie und löste sich von Rogers Arm. Roger machte zerstreut Platz und starrte auf die Schirmwand. Die den Takt angebende Stimme sagte: »Beim letzten Zeichen. Fünf. Vier. Drei. Zwei. Eins. Ab!«
Der Cyborg kauerte plump über der Zugangsklappe eines schwarzen Metallkanisters. Ohne Hast schob er einen klingendünnen Schraubenzieher in einen fast unsichtbaren Schlitz, vollführte exakt eine Viertelumdrehung, wiederholte die Bewegung an einer anderen Stelle und hob die Klappe ab. Die dicken Finger sortierten sorgfältig die bunten Spaghetti der Innenverkabelung, fanden eine verkohlte, rot-weiß gestreifte Litze, lösten sie heraus, verkürzten sie, um die verbrannte Isolierung zu entfernen, schälten sie ab, indem sie einfach zwischen den Nägeln durchgezogen wurde, und hielten sie an einen Anschluss. Der längste Teil des Eingriffs bestand darin, auf das Erhitzen des Schmelzeisens zu warten; das dauerte über eine Minute. Dann war die Verbindung gelötet, die Kabel wurden hineingestopft, die Klappe aufgeschraubt, und der Cyborg stand auf.
»Sechs Minuten, elf Komma vier Sekunden«, meldete die Zählstimme.
Der Projektdirektor führte den Applaus an. Dann stand er auf und hielt eine kurze Ansprache. Er erklärte dem Präsidenten, der Zweck des Projekts Mensch Plus bestehe darin, einen menschlichen Körper so zu verändern, dass er auf der Marsoberfläche ebenso leicht und ungefährdet überleben könne, wie ein normaler Mensch durch ein Weizenfeld in Kansas gehe. Er gab einen Überblick über das bemannte Weltraumprogramm vom Suborbitalflug über Raumstation und Fernsonde. Er führte einige bedeutsame Marsdaten auf: Landfläche tatsächlich größer als die der Erde, trotz des kleineren Durchmessers, weil es keine Meere gab, die Oberfläche entzogen. Temperaturbereich geeignet für Leben – entsprechend verändert, gewiss. Potenzieller Reichtum unschätzbar. Der Präsident lauschte aufmerksam, obwohl er sicher jedes Wort bereits kannte.
Am Ende sagte er: »Danke, General Scanyon. Lassen Sie mich nur eines sagen.« Er stieg behände auf das Podium und lächelte nachdenklich auf die Wissenschaftler hinunter. »Als ich ein kleiner Junge war«, begann er, »war die Welt einfacher. Das große Problem war, wie man den erstehenden freien Nationen der Erde helfen konnte, sich der Gemeinschaft zivilisierter Länder anzuschließen. Das war die Zeit des Eisernen Vorhangs. Sie standen auf ihrer Seite, eingesperrt, in Quarantäne. Und wir anderen alle auf der unseren.
Nun«, fuhr er fort, »das hat sich geändert. Die freie Welt hat schlimme Zeiten erlebt. Was trifft man an, wenn man einmal unseren eigenen nordamerikanischen Kontinent verlässt? Wo man hinsieht, kollektivistische Diktaturen, ausgenommen ein, zwei Länder wie Schweden und Israel. Ich bin nicht hier, um alte Geschichte aufzuwärmen. Was geschehen ist, ist geschehen, und es hat keinen Sinn, irgendjemand zu beschuldigen. Jedermann weiß, wer China verloren und Kuba der anderen Seite gegeben hat. Wir wissen, welche Regierung England und Pakistan aufgab. Über diese Dinge brauchen wir nicht zu sprechen. Wir blicken nur in die Zukunft.
Und ich sage Ihnen, meine Damen und Herren«, erklärte er feierlich, »die Zukunft der freien Menschheit liegt bei Ihnen. Vielleicht haben wir hier auf unserem eigenen Planeten einige Rückschläge erlitten. Das ist vorbei und erledigt. Wir können hinausblicken in den Weltraum. Und was sehen wir, wenn wir dort hinausblicken? Wir sehen eine zweite Erde. Den Planeten Mars. Wie der verdienstvolle Direktor Ihres Projekts, General Scanyon, eben sagte, es ist ein größerer Planet als der, auf dem wir geboren wurden, in den Beziehungen, auf die es ankommt. Und er kann unser sein.
