Mit Crazy Horse im Schnee - Peter Bernhard - E-Book

Mit Crazy Horse im Schnee E-Book

Peter Bernhard

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Beschreibung

Ein Mann überfährt ein kleines Mädchen und flieht in den mittleren Westen der USA, wo er mit einem Indiandermädchen, das ebenfalls auf der Flucht ist, die heiligen Stätten der Dakota besucht. Sie wird von einem bösen Geist verfolgt. Am Ende trifft er den größten Krieger, der ihn durch die dunklen Ebenen seines Geistes führt, um darauf vorzubereiten, sich seiner Verantwortung zu stellen.

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Seitenzahl: 161

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Peter Bernhard

Mit Crazy Horse im Schnee

Eine Begegnung mit dem Tod

 

 

 

Dieses ebook wurde erstellt bei

Inhaltsverzeichnis

Titel

„Praxis des Herzensgebet“s, Andreas Ebert,

Weitere Autoren: Matthew Fox, Richard Rohr, Carl McColman, Cynthia Bourgeault , Paul Selig, u.v.a..

Peter Musto, Claudius, München, 2013

„Unterweisung im Herzensgebet“, Emmanuel Jungclausen, EOS, St.Ottilien, 2008

Impressum neobooks

„Praxis des Herzensgebet“s, Andreas Ebert,

Mit Crazy Horse im Schnee

Eine Begegnung mit dem Tod

Peter Bernhard

Copy right: Stellaazul-Verlag, Spanien, 2017

Inhaltsverzeichnis

Auf dem Highway

Samantha

Die Black Hills

Der Little Big Horn River

Das Medizinrad

Der Yellowstone

Wounded Knee

Crazy Horse

Auf dem Highway

Der Highway 90 zog sich endlos in die Länge. Die Geschwindigkeit war zu langsam und die Distanz, die ich zu überwinden hatte viel zu groß für mein Gefühl. Ich war auf der Flucht eines Ereignisses wegen, das sich vor einigen Wochen in Baraboo, Wisconsin ereignet hatte. Es dauerte etwa zwei Stunden, um den Mississippi zu überqueren und nach Minnesota zu gelangen. Obwohl ich hier etwas schneller fahren konnte als in Wisconsin, verstrich die Zeit immer noch in qualvoller Langsamkeit. Das war sicherlich auf meine Situation zurückzuführen. Morgen sollte ich ins Gefängnis gehen, aber ich hatte mich zur Flucht entschieden um noch einige Orte zu besuchen, die mir vielleicht einen inneren Schutz bieten konnten. Die Unaufmerksamkeit eines Augenblicks hatte eine Katastrophe ausgelöst, von der ich nur fortlaufen konnte. In der Nacht vor dem Ereignis war etwas Seltsames passiert. Es war wie eine Warnung gewesen.

Ich lag in meinem Bett auf und blickte zur Decke, wo die Schatten der Bäume sich bewegten. Sie schwangen draußen schweigend im Rauschen der Nacht hin und her. Diese Muster hatten mich schon viele Nächte in den Schlaf gewiegt, aber nicht dieses Mal, nicht diese Nacht.

