Mia und der weiße Löwe - Das Buch zum Film - Prune Maistre - E-Book

Mia und der weiße Löwe - Das Buch zum Film E-Book

Prune Maistre

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Beschreibung

Mia und ihr Löwe Charlie: eine außergewöhnliche Freundschaft in einem Land voller Abenteuer

Nach dem Umzug nach Südafrika fühlt die zehnjährige Mia sich sehr einsam. Bis ihre Eltern ihr das weiße Löwenbaby Charlie schenken. Drei Jahre lang wachsen sie Seite an Seite auf und schließen eine tiefe Freundschaft. Doch dann gerät Charlie durch einen Fehler Mias in große Gefahr. Da beschließt Mia, mit ihrem Freund quer durchs Land zu fliehen, um ihn in Sicherheit zu bringen ... Die besondere Freundschaft zwischen Mia und ihrem Löwen Charlie ist eine zutiefst berührende Geschichte, die mitten ins Herz trifft. Der Roman zum Film enthält wunderschöne Filmfotos von Mia und ihrem Löwen in der atemberaubenden Landschaft Südafrikas.

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Seitenzahl: 129

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Aus dem Französischen von Gabriele Würdinger

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1. Auflage 2019

© 2019 cbj Kinder- und Jugendbuchverlag

in der Verlagsgruppe Random House GmbH,

Neumarkter Str. 28, 81673 München

Alle Rechte vorbehalten

© 2018 Galatée Films – Outside Films – Film Afrika D – Pandora Film – Studiocanal – M6 Films

Photographs: Coert Wiechers, Emmanuel Guionet, Patrick Toselli, Phillip Henn, Kevin Richardson et Joe Alblas.

A movie by Gilles de Maistre

Text by Prune de Maistre

© Hachette Livre, 2018, for the present edition

Umschlaggestaltung: init Kommunikationsdesign, Bad Oyenhausen

cl · Herstellung: UK

Satz: Uhl + Massopust, Aalen

ISBN 978-3-641-24535-1V001www.cbj-verlag.de

1

Mia saß an ihrem Computer und verfolgte gebannt die letzten Spiele der englischen Fußballmeisterschaft.

Die Wände ihres Zimmers waren tapeziert mit unzähligen Fußballpostern, die meisten davon mit Spielern ihrer Lieblingsmannschaft Manchester. Auf anderen waren Fotos von London zu sehen. Eines der Poster zeigte eine der typischen roten Telefonzellen in winterlichem Licht. Sie war über und über mit Graffitis besprüht.

Mia war sehr hübsch. Zwar hatte sie noch ein weiches, rundliches Kindergesicht, doch ließen sich ihre feinen Züge bereits erahnen. Ihre mandelförmigen blauen Augen hatten einen ganz besonderen Glanz. Aber Mia verbarg ihr hübsches Aussehen und ihr blondes Haar lieber unter einem Baseball-Cap, das sie sich tief in die Stirn gezogen hatte. Nur einige widerspenstige Locken kringelten sich darunter hervor.

Im Zimmer war es dunkel. Mia hatte die Vorhänge zugezogen. Sie wollte sich in ihre eigene Welt zurückziehen.

Unten im Erdgeschoss rief Mias Vater nach ihr und riss sie unsanft aus ihren Gedanken.

»Mia, komm endlich in die Gänge!«

Sie wollte gerade aufstehen, als ein Piepton erklang und auf dem Bildschirm ihres Computers ein Fenster aufploppte. Es war ihr Freund Daniel. Mias Miene hellte sich auf und sie errötete.

»Hi, hast du das Tor von Rooney gesehen?«

»Das war der Wahnsinn!«

»Am Samstag werde ich den Mann live sehen.«

»Ach, halt bloß die Klappe, du Angeber! Warte! Isst du gerade das, was ich denke, dass du ist?«

»Jap, unseren Lieblings-McPizza Peperoni-Burger. Willst du mal beißen?«

»Du bist doof.«

»Mia! Du verpasst den Bus!«, rief Mias Vater von unten. Er klang schon ziemlich sauer.