Da liegt die Zukunft der Freiheit, und es hängt von Ihnen ab, sie uns zu geben. Ich weiß, dass Sie es tun werden. Ich zähle auf jeden Einzelnen von Ihnen.« Er schaute sich nachdenklich im Raum um und erwiderte jeden Blick. Das alte Dash-Charisma machte sich überall geltend. Dann lächelte er plötzlich, sagte: »Ich danke Ihnen«, und war in einer Woge von Secret-Service-Leuten verschwunden.
Früher einmal sah der Mars wie eine zweite Erde aus. Der Astronom Giovanni Schiaparelli, der bei der berühmten Konjunktion von 1877 in Mailand durch sein Teleskop blickte, sah, was er für Rinnen hielt, bezeichnete sie als »Canali«, und die Hälfte der des Lesens und Schreibens kundigen Bevölkerung der Erde verstand »Kanäle«. Einschließlich nahezu fast aller Astronomen, die ihre Teleskope sofort in dieselbe Richtung drehten und noch mehr entdeckten.
Kanäle? Dann mussten sie zu einem bestimmten Zweck gegraben worden sein. Zu welchem? Um Wasser aufzunehmen – es gab keine andere Erklärung, mit der die Tatsachen zu retten waren.
Die Logik der Schlussfolgerung war bestechend, und bis zur Jahrhundertwende gab es auf der Welt kaum noch einen Zweifler. Man nahm als überlieferte Kunde hin, dass der Mars eine ältere, weisere Kultur trug als unsere eigene. Wenn wir nur auf irgendeine Weise mit ihr sprechen könnten, welche Wunder würden wir erfahren! Percival Lowell sinnierte vor einem Skizzenblock und lieferte einen ersten Versuch. Zeichnet große euklidische Formen in die Sahara, sagte er. Legt sie mit Reisig aus, oder hebt sie als Gräben aus, und füllt sie mit Petroleum. Und in einer mondlosen Nacht, wenn der Mars hoch am afrikanischen Himmel steht, dann zündet sie an. Die fremden Marsianeraugen, die er fest an ihre fremden Marsteleskope geheftet glaubte, würden das sehen. Sie würden die Quadrate und Dreiecke erkennen. Sie würden begreifen, dass Verständigung erwünscht war, und aus ihrer älteren Weisheit einen Weg finden zu antworten.
Nicht jeder glaubte so viel und so fest wie Lowell. Manche sagten, der Mars sei zu klein und zu kalt, um je eine in großem Maß intelligente Spezies zu beherbergen. Kanäle graben? O ja, das sei eine schlichte, bäuerliche Fähigkeit, und einer Spezies, die am Verdursten war, mochte es wohl gelingen, Gräben zu schürfen, selbst riesige Gräben, die über den interplanetarischen Raum hinweg sichtbar waren, um am Leben zu bleiben. Aber im Übrigen sei die Umwelt einfach zu unwirtlich. Eine dort lebende Spezies würde den Inuit gleichen und wäre für immer an der Schwelle zur Zivilisation festgebannt, weil die Welt außerhalb ihrer Eishütten zu feindselig war, um ihnen Muße zu gestatten, in der man abstraktes Denken lernen konnte. Wenn unsere Teleskope fähig sein würden, das einzelne Marsianergesicht zu erkennen, würden wir zweifellos nur eine vertierte Maske sehen, stumpf und betäubt, dem Ochsen ein Bruder; fähig, Ackerboden zu bewegen und Pflanzen abzubauen, ja, aber nicht ein Leben des Geistes zu erstreben.
Aber weise oder vertiert, Marsianer gab es – oder so dachten die informiertesten Hirne der damaligen Zeit.
