Erhalten Sie Zugang zu diesem und mehr als 300000 Büchern ab EUR 5,99 monatlich.
Der erste Einsatz von Spezialagentin Lara Rose geht schief. Der Hauptverdächtige, Steven Candles, entkommt und so werden die folgenden Wochen und Monate zu einem Katz und Maus Spiel, bei dem Rose an ihre Grenzen gebracht wird.
Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:
Seitenzahl: 430
Veröffentlichungsjahr: 2021
Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:
Für Dagmar
PROLOG
ERSTES KAPITEL
ZWEITES KAPITEL
DRITTES KAPITEL
VIERTES KAPITEL
FÜNFTES KAPITEL
SECHSTES KAPITEL
SIEBTES KAPITEL
ACHTES KAPITEL
NEUNTES KAPITEL
ZEHNTES KAPITEL
ELFTES KAPITEL
ZWÖLFTES KAPITEL
DREIZEHNTES KAPITEL
VIERZEHNTES KAPITEL
FÜNFZEHNTES KAPITEL
SECHZEHNTES KAPITEL
SIEBZEHNTES KAPITEL
ACHTZEHNTES KAPITEL
NEUNZEHNTES KAPITEL
ZWANZIGSTES KAPITEL
EINUNDZWANZIGSTES KAPITEL
ZWEIUNDZWANZIGSTES KAPITEL
DREIUNDZWANZIGSTES KAPITEL
VIERUNDZWANZIGSTES KAPITEL
FÜNFUNDZWANZIGSTES KAPITEL
SECHSUNDZWANZIGSTES KAPITEL
SIEBENUNDZWANZIGSTES KAPITEL
ACHTUNDZWANZIGSTES KAPITEL
NEUNUNDZWANZIGSTES KAPITEL
DREISSIGSTES KAPITEL
EINUNDDREISSIGSTES KAPITEL
ZWEIUNDDREISSIGSTES KAPITEL
DREIUNDDREISSIGSTES KAPITEL
VIERUNDDREISSIGSTES KAPITEL
FÜNFUNDDREISSIGSTES KAPITEL
SECHSUNDDREISSIGSTES KAPITEL
SIEBENUNDDREISSIGSTES KAPITEL
ACHTUNDDREISSIGSTES KAPITEL
NEUNUNDDREISSIGSTES KAPITEL
VIERZIGSTES KAPITEL
EINUNDVIERZIGSTES KAPITEL
ZWEIUNDVIERZIGSTES KAPITEL
DREIUNDVIERZIGSTES KAPITEL
VIERUNDVIERZIGSTES KAPITEL
FÜNFUNDVIERZIGSTES KAPITEL
SECHSUNDVIERZIGSTES KAPITEL
SIEBENUNDVIERZIGSZES KAPITEL
ACHTUNDVIERZIGSTES KAPITEL
NEUNUNDVIERZIGSTES KAPITEL
FÜNFZIGSTES KAPITEL
EINUNDFÜNFZIGSTES KAPITEL
ZWEIUNDFÜNFZIGSTES KAPITEL
DREIUNDFÜNFZIGSTES KAPITEL
VIERUNDFÜNFZIGSTES KAPITEL
FÜNFUNDFÜNFZIGSTES KAPITEL
SECHSUNDFÜNFZIGSTES KAPITEL
SIEBENUNDFÜNFZIGSTES KAPITEL
ACHTUNDFÜNFZIGSTES KAPITEL
NEUNUNDFÜNFZIGSTES KAPITEL
GERMANTOWN
NÖRDLICH VON WASHINGTON D.C.
„Verschwinde endlich, du kleiner Störenfried!“
Special Agentin Lara Rose wischte mit der Hand über ihren rechten Oberarm und vertrieb die Fliege, die sie jetzt schon seit einer guten, halben Stunde ärgerte. Sie atmete tief ein, denn die Luft in dem umgebauten Container, in dem sie sich befand, war alles andere, als gut. Außer ihr waren noch zwölf Personen anwesend, die alle versuchten, keine Geräusche zu machen. Rose sah der Fliege nach, die durch einen der Sehschlitze, die man klugerweise eingeschnitten hatte, um die Luft hereinzulassen, nach und richtete sich dann ein wenig auf, da die kugelsichere Weste, die sie trug, ihr doch etwas zu eng war.