Mia verdrehte die Augen. »Ich komme ja schon!«

Sie schnaubte wütend, stand auf, schlüpfte in das Jackett ihrer Schuluniform und winkte Daniel zum Abschied.

»Bis später, Daniel, ich muss los. Viel Spaß beim Spiel. Gehst du mit Rachel hin?«

»Ja, Rachels Vater ist viel unterwegs, da hab ich seine Karte fürs Stadion bekommen, warum? Bist du etwa eifersüchtig?«

»Du machst wohl Witze, so blöd wie die ist.«

»Mia, ich komme jetzt hoch!«

Mia warf sich schnell ihren Schulranzen über die Schulter und lief zum Fenster. Sie zog die Vorhänge zurück und sprang über die Balkonbrüstung auf das Dach des Obergeschosses.

Der Ausblick war überwältigend: das intensive Violett-Blau der Jacarandabäume glänzte in der grenzenlosen, von der Sonne ausgeblichenen Savanne, über die wilde Zebras, Antilopen und Giraffen streiften.

Doch auch der Anblick dieser umwerfend schönen Landschaft änderte nichts an Mias schlechter Laune.

Was war nur los mit ihr? Warum sperrte sie sich in ihr Zimmer ein, um dort vom nebligen England zu träumen, wo sie doch das Glück hatte, in Südafrika zu leben?

Mit ausgebreiteten Armen balancierte Mia vorsichtig über das Dach. Bei dem Gedanken an das Gesicht ihrer Mutter musste sie grinsen. Mia wusste genau, dass sie sich zu Tode erschrecken würde, und insgeheim wollte sie genau das: ihre Mutter auf die Palme bringen.

Gerade als Mia die Regenrinne hinunterkletterte, wurde sie von Alice erwischt. »Mia, das habe ich dir doch verboten!«

Ohne ihre Mutter eines Blickes zu würdigen, lief Mia an ihr vorbei zu ihrem Vater, sodass Alice keine Gelegenheit mehr hatte, ihr einen Abschiedskuss zu geben.

Alice eilte ihr hinterher: »Kein Streit in der Schule, keine Widerworte, und nicht dass du dich um den Test drückst, hörst du? Ich hab dich lieb.«

Mia verdrehte die Augen und sprang mit einem Satz in den breiten Geländewagen ihres Vaters.

Hinten auf dem Rücksitz wartete bereits ihr großer Bruder, der auf seinem Schoß ein putziges Erdmännchen mit einbandagierter Pfote hielt.

Mick war ein bisschen speziell. Er war zwei Jahre älter als Mia, doch hätte man schwören können, dass er ihr kleiner Bruder war. Während Mia unerschrocken und sportlich war, wirkte Mick ungewöhnlich zart und fürchtete sich vor einfach allem. Mit seinen zwölf Jahren plagten ihn regelmäßig Albträume und manchmal machte er sogar noch ins Bett. Mick war ein äußerst nervöser Junge, der jede Menge Ticks hatte. Damit brachte er seinen Vater regelmäßig zur Weißglut, der sich immer einen Sohn gewünscht hatte, der ein bisschen mehr »wie er selbst« war. Im Umgang mit Tieren aber war Mick sehr feinfühlig. Sobald er ein verletztes Tier entdeckte, nahm er es in seine Obhut.

John ließ dröhnend den Motor an und lenkte den Jeep auf die Sandpiste.

Im selben Moment stieß eine groß gewachsene schwarze Frau mit einem grün-gelben Turban das Tor der Farm auf und lief hinaus. Die Frau war vom Stamm der Xhosa. Sie pfiff auf den Fingern, doch das Auto fuhr weiter. In ihren Händen hielt sie die Pausenbrote von Mia und Mick.

Zur Familie Owen gehörten John, Alice, Mia und Mick. Sie lebten auf einem weitläufigen Grundstück mit über zwölftausend Hektar wildem Buschland. Den Owens gehörte eine Raubkatzenfarm, wie es sie in Südafrika häufig gab.