Dann wurden bessere Teleskope gebaut, und man fand bessere Methoden zu verstehen, was sie zeigten. Zu Linse und Spiegel kamen Spektroskop und Kamera. In Blick und Fassungsvermögen der Astronomen rückte der Mars mit jedem Tag ein Stück näher. Während das Bild des Planeten selbst schärfer und klarer wurde, begann mit jedem Schritt die Vision von angeblichen Bewohnern undeutlicher und unwirklicher zu werden. Es gab zu wenig Wasser. Es war zu kalt. Die Kanäle zerfielen bei besserer Auflösung zu unregelmäßigen Flecken von Oberflächenmerkmalen. Die Städte, die ihre Knotenpunkte markieren sollten, waren nicht da.
Bis zur Zeit der ersten Mariner-Vorbeiflüge waren die Marsianer, die außer in der Fantasie menschlicher Wesen nie gelebt hatten, unwiderruflich tot.
Es hatte immer noch den Anschein, als könnte Leben existieren, vielleicht niedere Pflanzen, sogar primitive Amphibien. Aber nichts Menschenartiges. Auf der Marsoberfläche konnte ein Luft atmendes, auf Wasser basiertes Wesen wie ein Mensch keine Viertelstunde überleben.
Was seinen Tod am schnellsten herbeiführen würde, war der Mangel an Luft. Sein Tod würde nicht von schlichtem Ersticken bestimmt sein. Dafür würde er nicht lange genug leben. Bei dem 10-Millibar-Luftdruck auf der Marsoberfläche würde sein Blut verkochen, und er würde qualvoll an etwas der Taucherkrankheit Vergleichbarem sterben. Wenn er das auf irgendeine Weise überlebte, würde er an mangelnder Atemluft sterben. Wenn er beides überstand – mit Luftvorrat auf dem Rücken und einer Gesichtsmaske, versorgt mit einem Gasgemisch, das keinen Stickstoff enthielt, bei einem Druckbereich zwischen Erd- und Marsnorm –, würde er trotzdem sterben. Er würde sterben, weil er unabgeschirmt der Sonnenstrahlung ausgesetzt war. Er würde an den Extremen der Marstemperatur sterben – im besten Fall ein lauwarmer Frühlingstag, im schlimmsten kälter als die antarktische Polarnacht. Er würde an Durst sterben. Und wenn er auf irgendeine Weise all das überlebte, würde er langsam, aber ganz sicher verhungern, weil es nirgends auf der Marsoberfläche irgendetwas gab, das ein menschliches Wesen essen konnte.
Aber es gibt eine andere Art von Argument, das den aus objektiven Tatsachen gezogenen Schlussfolgerungen widerspricht. Der Mensch ist durch objektive Tatsachen nicht gebunden. Wenn sie ihm lästig werden, verändert oder umgeht er sie.
Der Mensch kann auf dem Mars nicht überleben. In der Antarktis kann er das auch nicht. Aber er tut es.
Der Mensch überlebt an Orten, wo er sterben müsste, indem er eine freundlichere Umwelt mitbringt. Er trägt bei sich, was er braucht. Seine erste Erfindung auf diesem Gebiet war die Kleidung, seine zweite lagerfähige Nahrung wie getrocknetes Fleisch und Korn, seine dritte das Feuer. Seine neueste die ganze Serie von Geräten und Systemen, die ihm Zugang zum Meeresgrund und zum Weltraum verschafften.
Der erste fremde Planet, auf dem Menschen standen, war der Mond. Er war noch feindseliger als der Mars, da es die lebenswichtigen Vorräte, von denen der Mars sehr wenig besaß – Luft, Wasser und Nahrung –, auf dem Mond überhaupt nicht gab. Aber schon in den Sechzigerjahren des zwanzigsten Jahrhunderts besuchten Menschen den Mond und brachten Luft und Wasser und alles andere, was sie brauchten, in Lebenserhaltungssystemen an ihren Raumanzügen oder in ihren Landekapseln mit. Von da an war es keine Kunst, die Systeme größer herzustellen. Es war wegen der Größenordnung nicht leicht, aber im Grunde nur eine glatte Maßstabverschiebung, bis hin zu halbpermanenten und von Autarkie nicht weit entfernten Kolonien mit in sich geschlossenem Kreislauf. Das erste Problem des Nachschubs war rein logistisch. Für jeden Mann brauchte man tonnenweise Nachschub; für jedes Pfund Fracht, das in den Weltraum geschossen wurde, musste man Treibstoff und Maschinen für eine Million Dollar aufwenden. Aber machen konnte man es.
