Mistkäfer Roland gegen das üble Übel! - Jordi Juanós - E-Book

Mistkäfer Roland gegen das üble Übel! E-Book

Jordi Juanós

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Beschreibung

Ein übles Übel hat die Bewohner des Dorfes Villarriba befallen. Roland, das Käfermädchen Kassandra und ein paar tapfere Gefährten, wie der Modeschöpfer Kalvin Klitzeklein, wollen ihnen die rettende Medizin bringen. Gefräßige Raben, eine unheimliche Meerjungfrau und verliebte Käfer machen die Reise nach Villarriba zu einem großen Abenteuer. Ein Spaß für die ganze Familie mit wunderschönen Bildern!

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Mistkäfer Roland gegen das üble Übel!

Text: Jordi Juanós Solé

Bilder: Enillo

Impressum

Mistkäfer Roland gegen das üble Übel!

Jordi Juanós

1. Auflage, Mai 2023

© Jordi Juanós Solé

Verlag: Jordi Juanós Solé, Brandgrubenstrasse 5, 8610 Uster Coverbild/Bilder im Innenteil: © Enillo, https://www.enric.com oder auf Instagram enillo_artista

Umschlaggestaltung: © Jordi Juanós Solé

Lektorat/Korrektorat/Satz: Nadine Zikofsky, [email protected] Mehr vom Autor: http://www.enjordi.com

Alle Rechte sind dem Autor vorbehalten. Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung und Vervielfältigung – auch auszugsweise – ist nur mit ausdrücklicher schriftlicher Genehmigung des Autors gestattet. Alle Rechte, auch die der Übersetzung des Werkes in andere Sprachen, liegen alleine beim Autor. Zuwiderhandlungen sind strafbar und verpflichten zu entsprechendem Schadenersatz.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek. Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.

Für

Alexiane, Tim, Ronja und Charlie

Teil 1 – In Kastanietta

Das Ende einer Reise

„Oh nein! Oh nein, nein, nein!“

Das Floß ist in eine reißende Stromschnelle geraten und Mistkäfermädchen Kassandra droht die Kontrolle darüber zu verlieren. Sie ist erschöpft von der tagelangen Flussfahrt und kann das Ruder kaum noch festhalten.

„Kawumm!“

Das Floß rammt einen großen Stein und fängt an gefährlich zu schaukeln.

„Wenn es bloß nicht kentert“, bangt Kassandra.

„Kawumm!“

Ein großer Teil des Floßes bricht ab und auch der Rest droht jeden Moment auseinanderzufallen.

„Nein! Bitte nicht! Ich muss doch unbedingt meine Mission erfüllen. Das Dorf braucht mich!“

„Kawumm! Kawumm!“

Kassandra hat keine Kraft mehr und der Fluss ist so unglaublich stark.

„Ich schaffe es nicht. Ich habe versagt.“

Sie hält sich fest, so gut sie kann, während um sie herum das Wasser gefährlich brodelt.

„Nein. Ich darf nicht aufgeben. Es ist zu wichtig. Ich muss irgendwie das Ufer erreichen.“

Kassandra bündelt ihre restlichen Energiereserven für einen letzten Versuch. Sie zieht das Ruder aus dem Wasser und geht damit auf wackeligen Beinen bis zum vorderen Ende des Floßes. Sie packt das lange Ruder am oberen Ende fest mit beiden Händen und rammt es dann direkt vor dem Floß so fest sie kann in den Fluss, bis sich das untere Ende auf dem Grund verkeilt. Das Floß drückt gegen den Widerstand bis das Ruder mit einem lauten Krachen durchbricht. Doch es hat seinen Zweck erfüllt. Das Floß ist von seiner bisherigen Bahn abgekommen und bewegt sich seitlich auf das rettende Ufer zu.

„Ich habe es geschafft. Vielleicht besteht ja doch noch Hoffnung.“

Als das Floß festen Boden berührt, fällt Kassandra auf ihre Knie. Völlig erschöpft kriecht das Käfermädchen vom zerstörten Floß. Sie versucht aufzustehen, doch sie ist so schwach, dass sie umkippt und bewusstlos liegenbleibt.

