MIT MORD BEGANN ES - Bryan Edgar Wallace - E-Book

MIT MORD BEGANN ES E-Book

Bryan Edgar Wallace

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  • Herausgeber: BookRix
  • Kategorie: Krimi
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2020
Beschreibung

Ich glaube es einfach nicht. Er lag zwar da, aber es konnte nicht wahr sein. Er erlaubte sich bloß einen makabren Scherz, und fast hätte ich ihn aufgefordert, aufzustehen und keine Dummheiten zu machen... Und dann - wie die Geräuschwelle dem Druck der Explosion folgt - traf mich die Erkenntnis, dass das, was ich sah, nicht gespielt war. Er lag da, und aus seinem Rücken ragte der Griff eines Bajonetts. Er war tot! Er war ermordet worden! Bryan Edgar Wallace (* 28. April 1904 in London; † 1971), der Sohn des legendären Schriftstellers Edgar Wallace, wurde in Deutschland insbesondere durch die Verfilmung seiner Romane in den 1960er Jahren bekannt. Der Roman MIT MORD BEGANN ES erschien erstmals im Jahre 1964; eine deutsche Erstveröffentlichung folgte im gleichen Jahr. Der Apex-Verlag veröffentlicht die Werke von Bryan Edgar Wallace als durchgesehene Neuausgaben in seiner Reihe APEX CRIME und macht diese Krimi-Klassiker erstmals seit nahezu fünfzig Jahren wieder verfügbar.

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BRYAN EDGAR WALLACE

 

Mit Mord begann es

 

 

 

 

Roman

 

Apex Crime, Band 122

 

 

 

Apex-Verlag

Inhaltsverzeichnis

Das Buch 

Der Autor 

 

MIT MORD BEGANN ES 

Erstes Kapitel 

Zweites Kapitel 

Drittes Kapitel 

Viertes Kapitel 

Fünftes Kapitel 

Sechstes Kapitel 

Siebtes Kapitel 

Achtes Kapitel 

Neuntes Kapitel 

Zehntes Kapitel 

Elftes Kapitel 

Zwölftes Kapitel 

Dreizehntes Kapitel 

Vierzehntes Kapitel 

Fünfzehntes Kapitel 

Sechzehntes Kapitel 

Siebzehntes Kapitel 

Achtzehntes Kapitel 

Neunzehntes Kapitel 

Zwanzigstes Kapitel 

Einundzwanzigstes Kapitel 

Zweiundzwanzigstes Kapitel 

Dreiundzwanzigstes Kapitel 

 

Das Buch

 

Ich glaube es einfach nicht. Er lag zwar da, aber es konnte nicht wahr sein. Er erlaubte sich bloß einen makabren Scherz, und fast hätte ich ihn aufgefordert, aufzustehen und keine Dummheiten zu machen...

Und dann - wie die Geräuschwelle dem Druck der Explosion folgt - traf mich die Erkenntnis, dass das, was ich sah, nicht gespielt war. Er lag da, und aus seinem Rücken ragte der Griff eines Bajonetts.

Er war tot!

Er war ermordet worden!

 

Bryan Edgar Wallace (* 28. April 1904 in London; † 1971), der Sohn des legendären Schriftstellers Edgar Wallace, wurde in Deutschland insbesondere durch die Verfilmung seiner Romane in den 1960er Jahren bekannt.

Der Roman Mit Mord begann es erschien erstmals im Jahre 1964; eine deutsche Erstveröffentlichung folgte im gleichen Jahr.

Der Apex-Verlag veröffentlicht die Werke von Bryan Edgar Wallace als durchgesehene Neuausgaben in seiner Reihe APEX CRIME und macht diese Krimi-Klassiker erstmals seit nahezu fünfzig Jahren wieder verfügbar.

 

Der Autor

 

Bryan Edgar Wallace.

(* 28. April 1904 in London; † 1971).

 

Bryan Edgar Wallace - auch Edgar Wallace jr. - war ein englischer Kriminalschriftsteller und Drehbuchautor. Er war zudem der Sohn des erfolgreichen Schriftstellers Edgar Wallace.

Bryan Edgar Wallace wurde im April 1904 als Sohn des britischen Schriftstellers Edgar Wallace und dessen erster Frau Ivy Wallace, geborene Caldecott, geboren. Wallace benannte ihn nach dem amerikanischen Senator William Jennings Bryan, mit dem er befreundet war. Bryan Edgar ging auf die Oundle School und später auf das Emanuelle College in Cambridge, anschließend war er Offizier der britischen Armee. Nach seiner Militärzeit arbeitete er als Drehbuchautor bei British Lion, der Gaumont British Picture Corporation, Twentieth Century Fox und anderen Filmgesellschaften, bevor er für zwölf Jahre als Sekretär in der britischen Botschaft in Madrid arbeitete.