Mias Vater fuhr schnell und der Jeep zog eine dicke Staubwolke hinter sich her.

Sie kamen an den Gehegen mit den Raubkatzen vorbei. John züchtete die Tiere und zog sie groß. Es waren etwa ein Dutzend Löwen, die ungefähr ein Jahr alt waren. Interessiert beobachteten die Tiere den vorbeifahrenden Wagen. Mia dagegen starrte nur auf ihr Handy und ihr Selfie mit Daniel.

Mick hatte einen Sender mit schöner klassischer Musik angestellt. Plötzlich beugte sich Mia von ihrem Sitz nach vorne und wechselte mit einem kurzen Knopfdruck zu einem anderen Sender. Anstatt sanfter klassischer Musik wummerte nun lauter Rock aus den Boxen. Sie musste der riesigen Wut in ihrem Bauch Luft machen.

Mick hielt sich die Ohren zu und er sah aus, als ob ihm der Krach körperliche Schmerzen bereitete. John warf Mia im Rückspiegel einen vorwurfsvollen Blick zu.

Kurz darauf hielten sie an einer Kreuzung mitten im Nirgendwo. Hier warteten bereits zehn Schüler in der gleichen Schuluniform, wie Mick und Mia sie trugen, auf den Schulbus.

Die beiden Kinder sprangen aus dem Auto.

Mick überreichte das Erdmännchen seinem Vater und erklärte ihm noch mal eindringlich, was bis zu seiner Rückkehr bei der Pflege des Tieres zu beachten war.

John hörte seinem Sohn aufmerksam zu, während er gleichzeitig versuchte, sich nicht von dem Erdmännchen beißen zu lassen, das auf seinem Arm wild herumzappelte. Er hatte gerade noch Zeit, Mick nachzurufen: »Viel Glück für deine Schularbeit. Hab dich lieb.«

Die Kinder stiegen in den Bus. John blieb noch einen Moment stehen und winkte ihnen nach. Mick klebte förmlich an der Fensterscheibe und winkte eifrig zurück, während Mia ihrem Vater den Rücken zukehrte.

2

Die Schule war ein mehrteiliges modernes Gebäude, vor dem stolz zwei Fahnen wehten: die Nationalfahne Südafrikas und die Schulfahne.

Es war Pause und die Schüler rannten kreuz und quer über das weitläufige Schulgelände.

Wie in vielen Ländern, in denen es sehr heiß war, liefen die meisten Kinder barfuß. Heute hatte es über fünfunddreißig Grad! An den Trinkbrunnen war mächtig was los und die Kinder riefen fröhlich lachend durcheinander. Alle schienen Spaß zu haben.

Alle außer Mia, die mit angezogenen Knien alleine im Schatten eines Baumes saß. Sie hatte hier keine Freunde.

Mit leerem Blick wartete sie auf das Ende der Pause, als plötzlich eine vertraute Stimme sie aus ihren Träumereien riss. Das war Mick!

Vorsichtig lugte sie um die Ecke, um nicht entdeckt zu werden. Ein paar größere Jungs hielten ihren Bruder fest, schwenkten vor seiner Nase eine Eidechse und drohten, sie zu verbrennen.

Mick war völlig verängstigt.

Der größte der Gruppe, anscheinend der Anführer, hatte sich vor Mick aufgebaut. »Na, du Looser, willst du sehen, wie wir das Vieh abfackeln?«, rief er höhnisch.

Mick zitterte und drohte jeden Moment in Tränen auszubrechen.

Die anderen, zwei Jungen und ein Mädchen, lachten und hatten überhaupt kein Mitleid mit ihm.

»Ich sehe doch, dass du es willst! Was denkst du, Lina?«, machte der Große weiter.

»Der Typ ist doch völlig zurückgeblieben.«

»Quatsch!«, widersprach der andere Junge. »Ich habe die Lehrer über ihn reden hören. Er ist nicht zurückgeblieben, sondern ein Künstler. Ein total Sensibler.«

Sie lachten gemein.

»Los jetzt, verbrennen wir sie!«, gröhlten sie.