Ich hatte nie versucht, etwas Besonderes in diesem Gewirr von Formen zu finden. Aber eines Nachts sah ich zum ersten Mal den Schatten eines Tieres durch diesen Teppich aus Licht- und Schatten huschen. Unser Haus lag in einen kleinen Wald, aber die Lampen der nahen Straße schienen hinein. Vielleicht war es eine Katze, ein Vogel oder ein Eichhörnchen gewesen, wer weiß. Was immer es gewesen war, es ließ mich mit einigen Phantasien zurück, bis ich wieder in den Schlaf fiel. Aber heute geschah etwas Bedrohlicheres. Dort erschien ein großer, mächtiger Schatten an der Decke, der fast die Hälfte der beleuchteten Fläche bedeckte. Es bewegte sich langsam mit geschmeidiger Kraft von einer Seite zur anderen und verschwand wieder. Was auch immer dies gewesen war, es hätte jetzt direkt an unserem Haus sein können. Wir lebten hier in Wisconsin an den äußeren Hängen einer Bergkette. In seiner Mitte hoch über dem flachen Land lag der Devils Lake, ein tiefer geheimnisvoller See umgeben von hohen Felsenklippen. Die Ho-Chunk, die hiesigen Indianer hatten ihn Spirit Lake genannt, weil sie während ihrer Zeremonien dort mit Geistern sprechen konnten. An seinen Ufern lagen uralte mit Gras bewachsene Bilder aus Erdwällen, vor allem von Bären und Jaguaren. Die hohen Quarzitfelsen auf den steilen Hängen des Devils Lakes änderten ihre Farbe alle paar Minuten, pendelnd zwischen Weiß, rosa und Rot; Farben, die den Indianern heilig gewesen waren. Ich hatte einige besondere Momente am Devils Lake erlebt. Einer hatte sich im Winter ereignet. Einmal verließ ich wärend eines starken Schneesturms unser Haus und ging bergauf in den nahen Park. Der Weg war mühsam, des tiefen Schnees wegen, aber ich war allein, denn niemand anderes wagte sich dort hinauf. Alleine am Sees zu sein war etwas Einzigartiges, Magisches. Sonst liefen und schrien immer irgendwo Leute herum. Aber jetzt hörte ich nur den Schnee fallen und einige der großen türkischen Geier schreien, sonst nichts. In der Ferne sah ich ein seltsames schwarzes Tier den steilen Abhang hinaufschleichen, der mit Bäumen und Felsen bedeckt war.

War es ein Bär, eine Katze oder ein Wolf? Ich versuchte erst gar nicht es herauszufinden und ging in die andere Richtung. Der zweite Moment in dem ich den Park menschenleer gesehen hatte, war in einem Sommer gewesen. Es war nach einem starken Regen gewesen. Der Regen war im mittleren Wesen so stark gewesen, dass einige Häuser vom nahen Wisconsin River weggespült worden waren. Diese Bilder erschienen sogar in den Weltnachrichten. Mein Auto hatte leider keine funktionierenden Scheibenwischer, ich versuchte aber trotzdem während dieses Regens weiterzufahren. Ich sah aber nur ein verschwommenes Licht in der Mitte der Straße. Ich kam irgendwie ohne Unfall nach Hause. Aus dem gleichen Grund, musste ich während des Schneefalles im Winter immer schnell fahren. Auf diese Weise wurden die vorderen Fenster durch den Wind vom Schnee frei gehalten. Mein befreundeter Mechaniker hatte es einfach nicht geschafft, die Scheibenwischer zu reparieren. In Wisconsin war es nicht nötig, die Fahrzeuge technisch überprüfen zu lassen. Auch eine Haftpflichtversicherung war nicht vorgeschrieben. Das führte zu allen möglichen schrecklichen Überraschungen, wenn meine Freunde und ich einander unsere Autos ausliehen. Einmal entdeckte ich erst kurz vor einer roten Ampel, dass die Bremsen des Wagens kaum funktionierten. Es gelang mir gerade noch rechtzeitig anzuhalten. Zumindest bei mir funktionierten die Bremsen aber. Einige Wochen nach dem schweren Regen fuhr ich mit einer Freundin zum Devils Lake Park, aber dieser war immer noch geschlossen. Wir kümmerten uns nicht darum und fuhren an dem Warnschild vorbei hinunter zum See. Die großen schwarzen Geier, die normalerweise hoch über dem Tal schwebten, flogen jetzt in der Einsamkeit ganz unten in Wassernähe. Die Freundin und ich saßen auf dem felsigen Ufer und genossen den Tag, bis ein Ranger uns entdeckte und verhörte. Er verpasste mir eine Geldstrafe von 195$ für unseren illegalen Aufenthalt hier. Ein Freund riet mir darauf, vor Gericht zu gehen, um einen besseren Deal herauszuschinden und ich versuchte es. Was mir als ehemaligem Ostdeutschem auffiel war, dass mich niemand nach irgendeiner Identitätskarte fragte, als ich eintrat. So hätte ich leicht an Stelle von jemand anderem zum Gericht gehen können. Die andere erstaunliche Sache war, dass der Richter immer fünf Leute gleichzeitig aufstehen ließ, ihre Aussagen anhörte und eine Entscheidung traf.

