Erhalten Sie Zugang zu diesem und mehr als 300000 Büchern ab EUR 5,99 monatlich.
Niemals krank werden, Intelligenz und Stärke vereint, Perfektion bis zur letzten menschlichen Zelle. Nie wieder sollte ein Kind kränklich zur Welt kommen. Das war Dr. Fabinis sehnlichster Wunsch, bis vor knapp fünfzehn Jahren seine Studie an genetisch veränderten Kindern unterbrochen wurde und die Öffentlichkeit von diesem Projekt erfuhr. Die Kinder? Ein unfertiges Überbleibsel einer Vision, unvollkommen, nicht perfekt genug und nicht in der Lage, ihren Zweck gänzlich zu erfüllen. Sie waren etwas, das nicht in die menschliche Gesellschaft passte. Ein Hybrid, aber menschlich? Kann es lieben, kann es fühlen? Dieser Roman widmet sich einer Frage, einer Wahrheit, die denkbar in unserer Gesellschaft vorkommen könnte. Traut euch, nehmt dieses Buch zur Hand, und verfolgt das Schicksal einer Frau, deren Leben sich in einem moralischen Zwiespalt befindet.
Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:
Seitenzahl: 487
Veröffentlichungsjahr: 2016
Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:
Widmung Jana Gäbert
Für meinen Bruder (1988 – 2008), unvergessen.
Für meine Schwester, auf ein langes, erfülltes Leben.
Für meine Eltern, die in mir die Liebe zum Lesen säten.
Für meinen Mann, zusammen für immer.
Für meine Kinder, auf dass ihr eure Träume lebt!
_
Widmung Hannah DeGroth
Dieses Buch widme ich zu gleichen Teilen meinem humorvollen
Ehemann, der mich immer wieder zum Lachen bringt. Meiner großen
Schwester, durch deren Kraft ich zu dem Menschen wurde, der ich
bin. Meinem Sohn, der mein Herz in seinen Händen hält und meinen
engen Freunden, die mir in jeder Situation zur Seite stehen.
_
An dieser Stelle möchten wir auch all denjenigen danken, die
mitgeholfen haben dieses Buch aufzubauen. Allen, die sich Zeit
nahmen zu lesen und uns Kritik schenkten. Wir danken euch von
Herzen. Hier ganz besonders zu erwähnen ist Sarina, die sich für die
Rechte der von uns so gedissten Kommas in diesem Buch eingesetzt
hat.
Prolog
Erster Arbeitstag
Die Karten für Marvin
Die Karten quasi in der Hand
Ein guter Freund
Die Gala
Fastfood
Moos im Haar
Abschied
Penthouse
Kein Wort mehr
Versetzung
Vorstellungstermin
Alles für den Job?
Klärendes Gespräch und Sojaschnitzel
Autofahrt zur Gregor-Mendel-Stiftung
Erkundungstour und Unwetterfront
Ein Teddy
Heimfahrt
Neles Telefonnummer
Meeting oder Date?
Recherche in der Bibliothek
Zweiter erster Arbeitstag
Intermezzo
Die Anwältin und der Schulfreund
Der Schulfreund sabotiert
T-Shirt mit Folgen
Nach dem Ausflug ins Grüne
Das kleine Schwarze?
Zweites Date mit Veit
Blackout
Eine halbe Pizza
Mehr oder weniger Chaos?
Stunde der Wahrheit
Mittagspause mal anders
Die Liebeserklärung
Ganz schön Veit
Eine Unterschrift
Videoabend
Ein Foto wäre nett
Blaulicht im Badezimmerfenster
Die Todgeweihten leben länger
Im Glashaus nicht mit Steinen werfen
Distanz und ein kaputtes Handy
Eine lange Fahrt ins Grüne
Trautes Heim, Glück allein?
Arbeitsteilung
Ein weiterer Tag im Glück
Aufgewacht
Eine Jagd
Nähzeug und Achtsamkeit
Nestbau
Hilfe
Das Ende am See
Mutter?
Zimmer mit Aussicht
Abschiedsbrief
Die Sonne schien hell durch das Küchenfenster und der Duft von frischem Tee und Brötchen lag in der Luft.
„Magst du mir bitte die Kresse reichen?“ Marvin schaute seine Schwester an, die vertieft die heutige Zeitung las.
„Das willst du doch nicht wirklich auf dein Brötchen packen?“ Jasmin reichte ihm einen kleinen Blumentopf und verzog dabei fragend das Gesicht.
„Klar, das ist äußerst gesund. Außerdem habe ich gerade meine vegane Woche. Das ist sehr wichtig für meinen Sportplan. In drei Monaten habe ich wieder einen wichtigen Lauf.“
„Vielleicht solltest du dir ein neues Hobby suchen. Langstreckenläufer?! Und das da sieht wirklich nicht lecker aus.“ Jasmin zeigte auf das grüne Etwas, unter dem sich irgendwo tatsächlich ein Brötchen verbarg.
„Also erstens ist das bei mir kein Hobby mehr und zweitens... .“ Doch zum zweiten Punkt kam er nicht. Er starrte nun auf die Titelseite der Tageszeitung. „Hast du das gelesen?“
„Bitte? Und zweitens hast du das gelesen?“, wiederholte Jasmin spöttisch und schüttelte fragend den Kopf. „Was denn? Die Tatsache, dass veganes Zeug nicht gut ausschaut?“
„Nein, nein.“ Marvin nahm ihr die Zeitung weg, drehte sie um und klopfte wie wild auf die Titelseite. „Da! Diese miese Firma macht schon wieder so eine Geldsammelveranstaltung für diese, diese Freaks.“
„Ja und?“
„Die sollten lieber den Sport unterstützen als noch mehr Geld in ein angeblich humanes Experiment zu stecken. Ich finde nicht, dass diese Typen, diese Menschen aus Reagenzgläsern, in irgendeiner Weise unterstützt werden sollten.“ Marvin betonte ungemein spitz seine Worte.
Jasmin verdrehte die Augen. „Iss dein Kaninchenfutter und hör endlich auf, dich ständig über diese Firma aufzuregen. Sie sind verdammt nochmal nicht Schuld an dem Tod unserer Eltern und das Experiment wurde damals abgebrochen. Streng genommen sind es nun mal Menschen und als der Firmenchef verstorben ist, hat sein Sohn ja auch unmittelbar danach die Studie abgebrochen.“ Sie hatte keine Lust auf Diskussionen um Menschenrechte und Co am Frühstückstisch. Ja, eigentlich hätte sie sich gar nicht erst auf eine Unterhaltung mit diesem Thema einlassen dürfen. Jetzt steigerte sich Marvin wieder hinein und sie käme bestimmt zu spät zur Arbeit. Auch noch an ihrem ersten Tag. Abwesend blickte Jasmin wieder auf. Marvins blaue Augen versuchten ihren Blick zu fixieren und er schaute sie herausfordernd an.
Ihr Bruder hatte mittlerweile eine Schere zur Hand genommen und machte sich gleich daran, den Zeitungsartikel für seine Sammlung auszuschneiden. „Sag mal, auf wessen Seite stehst du eigentlich?“
„Auf meiner. Glaubst du wirklich, du erreichst irgendetwas, wenn du jedes verdammte geschriebene Wort über diesen Konzern ausschneidest und in deine Verschwörungsmappe klebst? Halt, stopp! Antworte nicht darauf, ich muss jetzt leider los. Also bis nachher, großer Bruder.“ Jasmin sprang auf und würgte das restliche Brötchen hinunter. Sie schnappte ich hastig ihre hellbraune Ledertasche und wollte losstürmen, da hielt Marvin sie plötzlich am Arm fest.
„Wo willst du denn so eilig hin?“ Misstrauisch schaute er auf ihre Arbeitstasche, die seit ihrem erfolgreichen Universitätsabschluss unter der Garderobe im Flur verstaubte.
„Zur Arbeit.“
„Die Aushilfsstelle im Flora Green, die ich dir empfohlen habe?“
„Nein, Marvin. Wie du weißt, war ich Jahrgangsbeste und habe wirklich ausgezeichnete Angebote von großen Unternehmen erhalten. Ich werde daher nicht mit einem Doktortitel die Regale in deinem heißgeliebten Biosupermarkt füllen. Ich... .“
Marvin fiel ihr ins Wort. „Ach, dafür ist Frau Doktor sich also zu fein, ja? Außerdem ist das kein Biosupermarkt, sondern ein Biohofladen. Das sind regionale Produkte direkt vom Bauern und... .“
Diesmal schnitt Jasmin ihm den Satz ab. „Ist mir egal. Ich komme zu spät in die Firma.“ Sie riss sich los und ging zur Tür.
„Jasmin! So nicht! Welche Firma?“
„Fadnindssch.“
„Wie bitte?“
„Fadnindssch.“ nuschelte Jasmin erneut. Inzwischen hatte sie schon ihre Schuhe an.
Marvin holte tief Luft. Er stellte sich nun vor die Haustür und Jasmin wusste, dass es nun keinen Ausweg mehr für sie gab. Sie musste ihm die Wahrheit sagen, vorher würde er nicht von der Tür weg gehen. Seufzend sah Jasmin auf seine Füße als sie die Bombe platzen ließ.
„Fabini Industries. Die Firma mit deinen sogenannten Freaks.“
Jasmin trat eilig in die Pedale. Ihre Gedanken kreisten noch immer um den Streit mit ihrem Bruder. Das war der Grund dafür, dass sie etwas unaufmerksamer fuhr als sonst. Vielleicht war es aber auch der entgegenkommende Motorradfahrer ein typischer Verkehrsrowdy. Wie auch immer, Jasmin konnte gerade noch so ihr Lenkrad herumreißen und landete samt Fahrrad im nächsten Busch. Ihr war so, als ob sie noch ein 'Tschuldigung!' gehört hatte, doch sicher war sie nicht.