Bryan Edgar heiratete 1934 die Biographin seines Vaters, Margaret Lane, die Ehe wurde jedoch bereits 1939 wieder geschieden. 1940 heiratete er Wylodine van Dyke Jones aus Columbus in Ohio. Gemeinsam mit seiner Frau verbrachte er seinen Lebensabend auf dem Schloss Champigny in Champigny-sur-Veude bei Tours an der Loire in Frankreich.

Die Kriminalromane von Bryan Edgar Wallace wurden stark von denen seines Vaters beeinflusst, handelten jedoch vor allem von Agenten und Weltbeherrschungsplänen. Die Berühmtheit seines Vaters konnte er nicht erreichen.

Neben diesen eigenen Romanen schrieb Wallace Drehbücher nach verschiedenen Romanen seines Vaters, darunter The Flying Squad (1932), The Frightened Lady (1932), Whiteface (1932), Strangers on a Honeymoon (1936), The Squeaker (1937) und The Mind of Mr. Reeder (1939).

Nach einem Treffen mit den Filmproduzenten Artur Brauner wurden einige der Romane von Bryan Edgar Wallace im Rahmen des durch Constantin Film und Rialto Film ausgelösten Edgar-Wallace-Booms durch Filme in den 1960er- und 1970er-Jahren verfilmt. Dabei wurde teilweise nur sein Name genutzt und nur ein geringer Teil der Verfilmungen wurde nach seinen Romanen verfilmt; daneben wurden völlig neue, Edgar-Wallace-ähnliche Stoffe erdacht.

Zu den bekanntesten Bryan-Edgar-Wallace-Filmen gehören Der Würger von Schloss Blackmoor (1963), Scotland Yard jagt Dr. Mabuse (1963), Der Henker von London (1963) und Das siebente Opfer (1964). 

MIT MORD BEGANN ES

 

 

 

 

 

  Erstes Kapitel

 

 

An allem war nur der Regen schuld. Wenn es damals nicht geregnet hätte, wäre ich höchstwahrscheinlich nie des Mordes verdächtigt worden, doch es regnete, und als ich in die Wirtsstube trat, um mich dort unterzustellen, verschaffte ich gleichzeitig dem Mord Einlass.

Es war ein kleines Lokal am Shepherd's Market. Ich zog den durchnässten Mantel aus, begab mich an den Schanktisch und verlangte ein Lagerbier. Der Mann hinter der Theke sagte: »Scheußliches Wetter«, und ich entgegnete: »Schauderhaft«, und nachdem der Konvention Genüge getan war, ließ er mich in Frieden.

Der Betrieb war mäßig, an der Theke saß außer mir niemand, und ich überlegte, ob ich mit dem Zug um 18 Uhr 15 nach Newbury fahren oder zunächst einen Happen essen und den um 19 Uhr 27 nehmen sollte, als eine Stimme hinter mir rief: »Sieh da, unser guter Farmer Hellier!«

Der Ton, in dem das vorgebracht wurde, ärgerte mich, und ich drehte mich gereizt um. Ich hätte es wissen können. Es war Peter Trenton, Ich hatte ihn seit zwei Jahren nicht gesehen, und wenn ich ihn weitere zwanzig Jahre nicht zu Gesicht bekommen hätte, wäre mir das nur recht gewesen.

»Ach so, du bist’s!«, machte ich, aber so etwas allein reicht nicht aus, um Peter Trenton abzuschütteln. Er blickte mich mit dem ganzen falschen Wohlwollen eines Schulmeisters an, der einen seiner zurückgebliebenen Schüler betrachtet. »Noch immer derselbe alte John: rechtschaffene Plackerei und gerechte Vergeltung!«

Ich warf ihm einen missmutigen Blick zu. Ich hatte Peter schon in der Internatsschule nicht gemocht, und ich mochte ihn auch jetzt nicht. Er gehört zu jenen Leuten, die die Welt in zwei Klassen einteilen: Schwachköpfe und sich selbst. Tat jemand redliche Arbeit - vor allem ein Landwirt wie ich -, so war er in Peter Trentons Augen unten durch. Er selbst-schlug sich als obskurer Versicherungsagent durchs Leben, und was er dabei verdiente, gab er für noch obskurer Blondinen aus.