Bevor ich dran war, las er meine Anklage vor: "Der Staat von Wisconsin gegen Frank ..." Das klang wirklich großartig, aber auch beklemmend. Bei den meisten anderen Fällen handelte es sich um junge Leute, die unter dem Alter von 21 mit Alkohol erwischt worden waren. Sie hatten die Wahl zwischen einer Geldstrafe von 285$ und der Registrierung als Vorbestrafter einerseits oder der Teilnahme an einem von der Polizei ausgeführten Programm der Erziehung gegen Alkoholkonsum. Dieses Programm dauerte ein halbes Jahr und wurde an diesem Tag von allen gewählt. Der Richter hörte sich endlich auch meine Ausreden an. Ich behauptete, ich hätte das Schild übersehen, aber er winkte nur müde ab. "Ich höre diese Geschichten seit Wochen, ich reduziere ihre Strafgebühr um fünf Dollar. Das war´s. Nächster Fall bitte!"

Meine Erinnerungen kehrten zurück und ich fragte mich immer noch, was für ein Tier so einen massiven Schatten hätte werfen können und fühlte einen leichten Schrecken. War es ein Bär oder ein Jaguar, oder sogar ein verrückter Mensch? War es das gleiche Tier, das ich im Schneesturm gesehen hatte? Oder war es der alte Chief? Diese Figur war der Geist eines alten Schamanen, der seinen Wohnsitz auf der anderen Seite meiner Stadt Baraboo hatte und manchmal in der Gegend während unserer Rituale und Gebete durch die Zeremonien jagte, ähnlich der berühmten wilden Jagd von Odin. Er war dann wie ein Rauschewind, der Fenster und Türen aufstieß und die Frisuren der Frauen durcheinanderwirbelte. Sein Rückzugsort war ein Denkmal namens Man Mount. Dort lag unter dem kurzen Rasen eine große humanoide Figur aus Erde mit einem seltsam gespaltenen Kopf als sei er ein Außerirdischer. Dieser Ort besaß spürbare energetische Zeichen für jeden Bereich des Körpers. Nur seine Beine waren von einer nahen Straße abgeschnitten worden. Hier hatte ich oft mit meinen Freunden aus dem vegetarischen Restaurant in Baraboo auf dem Gras gelegen und die Energien genossen. Dieser ganze Teil von Wisconsin besaß viele interessante Orte. Es gab hunderte von anderen aus Erde gemachter Denkmäler in der Gegend, mit starken Energien und manchmal sahen wir Indianer auf ihnen sitzen. Die Geschichte der Ho Chunk und anderer Stämme waren immer ein Teil dieses Landes gewesen. Die Ho-Chunk hatten das Glück, ein Kasino an der Schnellstraße 12 zu haben. Sie verdienten damit jedes Jahr bis zu 200 Million Dollar und konnten jedem Mitglied ihres Stammes freies Einkommen zur Verfügung stellen. Trotzdem mussten auch sie immer noch mit Alkoholismus und anderen Problemen zu kämpfen.

Am nächsten Tag fuhr ich die Straße herunter zum Zentrum der Stadt, die in einem kesselförmigen Tal lag. Ich beschleunigte schnell. Plötzlich hatte ich den seltsamen Eindruck, dass etwas passieren würde. Die Zeit hatte ihre Textur und ihr Tempo verändert. Vielleicht war es ein Warnruf, aber ich hörte nicht auf ihn.

Eine attraktive Frau lief auf der linken Seite entlang und ich drehte mich nach ihr um. Ich wollte ihr Gesicht sehen, ihres Körpers wegen.