„Na toll. Auch das noch! Wie weit bin ich gekommen? 20 Meter?“, schnaufte sie leise und schob sie ihr Fahrrad zurück auf die Straße. Als sie aufsteigen wollte, sah sie, dass besagter Verkehrsteilnehmer vor ihrem eigenen Haus angehalten hatte und dabei war, sein Motorrad abzustellen. Jasmin schaute auf die Uhr, die Zeit war zu knapp, sie musste los. Vielleicht war es ein Freund ihres Bruders?
Etwas außer Atem erreichte sie das Firmengelände. Jasmin fuhr mit dem Fahrrad direkt auf den Konzernkomplex zu. Dieser bestand aus vielen weitläufigen Einzelgebäuden, das Hauptgebäude war jedoch unverkennbar. Hier prangte ein Monument aus verspiegeltem Glas, das weit mehr als zwanzig Stockwerke zu haben schien. Oben auf dem Hochhaus befand sich ein großes F in leuchtendem Neongrün, welches man sogar in der Nacht vom Stadtrand aus sehen konnte.
Mit dem Fahrrad schien hier aber kaum einer herzukommen. Dafür gab es aber ein Parkhaus für die Angestellten und Gäste zu geben. Etwas hilflos schaute sich Jasmin auf der weitläufigen Fläche vor dem Hauptgebäude um. Ein imposanter Springbrunnen zierte den Vorhof, aber kein Baum, kein anderes Rad und vor allem kein Fahrradständer waren zu finden. Nur weiter hinten vor der riesigen Eingangstür gab es zwei Kübel mit irgendetwas Grünem darin.
Sie seufzte und drehte um. Besser heute einen kleinen Weg laufen als einen schlechten Eindruck zu machen. Dementsprechend stellte sie kurze Zeit später das Fahrrad an einem Zaun auf der Hauptstraße ab und spazierte den Weg zurück. Sie hatte sich schon winzig und verloren gefühlt, als sie über den Platz gelaufen war, aber im Gebäude verschlechterten sich diese Gefühle nur noch. Zwei Sicherheitsmänner nickten ihr respektheischend zu, während sie auf die Dame am Empfang zuging. Hinter der Wartelounge standen jedoch noch mindestens ein halbes Dutzend mehr Sicherheitsbeauftragte, welche die Fahrstühle bewachten oder Ausweise kontrollierten.
Jeder Schritt hallte auf den hellen Fliesen nach und sie verfluchte diese unbequemen wackeligen Pumps, mit denen sie gerade so laufen konnte. Nach einer Weile, die ihr schier endlos erschien, erreichte sie den Schalter. Die Empfangsdame lächelte sie freundlich an.
„Willkommen bei Fabini Industries, wie darf ich Ihnen behilflich sein?“
„Oh, ich bin...“, doch Jasmins Blick schweifte ab. Hinten bei den Fahrstühlen ging ein großer, rothaariger Mann in weißem Anzug Richtung Ausgang. Sein Gesicht erkannte sie sofort, sie hatte es in so vielen Zeitungen gesehen. Es handelte sich um den jungen Inhaber dieser Firma.
„Sie sind bitte wer?“ Die hohe Stimme der Empfangsdame ließ Jasmin erschrocken zusammenzucken und wieder zu ihr blicken.
„Jasmin Cheplow.“ erwiderte sie schnell und kramte dann in ihrer Tasche. „Ich habe heute meinen ersten Tag hier. Haben sie vielleicht schon einen Firmenausweis für mich?“ Sie fand ihr Schreiben und legte dies zusammen mit ihrem Personalausweis auf den Tresen.
Die Empfangsdame musterte sie streng, trug die Ausweisnummer an ihrem Computer ein und reichte Jasmin dann einen Ausweis mit der Aufschrift GAST.
„Oh, aber ich bin kein Gast. Ich bin Dr. Cheplow, ich arbeite ab heute hier.“
„Haben sie ein Passfoto mitgebracht?“ Die Dame schob das Schreiben nach vorn und zeigte auf einen unterstrichenen Text. “Hier steht ausdrücklich, dass Sie ein Passfoto mitbringen müssen. Haben Sie eines?“ „Nein. Also ja bestimmt, aber nicht mit. Ich kann aber... .“
„Ja und bis dahin sind Sie Gast. Bitte warten Sie dort drüben in der Lounge. Professor Dr. Elmhausen, Ihr direkter Vorgesetzter, wird Sie gleich abholen und in Ihren zukünftigen Wirkungsbereich führen. Haben Sie Arbeitskleidung mitgebracht?“ Noch bevor Jasmin antworten konnte, fuhr die perfekt frisierte Blondine fort: „Brauchen Sie nämlich nicht. Sie bekommen täglich einen frischen Kittel in ihrer Größe. Diese befinden sich immer gleich am Anfang eines Flures. Aber das wird man Ihnen oben gleich alles genauer sagen. Einen schönen ersten Tag wünsche ich.“
Jasmin nickte so höflich, wie sie es jetzt noch konnte. Etwas niedergeschlagen nahm sie in der Lounge auf einem großen Ledersofa Platz. Der große rothaarige Mann war fort. Hoffentlich hatte ihr Chef sie nicht negativ wahrgenommen.
Sie musste nicht lange warten, da kam dann auch schon ein älterer Professor mit Halbglatze und Brille zu ihr und stellte sich höflich, aber distanziert vor.
„Dr. Cheplow? Ich bin Professor Dr. Elmhausen.“ Er streckte ihr eine runzlige Hand entgegen und erfreut erwiderte Jasmin die Begrüßung. „Na dann wollen wir mal.“, sprach Professor Dr. Elmhausen und ging vor.
Im Fahrstuhl dienten die Firmenausweise als Schlüssel, um in die autorisierten Abteilungen zu kommen. Sie fuhren in die dritte Etage.
Jasmin sollte zunächst in seiner Abteilung arbeiten und sich mit der Verbesserung von schon bestehenden Impfstoffen auseinandersetzen. Mit den erklärenden Worten von Professor Dr. Elmhausen und einem neuen weißen Kittel fühlte sie sich dann auch endlich angekommen und aufgenommen. Im Labor ließ Professor Dr. Elmhausen sie allein an ihrem neuen Schreibtisch und verabschiedete sich mit den Worten, dass er ihr gleich eine Assistentin zukommen lassen würde.
„Assistentin.“, flüsterte Jasmin stolz, als die Tür hinter dem Professor ins Schloss fiel.
Als sie so allein war, strich sie andächtig mit der Hand über ihren Schreibtisch. Sie konnte es kaum fassen, dass sie jetzt in dem führenden Pharmakonzern auf dem europäischen Markt arbeitete. In Gedanken sagte sie zu sich selbst: „Juchu! Mama, Papa, ich habe es geschafft! Ich trete nun in eure Fußstapfen und ich hoffe wirklich, ihr seid stolz auf mich und seht mich jetzt hier.“
Fröhlich setzte sich Jasmin in ihren Stuhl und drehte sich glücklich einmal im Kreis. Nach einer Weile ging die Tür erneut auf.
„Hey, hallo, ich bin Nele Moonberg. Der Elmhausen schickt mich. Ich bin dir jetzt zugeteilt. Ansonsten kümmere ich mich um das Wohlergehen unserer Labortierchen.“
Eine schwarzhaarige junge Frau in eher unseriöser dunkler Kleidung, offenem weißen Kittel und mit Nasenpiercing riss Jasmin aus ihren Gedanken und kam mit ausgestreckter Hand auf sie zu. Nele lächelte Jasmin breit an und hatte eine so offene Art an sich, das Jasmin diese sofort unheimlich sympathisch fand.
Jasmin erwiderte das Lächeln. „Hallo, sehr schön Sie kennenzulernen.“
„Also Sie können hier gerne 'du' zu den meisten Angestellten sagen. Nur die Abteilungsleiter bevorzugen ein 'Sie'.“
„Oh gerne.“
„Ich zeig dir gleich mal die Software und die Analysegeräte. Du bist ja jetzt erst einmal für die Statistik und so verantwortlich. Also, alles, was hinter der Glasscheibe ist, ist unser Hauptlabor und somit heiliger Boden.“ Nele grinste erneut breit und Jasmin tat es ihr einfach nach.
Jasmin widmete sich unter Neles Anweisungen dem Computer. Sie klickte sich durch die Programme und den Rest des Tages verbrachte Jasmin mit ihren ersten Datenanalysen, Neles Labortieren und lernte dann noch ein paar ihrer neuen Kollegen kennen.
Es war schon dunkel, als Jasmin abends zu Hause ankam. Sie ließ die Haustür hinter sich ins Schloss fallen und schlüpfte müde aus ihren unbequemen Pumps.
„Marvin, bist du da?“
„Im Arbeitszimmer.“, erklang die Stimme ihres Bruders aus der Ferne.
Neugierig kam sie um die Ecke und sah, wie er sich durch einen Berg Unterlagen wühlte.
„Was machst du hier? Das sind doch Papas Sachen.“
„Ja und? Meinst du, er hat was dagegen? Grabe ihn doch aus und frag ihn.“
„Ach du meine Güte. Bist du etwa immer noch sauer?“
Lauter als notwendig ließ er nun die Akte fallen, die er eben noch durchgeblättert hatte.
„Was glaubst du denn? Hast du wirklich gedacht, ich mach Freudensprünge, dass du bei diesen Verbrechern arbeiten gehst? Ich dachte mir, ich schau mal seine Unterlagen durch. Vielleicht finde ich ja was, das dir die Augen über Fabini Industries öffnet.“
Jasmin ließ sich in einen gemütlichen Sessel fallen und beobachtete ihren Bruder genau. Seine Tirade ging weiter.