Nachdem er den Barmann durch lautes Klopfen auf die Theke beleidigt hatte, wandte er sich wieder mir zu. »Na, wie verträgst du dich denn mit dem Gesinde?«

»Hör mal, Peter, kannst du deinen Schnaps nicht woanders trinken?«

Er grinste, und ich musste mir eingestehen, dass er einen gewissen jungenhaften Charme besaß, wenn man seine blutunterlaufenen Augen nicht bemerkte.

»Entschuldige, John. Ein Scherz. Wie geht es wirklich auf der Farm?«

Es ging ihn nichts an, dass ich ein gutes Jahr gehabt hatte, deshalb sagte ich einsilbig: »Ach, es hätte schlechter sein können.«

»Dein Gut liegt doch in der Nähe von Belbury, nicht?«

Ich nickte.

»Kennst du einen gewissen Gerald Mant?«

»Ja, er hat vor etwa sechs Monaten das benachbarte Grundstück gekauft.«

»Wie gefällt er dir?«

Ich witterte eine Falle. »Ist er ein Freund von dir?«, fragte ich vorsichtig.

»Dieses Stinktier?«

Ich entspannte mich etwas. »Offen gestanden, ich kann ihn nicht leiden.«

»Kennst du ihn näher?«

»Nein. Seinen Vater kannte ich ganz gut.«

Peter sah mich grübelnd an. Dann sagte er: »Was hast du über den Tod seines Vaters gehört?«

»Ach, dass es ein Unfall war. Vor etwa neun Monaten.«

»Was würdest du sagen, wenn ich dir verriete, dass sein alter Herr ermordet wurde?«

»Ich würde sagen, dass du den Verstand verloren hast.«

»Tja, er wurde aber ermordet!«

»Ausgeschlossen! Er fiel bei der Jagd vom Pferd und brach sich das Genick.«

Peter nahm einen tiefen Schluck aus seinem Glas mit Whisky-Soda und stellte es dann ab. »Trotzdem war es Mord.« Das klang so entschieden, dass ich mich unwillkürlich beeindruckt fühlte.

Ich hatte nichts für Mant übrig, aber er war immerhin ein Gentleman, ging auf die Jagd und so weiter, und ich hatte nicht die Absicht, einem solchen Dunkelmann wie Peter so etwas durchgehen zu lassen. »Woher weißt du das?«, erkundigte ich mich.

»Du hast gesagt, du hast seinen Vater gekannt. Hat er nie über Mant gesprochen?«

Ich zögerte. Ich wusste nur zu gut, was der Alte von seinem Sohn gehalten hatte, aber eher wollte ich verdammt sein, als Peter einen Ansatzpunkt zu bieten. »Er hat nicht viel von ihm geredet.«

Peter lachte. »Du rostest langsam ein, altes Haus. Den ganzen Tag nichts als Kühe melken, stumpft dich allmählich ab. Er hat dir eine ganze Menge von ihm erzählt, sei ehrlich!«

Ich bin von Natur aus nicht geschwätzig, aber schließlich war Mant mein Nachbar, und ich hielt es für besser, herauszubekommen, um was es eigentlich ging. »Was hast du gegen ihn?«

Peter grinste unverschämt. »Aha, das Interesse regt sich, was?«

»Ich glaube den Quatsch mit dem Mord nicht, aber ich kann mir ja mal dein Schauermärchen anhören.«

»Das Grundstück neben dem deinen hat ihn wohl eine schöne Stange Geld gekostet, was?«

»Vermutlich.«

»Und wenn ich dir sage, dass er sich, bevor sein Vater starb, nicht mal einen Kaninchenstall hätte kaufen können?«

»Das ist doch kein Geheimnis«, entgegnete ich verächtlich. »Er hat das ganz offen zugegeben,«

»Hat er auch offen zugegeben, dass er bei Titfer Tom mit ungefähr zehntausend Pfund in der Kreide stand, bevor sein Vater starb?«

»Und wer, bitte schön, ist Titfer Tom?«

»Mit richtigem Namen heißt er Harry, und er trägt keinen Hut«, sagte Peter, so als ward damit alles erklärt. »Er ist ein Gauner von einem Buchmacher, der ein paar ausgewählten Kunden lange Kredite gewährt.«

»Und was bedeutet das?«

»Mant war, solange sein Vater lebte, keinen Pfifferling wert, aber ohne Vater versprach er einen ganzen Batzen.«

»Ich verstehe noch immer nicht, worauf du hinauswillst.«

»Titfer wettet nur auf todsichere Gewinner.«

»Willst du damit sagen, dass er wusste, dass Mants Vater sterben würde?«

»Drücken wir es so aus: Er wusste, dass Mant zu Geld kommen würde - und zwar etwas plötzlich.«

»Woher weißt du das alles?«, fragte ich.