Roland, der Erfinder und Kleber, der Heiler

Gar nicht weit entfernt, am Fuße eines großen Kastanienbaums, befindet sich das schöne Dorf Kastanietta. Hier ahnen die Bewohner nichts von Kassandras Kampf.

Im Gegenteil – alle sind bester Laune, denn heute findet das Abschiedsfest für den Storch Fläsch Wallon statt. Der fliegt wie jedes Jahr in den Süden, wo es schön warm ist und es genügend Futter für ihn gibt. Erst, wenn auch der letzte Schnee in Kastanietta weggeschmolzen ist, kehrt er wieder zurück in sein Nest auf dem Wipfel des Kastanienbaums.

Mistkäfer Roland freut sich schon riesig auf die Feier. Er ist gerade mit einer frisch gerollten Mistkugel auf dem Heimweg. Roland ist ein talentierter Handwerker und Erfinder. Deshalb sind auch seine Kugeln immer perfekt glatt und rund. Sie eiern nicht wie bei den anderen Käfern und rollen so schnell, dass er manchmal das Gefühl hat, er müsse sie sogar beim bergauf laufen bremsen.

Viele seiner Einfälle bekommt er, indem er alles in der Natur genau beobachtet und studiert. Von der Natur kann er sich vieles abschauen. Außerdem tauscht er sich gerne mit anderen Käfern aus. Er hört immer aufmerksam zu, wenn ihm jemand von einer neuen Idee erzählt. Auch wenn manche davon eher komisch sind, lacht er nie jemanden deswegen aus. Deshalb vertrauen sie ihm und, obwohl er das gar nicht will, betrachten ihn viele als den geborenen Anführer, dem man ohne zu zögern in jedes noch so gefährliche Abenteuer folgen würde.

Roland kommt mit seiner Kugel gerade am Haus von Mistkäfer Kleber vorbei. Kleber ist einer von Rolands besten Freunden. Kleber dreht nur selten Kugeln, eigentlich nur dann, wenn er etwas Dünger für seinen Garten braucht. Letzte Woche hat er Roland erzählt, er bräuchte ein Gerät, mit dem er schwere Dinge transportieren kann. Roland hat daraufhin ein paar Bretter zusammengenagelt, am vorderen Ende ein Rad und am hinteren zwei Griffe zum Herumstoßen montiert. Das Resultat hat er „Schubträger“ getauft und Kleber damit eine große Freude gemacht. Jetzt, wo er Klebers Garten sieht, wird ihm klar, wofür er das Gerät brauchte. Kleber ist in den Wald gegangen, hat dort viele große Büsche ausgegraben und sie mit dem Schubträger in seinen Garten gekarrt, um sie hier wieder einzupflanzen.

Kleber liebt seinen Garten über alles. Er kennt sich auch richtig gut mit Pflanzen aus und stellt daraus Hustensäfte und andere Heilmittel her. Zum Beispiel aus dem Busch mit den kleinen, schwarzweißen Beeren. Zerreibt man die reifen Früchte, entsteht eine Paste, die man als Medizin verwenden kann. Trägt man etwas davon auf eine schmerzende Stelle auf, heilt sie nach kürzester Zeit. Kleber braucht sie oft, denn schon nach einem kleinen Spaziergang tun ihm immer die Füßchen weh. Doof ist nur, dass die Paste so scheußlich riecht. Manche nennen Kleber deshalb heimlich „Stinkefüßchen“.

Dabei hat Kleber eine sehr feine Nase. Wenn er an seinen wunderbar duftenden Blumen riecht, wünscht er sich aber, er hätte eine noch bessere Nase, am liebsten eine mit mehr Nasenlöchern.

Es gibt nur etwas in seinem Garten, was Kleber nicht besonders mag — sich selber. Er findet sich zu schwach und zu dick. Vielleicht ist das der Grund, warum Kleber so schüchtern ist und nur selten ausgeht und mit anderen Leuten redet. Er fühlt sich aber keineswegs einsam, denn er redet ganz viel mit seinen Pflanzen. Er ist überzeugt, dass sie besser wachsen, wenn sie spüren, dass man sie mag. Außerdem redet er natürlich gerne mit seinem guten Freund Roland, der gerade vor seinem Garten stehengeblieben ist und ihn grüßt.