„Was du da machst, ist moralisch unverantwortlich. Fabini Industries! Das ganze Unternehmen stinkt doch zum Himmel. Denk allein mal an den Gründer Tübald Fabini, der für seine Genforschung an Menschen verurteilt wurde, und, wie du weißt, ist er auch inzwischen einfach mal so verstorben. Und jeglicher Vorwurf gegen den Vorstand oder dem jetzigen Inhaber sind wie weggeblasen. Sein Sohn Nicolai Fabini, übrigens blöder Name, hat die Geschäfte übernommen und führt nun ein angeblich rein gewaschenes, weltweit erfolgreiches Pharmaunternehmen. Dass unsere Eltern zeitgleich an Krebs erkrankten, war natürlich Zufall und hatte rein gar nichts mit ihrer Arbeit in diesem Unternehmen zu tun?“
Entsetzt über Marvins Worte brach es aus Jasmin hervor: „Ja, war es! Wann bitte willst du einsehen, dass nicht jeder Mitarbeiter einer großen Firma automatisch ein Mörder und Verbrecher ist?“
„An dem Tag, an dem du einsiehst, dass da irgendetwas gewaltig schiefläuft in diesem Laden.“
Jasmin seufzte und lenkte um des Friedens Willen etwas ein. „Okay, dann freue dich doch, dass ich nun da arbeite. Vielleicht finde ich ja brisantes Material und kann dir mit deiner Pseudoidee helfen.“
Marvin schaute sie überrascht an, er ignorierte den Sarkasmus in ihrer Stimme und war hellauf begeistert von diesem Vorschlag. „Das ist gut! Ja, das gefällt mir. Und als erstes könntest du uns, werte Frau Doktor, Karten für die Gala zu Gunsten dieser Stiftung besorgen. Jawohl.“
„Das ist nicht dein Ernst!“ Jasmin fiel fast vom Sessel. Marvin hingegen grinste von einem Ohr zum anderen.
„Doch, ist es. Wir beide gehen dahin und mischen uns unter die Leute. Wer weiß, was wir da erfahren werden.“
„Ich weiß nicht.“ Jasmin wickelte eine Strähne ihres braunen Haares um einen Finger.
„Ach komm! Das wird lustig.“
„Na schön, ich kann ja mal fragen, ob es noch Karten gibt. Es ist sicherlich nicht schlecht, sich für die Charity-Aktionen der Firma einzusetzen, bei der man selbst angestellt ist.“ Kaum hatte sie es ausgesprochen, wurde sie von ihrem Bruder schwungvoll aus dem Sessel gezogen. Er drückte sie so fest an sich, dass Jasmin kaum noch Luft bekam.
„Hast du eigentlich einen Freund?“, wechselte Marvin urplötzlich das Thema.
„Nein, wieso?“, keuchte Jasmin gegen seine Brust.
„Weil hier so ein Schrank von Mann heute früh geklingelt und nach dir gefragt hat.“
Jasmin versuchte sich aus seinem festen Griff zu befreien. Leider war sie im Verhältnis zu ihrem großgewachsenen Bruder mit einem Meter zweiundsechzig Kampfgröße relativ klein und machtlos.
„Keine Ahnung, wer das gewesen sein könnte. Er hat nicht zufällig seinen Namen genannt? Marvin, ich kann kaum atmen.“
„Nein, hat er nicht. Denk nochmal nach. Knapp zwei Meter groß, breite Schultern, lange schwarze Haare, Motorrad, Typ brutaler Türsteher?“
„Keine Ahnung. Was hast du ihm gesagt?“
„Dass du vor einem halben Jahr weggezogen bist.“
„Wieso das denn? Hat er das denn geglaubt? Marvin, bitte... ich kenne ihn nicht. Lass mich endlich los!“
Marvin lockerte die Umarmung und lächelte sie erleichtert an.„Zumindest ist er daraufhin abgehauen. Und ey, so einen Kerl lasse ich aus Prinzip nicht in die Nähe meiner kleinen Schwester. “ Er lachte und verwuschelte ihre Haare. „Lust, was mit mir zu essen? Gemüsebratlinge?“
Jasmin hielt ihr Versprechen. Die Gelegenheit war da, als sie den Ratten Blut abnehmen musste, während Nele parallel dazu die Käfige reinigte. Jasmin war gerade mit Herkules, einem großen weißen Exemplar, fertig geworden und überreichte ihn Nele.
„Nele, kann ich dich mal was fragen?“
„Ja klar, auch die unanständigen Dinge.“
„Haha. Im Ernst, du weißt doch, dass bald diese Galaveranstaltung stattfindet, von dieser Stiftung.“
„Nicolai Fabini sammelt Stiftungen wie andere Schallplatten. Welche meinst du?“ Nele setzte Herkules in den blitzblanken Käfig zurück und gönnte ihm noch ein extra großen Leckerbissen.
„Na, die Stiftung für die Erhaltung des Ursprungs.“ Jasmin tat beiläufig und beschriftete das Röhrchen mit dem frisch abgezapften Blut.
„Ah, die Sekten-Stiftung!“
„Bitte was?“ Sie schaute nun doch auf.
„Na findest du nicht auch, dass sich der Name wie eine Sekte anhört? Außerdem leben die Typen doch in so 'ner abgeschirmten Siedlung, so eine Art Kommune, das kann nur was in der Richtung Sekte sein.“ Nele schaute sie skeptisch an. „Was interessiert dich denn diese Schnöselveranstaltung?“
„Ach na ja, weniger mich als meinen Bruder. Ich wollte nur Fragen, ob du weißt, wie man an Karten kommt.“
„Klar weiß ich das.“ Nele machte den nächsten Käfig sauber. Jasmin musterte sie aus dem Augenwinkel.
„Und lässt du mich auch an deinem Wissen teilhaben?“, presste Jasmin schließlich lächelnd heraus. Sie nahm sich nun die Ratte Tyler vor.
„Na ja, wenn du nicht zum erlauchten Kreis gehörst und eingeladen wirst, bleibt dir nur ein Presseausweis. Allerdings darfst du mit dem nur in bestimmte Bereiche.“ Nele sah in das starre Gesicht von Jasmin und fuhr dann weiter: „Allerdings nimmt unser Big Boss immer eine Gruppe von loyalen Vorzeigewissenschaftlern mit. Zum Angeben und so. Die Entscheidung fällt wohl morgen. Zufälligerweise ist unser Elmhausen auch mit von der Partie.“
„Echt? Du meinst, ich könnte mich noch ins Spiel bringen? Aber als Neue habe ich wohl keine Chance.“
„Sag das nicht. Ich habe gehört, du hast einen beeindruckenden Abschluss.“ Nele grinste sie verschwörerisch an. „Und du hast mich.“
„Dich?“ Jasmin verstand kein Wort.
„Ja, mich. Immerhin bin ich so etwas wie Elmhausens Schwiegertochter in spe.“
Jasmin fiel bei der Information die Kinnlade herunter.„Du bist... du und sein Sohn? Ihr seid...“
„Ein Paar. Seit ungefähr vier Jahren. Was meinst du, warum ich hier arbeite, obwohl ich nicht studiert habe?“
„Okay... du und Dr. Professor Elmhausens Sohn? Wie ist er denn so? Hübscher als sein Vater?“ Jasmin kicherte.
„Wenn du wüsstest. Und wesentlich gelenkiger, behaupte ich mal, wenn du verstehst, was ich meine.“
Jasmin wurde rot, aber beide lachten und wendeten sich dann wieder ihrer Arbeit zu. Später nahm Jasmin ihren Mut zusammen und meldete ihr Interesse für die Gala bei ihrem Vorgesetzten an. Es blieb ihr nur zu hoffen, dass Neles Beziehung tatsächlich zu ihrem Vorteil war.
„Vater, komm schon.“ David Elmhausen redete beim gemeinsamen Abendessen zuhause auf seinen Vater ein. „Nele und Dr. Cheplow sind befreundet und du würdest auch mir damit eine Freude machen.“
„Mein Sohn, du kennst Dr. Cheplow doch gar nicht.“ Prof. Dr. Elmhausen schien genervt. Nach einem so anstrengendem Arbeitstag wollte er die Firma und all ihre Anliegen doch lieber woanders wissen.
„Nein, aber Nele könnte ich nie einen Wunsch abschlagen.“ Der junge, hübsche Mann lächelte seinen Vater an. Beide hatten ähnliche Gesichtszüge und die Verwandtschaft war nicht abzustreiten. Nur war der ältere Elmhausen schon weit über die Fünfzig und der junge Elmhausen gerade einmal fünfundzwanzig Jahre jung.
„Nele, Nele, ich höre immer nur Nele. Weißt du, dass es auch noch andere Mädchen in deinem Alter gibt?“
„Vater, ich liebe sie und so wird es auch erst einmal bleiben. Ich weiß sehr wohl, dass sie nicht ganz deinen Vorstellungen entspricht, aber anstatt uns dafür zu schelten, könntest du besser dafür sorgen, dass sie standesgemäß wird.“ Er lachte seinen Vater liebevoll an, doch dieser starrte nur missmutig zurück.
„Dafür sorgen. Tss, mir ist bewusst, dass du erst einmal bei ihr bleibst.“
Der Professor hatte schon immer seine Zweifel an diesem ungleichem Paar, aber die Zeit und die Zuneigung zu seinem Sohn hatten ihn eines Besseren belehrt.