Der Mars ist mehrere Größenordnungen weiter entfernt. Der Mond umkreist die Erde in einem Abstand von nur 384 000 Kilometern. An seinem erdnächsten Punkt, den er in einem Jahrhundert nur ein paarmal erreicht, ist der Mars über hundertmal so weit entfernt.
Der Mars ist nicht nur weit von der Erde weg, sondern auch weiter von der Sonne entfernt. Während der Mond pro Quadratzentimeter so viel Energie erhält wie die Erde, gelang auf den Mars nach dem Gesetz des umgekehrten Quadrats der Entfernung nur die Hälfte davon.
Von irgendeinem Punkt der Erde aus kann jeden Tag zu jeder Stunde eine Rakete zum Mond geschickt werden. Aber Mars und Erde umkreisen einander nicht; beide umkreisen die Sonne, und da sie das mit unterschiedlicher Geschwindigkeit tun, sind sie manchmal sehr nah und manchmal sehr weit voneinander entfernt. Nur wenn sie ihren geringsten Abstand zueinander haben, kann man von dem einen sinnvoll eine Rakete zum anderen schicken, und das kommt alle zwei Jahre nur einmal vor, einen Monat und einige Wochen lang.
Selbst die Faktoren im Aufbau des Mars, die ihn erdähnlich machen, arbeiten dagegen, dort eine Kolonie zu erhalten. Er ist größer als der Mond, und seine Schwerkraft entspricht dadurch eher jener der Erde, aber weil er größer ist und stärker anzieht, braucht eine Rakete mehr Treibstoff, um dort zu landen, und mehr Treibstoff, um wieder zu starten.
Alles läuft darauf hinaus, dass eine Kolonie auf dem Mond von der Erde versorgt werden kann. Eine Kolonie auf dem Mars nicht.
Jedenfalls keine Kolonie menschlicher Wesen.
Aber was ist, wenn man ein menschliches Wesen umgestaltet?
Angenommen, man nimmt die übliche menschliche Struktur und verändert einiges an der wahlweisen Ausstattung. Auf dem Mars gibt es nichts zu atmen. Man nehme also die Lungen aus dem menschlichen Körper und ersetze sie durch mikrominiaturisierte Sauerstoffregenerationssysteme in Gestalt von katalytischen Crackanlagen. Dazu braucht man Energie, aber Energie strömt von der fernen Sonne herab.
Das Blut in einem gewöhnlichen menschlichen Körper würde kochen; gut, weg mit dem Blut, jedenfalls aus den Extremitäten und den Oberflächenbereichen – man baue Arme und Beine, die von Motoren bedient werden, statt von Muskeln – und reserviere den Blutvorrat nur für das warme, geschützte Gehirn. Ein normaler menschlicher Körper braucht Nahrung, aber wenn die Hauptmuskulatur durch Maschinen ersetzt ist, verringert sich der Nahrungsbedarf. Nur das Gehirn muss in jeder Minute versorgt werden, und zum Glück ist das Gehirn hinsichtlich des Energiebedarfs das genügsamste aller menschlichen Attribute. Eine Scheibe Toast am Tag genügt.
Wasser? Es ist nicht mehr notwendig, außer für technische Verluste – so, wie man alle paar Tausend Meilen bei einem Auto Bremsflüssigkeit nachfüllen muss. Sobald der Körper ein geschlossenes System geworden ist, braucht im Zyklus von Trinken, Zirkulieren, Ausscheiden oder Schwitzen kein Wasser mehr durchgeschleust zu werden.
Strahlung? Ein zweischneidiges Problem. Es gibt zu unvorhersehbaren Zeiten Sonneneruptionen, und dann ergießt sich selbst auf dem Mars zu viel davon, als dass man sie verkraften könnte; der Körper muss deshalb mit einer künstlichen Haut umkleidet werden. Die übrige Zeit kommt nur das normale sichtbare und ultraviolette Licht der Sonne herab. Es genügt nicht, um Wärme auf Dauer festzuhalten, und reicht nicht einmal ganz für gute Sicht; es muss also mehr Oberfläche zur Energiegewinnung geschaffen werden – daher die großen, fledermausohrartigen Rezeptoren an dem Cyborg –, und um die Sehfähigkeit auf das höchstmögliche Maß zu steigern, werden die Augen durch mechanische Strukturen ersetzt.