„Bist Du das Vieh endlich losgeworden?“ John Cross, der neben Rose stand, blickte sie lächelnd an. Er war ein Jahr jünger als sie, doch befand er sich noch in der Ausbildung, daher war es ein Risiko gewesen, ihn zu diesem ihren ersten, großen Einsatz, mitzunehmen, doch Rose war sicher, dass er keinen Fehler machen würde. Seine vorgespielte Arroganz war nur Fassade, denn er war eigentlich ein netter und vorbildlicher Kollege, der in den zwölf Monaten, in denen er beim FBI war, schon einige Tatkraft gezeigt hatte. Cross hatte dieselbe Statur wie Rose und seine kleinen, blauen Augen blickten wieder durch die Sehschlitze nach draußen auf die Fabrikhalle, vor der der Container, in dem sie sich befanden, stand. Sie lag im Halbdunkel der Nacht, nur vom nahen Interstate 270 schienen ein paar Lichter herüber, doch das machte nichts aus, da die Kameras, die außen am Container angebracht waren, mit Infrarot arbeiteten, so dass man auf den beiden Bildschirme, die vor ihnen auf dem Klapptisch standen, alles in einem Grünton erkennen konnte, der typisch für diese Geräte war. Vor ihnen saß ein Mitarbeiter der IT-Abteilung, der die Kameras in unbestimmten Abständen alles absuchen ließ, denn ihre Zielperson war noch immer nicht aufgetaucht, was Rose langsam ungeduldig werden ließ. Sie blickte auf die zehn Männer des SWAT-Teams, die neben der schweren Tür standen, die nach draußen führte. Sie hatten alle noch kein Wort gesagt und hielten die Hände fest um ihre taktischen Waffen geklammert, bereit, jederzeit loszubrechen, wenn Rose den Einsatzbefehl gab. Sie hatte sich keine Mühe gemacht, mit einem von ihnen ein Gespräch anzufangen, der Anführer der Gruppe hatte sich vor zwei Stunden, als sie ihren Lauscherposten bezogen hatten nur kurz vorgestellt und seitdem herrschte Ruhe. Ihm schien es nicht zu passen, dass mit Rose eine Frau die Leitung des Einsatzes führte, doch machte ihr das wenig aus. Für sie war es nach zwei Jahren in Washington der erste Einsatz, bei dem sie die Führung hatte und ihr war klar, dass sie heute keinen Fehler begehen würde. Sie hatte zu lange für diesen Moment gearbeitet und Steven Candles war ein zu wichtiger Mann, um ihn am Ende entkommen zu lassen.
Rose blickte wieder auf das Loch, durch das die Fliege entkommen war und drehte sich dann zu Cross. „Sie hat sich endlich aus dem Staub gemacht.“
Cross zeigte wieder die beiden reihen, lupenweißer Zähne, als er lächelte. „Nervös?“
Rose schüttelte den Kopf. „Keineswegs. Ich möchte nur, dass alles vorschriftsmäßig abläuft. Candles ist ein Mann, der den kleinsten Winkel ausnutzen kann, um zu entkommen. Wir haben schon zu lange Jahre darauf gewartet, auf einen Moment, wie diesen.“
Sie blickten wieder auf die beiden Monitore, die an der rechten Seite des Tisches standen. Sie zeigten die Vorderfront der Lagerhalle, deren Eingänge geschlossen waren und vor der in etwa zwanzig Metern Entfernung die zwölf Container standen, in denen sich neben allerlei Schrottwaren, auch die Mitglieder des Einsatzteams befanden, zu dem Rose gehörte.
Der eine Container mehr war nicht aufgefallen, als man ihn vor zwei Tagen hier platziert hatte, sobald die Nachricht eingetroffen war, dass Candles an diesem Abend hier ein Treffen mit einem seiner Informanten haben würde. Ihr Vorgesetzter hatte Rose zu sich bestellt und ihr den Vorschlag gemacht, dass dies ihr erster Außeneinsatz werden würde.