Aber ich sollte ihr Gesicht nie sehen, obwohl ich scheinbar endlos darauf wartete, es zu erblicken. Als ich endlich wieder auf die Straße schaute, sah ich ein Mädchen, das vor mir auf die Straße lief. Das Kind war so nah vor mir, dass ich das Auto nicht mehr anhalten konnte. Ich bremste so hart wie ich nur konnte. Das Bremspedal drückte zurück, um ein Blockieren der Räder zu verhindern. Und das Kind, dieses schöne, lockige, braunhaarige, kleine Mädchen, starrte mich an, als wäre es eingefroren, ohne zu versuchen zurückzuspringen. Ich glitt in einen langen Moment von immer langsamer verstreichender Zeit, ohne noch Zeit zum Handeln zu finden. Dann kam der schreckliche Aufprall. Das Auto kam zum Stehen. Ich sprang heraus und hörte schon die Mutter schreien. Das war das Schlimmste, was ich je gehört hatte. Sie zog das Kind vom Wagen weg und hob es hoch. Es blutete leicht. Sein Gesicht wurde innerhalb von Sekunden blass. Der Atem war flach und kurz mit langen Pause zwischen den Atemzügen. Ihre Augen starrten zum Himmel. Ein Mann entwand sie den Armen der Mutter und legte sie zurück auf die Straße. Wir standen da, betäubt, ich über alle Maßen verzweifelt, während die Mutter nur "Mary, Mary!" rief. Sie hielt ihre Hand und dann entließ das Mädchen seinen letzten Atem. Was auch immer ihrem Körper Leben gegeben hatte, entwich und ließ ihn als ein graues und bedeutungsloses Ding zurück. Ein Teil von mir ging mit ihr und ich blieb ebenfalls wie tot zurück. Der Krankenwagen kam schließlich und nahm das tote Kind und die Mutter in seine Obhut und verschwand. Die Polizei brachte mich zu einem Verhör auf ihre Wache. Ich hatte nicht viel zu sagen, auch weil ich die Frau auf der anderen Straßenseite nicht erwähnte. Nach dem Unfall war sie ohnehin verschwunden, als hätte sie nie existiert. Aber mein Versuch, meine Unaufmerksamkeit wegzureden, brachte nichts. Der grimmige weißhaarige Polizist glaubte nicht, dass ich unschuldig war. Er wusste, dass ich versuchte, mich aus dem Fall herauszureden. "Sie sind mindestens fünfzig Meilen gefahren in einer fünfunddreißig Zone. Wir werden die Reifenspuren untersuchen." Die Alkoholprobe war zumindest negativ. Es gab also keinen klaren Verstoß gegen das Gesetz. Aber mein Verstand verurteilte mich. Von der Polizeiwache nahm ich ein Taxi nach Hause. Natürlich hatten sie mein Auto beschlagnahmt. Zu Hause war ich allein. Meine Freundin war noch auf der Arbeit. Das war gut. Jetzt in diesem Moment war ich ehrlich genug um zu sehen, warum der Unfall passiert war. Ich brachte Menschen und Dingen nicht genügend Aufmerksamkeit entgegen. Ich liebte es, mich von meinen Gedanken und Phantasien forttragen zu lassen. Ich verträumte mein Leben und interessierte mich nicht wirklich für Menschen. Das schloss auch meine Freundin Chelsy mit ein. Jetzt konnte ich sehen, dass ich weder ihr noch dem kleinen Mädchen auf der Straße gerecht geworden war. Ich hielt mich nicht mehr für lebenswert. Sollte ich mir mein Leben nehmen? Ich schob die Entscheidung von mir fort. Immerhin ging ich zurück zur Arbeit im Restaurant. Aber ich wechselte zum Geschirrspüler, wo ich meinen Gedanken nachhängen konnte. Meine Kollegen und Freunde versuchten mich aufzumuntern, aber das war nicht sehr erfolgreich. Ein Teil in mir war wie tot. Es war, als wäre nur noch eine Hälfte von mir anwesend. Als ich nach Hause kam, wollte ich nicht wirklich mit Chelsy reden. Stattdessen trieb ich mich in den Wäldern um den Devilslake herum. Ich sah seltsame Dinge im tiefen Wald, wenn ich die offiziellen Wege hinter mir ließ. Ich sah einmal eine Kreatur, die mich an den Wisconsin Dogman erinnerte, ein Tier auf zwei Beinen mit einem Hundskopf, der in der Ferne über den Weg sprang. Ich spürte auch die Augen der alten Leute, die mich von hinter den Sträuchern anstarrten. Diese und andere Sichtungen geschahen in einer anderen räumlichen Textur als normale Wahrnehmungen. Es war ähnlich, wie beim Unfall. Zuerst verlangsamte sich der Fluss der Zeit. Dann verschmolz die umgebende Welt wie zu einer Suppe, in der ich wie eine Kartoffel schwamm. Aus dieser seltsamen Suppe tauchten Dinge und Eindrücke in meinem Bewusstsein auf, als wären sie Teil vom mir.