Peter lachte. »Ich mache mit Titfer Geschäfte.«

»Und er hat dir das alles erzählt?«

»Nicht so ausführlich, aber er war keineswegs überrascht, als er sein Geld bekam.«

»Und das ist alles, was du gegen Main hast?«

Peter schüttelte den Kopf.

»Was gibt es noch?«

»Zwei Monate vor dem Tod seines Vaters klapperte Mant die Grundstücksmakler ab und erkundigte sich nach Grundstücken auf dem Land. Er sagte, er sei bereit, bis zu dreißigtausend Pfund anzulegen.«

»Weißt du das ganz genau?«

»Aus erster Hand.«

Wettschulden beeindruckten mich nicht sonderlich; ich hatte das Gefühl, dass bei diesem Zeitvertreib alles Mögliche passieren konnte, und dieser Titfer war offensichtlich ein Gauner, aber wenn es sich um Land handelte, dann konnte ich mitreden. Man führt keine Gespräche über den Erwerb von 30.000-Pfund-Grundstücken, es sei denn, man besitzt das nötige Geld - oder hat es in Aussicht.

»Woher weißt du das von dem Grunderwerb?«

»Ich habe einen Freund in einem Maklerbüro in der Mount Street sitzen. Er hat mit Mant verhandelt, und gerüchteweise hat er erfahren, dass Mant sich noch anderswo umgehört hat.«

»Und wollte er das Grundstück sofort haben?«

»Nein, und das ist ja eben das Tüpfelchen auf dem i. Er sagte, er  möchte es für den kommenden April, und das war merkwürdigerweise drei Monate nach dem Tod seines Vaters, und ungefähr einen Monat, nachdem das Testament bestätigt worden war.«

Das alles gefiel mir nicht, und ich fragte: »Wozu erzählst du mir das?«

»Bloß weil du mein Freund bist, altes Haus.«

»Ist das der einzige Grund?« Es lohnt sich immer, Peter mit Vorsicht zu genießen.

Er zögerte. »Er und ich sind einmal aneinandergeraten, und ich habe nicht gewonnen«, sagte er kurz.

»Deine Theorie lautet also, dass er in der Klemme saß und seinen Vater ermordete, um zu Geld zu gelangen?«

»Wenn du bei Titfer mit zehntausend Pfund in der Kreide stündest, erschiene auch dir ein Vatermord als ein einfacher Ausweg.« Er hatte nicht so unrecht mit dem, was er sagte, und mir wurde unbehaglich zumute.

»Tja-a«, machte ich zweifelnd.

»Ich will dir noch etwas höchst Merkwürdiges verraten. Zwei Tage nach dem Tod des Alten hatte auch seine Schwester - Mants Tante - einen Unfall. Sie fiel von der Treppe und brach sich das Genick.«

»Ja, ich weiß, aber was ist daran so merkwürdig?«

»Wie ich gehört habe, hat sie sich an dem Tag, als ihr Bruder starb, ebenfalls an der Jagd beteiligt. Findest du es nicht merkwürdig, dass beide innerhalb von zwei Tagen einem Unfall zum Opfer gefallen sind? Sie war dabei, sie hätte leicht etwas bemerken können. Aber vergiss eins nicht: Mit Mord allein ist es nicht getan.«

»Was soll denn das heißen?«

Peter warf mir den Blick zu, der Mann, hast du aber eine lange Leitung! besagte und an den ich mich aus meiner Schulzeit noch so gut erinnerte.

»Das ist der Fehler, den jeder begeht - mit Mord beginnt es«, sagte er, »aber es endet nicht damit.«

Ich zog es vor, nicht darauf einzugehen, und fragte: »Und du meinst allen Ernstes, dass Mant auch seine Tante umgebracht hat?«

»Wenn schon einen Mord, warum nicht zwei?«

»Du willst ihn zu einem Ungeheuer stempeln.«

»Nach einigen der Dinge zu schließen, die ich über ihn gehört habe, ist er genau das. Als er beim Militär war, stand er im denkbar schlechtesten Ruf.« Peter Trenton trank seinen Whisky aus und stellte dann das Glas langsam zurück. »Das Schlimme an ihm war, dass er Lust am Töten hatte.«

»Aber...«, begann ich.

»Wenn ich also du wäre, würde ich die Augen offenhalten.« Er bedachte mich mit einem kleinen sardonischen Kopfnicken, doch bevor ich etwas entgegnen konnte, war er fort.

Ich griff nach meinem Bier. Es war schal geworden.