Für sie war es eine Ehre und vor allem ein Zeichen des Respekts ihr gegenüber, denn sie wusste seit ihren ersten Monaten beim FBI was für eine Bedrohung Steven Candles darstellte. Der Mann war Spezialist für Cyberattacken und Beschaffer von Informationen zum Einhacken in jedwedes Sicherheitssystem dieser Welt. Auf der Fahndungsliste des FBI stand er nicht nur ganz oben, sondern noch separiert von den neun anderen Mitgliedern der „Gesuchten Zehn“.
Rose blickte wieder auf den Bildschirm links, der die Eingangstüren am rechten Rand der Halle zeigte. Sie wurde langsam wieder ungeduldig und fuhr sich mit der Hand über die mit einigen Schweißperlen benetzte Stirn. „Langsam kommen mir Zweifel, vielleicht hat uns der Informant doch belogen?“
Sie drehte sich zu Cross, als der IT-Mann auf den anderen Monitor zeigte. „Da kommt ein Wagen!“
Sofort waren alle ruhig und blickten auf den Monitor. Selbst der Anführer des SWAT-Teams kam einen Schritt näher, um einen Blick zu riskieren. Sie sahen einen Pickup, der vom Interstate her die kleine Straße entlang fuhr, die zu der Lagerhalle führte. Der Wagen kreiste einmal um die gesamte Halle und hielt dann vor dem großen Tor auf ihrer Seite. Ein Mann stieg aus und ging zum mit einer Kette verriegelten Tor.
Rose sah, wie er einen Schlüssel aus der Jackentasche holte und im nächsten Moment lag die Kette am Boden, während der Mann das Tor mit einiger Mühe zur Seite schob, bis die Öffnung so breit war, dass der Wagen hineinfahren konnte.
Er hielt in der Mitte der leeren Halle und ein zweiter Mann stieg aus, der sich zu dem Fahrer gesellte. Beide steckten sich eine Zigarette an und einer der beiden blickte auf seine Armbanduhr, dann schüttelte er den Kopf und sagte etwas zu seinem Gefährten.
Cross meinte: „Das scheint nicht Candles zu sein!“
Rose nickte. „Sicher sein Informant, von dem er die Daten kaufen wird. Wir sollten uns langsam bereit machen, es kann nicht mehr lange dauern, bis unsere Zielperson auftaucht.“
Sie holte ihre Waffe aus dem Holster und entsicherte sie, während die Männer des Kommandos ihre Maschinenpistolen durchluden. Cross nahm seine Waffe zur Hand und blickte dann auf Rose. „Hoffentlich geht alles gut.“
Sie nickte ihm lächelnd zu. „Keine Sorge, ich decke deinen Hintern!“
Es herrschte wieder einige Minuten Stille, in denen man die Spannung unter den Beamten spüren konnte. Die Luft war jetzt drückend im Container und das Atmen fiel den Insassen schwer. Rose blickte immer wieder auf die beiden Männer in der Halle, die langsam auf und ab gingen, als endlich der IT-Mann auf den anderen Monitor zeigte. "Ein weiterer Wagen kommt vom Highway.“
Rose trat einen Schritt vor und blickte auf den Bildschirm, wo jetzt ein zweiter Wagen, ein Caddie sichtbar wurde, der langsam auf die geöffnete Schiebetür der Halle zufuhr. Er machte sich keine Mühe, die Gegend auszukundschaften, sondern fuhr geradewegs auf die beiden Männer zu, die jetzt nebeneinander bei ihrem Wagen standen, um auf den Ankömmling zu warten. Der Wagen hielt einige Meter vor ihnen, dann öffnete sich die Fahrertür und eine hohe, breitschultrige Gestalt stieg aus.
Rose beugte sich leicht hinunter, um ihr Gesicht näher an den Monitor zu bringen, doch nahm ihr der Kollege der IT-Abteilung die Arbeit ab. „Die Gesichtserkennung ist eindeutig. Es ist Candles!“
Rose drehte sich zu den Männern des Einsatzkommandos.