Wenn ich nach Hause kam, war ich meistens noch in diesem entrückten Geisteszustand. Nach einiger Zeit war es für Chelsy zuviel. „Was ist los mit dir?“ schrie sie mich an, als ich mal wieder von meinen Wanderungen zurückkehrte. „Sieh dir unser Haus an!“ Es sah tatsächlich nicht gut aus. Überall lagen Sachen herum. „Uns zwischen uns läuft gar nichts mehr!“ Ich sah sie traurig an. Vielleicht zum ersten Mal wieder richtig seit dem Unfall. „Du bist ja gar nicht mehr hier! Nie bist du wirklich da. Wahrscheinlich hast du so auch das Mädchen totgefahren. Weil du geträumt hast! Mir reichts, es ist aus. Ich ziehe zu meinen Eltern.“ Sie hatte ihre Sachen und Koffer schon in ihren Ford geworfen. Sie gab mir schluchzend einen kurze Umarmung, lief aus dem Haus und fuhr los. Ich war am Boden zerstört. Ich saß nur da, im stillen Haus, und hielt meinen Kopf. Draußen rauschte der Wind. Einige Tage später musste ich wegen des Unfalls zum Gericht von Sauk County in Baraboo fahren. Dieses Mal war es nicht mehr lustig. Der Richter war leider eine Frau. Die Mutter des Mädchens weinte auf der anderen Seite und ihr Anwalt sah mich an wie einen Feind und Verbrecher der schlimmsten Sorte. Und natürlich ging es alles schief. Mein Verteidiger, ein dünner, bleicher Anwalt, war eine Katastrophe. Er war schüchtern und auch nicht wirklich auf meiner Seite. Und er war zu sehr von den emotionalen Antworten der Mutter betroffen. Ihr Anwalt versuchte, von mir das Bild einer gleichgültigen und egozentrischen Persönlichkeit zu malen. Die fehlenden Scheibenwischer sprachen für sich selbst wie auch die Tatsache, dass mein Auto keine Versicherung hatte. Die Richterin folgte ihm und zeigte keine Gnade. Sie gab mir ein Jahr Gefängnis. Ich war fassungslos und wußte nicht, was ich tun sollte. Ich schlug einen weiten Bogen auf meinem Weg nach Hause um nicht an der Unfallstelle vorbeizukommen. Meine Gedanken waren so schmerzlich, dass ich versuchte sie zu stoppen. Aber es ging nicht. Sie redeten mir ununterbrochen ein wie wertlos und verworfen ich war. Ich fühlte mich wie in einer endlosen Abwärtsspirale. Wie sollte ich das harte und enge Leben im Gefängnis bloß überstehen? Sie würden die letzte Selbstachtung aus mir heraus prügeln. Das konnte ich doch selber besser und schneller erledigen. Aber die Entscheidung mir mein Leben zu nehmen fiel mir nicht leicht, obwohl es keine Hoffnung mehr zu geben schien. Ich hatte eine unentschuldbare Tat begangen und diese Erinnerungen im Kopf, die mich verfolgten. Aber Suizid war eben eine unumkehrbare Sache. Ich entschied mich zu fliehen, um einige Tage oder Wochen zu gewinnen. Es sollte eine letzte Reise zu den Plätzen geben, die ich immer hatte besuchen wollen. Aber es kam ganz anders als ich dachte.

Ich verkaufte meinen roten Toyota und kaufte ein anderes Auto, einen dunkelblauen Ford aus den neunziger Jahren und parkte ihn einige dutzend Meter weg von meinem Haus. Danach, als es spät war, ging ich zu meinem Haus. Ich wollte natürlich nicht, dass jemand wusste, wie mein neues Auto aussah. Dies war die Nacht meiner Flucht.