 

 

 

 

  Zweites Kapitel

 

 

Natürlich wurde es für den Zug um 18 Uhr 15 zu spät - nach dem Gespräch mit Peter Trenton und einem weiteren Bier zum Hinunterspülen des unangenehmen Geschmacks, den es hinterlassen hatte. Ich spazierte daher zum Audley, aß ein paar belegte Brote und nahm den Zug um 19 Uhr 27.

Was Peter mir von Mant erzählt hatte, ließ mir keine Ruhe. Ich wollte es nicht glauben, und ich traute Peter nicht, aber trotzdem war ich beeindruckt. Er wusste anscheinend zu viel, und außerdem - wozu hätte er das alles erfinden sollen? Die Sache mit Mants Tante war ja weit hergeholt, aber das mit den Grundstücksmaklern gefiel mir ganz und gar nicht. Ungünstigerweise befand sich außer mir niemand im Eisenbahnabteil, und nichts hielt mich davon ab, auf der ganzen Fahrt bis nach Newbury darüber nachzugrübeln.

Nachdem ich mir einiges von dem angehört hatte, was mir Mants Vater von ihm erzählt hatte, war er mir schon unsympathisch, noch ehe ich ihn kennengelernt hatte, und als ich ihn endlich traf, wurde er mir noch unsympathischer. Er war einer jener kräftig gebauten, rauen Typen, ein sozusagen berufsmäßiger ganzer Kerl. Zum ersten Mal sah ich ihn, kurz nachdem er das Anwesen neben meinem gekauft hatte, und ich hinüberging, um ihm meinen Besuch abzustatten. Zu meiner Überraschung öffnete mir Mant auf mein Läuten hin persönlich die Tür, und seine ersten Worte bestimmten den Ton für alles, was später geschah. »Ei, der Tugendbold höchstselbst, stimmt’s?«

Ich bemühte mich, das zu ignorieren, und sagte, ich sei gekommen, um zu fragen, ob ich irgendwie behilflich sein könnte.

»Ja, mein Vater sagte, Sie wären der typische Pfadfinder: Täglich eine gute Tat.« Diesmal war der Sarkasmus so offenkundig, dass ich wütend entgegnete: »Bitte sehr, es geht ja auch anders, wenn Sie unbedingt wollen!« Und ich stakste davon.

Natürlich hatten wir im Laufe der Zeit einen modus vivendi erarbeitet. Wir ignorierten einander, und obwohl einige hilfsbereite Seelen - wie beispielsweise Dolly - versuchten, das Verhältnis zwischen uns zu bessern, nahmen es die meisten als unabänderlich hin.

Mants Vater, den alten Sir Oscar, hatte ich recht gut gekannt. Er pflegte des Öfteren in unserer Gegend an Jagden teilzunehmen, und auf diese Weise lernte ich ihn kennen. Offen gestanden, bei meinem ersten Zusammentreffen mit dem alten Herrn ließ er ein Donnerwetter über mich niederprasseln, wie es mir im Leben noch nie widerfahren war. Er war nicht dazu geschaffen, seine Gedanken für sich zu behalten, aber andererseits gibt es nichts Besseres als ein bisschen Aufrichtigkeit, um einer Freundschaft zu einem erfolgreichen Start zu verhelfen, und hinterher pflegte ich ihn gelegentlich zu besuchen und mit ihm zu dinieren.

Ich glaube, der alte Knabe fühlte sich einsam, und nach dem Abendessen saßen wir oft beisammen und sprachen über alles unter der Sonne. Manchmal redete er auch über seinen Sohn, für gewöhnlich dann, wenn Mant ihn wieder einmal um mehr Geld angepumpt hatte, und er verurteilte das Verhalten seines Sohnes schärfstens. Was Sir Oscar ganz besonders ärgerte, war, dass er seinem Sohn aufgrund irgendwelcher Fideikommiss-Bestimmungen sein ganzes Geld hinterlassen musste. »Geld«, hatte er einmal geäußert, »ist alles, was für Gerald zählt, und es gibt nichts, was er nicht täte, um es in die Hand zu bekommen.«

Als ich da in dem Eisenbahnabteil saß und auf die dunkle, vorbeihuschende Landschaft hinausschaute, überlegte ich, ob das wohl eine Art Vorahnung gewesen war. Doch wenn der Jagdunfall des alten Herrn ein Mord gewesen war - wie hatte man es bewerkstelligt? Das war die Frage, die an mir nagte - nicht wer?, sondern wie? 

Hätte ich eine Woche Zeit gehabt, die ganze Sache zu vergessen, hätte alles gut ausgehen können, aber unglücklicherweise ging der Tanz gleich am nächsten Morgen los, und von da an gab es kein Zurück mehr.