„Richtig, schließlich sind Nele und ich jetzt schon fast vier Jahre zusammen.“ Das Grinsen verließ nicht Davids Züge. „Und ist es nicht schön, dass Nele jetzt mit einer Doktorin befreundet ist? Ich meine, sollten wir das nicht unterstützen?“
Prof. Dr. Elmhausen atmete tief aus und es dauerte eine ganze Weile bis er darauf antwortete. „Nicht, dass du jetzt denkst, ihr beide würdet alles bekommen, worum ihr mich bittet, aber wenn ich so nachdenke, hat mich Herr Nicolai Fabini in der Tat darum gebeten, ein paar Mitarbeiter auszuwählen, die sich repräsentativ für unsere Firma zeigen.“
„Ja, Nele meinte, Dr. Cheplow sei Jahrgangsbeste in ihrem Abschluss gewesen. Na? Ist das nicht schon ein guter Grund?“
„Ist ja jetzt gut. Ich lege ihr morgen zwei Karten ins Fach und trage Dr.
Cheplow auf der Gästeliste ein. Aber jetzt zum Kuckuck will ich endlich meinen Feierabend genießen.“
Ein Elmhausen fühlte sich mal wieder irgendwie zu etwas veranlasst, was er eigentlich nicht so geplant hatte, und der andere Elmhausen grinste selig vor sich hin.
Es klingelte und Erik, der beste Freund von Jasmin, ging ans Handy „Erik Klobermann.“
„Hi, Erik. Ich habe ein Problem.“ Jasmins Stimme erklang am anderen Ende der Leitung.
„Ui, wie darf ich dir helfen? Was kann ich machen?“
„Erstmal deine Tür öffnen, ich steh davor.“
Erstaunt öffnete Erik die Haustür seiner Wohnung. Er wohnte in einem 50er Jahre-Block und rings um ihn wohnten hauptsächlich Studenten. Eriks Wohnung hatte drei Räume - Wohnzimmer, Schlafzimmer und eine sehr kleine Küche. Alles in allem schien seine Einrichtung komplett aus einem schwedischen Möbelhaus zu bestehen, gerade zu das Musterbeispiel für wenig Platz mit Design. Sowieso legte Erik immer sehr viel wert auf sein Äußeres und sah zu jeder Uhrzeit aus wie frisch aus dem Ei gepellt. Erik öffnete die Haustür und ließ Jasmin herein.
„Deine Klingel geht schon wieder nicht.“, grummelte Jasmin, dann atmete sie tief ein und fuhr fort. „Also, ich habe Karten für eine Gala bekommen und... .“
Erik unterbrach sie aufgeregt: „Eine Gala und du willst mit mir dahin?“
Stürmisch umarmte Erik Jasmin und gab ihr einen dicken Kuss auf die Stirn. Etwas unangenehm berührt drückte Jasmin ihn mit einem Lächeln von sich. „Nein, nicht ganz. Die zweite Karte ist schon für meinen Bruder. Aber bitte, ich habe noch nie in meinem Leben an einer Gala teilgenommen. Was zum Teufel zieht man da an?“
Seufzend ließ Erik sich in einen lila Sessel fallen. „Ach Kindchen, das wäre auch zu schön gewesen.“ Dann kniff er die Augen zusammen und begutachtete sie. „Also, zunächst die Farbe.“ Grübelnd stand er auf.
„Mehr so der Herbsttyp.“
„Der was?“
„Herbsttyp. Dunkle, erdige Farben bis ins Rot hinein.“
„Oh, okay. Natürlich.“ Verwundert begutachtete sie Erik, der in kleinen Kreisen um sie herumlief und sich immer wieder nachdenklich über sein blondes, adrett angeordnetes Haar strich.
„Ich besitze kein einziges Ballkleid. So etwas trägt man da doch, oder?“
„Ach Kleines, wir fahren am besten eben rüber zu Madame Petite. Die haben ja immer so schöne Abendmode. Nicht ganz billig, aber man kann auch leihen.“
„Leihen klingt super. Ich meine, wozu brauche ich so was im Schrank?“
Erik verdrehte die Augen. „Na, einmal Gala, immer Gala. Du wirst es lieben, all das Tamtam und die hübschen Kleider.“ Wieder seufzte Erik: „Und es ist keine kleine Karte mehr für mich dabei?“
Jasmin schüttelte verlegen den Kopf. „Nein, leider nicht, wobei ich glaube, dass du dich auf einer Gala besser benehmen würdest als Marvin.
Wegen ihm mache ich das überhaupt. Wenn ich könnte, würde ich dir ja meine geben, aber es heißt leider Frau Cheplow und Begleitung.“
„Marvin geht auf eine Gala? Ist er jetzt schwul?“, erklang Eriks Stimme hellauf begeistert.
Jasmin prustete los vor Lachen. „Marvin? Vom anderen Ufer? Nein, so homophob, wie er ist? Wohl kaum.“
„Aber ein Mann, der unbedingt auf eine Gala will? Da kann man sich schon mal Hoffnung machen?“
„Ja, er will da unbedingt hin, aber nur, um diese Firma noch genauer zu untersuchen.“
„Firma?“
„Ja, ich arbeite jetzt doch bei Fabini Industries und er lässt sich einfach nicht davon abbringen, dass die Firma, in der unsere Eltern gearbeitet haben, irgendwie Dreck am Stecken hat. Aber mal ehrlich, welche Firma hat das nicht und selbst wenn, Marvin ist einfach... .“
„Durchgedreht? Paranoid? Single?“
Lächelnd beendete Jasmin ihren Satz „Zu misstrauisch.“
„Natürlich.“
„Weißt du, seit dem Tod unserer Eltern sammelt er Zeitungsausschnitte und alles, was irgendwie mit dieser Firma zu tun hat. “
„Er war wohl auch nicht so begeistert, dass du jetzt auch da arbeitest, wo deine Eltern früher gearbeitet haben?“
„Ja!“ Jasmin verdrehte die Augen. „Außerdem glaubt er, dass die Gala meiner Firma nur ein Vorwand wäre.“
„Wofür?“
„Tja, ich habe keine Ahnung. Ich meine, was glaubt er, da zu finden? Radioaktive Sprengkörper in Fabinis Aktentasche?“ Jasmin schüttelte den Kopf.
„Hat Marvin denn einen Anzug?“ Man sah einen kurzen Hoffnungsschimmer im Glanz seiner Augen.
„Ja, hat er bestimmt. Der ist ja oft auf den Medaillenfeiern von seinem Sportverein.“
„Ach schade. Es wäre sicherlich schön gewesen, euch im Partnerlook anzukleiden.“
Ein ungläubiges Einatmen erklang von Jasmin. „Na, zu schade aber auch, dass er heute nicht dabei ist.“ Und dann drückte sie Erik spöttisch den Ellenbogen in die Seite.
„Aua. Immer so angriffslustig, Kleines.“ Er lachte.
„Fahren wir mit deinem Auto? Ich bin leider nur mit dem Rad da.“
Die letzte Haarklammer hielt das hochgesteckte Haar. Mindestens ein paar dutzend hatte Jasmin schon verarbeitet, aber jetzt schien das störrische Haar endlich gebändigt. Jasmin drehte sich zuhause vor dem Spiegel und prüfte nun den Sitz ihres kupferfarbenen Abendkleides. Erik war, nachdem sie stundenlang ein Kleid nach dem anderen anprobieren musste, zu dem Entschluss gekommen, dass dieses wunderbar zu ihrer braunen Augenfarbe passte. Es schmeichelte unheimlich gut ihrer schlanken Figur, aber entschieden hatte sie sich letztendlich für dieses Kleid, weil es schlicht und elegant wirkte. Erik hätte es natürlich viel lieber pompöser und glitzernder gehabt, aber zum Glück gab es bei Madame Petite auch Kleider, die nicht so viel Aufmerksamkeit sich zogen.
Jasmin konnte es immer noch nicht fassen, dass es mit den Karten so gut geklappt hatte. Ihr Name war nun auf der Gästeliste einer Gala, auf der sonst nur Vertreter aus den oberen Zehntausend anwesend waren. Und irgendwie war es doch schön, mal auszugehen und den Alltag hinter sich zu lassen.
Auf dem Weg ins Badezimmer, das sie sich zu ihrem Leidwesen mit ihrem Bruder teilen musste, fiel ihr Blick auf ein aufgerissenes Paket, welches im Flur stand. Eine Spur aus Verpackungsmaterial führte bis zur angelehnten Badezimmertür.
„Marvin, brauchst du noch lange? Ich muss mich noch... was zur Hölle treibst du da?“
Er stand halbfertig angezogen vor ihr und fummelte gerade mit einem Kabel unter seinem weißen Oberhemd herum. Ertappt, aber vollkommen begeistert von der Sache, drehte er sich zu ihr.
„Das... das ist so cool. Eine Knopfkamera mit Mikrofon. Das Teil kann bis zu zwei Stunden alles aufnehmen.“
Jasmin schluckte und leckte sich nervös über die Lippen. Das kann doch nicht wahr sein? Womit habe ich das alles nur verdient, sprach sie zu sich selbst. Sie versuchte ruhig zu bleiben, doch so ganz wollte es ihr nicht gelingen. „Sag mal, geht’s noch? Du hast doch den Knall nicht gehört! Willst du mich in Teufels Küche bringen?“
Marvins Miene verfinsterte sich. „Das brauche ich gar nicht, da bist du schon alleine hingekommen.“
„Ich fasse es nicht. Willst du mich blamieren? Willst du, dass ich meinen Job verliere? Ist das dein Plan?“ Ihre Stimme wurde immer höher. Ein Zeichen dafür, dass sie sich beherrschen musste, um ihm nicht an die Gurgel zu springen.