„Alles bereit?“
Die Männer nickten und hielten ihre Waffen schussfertig vor den Körpern. Rose und Cross gingen an ihnen vorbei und öffneten vorsichtig die Tür des Containers, die in weiser Voraussicht noch vorgestern gut eingeölt worden war, um kein Geräusch zu machen. Sie öffnete sich auch ohne Probleme und die zwölf Schatten huschten aus dem Container auf die rechte Seite, von der aus sie aus der Halle nicht gesehen werden konnten. Wie eine Ameisenkolonne schlichen die Mitglieder des Kommandos hintereinander auf die Seitenwand der Halle zu, ohne ein Geräusch zu verursachen. Rose und Cross waren vorneweg und erreichten die Schiebetür, wo wie stehenblieben und Rose mit vorgehaltener Waffe vorsichtig in das Innere des Gebäudes schielte.
Candles drehte ihr den Rücken zu, doch selbst sie wusste, dass er es war. Die Figur war unverkennbar. Er redete mit den beiden Männern, die anscheinen südamerikanischer Herkunft waren. Sie unterhielten sich so leise, dass Rose nichts verstehen konnte, doch das spielte keine Rolle. Sie drehte sich noch einmal zu ihren Kollegen um und nickte ihnen zu, dann wandte sie ihre ganze Aufmerksamkeit auf die Gruppe in der Halle.
Eben langte einer der Südamerikaner in seine Jackentasche und holte einen kleinen Gegenstand heraus, der sehr nach einem USB-Stick aussah. Er streckte die Hand aus und reichte ihn Candles, der gerade zugreifen wollte, als hinter ihm die laute Stimme von Rose hallte.
„Keine Bewegung, FBI!“
Die beiden Südamerikaner blickten auf die geöffnete Hallentür, wo jetzt die zwölf Bundesbeamten in einer Reihe standen, die Waffen schussbereit ausgestreckt. Candles machte keine Bewegung und auch keine Anstalt, sich umzudrehen. Er wartete eine Sekunde, dann duckte er sich mit einer schnellen Bewegung nach unten und sprang mit einem Satz, den Rose nie für möglich gehalten hätte, hinter den Wagen seiner Kumpane, wo er sofort aus ihrem Blickfeld verschwand. Die beiden Südamerikaner griffen in ihre Jacken, in denen sie Waffen versteckte hatten und Rose schrie: „Keine Bewegung, sonst schießen wir!“
Die beiden Männer lachten und sprangen nun ebenfalls in verschiedene Richtungen auseinander. Die Mitglieder des SWAT-Teams eröffneten sofort das Feuer, während Cross und Rose an der rechten Seite der Halle entlangliefen, in deren gegenüber liegenden Ecke Candles in einem Gang verschwunden war. Rose achtete nicht mehr auf die Geschehnisse, die sich hinter ihr abspielten, die lief geduckt auf die Tür zum Gang zu, mit Cross hinter sich. Sie erreichte die Tür und blieb kurz stehen, während sie Atem holte, dann lugte sie um die Ecke und blickte wieder in einen langen Gang, an dessen Seiten geöffnete Türen in Lagerräume führten. Sie konnte in dem diffusen Licht nicht erkennen, wo Candles war, auch konnte man nichts hören. Der Mann hatte seinen Atem unter Kontrolle, während Cross und Rose schwer pusteten. Rose trat einen Schritt in den Gang, gefolgt von Cross. Sie begannen, die einzelnen Türen zu kontrollieren, wobei einer dem anderen immer Deckung gab. Doch mit jedem Raum wurde ihre Enttäuschung größer, denn Candles war nirgends zu erblicken. Rose verlor schon die Hoffnung, als sie vor der letzten Tür, die geschlossen war, stehenblieben.
Sie nickte Cross zu, der mit einer gewaltigen Bewegung die Tür auftrat und im nächsten Moment stand Rose im Türrahmen und hielt die Waffe schussbereit in den ausgestreckten Händen. Am Ende des Raumes führte eine weitere Tür wieder ins Freie und neben der Tür befanden sich einige Kisten mit Waren, hinter denen eine Gestalt geduckt gekauert hatte. Die Gestalt richtete sich schnell auf und gab zwei Schüsse ab, die jedoch in der Decke landeten, dann huschte sie durch die Tür, wobei sie einen Moment in die Knie ging und dann sofort weiterrannte. Rose hatte ebenfalls zwei Schüsse abgegeben und war der Meinung, dass sie einmal getroffen hatte, als der Mann in die Knie ging. Diese Erkenntnis ließ sie einen Moment zögern, so dass Cross an ihr vorbei sprang und einige Meter Vorsprung gewann.
