Migration und Frauenbild - Barbara Sichtermann - E-Book

Migration und Frauenbild E-Book

Barbara Sichtermann

0,0

Beschreibung

Die Schwierigkeit mit der Anerkennung von Gleichberechtigung im Prozess der Integration liegt darin, dass sie nicht nur Frauen den Weg ins Arbeitsleben öffnen soll, sondern dass sie das Verhältnis von Mann und Frau auch im privaten Raum betrifft, da wo sich der Staat eigentlich raushalten soll. Das kann er aber nicht immer, und er tut es auch nicht. Wir haben in Deutschland ein Familienrecht, das Ehestands-, Scheidungs- und Sorgerechtsfragen regelt. Gleichwohl zucken sowohl Frauenrechtlerinnen als auch Politiker und Verbände, die sich mit der Integration befassen, sofort zurück, wenn sie von Familienkonflikten unter Migranten hören; sie verweisen dann auf Gesetze in ihrer Allgemeinheit und sie helfen und verklagen auch, wenn es Gewaltopfer gibt, aber Sitten und Gebräuche möchten sie ungern antasten. Und das ist verständlich. Was sie aber tun können, ist, Sitten und Gebräuche, soweit sie hierzulande das Verhältnis der Geschlechter regeln, zur Messlatte zu erklären, auch und obwohl sie auch hier noch nicht immer perfekt sind.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern

Seitenzahl: 20

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Barbara Sichtermann

Migration und Frauenbild

Essay

zu Klampen Libelli

Dieser Text wurde zuerst veröffentlicht bei Essay und Diskurs im Deutschlandfunk, gesendet am 6. August 2017.

© 2017 zu Klampen Verlag · Röse 21 · 31832 Springe

www.zuklampen.de

Satz: Zeilenwert GmbH · Rudolstadt · www.zeilenwert.de

Covergestaltung: Melanie Beckmann · Bad Münder · www.design-beckmann.de

E-Book-Herstellung: Zeilenwert GmbH 2017

ISBN 978-3-86674-692-3

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über ‹http://dnb.dnb.de› abrufbar.

Am 16. Juni 2017 wurde in Berlin-Moabit eine Moschee eingeweiht. Mehrere Polizeifahrzeuge parkten ringsum, Übertragungswagen von Fernsehsendern bezogen Posten. Es handelte sich aber auch um ein ungewöhnliches Ereignis. Die neue Moschee liegt auf dem Gelände der protestantischen St.-Johannis-Kirche, und sie soll in Zukunft nicht nur Muslimen, sondern auch Christen und Juden Räume für Gebet und Einkehr offen halten. Ferner sind alle muslimischen Glaubensrichtungen willkommen. Sogar Nichtgläubige sollen Zutritt haben. Außerdem erst- und einmalig: Frauen dürfen unverschleiert neben Männern knien, und sie können sogar in diesem Gotteshaus predigen.

Die Initiative zu einer solchen »liberalen Moschee« stammt von der Anwältin und Feministin Seyran Ates; der Name des Gebetshauses lautet Ibn-Rushd-Goethe-Moschee, wobei Ibn Rushd für einen muslimischen Theologen aus dem 12. Jahrhundert steht, der seinen Glauben mit Aristoteles, also der griechisch-römischen Antike, zu versöhnen trachtete. Und Goethe wurde Namenspatron, weil nicht zuletzt sein »Westöstlicher Diwan«, ein lyrisches Werk, zeigt, wie hoch der Dichterfürst die arabische Kultur schätzte. Auch er war ein Brückenbauer zwischen den Kulturen.

Aber warum so viele Polizeiautos? Die Idee der Frau Ates findet nicht überall Zuspruch. Da gibt es Islam-Vertreter, die an ihren Traditionen festhalten wollen und eine solche Liberalisierung als Blasphemie empfinden. Aus dem fernen Kairo traf sogleich eine Fatwa von der Universität ein: das neue Gotteshaus sei umgehend zu schließen. Es gibt auch Christen, denen es nicht gefällt, wenn die Tore ihrer Kirchen sich für Andersgläubige öffnen. Ein protestantisches Ehepaar verteilte Flugblätter, auf denen es Ates und ihre Mitstreiter als »Traumtänzer« abwertete und seinen Austritt aus der evangelischen Kirche bekannt gab. Aber Superintendent Berthold Höcker, der bei der St.-Johannis-Kirche Platz für die Moschee macht, hält an der Idee einer toleranten Weltkirche und ihrer Verwirklichung in Moabit fest. Er spricht sogar von einem »Meilenstein«.