„Aber nein. Bleib mal locker. Das kriegt doch keiner mit. Während sie alle Champagner schlürfen und darüber schwafeln, wo sie ihren nächsten überteuerten Urlaub verbringen, werde ich unauffällig Aufnahmen machen. Guck mal, wie klein die Kamera ist, die fällt gar nicht auf.“ Stolz band er sich nun die Krawatte und präsentierte sich vor ihr wie ein Pfau.
Sie musste zugeben, dass man wirklich nichts sehen konnte. Und auch, dass ihr Bruder in einem Anzug wirklich was hermachte. Doch hier ging es ums Prinzip. „Nein, du machst das Ding ab. Sonst nehme ich dich nicht mit. Basta aus.“
„Ist ja gut ich mache sie ab. Ich muss aber nochmal auf die Toilette.“
Jasmin überließ ihm das Bad und verschwand wieder in ihrem Zimmer, um sich dort fertig zu schminken. Kurze Zeit später hörte sie das Rauschen der Spülung. Es waren exakt 90 Sekunden vergangen. Genau wie früher, wenn er ihren Eltern vortäuschte, auf Toilette gewesen zu sein.
Manche Dinge änderten sich eben nie. Jasmin seufzte.
Die Taxifahrt war ihrer Meinung nach viel zu kurz. Nervös zupfte sie immer wieder an ihrem Kleid herum. Außerdem ermahnte sie mehrmals ihren Bruder, er möge sich doch bitte ausnahmsweise kultiviert und zurückhaltend verhalten. Natürlich fand die Gala auf dem Betriebsgelände von Fabini Industries statt. Es war ein seltsames Gefühl, an einem Sonntagabend in schickem Kleid dorthin zu fahren, wo sie sonst tagsüber mit weißem Kittel arbeitete. Marvin redete noch immer ununterbrochen auf sie ein, doch sie hörte gar nicht zu. Sie schaute lieber aus dem Fenster und ließ die ungewohnte Atmosphäre auf sich wirken. Ungläubig starrte sie auf das Gelände, als sie mit dem Taxi vorbei fuhren. Die Auffahrt war mit brennenden Fackeln gesäumt und vor dem Nebengebäude, in dem sich der Festsaal befand, waren riesige Baldachine aufgebaut. Genau dorthin fuhr auch das Taxi und Jasmins Magen rutschte buchstäblich immer tiefer, je näher sie zum Eingang fuhren. Der Fahrer hielt an, und ein Portier öffnete ihr die Wagentür. Sie fühlte sich beinahe wie ein Filmstar. Es war tatsächlich ein roter Teppich ausgelegt, der in das Innere des Gebäudes führte. Die Pressevertreter tummelten sich rechts und links davon, um nichts zu verpassen. Mit klopfendem Herzen stieg sie aus, wartete auf Marvin und war froh, als Professor Elmhausen sie weiter hinten in Empfang nahm.
„Dr. Cheplow. Welche Freude. Sie sehen sehr schön aus heute Abend. Kommen Sie bitte mit mir, wir warten hier vorne auf Nicolai Fabini.“ Zu ihrer Enttäuschung ging es also zunächst nicht über den roten Teppich, sondern sie gesellten sich zu einer kleinen Gruppe Menschen, die sie teilweise als Wissenschaftler der Firma identifizieren konnte. Der Professor kündigte der Security an, dass sie nun fast vollständig waren und nur noch auf den Inhaber der Firma warteten.
Schließlich fuhr nach einiger Zeit eine große, weiße Limousine vor. Einer der Security öffnete die hintere Tür und der junge Firmeninhaber Nicolai Fabini stieg aus. Jasmin schaute zu den Reportern, die augenblicklich ein Blitzlichtgewitter starteten. Nicolai Fabini war von Kopf bis Fuß perfekt gestylt, anders konnte Jasmin es nicht beschreiben. Der weiße Smoking schien ein Teil, ein Markenzeichen von ihm zu sein und auch jedes einzelne rote Haar wagte es nicht, aus der Reihe zu tanzen. Seine Haltung war aufrecht und stolz, sodass sie sich selbst nun ungeheuer plump vorkam. Ein Blick auf Marvin machte es nicht besser. Seine Krawatte wirkte auf einmal leicht schief und dazu zappelte er ständig herum. Die Wissenschaftler folgten nun Nicolai Fabini mit angemessenem Abstand über den roten Teppich in das Gebäude. Während Jasmin eher unauffällig und schüchtern an der Presse vorbeiging, blieb Marvin dauernd stehen und posierte. Sie hörte, wie er seinen Namen zigmal wiederholte und darauf hinwies, dass er Leistungssportler sei. Etwas genervt zog sie ihn mit sich.
Sie traten nun in den Saal und ließen den Blick schweifen. Die junge Frau wusste nicht, was sie erwartet hatte, aber das hier übertraf alle Erwartungen. Überall glitzerten Kronleuchter und Kerzenhalter in einem Meer aus Weiß und Gold. Imposante runde Tische waren in gleichem Abstand zueinander verteilt.
So muss sich Zar Nikolaus II. auf seinem Krönungsball gefühlt haben. Und so viele Leute, die tragen doch alle Diamanten. Ob sie bemerken, dass ich nur Modeschmuck dabei habe? Ihre eigenen Gedanken machten Jasmin nervöser. Sie sah hoch zu ihrem Bruder, der über das ganze Gesicht strahlte. „Marvin, das passt alles so gar nicht zu deinem übrigen Lebensstil. Was versprichst du dir eigentlich von dieser Gala? Wir sind hier so falsch am Platz.“
„Na ja, unter anderem hoffe ich, dass ich mal einen von den Freaks aus der Nähe sehen kann.“
Jasmin sah ihn überrascht an. „Du meinst... du meinst, dass sie uns hier einen zeigen?“
„Na, das ist doch heute extra für die.“ Marvin sah sich suchend um.
„Wie aufregend. Darüber habe ich gar nicht nachgedacht.“ Sie ließ sich von seiner Euphorie anstecken. Marvin schob sie nun durch die Massen, um ihre Plätze zu suchen. Natürlich saßen sie ganz hinten, weit weg von der schicken Bühne und der großen Tanzfläche. Das Buffet war an der Seite aufgebaut. Sie setzten sich und nahmen ein Glas Champagner entgegen.
„Was meinst du, kleine Sis, wer ist es? Der Typ dort drüben?“
„Was? Du glaubst doch nicht, dass sie hier frei herumlaufen können. Das wäre doch viel zu gefährlich.“
„Wieso?“
„Na, vielleicht übertragen sie irgendwelche gefährlichen Krankheiten. Sie sind genetisch nun mal ganz anders, habe ich gelesen. Ob die geimpft werden müssen?“
„Hunde werden doch auch gegen Tollwut und Tetanus und so geimpft, bevor sie unter Menschen dürfen. Das ist bestimmt auch Standard für diese Freaks.“
„Hybriden werden nie krank, jedenfalls habe ich auch das gelesen.“
„So gar nicht? Nie? Okay das ist cool.“
Für einen Moment hingen beide ihren Gedanken nach, doch dann sprudelte es aus Jasmin heraus.„Was meinst du, wie sie aussehen? Sind die alle groß und blond? So wie du?“
„Keine Ahnung. Vielleicht sind sie auch alle schwarz, damit sie keinen Sonnenbrand kriegen können.“
„Aber sie haben bestimmt alle blaue Augen.“
„Warum?“
„Weil blaue Augen ja auch schon eine Mutation in der menschlichen Evolution darstellen. Würde man also nicht bei einer genetischen Manipulation für einen Sondermenschen schon ein Exemplar nehmen, was einen eventuellen Vorsprung innehat?“
„Dann wärst du schon mal raus.“ Marvin grinste frech und sah in ihre dunkelbraunen Augen.
„Geschwister sehen sich zum Glück nicht immer ähnlich.“ Sie streckte ihm frech die Zunge heraus.
„Ach man, wir haben aber doofe Plätze. Von hier sieht man so schlecht. Lass uns gucken, ob wir uns nicht woanders hinsetzen können.“
„Marvin, nein. Tu es nicht. Das dürfen... .“
Zu spät. Marvin war schon aufgesprungen und verschwand im Getümmel. Perplex saß Jasmin auf ihrem Stuhl. Okay, ruhig bleiben. Es gibt Platzkarten. Marvin wird keinen freien Stuhl finden und wieder zurück kommen. Ganz bestimmt.
Als immer mehr Leute sich hinsetzten, wurde ihr Blickfeld frei. Sie fand ihren Bruder. Er setzte sich gerade ganz vorne an einen fast freien Tisch. Dort saß nur ein weiterer, dunkelhaariger Mann, mit dem Marvin ein Gespräch begann. Sie sah Marvin wild gestikulieren, wie das für ihren Bruder üblich war. Gern nahm sie ein weiteres ihr angebotenes Glas Champagner an und trank es in einem Zug leer.
Ich wusste, es war ein Fehler dich mitzunehmen. Komm zurück. Steh auf und komm zurück. Verdammt nochmal!
Doch Marvin kam nicht. Er redete und redete. Dabei ruderte er merkwürdig mit seinen Armen und stieß schließlich ein Glas um, dessen Inhalt sich nun über den Tisch ausbreitete. Jasmin bekam rote Flecken vor Aufregung und nichts konnte sie mehr halten. So unauffällig und lässig wie möglich lief sie auf ihren Bruder zu.
„Marvin. Was machst du denn?“ Sie schnappte sich eine Serviette und tupfte eifrig den Tisch trocken, während Marvin einfach nur da saß.