„Hallo Kleber! Wie geht’s?“

„Hallöchen Roland. Alles gut hier. Und bei dir? Läuft alles rund?“

„Rund und glatt wie immer, du kennst mich ja. Was machen die Pflanzen? Sind alle wohlauf?“

„Na ja, das Gänseblümchen hier sah heute etwas traurig aus. Es fand sich zu klein. Ich habe deshalb lange mit ihm gesprochen und ihm erklärt, dass größer nicht immer besser bedeutet. Ich selber habe jedenfalls lieber eine kleine, freundliche Blume als eine große, freche. Guck nur, wie fröhlich sie jetzt wieder aussieht.“

Roland kann die Blume nicht erkennen. Sie ist zu klein. Deshalb wechselt er lieber das Thema.

„Vergiss nicht Fläschs Abschiedsfest heute Abend!“

„Auf keinen Fall. Ich habe auch eine extra große Portion Wohlfühlkekse dafür gebacken. Fast die Hälfte der schönen Pilze und der leckeren Blätter musste ich dafür aus meinem Garten ernten. Du wirst dir die Finger danach lecken.“

Tatsächlich sind das Rolands Lieblingskekse. Er ist es auch gewesen, der sie Wohlfühlkekse genannt hat, weil sie sooo gut schmecken, dass er sich bereits nach einem Stück außerordentlich wohl fühlt. Und mit jedem Keks fühlt er sich wohler. Allerdings enthalten sie wohl auch etwas viel Zucker, denn nach zwei oder drei wird er ganz aufgedreht und bekommt Lachanfälle.

„Ich kann’s kaum erwarten, Kleber, und werde mindestens zwei Stück essen.“

„Zwei, aber kein Stück mehr, bitte! Sonst hast du zu viel Energie und fängst wieder an, grundlos zu lachen und uns immer wieder die gleichen Witze zu erzählen.“

„Es sind eben gute Witze. Aber schön, von mir aus. Ich werde versuchen mich zurück zu halten.“

Roland zwinkert Kleber zu, verabschiedet sich und jeder wendet sich wieder seiner Arbeit zu. Kleber tätschelt einen Pilz, gießt einen Busch und singt dabei fröhliche Lieder. Roland rollt seine schnelle Kugel weiter heimwärts. Bald schon kann er Klebers Gesang nicht mehr hören, denn er wird vom Rauschen des Flusses übertönt. Die Stelle ist ein gutes Stück von den Stromschnellen entfernt. Der Fluss ist hier von einem Biber mit einem Damm aufgestaut worden. Ein schmaler Pfad führt über den Damm und Roland muss vorsichtig sein, dass die Kugel nicht abdriftet und auf der einen Seite in die Tiefe fällt oder auf der anderen ins aufgestaute Becken platscht. Das würde der darin planschenden Wühlmaus Wülli sicher nicht gefallen.

Die Wühlmaus, der Modeschöpfer und der Bürgermeister

Wülli hat sich für das Fest die Nägel geputzt und badet jetzt vergnügt, um auch seinen Pelz zu säubern. Während er ein paar Züge auf dem Rücken schwimmt, erfreut er sich an dem Gedanken, dass keiner in Kastanietta so gut schwimmen kann wie er. Früher, als noch der Frosch Grönui in Kastanietta wohnte, da war Wülli hinter ihm nur die Nummer Zwei. Aber irgendwann ist Grönui weggezogen, ohne jemandem etwas zu sagen. War es nicht kurz nach einem Fest gewesen? Ja, doch, es war allerdings nicht nach einem Abschiedsfest, sondern nach dem allerersten Willkommensfest für Fläsch gewesen. Lustig, dass ihm das gerade jetzt einfällt. Er beneidet Grönui ein bisschen. Auch Wülli möchte nämlich wieder Mal verreisen.