Als er das hörte, begann Mick laut zu schluchzen.

Mia, die immer noch hinter der Mauer versteckt war, kochte vor Wut. Sie war stinksauer, dass sich diese fiesen Typen ihren Bruder vorgenommen hatten, noch dazu auf eine solch feige Art und Weise. Sie wusste aber auch, dass sie gegen die vier nicht die geringste Chance hatte.

Doch als sie Mick weinen hörte, konnte sie nicht anders. Sie sprang aus ihrem Versteck und stellte sich zwischen die Typen und ihren Bruder. Entschlossen bot sie ihnen die Stirn.

»Lasst ihn in Ruhe!«, rief sie.

Die Typen waren so überrascht, dass sie sowohl Mick als auch die Eidechse sofort vergaßen.

Der Große kam auf Mia zu und baute sich vor ihr auf.

»Sprichst du mit mir, Fremde?«

Mia bekam richtig Angst, aber sie zeigte es nicht. Ihr Zorn war größer als die Angst. Mutig, ohne den Blick zu senken, antwortete sie mit bebender Stimme: »Ich sag es dir nur einmal: Lass ihn in Ruhe!«

Wutentbrannt stürzte sich der Junge auf Mia. Wie die Wilden prügelten sie auf einander ein. Mia schlug sich nicht schlecht, doch der Große war viel stärker als sie, und das bekam sie zu spüren. Sein letzter Fausthieb traf sie so heftig, dass sie das Bewusstsein verlor.

Kurze Zeit später erwachte sie im Krankenzimmer. Sie setzte sich in ihrem Bett auf und sah sich um. Als ihr klar wurde, wo sie war, knurrte sie los. »Bestimmt bin es wieder ich, die die Schuld daran bekommt, und ich werde dafür bestraft.«

Zur selben Zeit kontrollierte John den Fortschritt der Bauarbeiten, die auf der Farm im Gange waren. Einige der Gebäude sollten zu Gästehäusern umgebaut werden. Leider ging es viel langsamer voran, als er gehofft hatte, und das bereitete ihm große Sorgen. Die Familie brauchte das Geld aus der Vermietung dringend für den Unterhalt der Farm.

John führte gerade eine lautstarke Auseinandersetzung mit seinem Vorarbeiter, als Alice dazukam. Sie hatte keine Ahnung von den Geldsorgen und Schwierigkeiten, in denen die Farm steckte.

»Das ist nicht mein Problem, wenn Sie spät dran sind, Piet. Unsere ersten Gäste reisen Anfang Juli an. Geben Sie Gas, damit zumindest das Restaurant bis dahin fertig ist. Und keine weiteren Verzögerungen, Piet, haben Sie mich verstanden?«

»Beruhige dich, Liebling. Wirf lieber einmal einen Blick hier drauf. Ich habe ein paar Kataloge dabei, damit wir die Farbe für die Bar aussuchen können. Blau wäre doch ganz hübsch, oder? Was denkst du? John? Geht es dir gut, Schatz?«

»Ja, ja, natürlich geht es mir gut. Es sind nur Zeitprobleme. Aber wer hat die nicht, oder? Ich mache mir keine Sorgen.«

»Und das ist gut so«, sagte Alice und küsste ihren Mann leicht. Plötzlich verdunkelte sich ihre Miene. Sie hatte einen Anruf des Schuldirektors erhalten und wusste nicht, wie sie es John beibringen sollte.

Vorsichtig sagte sie: »Es gibt da ein kleines Problem. Mias Lehrer haben schon wieder angerufen. Offenbar hat sie sich geprügelt.«

John hob genervt die Arme zum Himmel. »Was ist bloß los mit ihr? Warum versteht sie nicht, was für ein Glück sie hat, hier zu leben?«

»Ich weiß, dass du hier glücklich bist, aber sie ist es eben nicht. Erinnere dich, wie unglücklich du in London warst. Du wärst fast gestorben. Vielleicht geht es ihr genauso?«

John sah ein, dass seine Frau recht hatte, aber der Gedanke, dass er für den Kummer eines seiner Kinder verantwortlich sein könnte, schmerzte ihn zu sehr. Deshalb versuchte er, wie so oft, das Ganze herunterzuspielen.