Aber zuerst musste ich etwas schlafen. Die Nacht kam und ich sank tiefer und tiefer in eine Finsternis, die mich zu verschlingen drohte. Ich beachtete die nächtlichen Schatten und Reflexionen an meiner Decke. Dann sah ich ihn plötzlich wieder, diesen mächtigen Schatten, der nicht unerkannt über die Fläche schleichen konnte. Er war da, kein Irrtum war möglich. Ich sprang aus dem Bett und rannte vor das Haus, von wo das Licht in mein Schlafzimmer gefallen war. Ich sah mich um. Ich musste nicht weit schauen. Es war ein dunkler Körper in dem kleinen Dickicht, das von der Straßenlaterne weiter unten am Hang erleuchtet wurde. Es war die Silhouette eines Panthers. Und er schlich langsam in meine Richtung, als hätte er schon eine Weile auf mich gewartet. Ich blieb stehen und erstarrte, als wäre ich ein Stück Holz. Die Panther lief aus dem Dickicht heraus, aber verlangsamte sein Tempo direkt vor mir. Er knurrte und starrte mich aus seinen gelben glühenden Augen an. Sein schwarzes Fell glänzte wie Seide im blassen Licht der fernen Straßenlaterne. Jetzt hatte er genug gewartet, er sprang mich an, warf mich auf den Boden und packte mich mit seinem kräftigen Gebiss am Hals. Er tat es vorsichtig. Vielleicht suchte er nach dem richtigen Ausgangspunkt für den entscheidenden Biss. Aber jetzt wurde die Tür unseres Hauses kräftig aufgestoßen. Der Jaguar zuckte zusammen. Frank, Frank!" rief Chelsy. Der Panther erstarrte. Sein Keuchen war sein einziges Lebenszeichen. Dann hörte ich, wie Chelsy meine Waffe, den Smith & Wesson Revolver entsicherte und spannte. Es war dieser kalte Klick, der mir immer einen Schauer über den Rücken jagte, wenn sie mit ihm gespielt hatte. Aber jetzt erfüllte mich dies mit Freude. Ihre Schritte kamen langsam näher. Der Panther duckte sich tiefer ins Gras, seine Atmung wurde stärker. Die Spannung nahm mit jedem Schritt zu, den Chelsy machte. Dann herrschte Stille. Ich vermutete, dass sie den Panther ansah und er sie. Er knurrte leise.

"Geh weg, du hast fünf Sekunden Zeit." Sagte Chelsy mit fester Stimme. Dann wieder Stille. Langsam öffnete der Panther seinen mächtigen Kiefer und ließ mich frei. Ein weiterer stinkender Atemstoß aus Enttäuschung und Wut in mein Gesicht und er sprang weg. Ich wachte auf und fand mich auf dem Boden neben meinem Bett. Das war kein normaler Traum gewesen so präzise und sehr realistisch wie er gewesen war. Wie konnte soetwas zu mir kommen? Ein inneres Wissen zerriss mein Herz: Chelsy hatte mich wirklich geliebt! Und ich hatte sie nicht in meinem Leben halten können. Ich nahm meine Smith & Wesson und lief aus dem Haus. Da war er wieder, der nächtliche Wald, aber diesmal leer und ohne Reiz und Gefahr. Nur ein leerer sinnloser Wald. Jemand hatte die Atmosphäre in den Olivenbäumen von Gethsemane in der Nacht der Agonie von Jesus genau so beschrieben. Da waren keine Engel da gewesen, nur das Rascheln der Blätter im Nachtwind.

Für mich war es Zeit, aufzubrechen. Ich warf meine Sachen in den Wagen und fuhr den Hügel hinunter, Richtung Highway 12 und dann Interstate 90. Heute war der Tag, an dem ich mich im Knast von Fox Lake einfinden sollte. Sie würden bald hinter mir her sein, wenn ich nicht da auftauchte. Ich hatte meine Nummernschilder auf einem der großen Schrottplätze von Delton County ausgetauscht und hoffte, für eine Weile sicher zu sein. Ich dachte nicht viel nach. Meine Augen waren auf den