So wie letztes Jahr. Da zog er mit Roland aus, um an einem weit entfernten Ort einen ganz speziellen Mist zu finden. Den brauchte Roland, weil Kastanietta die Weltmeisterschaft um die größte Mistkugel der Welt gewinnen wollte. Das war ein schönes Abenteuer und er hat dabei viel gelernt. Doch seither ist nicht mehr viel passiert. Wülli hat sich unter Kastanietta einen riesigen Bau ausgehoben, wo er sich jetzt mehrheitlich langweilt. Vielleicht wäre er wie Grönui schon längst weitergezogen, wäre da nicht das Kaninchen Fräulein Klopperfield. Wülli mag Fräulein Klopperfield sehr gerne. Sie ist die Einzige, die genauso gut graben kann wie er. Vielleicht sogar noch besser? Denn wenn sie anfängt, einen Tunnel zu graben, verschwindet sie darin tagelang, bis sie irgendwann mit einem frischen Bündel Möhren wieder aus ihrem Loch herausgehoppelt kommt. Wie hat sie das gemacht? Wo hat sie die Möhren her? Niemand weiß es. Und Fräulein Klopperfield verrät ihre Tricks nicht.

Sie ist bisher auch die Einzige, die Wülli in seinem Bau besuchen durfte. Eigentlich war es mehr ein Überraschungsbesuch. Fräulein Klopperfield hat sich nämlich Mal den Spaß erlaubt, einen Tunnel bis kurz vor Wüllis Wohnzimmerwand zu graben. Dann hat sie leise angeklopft. Wülli ist aufgeschreckt und hat sich verwundert umgesehen. Es gab doch gar keine Türen, an die man hätte klopfen können? Doch schon wieder. Ganz eindeutig war ein Klopfen zu hören gewesen. Wülli presste sein Ohr an die Wand, bis er die Stelle fand, von wo das Geräusch kam. Da war aber keine Tür! Er musste also zuerst eine Öffnung in die Wand graben. Und siehe da: Vor ihm stand mümmelnd Fräulein Klopperfield und hielt ihm freundlich ein paar Möhren hin. Als er sie eintreten ließ, machte das Kaninchen große Augen. Alle Wände in Wüllis Bau sind nämlich mit herrlichen Bildern bemalt. Auch von der Decke erstrahlen sie in fröhlichen Farben. Seit diesem Tag denkt Wülli sehr oft an Fräulein Klopperfield. Wenn er alleine in seinem Bau hockt, horcht er immer aufmerksam, ob es nicht irgendwo an eine Wand klopft. Doch bisher ist es bei diesem einen Besuch geblieben.

Auch deshalb möchte Wülli wieder auf eine Reise gehen. Dann hätte er bestimmt etwas Spannendes zu erzählen und Fräulein Klopperfield würde ihn dann sicher wieder besuchen wollen. Er hofft, dass sich bald eine Gelegenheit dazu bietet.

Wülli steigt aus dem Wasser, nimmt Anlauf und macht einen Kopfsprung. Als er wieder auftaucht, entdeckt er Roland, der gerade seine Mistkugel über den Damm rollt. Das hebt seine Laune und er ruft Roland zu:

„Wen sehen meine geröteten Augen? Wenn das Mal nicht Roland ist, der unangefochtene Kugelmeister!“

Roland nimmt kurz eine Hand von der Kugel, um Wülli zuzuwinken.

„Hallo Wülli, du Tunnelkönig! Was treibt dich aus deinem Bau? Machst du dich frisch für das Fest?“

„Klar. Vielleicht ist ja Fräulein Klopperfield auch da. Ich würde nur zu gerne einmal mit ihr tanzen.“

„Das klappt bestimmt, Wülli. Ich rolle schnell meine Kugel in die Vorratskammer und mache mich dann auch gleich fertig.“

„Gut, gut. Pass aber ja auf, dass deine Stinkekugel nicht zu mir ins Becken fällt“, sagt Wülli.