Wütende Blicke in seine und verzeihungsheischende in die andere Richtung waren ihre einzige Möglichkeit, unauffällig für Ordnung zu sorgen. Dabei fiel ihr auf, dass an diesem Tisch die Platzkarten fehlten.
„Entschuldigen Sie bitte meinen Bruder. Er ist manchmal etwas ungestüm und weiß sich nicht zu benehmen.“
„Das macht doch nichts. Nehmen Sie doch Platz und beehren Sie uns mit Ihrer Anwesenheit.“
„Ich... ich weiß nicht. Unsere Plätze sind eigentlich ganz hinten.“ Dabei funkelte sie Marvin bitterböse an. „Außerd-d-dem sitzen hier doch bestimmt... andere... .“ Um keinen weiteren Wirbel zu veranstalten, setzte sie sich aber vorerst hin. Jasmin knetete nervös ihre Hände und betrachtete nun zum ersten Mal den fremden Mann. Er war Anfang dreißig, großgewachsen und hatte dunkelbraunes Haar. Sein Lächeln war sehr markant, dieses war breit mit kleinen Grübchen.
Freundlich nahm er das Gespräch zu ihr auf. „Nein, hier ist wirklich kein anderer, der Anspruch erheben könnte. Ich würde mich freuen, wenn Sie mir Gesellschaft leisten.“
Wie könnte sie solch einer warmen Stimme widersprechen? Angetan von seiner Höflichkeit starrte sie in seine Augen.
„Wirklich, Jasmin, stell dich nicht so an. Vorne haben wir auch bessere Sicht auf die Freaks.“
„Aber dann sind wir auch näher dran. Was, wenn sie doch gefährlich sind?“
„Na ja, die werden doch Vorkehrungen getroffen haben. Es hieß doch, sie haben diese Typen als Elitesoldaten verkaufen wollen. Tödliche Waffen sichert man immer.“ Marvin klang überzeugend.
Der fremde Mann lauschte höflich interessiert dem Gespräch, hielt sich aber mit seiner Meinung zurück.
Jasmin schaute sich unsicher um. „Aber wenn sie Soldaten waren, dann können sie sich auch an Regeln halten und würden nur auf Befehl handeln? Vielleicht sind sie doch schon irgendwo unter uns.“
„Und wenn sie so eine Art Berserker sind? Die alles töten, was ihnen in die Quere kommt?“ Marvin wurde freudig noch unruhiger.
„Jetzt machst du mir Angst.“ Jasmin erschauderte und wendete sich dem höflichen Mann zu. „Entschuldigen Sie bitte. Finden Sie das auch so spannend?“
„Sie müssen sich nicht dauernd entschuldigen. Und ja, sehr spannend.“ Der Mann lächelte weiter herzlich und schien sich gut zu unterhalten.
„Weißt du was, Marvin, wenn sie nie krank werden können, vielleicht wurden sie auch einfach als biologische Waffe eingesetzt. Als Krankheitsüberträger?“
„Ach du Scheiße, na das wäre ja was.“
In dem Moment betrat Nicolai Fabini die Bühne und prüfte sein Mikrophon. Es folgte eine kurze Ansprache und dann kam dieser auch gleich zum Kernthema.
„.. Diese Stiftung liegt mir deshalb so am Herzen, da die Hybriden letztendlich nichts dafür können, das sie existieren. Es war das Verbrechen meines Vaters Tübald Fabini und anderer Wissenschaftler, die dachten, sie könnten gottgleich handeln. Es war ein ethisches Verbrechen, an der Genetik der Menschen zu arbeiten. Und genau deshalb ist diese Stiftung so wichtig, um den Hybriden ein humanes Dasein zu ermöglichen. Die Welt ist nicht bereit für ein Miteinander zweier so unterschiedlicher Rassen. Daher ist es umso wichtiger, ihnen ein menschenwürdiges Leben in Abgeschiedenheit zu bieten, so lange es nun mal nötig ist. Meine Damen und Herren, darf ich Ihnen nun den Vorsitzenden der hybriden Gesellschaft vorstellen? Er ist ein angesehenes Mitglied der Stiftung und selber ein Hybrid. Begrüßen Sie mit mir Herrn Vincent Fischer.“
Die Menge applaudierte und der Ehrengast stand auf. Vincent Fischer verbeugte sich leicht und lächelte dann Jasmin an. Es war doch tatsächlich ihr höflicher Tischnachbar mit dieser weichen Stimme. Sie wurde blass und bereute umgehend, vorher den Sekt getrunken zu haben.
„Keine Sorge, ich tu Ihnen nichts.“, flüsterte er so leise, dass nur sie es hören konnte und dann ging er zu Nicolai Fabini auf die Bühne.
Jasmin war wie erstarrt. Ihre Gesichtsfarbe wechselte nun ins rot hinein.
Sie schaute zu Marvin, der scheinbar noch nichts mitbekommen hatte. Er klatschte laut und rief ihr zu: „Wo bleibt denn nun der Freak?“
Jasmin sah ihn kopfschüttelnd an. „Marvin, er ist schon da. Er, mit dem du eben noch geredet hast, er ist der Hybrid!“
Marvin hörte augenblicklich auf zu klatschen und sah erst sie, dann Vincent Fischer entsetzt an. Marvin sprang auf, nuschelte etwas von Händewaschen und verschwand.
Oh mein Gott, was haben wir nur getan? Wir haben vor ihm so schlecht über die Freaks, äh, Hybriden gesprochen. Was muss er nur von uns denken? Mir ist so schlecht.
Sie hörte nicht zu, als er sprach. Sie sah ihn nur beschämt an und hasste sich für ihr Verhalten. Seine Gestik und Mimik waren so menschlich.
Unfähig etwas zu tun, fand Vincent sie genauso vor wie er sie verlassen hatte. Nun ja, abgesehen vom Wechsel ihrer Gesichtsfarbe. Vincent setzte sich neben sie. Nicolai Fabini ergriff wieder das Wort, doch Jasmin hörte nicht zu. Verlegen spielte sie mit der Tischdecke. Sie traute sich nicht mehr in Vincents Augen zu blicken.
„Es tut mir leid, dass ich mich Ihnen gegenüber nicht schon früher zu erkennen gegeben habe.“
Jasmin schaute nun doch auf. „Sie müssen sich doch nicht entschuldigen. Wir müssen das. Es tut mir so leid, dass wir vorhin solch einen Unsinn geredet haben.“ In ihren Augen stand die pure Verzweiflung.
Vincent erlöste sie mit einem charmanten Lächeln. „Es muss ihnen nicht unangenehm sein. Das ist nur natürlich.“
„Ja, also, eigentlich weiß man auch so gar nichts über, äh, Leute wie Sie.“
Jasmin brachte es noch nicht fertig von Menschen zu sprechen, was Vincent registrierte, denn seine Augen bekamen einen nachdenklichen Ausdruck.
„Dafür bin ich ja hier. Meine Aufgabe ist die Öffentlichkeitsarbeit, um eben solche Vorurteile abzubauen.“
Eine Kellnerin kam dazwischen. „Möchten Sie noch etwas trinken?“ Sie hielt Ihnen das Tablett hin. Während Jasmin erneut nach Champagner griff, um ihre Nerven zu beruhigen, wählte Vincent ein Glas Wasser.
„Darf ich Sie was fragen?“
„Sicher. Dafür bin ich da.“, erwiderte Vincent höflich.
„Das klingt jetzt albern, aber sind hier viele so wie Sie?“
Vincent lächelte erneut und sie sah wieder seine sympathischen Grübchen. „Nein, hier bin ich der Einzige. Ansonsten gibt es noch ein paar Hunderte in unserer Siedlung.“
„Und Sie werden nie krank?“
„Nein, wir bekommen allerhöchstens mal einen Schnupfen, das ist alles. Kein Krebs, kein Bluthochdruck, kein Diabetes.“
„Das ist ja faszinierend. Und wenn Sie nicht krank werden, wie... oh nein, das kann ich nicht fragen.“
„Doch, fragen Sie ruhig. Sie können alles fragen. Ich freue mich, dass Sie nicht wie ihre Begleitung das Weite gesucht haben.“
Beschämt guckte sie in sein Gesicht. Vincent konnte den Schalk nicht komplett verbergen und sie merkte, dass er sie nur ein wenig aufziehen wollte. Vorsichtig lächelte sie zurück. Er hatte etwas Besonderes an sich, einen Charme, dem man sehr schnell verfallen konnte. Etwas, das nichts mit der Genetik zu tun hatte. Da schwang etwas mit, das ihr vertraut vorkam.
Jasmin klemmte sich eine Strähne hinter das Ohr. „Okay, also, wenn Sie nicht krank werden können, woran sterben Hybriden dann?“
„Nun, wenn uns keine Unfälle passieren, bei denen wir verbluten oder ersticken, dann sterben wir an Altersschwäche.“
„Und wann wäre das?“
„Zwischen 80 und 90 Jahren wahrscheinlich.“
„Und Sie leben in einer Art Stadt, ja?“
„Ja genau. Wir haben Wohnungen, Läden, ein Kino.“
„Das klingt so normal.“
„Wirklich?“
„Entschuldigung.“
„Kein Problem.“ Vincent hatte eine sanftmütige ruhige Stimme. „Es gibt tatsächlich einen Unterschied. Wir sind fast vollkommen abgeschirmt von der Öffentlichkeit.“
„Das ist ja schrecklich.“
„Nein, nicht doch. Dies dient nur zu unserer Sicherheit. Früher gab es Anschläge von außen, daher... ich lebe übrigens in einer schönen Vierzimmerwohnung mit Blick auf einen Park.“
„Ich verstehe. Aber es wirkt doch ein wenig wie ein Gefängnis, oder?“
„Nein, es ist besser so.“
„Und arbeiten Sie auch?“
„Natürlich. Wir haben alle unsere Aufgabe. Ich zum Beispiel arbeite in der Stiftung.“
„Das heißt, dass Sie über die Stiftungsgelder verfügen?“
„Nein. Ich bin eher so etwas wie ein Repräsentant. Die Gelder fließen nicht direkt in meine Hände.“ Er lachte kurz.