Ich bewirtschaftete fast 500 Hektar etwa sieben Meilen vor Newbury am Fuße der Downs - vor mir bewirtschaftete mein Vater das Land und ich besitze vorwiegend Milchkühe und Schlachtrinder, Als ich an dem bewussten Morgen zu den Stallungen hinunterging, kam mir Harry, mein Großknecht, schon entgegen, und da wusste ich, dass etwas los sein musste.

»’n Morgen, Mr. John. Diesmal gibt’s aber wirklich Ärger!«, verkündete er voll düsterer Genugtuung.

»Na, was denn?«, fragte ich gereizt, weil er sich so offenkundig diebisch freute.

»Sie kennen doch die Wiese hinter dem Weizenfeld, wo wir sechzehn Stück Vieh haben?«

Ich nickte.

»Tja, ich habe sie dort wegnehmen müssen, weil Sir Gerald die Quelle eingezäunt hat.«

»Aber das kann er doch nicht machen!«

»Schon möglich, dass er’s nicht kann, aber er hat’s gemacht.«

Ich wurde so zornig, dass mir das Blut ins Gesicht stieg, aber da ich wusste, dass sich alles, was ich vor Harry äußerte, noch vor Einbruch der Dämmerung wie ein Lauffeuer im Dorf verbreiten würde, sagte ich bloß, ich würde mal nachsehen gehen. Es fiel mir in dem Moment gar nicht schwer, zu glauben, dass ein Mann, der Wasser zu stehlen imstande war, auch seinen Vater umbringen konnte.

Wie es das Unglück - oder das Schicksal? - so wollte, stand Mant, als ich die Quelle erreichte, auf der anderen Seite der Einzäunung und grinste unverschämt über das ganze Gesicht. Obwohl er mir körperlich überlegen war, wäre ich am liebsten über den Zaun geklettert, um mich mit ihm zu schlagen.

»Was nehmen Sie sich eigentlich heraus?«, herrschte ich ihn an.

Er grinste wie einer, der genau weiß, dass er sich wie ein Lump benommen hat, aber sich nichts daraus macht. »Ich friede mein eigenes Land ein, das ist alles.«

»Sie wissen ganz genau, dass ich immer die Quelle benützt habe!«

»Und ich weiß, dass Sie das in Zukunft nicht mehr tun werden!« So konnte nichts erreicht werden, und deshalb bezwang ich mich. »Hören Sie, Mant, Sie sind noch nicht lange hier, und anscheinend sind Sie sich über die Lage nicht im Klaren«, sagte ich so gemäßigt wie möglich. »Ich will Ihnen offen gestehen, dass ich der Frage noch nie auf den Grund gegangen bin, wem die Quelle nun de facto gehört, und Sie mögen recht haben, dass sich die Quelle de jure auf Ihrem Grund befindet, aber eins ist sicher: Noch vor meines Vaters Zeiten, wahrscheinlich aber schon seit mindestens hundert Jahren, bestand zwischen den beiden Besitzern der Grundstücke die Abmachung, dass beide Seiten die Quelle benützen konnten.«

»Aber die Tatsache bleibt bestehen, dass sie auf meinem Boden entspringt und über mein Land abfließt. Mit anderen Worten, das Wasser gehört mir. Ich will hier Pferde weiden lassen und möchte nicht, dass mir Ihre dämlichen Rindviecher das Wasser verschlammen.«

Ich spürte, wie es in mir hochwallte, aber ich beherrschte mich und unternahm noch einen Versuch. »Bestimmt könnten wir dafür sorgen, dass meine Tiere den Wasserlauf nicht verschmutzen.«

»Da haben Sie völlig recht.«

»Gut. Ich dachte, wir könnten »Ich habe es bereits getan.«

Ich machte einen Schritt auf ihn zu, und er grinste herausfordernd. »Nur zu!«, höhnte er. »Wenn ich Sie zu Brei schlage, soll mich das freuen, und wenn nicht, verklage ich Sie wegen Körperverletzung, aber das spielt weiter keine Rolle, denn das Wasser gehört mir und wird mir weiterhin gehören!«

Er hatte recht; wenn ich es auf eine tätliche Auseinandersetzung ankommen ließ, konnte ich nur den Kürzeren ziehen. Ich war so wütend, dass ich zitterte. »Sie schrecken vor nichts zurück, um das zu bekommen, was Sie wollen, nicht wahr?«

Seine Augen verengten sich, doch mir war schon alles egal. Ich hatte nur das eine Bedürfnis: das hämische Grinsen von seinem Gesicht zu wischen.