„Das wäre mir auch Recht!“, hören sie plötzlich den Biber aus seinem Bau rufen. Sie hatten gar nicht gewusst, dass er zu Hause ist.

„Keine Sorge“, antwortet Roland. „Meine Kugel rollt so sicher wie auf Schienen. Mach du sie mir nur nicht nass, Wülli. Sonst bleibt sie hier nämlich kleben.“

„Ich komm nicht mal in die Nähe. Man sieht sich am Abend beim Fest, Roland. Vergiss aber nicht, dir vorher gut die Hände zu waschen!“

„Klar doch. Und du vergiss nicht, dich gut hinter den Ohren abzutrocknen!“

Beide lachen und Roland macht sich weiter auf den Weg. Als er seine Kugel über eine Anhöhe rollt, kann er den großen Walnussbaum sehen, an dessen Fuß das Dorf Grönoble liegt. Die Einwohner von Grönoble und Kastanietta sind dicke Freunde. Einen Bewohner dort mag Roland besonders gerne, nämlich Kalvin Klitzeklein.

Kalvin ist ein kleiner, runder Käfer und sehr eitel. Sein Aussehen ist ihm deshalb äußerst wichtig. Er ist auch der einzige Käfer, der immer eine Unterhose trägt – eine Unterhose und sonst nichts. Gerade steht er vor seinem großen Spiegel und probiert eine nach der anderen an.

Eigentlich trägt er immer eine Unterhose in Schneeweiß. Aber für das heutige Fest darf es ruhig etwas Ausgefallenes sein. Eine in Hellgrau vielleicht? Mit einem dicken Gummiband? Auf das dicke Band kann er rundherum seinen Namen schreiben. Oder auch nur die Initialen KK vorne in der Mitte. Kalvin ist eben ein Modeschöpfer und denkt sich immer neue Unterhosenmodelle aus. Das ist gar nicht einfach und er freut sich deshalb immer sehr darüber, wenn ihm jemand ein Kompliment zu einer seiner neuen Schöpfungen macht.

Roland ist jetzt bereits mitten in Kastanietta und fast zu Hause angekommen. Rechts von ihm steht das Haus des Bürgermeisters Doktor Botscha. Durch ein offenes Fenster kann Roland erkennen, dass Doktor Botscha vor einem großen Spiegel steht. Dort probiert dieser aber keine Unterhosen an, sondern spricht offenbar mit seinem Spiegelbild.

Der Bürgermeister ist ein großer, etwas pummeliger Käfer mit einem dicken Schnurrbart, einer breiten Krawatte und einer perfekten Glatze. Die Glatze ist so glatt, dass sie an sonnigen Tagen alle in der Nähe blendet. Wenn Doktor Botscha auf dem Dorfplatz eine seiner immer viel zu langen Reden hält, spannt er deshalb einen hübschen, kleinen rosa Sonnenschirm auf. Schon oft haben sich die gelangweilten Zuhörer vorgestellt, der Schirm wäre größer und ein kräftiger Windstoß würde ihn mitsamt dem endlos plappernden Bürgermeister davonwehen.

„Liebe Bürgerinnen und Bürger von Kastanietta, liebe Gäste aus Grönoble: Seid herzlich willkommen zum diesjährigen Abschiedsfest für unseren lieben Fläsch“, erzählt Doktor Botscha seinem geduldigen Spiegelbild und breitet dabei die Arme so weit aus, als wolle er das ganze Dorf umarmen. Dann fängt er an, ohne Pause zu reden, bis er eine halbe Stunde später endlich ausruft:

„Lasst das Fest beginnen! Das erste Törtchen ist für mich!“

Er setzt sein breitestes Bürgermeisterlächeln auf und betrachtet eine Weile sein Spiegelbild.

„Nicht schlecht, aber ich denke ich probiere es nochmals von vorne.“

Kaum hat er das ausgesprochen, scheint es ihm, als ob sein Spiegelbild kurz geflackert hätte. Das hat er sich bestimmt bloß eingebildet. Er stellt sich mit seinem kleinen Sonnenschirm unter eine helle Lampe und beginnt nochmals von vorne.

Die Gäste