Wenn man dies alles mit einem menschlichen Wesen macht, ist das, was dabei herauskommt, eigentlich kein menschliches Wesen mehr. Es ist ein Mensch plus beträchtlicher Elemente maschineller Art.
Der Mensch ist zu einem kybernetischen Organismus geworden: zu einem Cyborg.
Der erste Mensch, der zu einem Cyborg gemacht wurde, war vermutlich Will Hartnett. Es gab Zweifel. Hartnäckige Gerüchte sprachen von einem Experiment der chinesischen Kommunisten, das für eine Weile erfolgreich gewesen und dann gescheitert war. Aber es war ziemlich eindeutig, dass Hartnett zumindest der zu diesem Zeitpunkt einzig Lebende war. Er war auf die gewöhnliche menschliche Weise geboren worden und hatte die gewöhnliche menschliche Gestalt siebenunddreißig Jahre lang getragen. Erst in den letzten achtzehn Monaten hatte er angefangen, sich zu verändern.
Zuerst waren die Veränderungen geringfügig und zeitweilig gewesen.
Sein Herz wurde nicht entfernt. Es wurde nur ab und zu durch einen schnellen Weichplastik-Schrittmacher umgangen, den er jeweils eine Woche lang, auf eine Schulter geschnallt, trug.
Seine Augen wurden auch nicht entfernt … damals noch nicht. Sie wurden nur mit einer Art selbstklebender Augenbinde verschlossen, während er übte, die verwirrenden Formen der Welt zu erkennen, wie sie ihm mit einer schrill surrenden elektronischen Kamera gezeigt wurden, die chirurgisch mit seinem Sehnerv verbunden war.
Man prüfte die getrennten Systeme, die ihn zum Marsbewohner machen sollten, eines nach dem anderen. Erst als jedes Bauteil geprüft und angepasst und für funktionsfähig befunden worden war, hatte man die ersten dauerhaften Veränderungen vorgenommen.
Sie waren nicht wirklich dauerhaft. Das war ein Versprechen, an das Hartnett sich klammerte. Die Chirurgen hatten es Hartnett gegeben, und Hartnett hatte es seiner Frau gegenüber wiederholt. Alle Veränderungen konnten und würden rückgängig gemacht werden. Wenn die Mission vorbei und er sicher zurückgekehrt war, würde man die Maschinenteile entfernen und wieder durch weiches, menschliches Gewebe ersetzen, und es würde ihm seine rein menschliche Gestalt wiedergegeben werden.
Es würde nicht genau die Gestalt sein, die er vorher gehabt hatte, das wusste er. Man konnte seine eigenen Organe und sein Gewebe nicht konservieren. Man konnte sie nur durch Entsprechungen ersetzen. Organverpflanzungen und kosmetische Chirurgie würden alles Machbare leisten, um dafür zu sorgen, dass er sich wieder ähnlich sah, aber es bestand nur geringe Aussicht, dass er je wieder mit seinem alten Passfoto würde reisen können.
Das störte ihn nicht besonders. Er hatte sich nie für einen gut aussehenden Mann gehalten. Er begnügte sich mit dem Wissen, dass er wieder menschliche Augen haben würde – natürlich nicht seine eigenen. Aber die Ärzte hatten versprochen, dass sie blau sein würden und dass wieder Lider und Wimpern sie bedecken sollten, und mit etwas Glück, meinten sie, könnten die Augen sogar weinen. (Vor Freude, sah er voraus.) Sein Herz würde wieder ein Muskel von Faustgröße sein. Es würde rotes Menschenblut durch den ganzen Körper, in alle Gliedmaßen pumpen. Seine Lungenmuskeln würden Luft in seinen Brustkorb befördern, und dort würden natürliche menschliche Alveolen Sauerstoff aufnehmen und CO2 abgeben. Die großen Fotorezeptor-Fledermausohren (die solche Probleme aufwarfen, weil ihre Tragkraft den Anforderungen der Marsschwerkraft, nicht aber jenen der Erde entsprach, sodass sie dauernd entfernt und in die Werkstatt zurückgebracht wurden) würden abmontiert werden und verschwinden. Die Haut, die so schmerzhaft hergestellt und ihm angepasst worden war, würde ebenso schmerzhaft wieder abgelöst und durch menschliche Haut ersetzt werden, die schwitzte und Haarwuchs hervorbrachte. (Seine eigene Haut war unter der eng anliegenden künstlichen Ummantelung noch da, aber er rechnete nicht damit, dass sie das Experiment überstehen würde. Sie musste während der Zeit, in der sie unter dem Kunstfell verborgen war, daran gehindert werden, ihre normalen Funktionen auszuüben. Fast mit Gewissheit würde sie ihre Fähigkeit dazu verloren haben und ersetzt werden müssen.)