»So, wie Sie dieses Land erworben haben!«, schrie ich.

Sein Lächeln verschwand, und als er sprach, klang seine Stimme kalt und gepresst. »Was wollen Sie damit sagen?«

Ich wusste, dass ich bereits zu weit gegangen war, aber die Versuchung, noch weiter zu gehen, war unwiderstehlich. »Ziemlich viel Geld ist Ihnen in den Schoß gefallen, was?«

Und in dem Moment erkannte ich, dass Peter auf der richtigen Spur gewesen war. Mant hätte überrascht oder verwirrt dreinschauen sollen; er hätte zeigen sollen, dass er nicht verstand, was ich meinte, doch stattdessen wurde sein Gesicht völlig ausdruckslos, und ich merkte - denn so etwas merkt man immer -, dass er in Verteidigungsstellung gegangen war. Und das konnte nur eins bedeuten - nämlich, dass er etwas zu verteidigen, etwas zu verbergen hatte.

Er sagte mit tonloser Stimme, in der eine Drohung mitschwang, die weit über die Bedeutung der Worte hinausging: »Ich weiß ja nicht, was für Verrücktheiten Sie sich einbilden, aber ich würde Ihnen raten, sich das aus dem Kopf zu schlagen. Wer weiß, was für Lügen Ihnen mein Vater über mich aufgetischt hat! Bevor er starb, war er schon schwachsinnig. Aber eins möchte ich Ihnen gesagt haben«, und nun lag die Drohung offen in seiner Stimme, »falls Sie Sachen über mich herumerzählen, die mir nicht passen, dann machen Sie sich auf etwas gefasst!«

Er drehte sich um und stapfte ohne ein weiteres Wort über seine Wiese davon und ließ mich wie einen armen Tropf dastehen. Ich konnte gar nichts machen, das wusste ich, und er wusste es auch. Doch als ich so dastand; fiel mir ein, dass ich doch etwas machen könnte. Ich konnte zu beweisen versuchen, dass Peter recht hatte.

Am nächsten Morgen war mir keineswegs leichter zumute, im Gegenteil. Ich konnte eins nicht vergessen, nämlich Mants Miene, als ich darauf angespielt hatte, wie er zu seinem Geld gekommen sei. Irgendetwas stimmte da nicht, stimmte ganz und gar nicht, doch als ich zum Frühstück hinunterging, sah ich mich zufällig im Spiegel, der bei mir in der Diele hängt, und was ich dort erblickte, schien mir nicht der Kerl zu sein, der sich zum Kreuzritter eignet. Ich sah einfach genauso aus, wie die Männer, die man an jedem Markttag zu sehen bekommt, die an einen Zaun gelehnt dastehen und gemächlich den Wert eines Wurfs Ferkel erörtern. Ich bin nicht sehr groß und habe eins von jenen eckigen Gesichtern, die nichts Besonderes sind. Sie wissen schon, so eins, von dem die Leute sagen: Wahrscheinlich langweilig, aber ehrlich. Wenn ich den Mund halten könnte, könnte ich mich möglicherweise für einen starken, schweigsamen Mann ausgeben, aber leider, leider bin ich ein gesprächiger Mensch. Machen wir uns nichts vor: Ich bin ein Landwirt und möchte gar nichts anderes sein. Für mich ist es das höchste der Gefühle, die Hände in den eigenen Weizen zu versenken und die Körner durch die Finger gleiten zu lassen. Das entschädigt mich für vieles.

Ich konsultierte meinen Anwalt wegen Mant und der Quelle, aber er erwies sich als ungefähr so brauchbar wie eine Tonne Blei in einem sinkenden Schiff. Er wusste nur eines positiv: dass ich im Kittchen landen würde, wenn ich etwas ohne seinen Rat unternähme.

Nichts geschah mehr an diesem und dem nächsten Tag, außer dass ich mir den Kopf darüber zerbrach, auf welche Weise Mant seinen Vater ermordet hatte. Am Mittwoch jedoch erfuhr ich von einer alten Bekannten, Priscilla, dass Mant ausstreute, ich hätte ihn bedroht, weil er entdeckt hatte, dass ich ihm dauernd Wasser stahl.

Ich schilderte ihr genau, was sich zugetragen hatte. Sie schüttelte den Kopf. »Mein Lieber, lass dich nicht mit Mant ein«, rief sie. »Es könnte dir schlecht bekommen.«

 

 

 

 

  Drittes Kapitel

 

 

Priscillas Äußerungen stimmten mich sehr nachdenklich. Wenn Mant sich nicht getroffen fühlte - warum jammerte er dann? Dafür konnte es nur eine Erklärung geben: Was ich zu ihm gesagt hatte, kam der Wahrheit schmerzhaft nahe.