„Aber ich denke, die Stiftung sammelt Geld für die Hybriden? Ich meinte für Sie... .“
„Ja, schon, aber das fließt in Projekte für die Stiftung. Wir selbst benötigen kaum Geld. Wir sind in einer Gemeinschaft und jeder trägt dazu bei, dass sie funktioniert.“
„Das klingt wie so eine Hippiekommune.“
Er musste lachen. „Ja, das ist vielleicht ein wenig vergleichbar.“
Sie ließ ihren Blick schweifen und betrachtete kurz die tanzenden Paare. So gerne würde sie dort tanzen. „Können Sie auch tanzen?“ Hab ich das grade laut gefragt? Wie peinlich.
„Ja ich glaube den einen oder andern Tanzschritt beherrsche ich. Möchten Sie es sehen und mich begleiten? Aber bedenken Sie, dass auf Grund unserer Konstellation alle Blicke auf uns ruhen werden.“
„Ich hab was gut zu machen, oder?“
„Nein, aus diesem Grund habe ich Sie nicht gefragt. Ich würde einfach sehr gerne mit Ihnen tanzen.“ Zuvorkommend half Vincent ihr mit dem Stuhl und führte sie galant zur Tanzfläche. Die Blicke der anderen Gäste konnten sie förmlich spüren. Nichtsdestotrotz tanzten sie und Jasmin war überrascht, wie gut und leichtfüßig er dies konnte.
„Es ist wirklich unangenehm, wie unverhohlen die Leute starren. Ich muss mich dafür entschuldigen.“
„Sie entschuldigen sich ja schon wieder? Nun ja, die Menschen um uns herum haben wahrscheinlich alle noch keinen 'Freak' so ganz aus der Nähe gesehen.“ Er lächelte charmant.
Jasmins Wangen röteten sich erneut. Er brachte sie immer wieder in Verlegenheit und dennoch fühlte sie sich wohl, so wie er sie in seinen Armen hielt. Leise flüsterte sie: „Ich hoffe, ich bringe Sie in keine unangenehme Situation. Wegen der Blicken und der Fragen, an die Presse mag ich gar nicht erst denken.“
„Mich? Oh nein, ich schätze ihre Anwesenheit.“ Und als ob er ihr mehr Sicherheit geben wollte hielt er sie ein Stück weit fester im Arm bei der nächsten Drehung. „Und glauben Sie mir, würde ich hier alleine tanzen, so wäre es ein größeres Gesprächsthema für die Presse“, er lachte und fuhr fort: „Ich bin aber vielleicht nicht ganz so galant, wie Sie annehmen.“
„Wie meinen Sie das?“
„Ich bin morgen wieder verschwunden, weg und nicht mehr erreichbar für die Außenwelt. Vielleicht müssen Sie sich allein rechtfertigen? Unter den Zuschauern sind sicherlich auch ein paar Ihrer Kollegen und vielleicht ist der ein oder andere Reporter neugierig auf die schöne Unbekannte, die mit dem 'Freak' tanzte.“
Die Worte irritierten sie, doch sie sagte nichts. Nach einer Weile sprachen sie über ihre Arbeit.
„Ich arbeite bei Nicolai Fabini in der Abteilung für die Verbesserung von Impfstoffen.“
„Gefällt es Ihnen dort gut?“
„Es ist okay, aber keine wirkliche Herausforderung. Meine Kollegen sind glücklicherweise sehr nett. Dennoch hoffe ich auf eine baldige Veränderung. Meinem Bruder wäre es natürlich am liebsten, ich würde ganz kündigen.“
„Weshalb denn dies?“
„Er hasst Fabini Industries.“
„Oh, wie bedauerlich. Aber warum ist er dann hier?“
„Naja, als meine Begleitung. Doch sie tanzen besser als er.“
Das spornte Vincent an und mit einem glücklichen Funken in den Augen führte er sie elegant über die Tanzfläche.
„Sie mögen Musik. Sie tanzen. Das wirkt alles so normal.“ Verlegen blickte Jasmin zur Seite.
„Ja, ich liebe Musik. Sie ist so vielfältig und dennoch ist es so einfach sich ihr hinzugeben.“
„Das klingt, als stecke da mehr dahinter. Spielen Sie ein Instrument?“
„In der Tat. Ich spiele leidenschaftlich gerne Klavier.“, mit diesen Worten geleitete er sie wieder zu Tisch.
„Wirklich? Ich auch.“ Jasmin strahlte ihn an.
„Schade, dass wir nie zusammen spielen werden.“ Er hatte kurz einen traurigen Glanz in seinen dunklen Augen und Jasmin zog es das Herz zusammen. Charmant forderte Vincent sie auf, von sich zu erzählen. Und das tat sie bereitwillig. Er war auf einmal kein Fremder mehr. Sie mochte ihn und wollte ihm alles von sich erzählen. Jasmin breitete ihr Leben vor ihm aus, berichtete von dem Tod ihrer Eltern, der Sportlerkarriere Marvins und ihrem beruflichen Werdegang. Vincent war ein aufmerksamer Zuhörer und sie merkte gar nicht, wie die Zeit verging. Die verhaltene Frau, die so schwer von sich erzählen konnte, war wie verschwunden in seiner Gegenwart und es machte sie zu diesem Zeitpunkt weder misstrauisch noch machte es ihr irgendetwas aus. Ganz im Gegenteil, sie genoss es gesehen zu werden, sie mochte seine Blicke und schätzte seine Worte. Und die Zeit? Ja, die verflog wie im Fluge.
„Wie lange sind Sie denn jetzt hier?“ Jasmin wünschte sich so unendlich mehr Zeit mit ihm, es gab noch so viele Dinge, über die sie plötzlich reden wollte.
„Bis die Veranstaltung zuende ist.“, sprach Vincent ruhig.
„Nein, ich meinte in der Stadt.“
„Wahrscheinlich noch ein bis maximal zwei Tage, ich weiß es noch nicht ganz genau.“
„Und Sie schlafen im Hotel?“
„Das ist mir nicht möglich.“
„Wieso? Das fällt doch keinem auf. Sie sehen doch ganz normal aus.“
„Aber morgen prangt mein Foto in allen Zeitungen.“
„Oh, ich verstehe.“
„Nicolai Fabini war so freundlich, mich hier in dem Gästebereich der Firma unterzubringen.“
„Ah, ja, das scheint mir besser zu sein.“
„Fragen Sie ruhig weiter, ich sehe doch den Wissensdurst in ihren schönen Augen.“
Bei diesem Kompliment wurde Jasmin ganz anders, sie lenkte schnell ab.
„Na ja, es geht um die soziale Struktur in ihrer Gemeinschaft. Also... ich... äh... heiraten Sie auch?“
„Wenn uns danach ist. Allerdings ist das natürlich nicht anerkannt. Wir haben keinen Ausweis. Rein rechtlich gelten wir eher als illegale Einwanderer und die können nur schwerlich offiziell heiraten.“
Die Röte in ihrem Gesicht wollte nicht weniger werden, also versuchte sie es mit weniger emotionalen Fragen. „Hmm... und wie ist das mit der Wundheilung? Wenn Sie sich verletzen, heilt die Wunde dann schneller als bei norm.. äh, bei uns?“
„Nein. Wir sind im Prinzip normale Menschen. Nur dass wir nicht krank werden.“
Sie hatte ein Kribbeln im Bauch. Ich sollte wirklich weniger Champagner trinken. Ich hoffe jedenfalls, dass es daran liegt. Meine Güte, hat der Mann Charme und dieses Lächeln! Ich fühle mich wie ein kleines Mädchen das ihren Dozenten anhimmelt „ Es tut mir leid, ich habe mir nie vorgestellt, dass Hybriden so, so sehr menschlich sind.“
„Wir sind Menschen. Wir denken und handeln menschlich. Nur sind wir nicht in Familien aufgewachsen wie Sie. Wir sind in Internaten aufgewachsen und wussten eine ganze Weile selber nicht, wer oder was wir sind. Wir fühlten uns normal, nur dass wir Waisen waren.“
„Internate?“
„In den Internaten wurde wir je nach Begabung entsprechend gefördert und es war unser Zuhause.“
„Was ist denn ihre Begabung?“
„Nun, ich bin, wenn man das so sagen darf, recht wissbegierig.“ Er lächelte. „Bevor ich in der Stiftung tätig wurde, war ich Wissenschaftler.
So wie Sie.“
„Wirklich? Dann kommen Sie mich doch morgen im Labor besuchen.“
„Ich?“
„Ja. Das wäre doch toll, ich könnte Ihnen alles zeigen und... .“ Sie deutete seinen Gesichtsausdruck falsch. „Oh, wie dumm von mir. Für solche Sachen haben Sie bestimmt keine Zeit.“
„Ich habe leider wirklich einige Termine, dennoch ist es keine dumme Idee. Im Gegenteil, ich würde mich sogar sehr freuen. Wir werden sehen, was sich machen lässt.“
Scheu lächelten sie sich an.
„Ihr Bruder beobachtet uns.“
„Wo?“
„Dort drüben steht er und sieht nicht erfreut aus.“
Jasmin winkte ihm eifrig zu. Marvin drehte sich schnell weg.