»Sie braucht noch ein bisschen Zeit. Nach ein paar Monaten wird sie sich an das Leben hier gewöhnt haben … da bin ich mir sicher.«

»Ich weiß nicht, sie hat an ihrer neuen Schule noch keine Freunde gefunden, keinen einzigen, John«, warf Alice vorsichtig ein.

»Da geht es ihr wie mir. Ich hatte auch keine. Aber sie ist ein starkes Mädchen. Wenn jemand damit klarkommt, dann Mia.«

John Owen war Südafrikaner und stammte aus einer angesehenen Farmerfamilie. Er war im Busch aufgewachsen, inmitten von Löwen und wilden Tieren. Die Farm war sein Elternhaus.

John hatte Alice, die Französin war, an der Sorbonne in Paris kennengelernt, wo er Wirtschaftswissenschaften studierte. Nach ihrer Heirat waren sie zunächst nach Südafrika gezogen. Sie hatten vorgehabt, die Farm zu übernehmen. John wollte in die Fußstapfen seines Vaters treten.

Doch kurz nachdem Mick geboren wurde, geschah ein Unglück. John und Alice gaben ihre Pläne auf und zogen nach England.

Dort kam Mia zur Welt. Die ganze Familie war glücklich, nur John nicht. Er hasste das Leben in England und hoffte die ganze Zeit, eines Tages nach Hause zurückkehren zu können.

Dann starb Johns Vater. Jemand musste die Farm übernehmen, und Alice war damit einverstanden, wieder nach Südafrika zurückzugehen.

Für Mia bedeutete diese Entscheidung die Hölle. Sie musste alles, was ihr vertraut war, hinter sich lassen. Sie war abgeschnitten von allem, was sie liebte, und schaffte es nicht, in diesem neuen Land, in diesem neuen Leben anzukommen. Deswegen war sie seit dem Umzug vor einigen Monaten immer nur wütend auf ihre Eltern.

Es war früher Nachmittag. Die Schule war zu Ende und die Schüler nahmen den Bus nach Hause.

Mia stieg als eine der Letzten ein. Sie ging an Mick vorbei zu einem Fensterplatz in der hintersten Reihe, um ihre Ruhe zu haben.

Sie war immer noch voller Zorn und versuchte, ihre von der Prügelei zerschundene Wange unter ihrer Kappe zu verstecken.

Der Bus fuhr los und Mick schlängelte sich zu ihr nach hinten durch. Er setzte sich neben sie und umarmte sie liebevoll.

»Danke, Mia.«

Mia saß starr da und antwortete nicht. Mit eisiger Miene blickte sie aus dem Fenster.

»Lass mich«, murmelte sie.

Mick erhob sich schweren Herzens und kehrte an seinen Platz zurück.

Mia hasste sich dafür, dass sie ihren Bruder so fies behandelte, aber sie kam gegen diese unbändige Wut in ihr einfach nicht an. Es war alles so furchtbar: die Ungerechtigkeit, die Hitze, die Lehrer, die Farm, die Löwen, die Afrikaner, die verletzten Tiere, die Bullys an ihrer Schule, die Verletzlichkeit ihres Bruders. Sie fand es schrecklich, dass niemand sie verstand und dass niemand ihr erklärte, warum Mick so merkwürdig war. Ihr ganzes Leben kam ihr vor wie ein riesiges schwarzes Loch.

Kaum waren Mia und Mick an der Farm angekommen, verfrachtete John Mia ungefragt in den Pick-up, den er für die Fütterung der Raubkatzen benutzte.

Mia sah, wie Alice John aufmunternd zunickte. Das bedeutete, ihre Eltern hatten das gemeinsam ausgeheckt. Es bestand also keine Chance, der Moralpredigt zu entkommen.

John stand auf der Ladefläche des Geländewagens und warf die Tierkadaver über den Zaun des Löwengeheges.