Die gleiche Woge der Erregtheit erfasste mich, die ich immer verspüre, wenn der Fuchs aus der Deckung bricht. Die Jagd hatte begonnen!

Da in der Stadt Markttag war, entschloss ich mich, hinzufahren, um mich zu überzeugen, wie weit seine Märchen schon um sich gegriffen hatten. Vor mir selbst rechtfertigte ich den Entschluss damit, dass ich die neue Kuh erwerben könnte, die ich seit einiger Zeit im Auge gehabt hatte.

Der nächste größere Ort, Belbury, etwa drei Meilen von meinem Haus entfernt, hält nichts von so neumodischen Erfindungen wie Eisenbahn, Automobil, Neonlicht und Telefon, und dämmert noch immer selbstgenügsam wie im 18. Jahrhundert dahin.

Ich spazierte ein Weilchen umher, und obwohl mich mehrere Leute sonderbar ansahen, erfuhr ich erst, nachdem ich ein paar alte Freunde getroffen hatte, dass sich Mants Geschichte ziemlich weit herumgesprochen hatte. Ich hätte vor Wut aus der Haut fahren können.

Ich begegnete auch dem Pastor, der sich in seinem üblichen Zustand der Benebelung fortbewegte. Er grüßte mich mit falschem Namen und erinnerte mich daran, dass das Festkomitee unserer alljährlichen Leistungsschau am nächsten Mittwoch zusammentreten würde, und ich erinnerte ihn daran, dass das für Dienstag zutraf. Er sagte: »Ganz recht. Ganz recht. Ganz recht«, und entwich aus meinem Gesichtskreis.

Im Übrigen war nicht viel los, und ich strebte zur Krone, um etwas zu trinken. Bis auf ein Grüppchen von Bauern am Schanktisch, die leidvoll über die Dinge klagten, über die alle Bauern klagen, das heißt über alles - wie ich aus eigener Erfahrung weiß war das Lokal leer. Ich wählte einen Tisch am Fenster, von wo ich hinausschauen konnte, ohne selbst gesehen zu werden. Mants Gerede, merkte ich, machte mir doch allmählich zu schaffen.

Ich saß da und träumte vor mich hin, was bei dieser Gelegenheit bedeutete, dass ich einen neuen großen Schuppen bauen ließ, um an der Erzeugung von Käse reich zu werden, als mir ein Stück meiner Vergangenheit, die ich mit allen Ehren begraben wähnte, auf die Schulter klopfte. Ich schaute auf.

Der Sprung von der Schankstube der Krone auf die heiße, sonnige Terrasse des Hotels Villa Cortina in Sirmione in Italien war für mich zu viel auf einmal, und ich starrte einfach zu dem adretten kleinen Mann empor, der lächelnd neben meinem Tisch stand. Und dann fiel mir alles wieder ein. Mit beträchtlichem Widerstreben streckte ich die Hand aus, die er ergriff und herzlich schüttelte, so als wäre ich sein bester Freund und nicht jemand, der bei unserem letzten Zusammensein gedroht hatte, ihn umzubringen.

»Was für eine Überraschung! Was für eine reizende Überraschung!«, versicherte er mit öligem Lächeln. Für einen Italiener sprach er ein gutes Englisch. Ich sah ihn finster an. Aber trotzdem, ohne ein Wort, zog er sich einen Stuhl heran und setzte sich.

Offensichtlich fasste er meine unfreundliche Miene falsch auf, denn er sagte mit Grabesstimme: »Sie denken vielleicht an meine liebe, bedauernswerte Schwester, nein?«

Ich hatte keine Veranlassung, mich unbehaglich zu fühlen, aber dennoch beschlich mich eine gewisse Beklemmung. »Francesca? Was ist ihr zugestoßen?«

»Sie ist tot.«

Ich war tief erschüttert. Ich hatte eine Schwäche für Francesca gehabt. »Das ist ja furchtbar!«

»Es war entsetzlich.«

»Wieso, was ist passiert?«

»Sie hat Selbstmord begangen.«

»Großer Gott! Weshalb denn?«

»Es war eine Tragödie.«

Ich hatte das Gefühl, dass er von mir ausgefragt sein wollte, und ich konnte mich des Verdachts nicht erwehren, dass mir die Antwort nicht gefallen würde. Ich weiß nicht, warum es mir widerstrebte, das Gespräch fortzusetzen, aber ich tat es trotzdem.