„Seien Sie nachsichtig mit ihm.“
„Im Gegenteil, ich werde ihn die nächsten drei Wochen damit fertigmachen.“ Sie freute sich, dass Vincent darüber lachen konnte und die nächste Frage platzte unbedacht einfach aus ihr heraus.
„Fühlen Sie sich manchmal einsam?“ Hab ich das gefragt? Mädel, was ist heute nur los mit dir?
„Einsam?“ Vincent wirkte überrascht. „Darüber habe ich noch nie wirklich nachgedacht. Aber ja, manchmal vielleicht, dies ist nun mal menschlich. Aber vielleicht meinen Sie ja etwas anderes. Wie Familie? Ich habe zum Beispiel auch noch einen Bruder.“
„Na, dann wissen Sie ja, wie das ist. Ist er auch so wie Sie? So gebildet, kultiviert und gutaussehend?“, sie selbst merkte nicht wie die Schwärmerei ihre Worte ergriff.
Vincent schmunzelte. „Eher nicht. Seine Begabung war eine andere.“
„Oh, dann gehörte er vielleicht zu den Soldaten?“
„Ja.“
„Ich bin froh, dass Sie geschickt wurden.“
„Danke. Aber vor ihm hätten Sie auch keine Angst haben müssen. Oder fürchten Sie sich vor Ihren deutschen Soldaten?“
„Nein.“ Jasmin biss sich auf die Unterlippe.
„Tragisch, wie alles so gekommen ist. Doch jetzt ist es nun einmal so und man versucht das Beste daraus zu machen.“
„Ja, tragisch. Vor allem, dass Sie und Ihre... Freunde darunter so leiden müssen. Sozusagen weggesperrt sind.“
„Eingesperrt sind wir nicht, es ist freiwillig. Aber wie hätten Sie denn das Problem gelöst?“
„Ich? Hmm.“ Sie überlegte ernsthaft. „Ich hätte Sie vielleicht einfach unters Volk gemischt.“
„Das war der ursprüngliche Plan. Aber ich glaube, dann würde es nun noch viel weniger geben als wir eh schon sind.“
„Aber als Kind wussten Sie doch selbst nicht, was Sie sind.“
„Wir wären aufgefallen. Durch unsere Art.“
„Aber es gibt doch auch menschliche Überflieger. Und nicht jeder Mensch wird krank.“
„Dennoch, hätten Sie nicht gern gewusst, ob Sie einem Menschen oder einem Hybriden gegenüber sitzen? Wäre es nicht unfair gewesen, uns 'unterzumogeln'? Ein moralisch sehr schweres Thema.“
„Ein Dilemma.“
„Ja, das war und ist es.“
„Ich wette, es gibt irgendwo Menschen und Orte, wo Sie willkommen wären.“
„Vielleicht. Das werden wir aber wohl nie erfahren, schließlich verschwinden wir einfach und mit der Zeit wird es uns nicht mehr geben.“
Sie spürte seine Traurigkeit. „Sie sterben aus? Ich habe gehört, dass Hybriden nicht in der Lage sind, sich fortzupflanzen, stimmt das?“, fragte sie behutsam nach.
„In der Tat. Ein Clou unseres Erschaffers, eine Sicherung falls etwas schiefgegangen wäre. Aber gestatten Sie mir eine Gegenfrage. Sie als wissbegierige Forscherin, hätten Sie solch einen Eingriff in das Erbgut eines Menschen vorgenommen, wenn Sie damals die Möglichkeit gehabt hätten? Ja, wäre es ihr Bestreben gewesen, einen Hybriden zu schaffen?“
„Ich? Nein. Das wäre mir zu riskant gewesen.“
Er lächelte. „Wirklich nicht? Auch nicht in Anbetracht der Verbesserungen, die aus dem Stammgut erstellt werden sollten?“
„Sie meinen das, was Tübald Fabini mit ihnen vorhatte? Ich weiß nicht. Prinzipiell finde ich es natürlich aus rein wissenschaftlicher Sicht sehr interessant. Aus dem Erbgut der Hybriden hätte man vielleicht die als unheilbar geltenden Krankheiten besiegen können. Paare die unfruchtbar sind, hätten sich ein Kind quasi aus dem Baukasten bestellen können, mit perfekten genetischen Zügen, ohne Angst haben zu müssen, dass ihr Kind später krank wird. Soldaten, die stressresistente Züge haben und nicht an den Posttraumata zerbrechen, wären sicherlich interessant für so manche Regierung gewesen. Aber es gibt da immerhin noch die moralische Komponente.“
„Und die natürliche Angst vor dem Unbekannten?“
„Ja, selbstverständlich. Wir Menschen stellen ja sogar genetisch veränderte Pflanzen wie den Genmais in Frage. Zu Recht, denn die Auswirkungen sind nicht vorhersehbar. Aber wenn das schon angezweifelt wird, wie kann man dann über genetisch veränderte Menschen überhaupt nachdenken?“
„Und doch stehe ich vor Ihnen.“
„Ja. Beschleunigte Evolution. Vielleicht sind Sie ja tatsächlich der bessere Mensch. Vielleicht entwickeln sich die Menschen in den nächsten Jahrhunderten von allein dahin.“
„Vielleicht. Tübald Fabini hatte bestimmt gute Absichten als er uns erschuf.“
„Ja, aber zu kurz gedacht. Zwei parallele Menschenrassen. In der Geschichte lief das schon sehr oft nicht gut.“
„Wir sollten auch nicht parallel existieren, eher... uns vermischen.“
„Sie meinten, wir sollten uns mit ihnen fortpflanzen?“ Erstaunt starrte sie Vincent an.
„Das war wohl der Plan.“
„Aber ich denke, Sie sind unfruchtbar?“
„Der Prototyp schon. Aber wer weiß, wie weit Tübald Fabini gekommen wäre, wenn man seine Pläne nicht gestoppt hätte.“
„Irgendwie gruselig.“
Vincent schaute sie fragend an, sagte aber nichts.
„Entschuldigen Sie. Ich meine, nicht der Gedanke... der Plan.“, ergänzte sie schnell.
„Schon gut. Ich habe nichts böse aufgenommen.“
„Ich finde es sehr schade, dass wir uns wahrscheinlich nie wieder sehen werden. Ich glaube ich habe in den letzten Monaten nicht so viel geredet wie mit ihnen.“ Sie lachte verlegen.
„Ich bin nächstes Jahr wieder hier.“
„Die Frage ist, ob ich nächstes Jahr wieder hier sein darf. Haben Sie eigentlich Telefon oder Internet?“
„Ja, natürlich.“
„Wirklich? Dann sind Sie ja doch nicht so abgeschottet.“
„Darf ich ihnen meine Mail-Adresse aufschreiben? Vielleicht kann ich ihnen nächstes Jahr Karten schicken, damit wir uns weiter unterhalten können.“
„Sehr gerne.“ Aufgeregt reichte Sie ihm einen Stift und einen kleinen Block aus ihrer Handtasche. Er schrieb seine Adresse auf und sie musste lachen.
„Ehrlich? [email protected]?“
„Wäre [email protected] passender?“ Beide lachten. Sie gab ihm noch ihre Adresse, steckte dann alles wieder weg.
„Es ist schön, dass Sie sich mit mir unterhalten.“
„Ach, die anderen sind nur schüchtern.“
„Ich möchte morgen vorbeikommen, falls Ihr Angebot noch besteht. Meine Termine sind wahrscheinlich auch im Gebäude von Fabini Industries.“
„Ich würde mich sehr freuen. Aber die Termine, das sind doch nicht solche Termine... ich mein, die lassen Sie doch jetzt in Ruhe, oder?“
Er antwortete darauf nicht.
„Ich müsste mich kurz mit Nicolai Fabini unterhalten. Würden Sie mich an seinen Tisch begleiten? Ich könnte Sie einander vorstellen, sofern Sie ihn denn noch nicht selbst kennengelernt haben?“
„Was? Nein, ich kenne ihn noch nicht persönlich, aber ich weiß nicht, ob das eine gute Idee ist.“
Ich falle doch nur hin oder sag etwas Dummes. Blamiert habe ich mich heute doch schon genug.
Sie sah etwas in seinen Augen. Es war Hoffnung, Hoffnung auf eine positive Antwort. Ihr wurde warm ums Herz. „Also schön. Ich begleite Sie. Aber Sie haben mich bisher nie nach meinem Namen gefragt.“
„Ich bin ein aufmerksamer Zuhörer, Fräulein Jasmin. Und ihr Bruder war bis zu meiner Vorstellung ein sehr redseliger Mensch.“ Charmant führte Vincent sie an den Tisch, an dem der Firmenvorstand samt Inhaber saßen.
„Hallo Nicolai.“
„Hallo Vincent. Amüsierst du dich?“
Sie duzen sich. Krass.
„Ja, sehr. Darf ich vorstellen? Jasmin Cheplow. Sie arbeitet bei dir.“
„Es ist mir ein Vergnügen.“ Nicolai Fabini schaute Jasmin an und schien etwas von ihr zu erwarten. Doch alles was sie zustande brachte, war in diesem Moment ein eingeschüchtertes: „Hi.“
Die beiden Männer grinsten sich an.
„Setzen Sie sich.“, sprach Nicolai Fabini zu ihr und Vincent rückte ihr daraufhin den Stuhl zurecht und ehe sie es realisierte, saß sie bei Nicolai Fabini mit am Tisch. Vincent saß neben ihr.
Sehr beeindruckend. Das hast du gut hingekriegt. Hast richtig Eindruck gemacht.
Die beiden Männer unterhielten sich über die Musikwahl des Abends. Unruhig rutschte sie währenddessen auf ihrem Stuhl hin und her bis sie sich das Knie am Tischbein gestoßen hatte.