Hartnetts Frau hatte ihm ein Versprechen abgenommen. Er hatte schwören müssen, dass er, solange er die Schreckmaske des Cyborgs trug, sich von seinen Kindern fernhalten würde. Zum Glück waren die Kinder klein genug, um folgsam zu sein, und Lehrer, Freunde, Nachbarn, Eltern von Schulkameraden und andere waren mit Andeutungen von Dschungelfäule und Hautkrankheiten zur Mitarbeit bewogen worden. Man hatte Neugier gezeigt, aber die Geschichte tat ihre Wirkung, und niemand hatte Terrys Vater gedrängt, zu einem Elternabend zu kommen, oder Brendas Mann, an einem Gartengrillfest teilzunehmen.
Brenda Hartnett selbst hatte versucht, ihren Mann nicht zu sehen, aber auf die Dauer war die Angst von der Neugier verdrängt worden. Sie hatte sich eines Tages, während Will einen Koordinationsversuch unternahm, mit einer Schüssel Wasser auf der Lenkstange auf einem Fahrrad im rötlichen Sand herumfahrend, in den Tank-Raum geschmuggelt. Don Kayman war bei ihr geblieben und hatte erwartet, dass sie ohnmächtig würde, schreien oder sich vielleicht übergeben würde. Sie tat nichts davon und überraschte sich selbst so sehr wie den Geistlichen. Der Cyborg glich zu sehr einer Gestalt aus einem japanischen Horrorfilm, als dass man ihn hätte ernst nehmen können. Erst an diesem Abend brachte sie das fledermausohrige, kristalläugige Wesen auf dem Fahrrad mit dem Vater ihrer Kinder in Verbindung. Am nächsten Tag ging sie zum medizinischen Leiter des Projekts und erklärte, Will müsse inzwischen ausgehungert nach Sex sein und sie sehe nicht ein, weshalb sie ihm nicht dienen könne. Der Arzt musste ihr klarmachen, was Will nicht fähig gewesen war, über die Lippen zu bringen, nämlich, dass man diese Funktionen als überflüssig betrachten müsse, weshalb sie vorübergehend … äh … unterbrochen seien.
Inzwischen rackerte sich der Cyborg mit seinen Tests ab und wartete auf die nächste Rate Schmerzen.
Seine Welt bestand aus drei Teilen. Der erste Teil war eine Flucht von Zimmern mit einem Luftdruck, wie er einer Höhe von etwa zweieinhalbtausend Metern entsprach, sodass das Projektpersonal nur mit geringer Beeinträchtigung ein und aus gehen konnte, wenn es sein musste. Dort schlief er auch, wenn er konnte, und aß das wenige, das er bekam. Er hatte immer Hunger, immer. Der zweite Teil war der Marsnormtank, in dem er seine Gymnastik betrieb und seine Tests ausführte, damit die Architekten seines neuen Körpers ihr Geschöpf bei der Arbeit beobachten konnten. Und der dritte Teil war eine Niederdruckkammer auf Rädern, die ihn von seinen Privaträumen zu seiner öffentlichen Testmanege oder dorthin rollte, wo er, selten genug, sonst hinmusste.
Der Marsnormtank glich einem Zookäfig, in dem er fortwährend zur Schau gestellt wurde. Der rollende Behälter bot nichts als einen Warteraum, um anderswohin befördert zu werden.