„Wir haben ihn!“
Er rannte auf die Tür zu und Rose hielt sofort inne, denn jetzt sah sie in dem schwachen Licht, warum Candles gekniet hatte. In der Tür war ein kleiner, silberner Draht gespannt, dem sich Cross nun schnell näherte. Rose ging in die Knie und rief: „Nicht weiter, Sprengfalle!“
Doch es war zu spät, Cross erreichte die Tür und sein rechter Fuß riss den Draht durch. Im nächsten Moment gab es einen hellen Lichtblitz und einen Knall, der die Ruhe durchbrach.
Rose sah nur noch, wie Cross durch die Luft in ihre Richtung geschleudert wurde, dann riss die Druckwelle der Explosion auch sie zu Boden. Rauch und Teile der Wand flogen umher und nahmen ihr die Sicht, während sie mit den Händen vor ihrem Körper am Boden Schutz suchte. Es dauerte nur wenige Sekunden, dann hatte sich der Rauch verzogen und die Reste der Halle gaben ein Knarren von sich, bei dem Rose meinte, die ganze Halle würde einstürzen, doch das passierte nicht.
Sie richtete sich schwer atmend auf und suchte mit der rechten Hand ihre Waffe, die ihr entfallen war. Sie fand sie schnell und dann suchte sich mit blutunterlaufenen Augen den Raum nach Cross ab. Sie fand ihn schließlich unter einem Haufen Trümmerteile, die sie schnell zur Seite räumte, während sie ihre Waffe in den Holster steckte. „John, können Sie mich hören?“
Ein Stöhnen bestätigte ihr, dass ihr Kollege noch am Leben war. Sie räumte die letzten Teile zur Seite und blickte auf den mit Staub übersäten Körper ihres Mitarbeiters. Er blutete aus einer aufgeplatzten Lippe und seine Augen waren geschlossen. Die kugelsichere Weste war gerissen und eine weitere Wunde zeigte sich an der linken Hüfte, die stark blutete. Rose drückte ihre Hände aus Ermangelung einer Kompresse auf die Wunde und stoppte so die Blutung, während hinter ihr Schritte laut wurden. Der Leiter des SWAT-Teams kam in den Raum, die Waffe an der Seite hängend.
„Die beiden anderen Typen haben wir erledigt.“
Rose drehte sich nicht um. „Tot?“
„Ja, und wie lief es bei Ihnen?“
„Das sehen Sie ja, mein Kollege braucht dringend einen Krankenwagen.“
„Ich gebe die Meldung gleich raus. Und was ist mit Candles?“
Rose senkte den Kopf. „Der ist abgehauen!“
Der Leiter des Einsatzkommandos konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. „Dann haben Sie es verbockt!“
Rose wandte sich kurz um und blickte ihn ernst an. „Rufen Sie jetzt endlich den Krankenwagen!“
Der Mann drehte sich um und griff zu seinem Funkgerät, während Rose ihre Hände weiter auf die Wunde drückte.
Nach einigen Minuten öffnete Cross die Augen und blickte sie lächelnd an. „Alles klar, Chefin!“
Sie erwiderte das Lächeln und wischte sich den Staub aus dem Gesicht. „Alles in Ordnung, der Krankenwagen ist schon unterwegs. Versuchen Sie, sich nicht zu bewegen.“
Cross nickte und schloss wieder die Augen, während Rose sich aufrichtete und den Kopf schüttelte. „Das war ja ein toller, erster Außeneinsatz!“
Sie schüttelte erneut den Kopf, während im Hintergrund die Sirenen der Einsatzkräfte laut wurden.
„Wo ist Candles?“
Rose antwortete: „Der macht sich wahrscheinlich gerade auf den Weg über den Potomac, um aus dem Staat zu verschwinden.“
DAS GRENZGEBIET ZWISCHEN DEN
VEREINIGTEN STAATEN VON AMERIKA UND MEXIKO IN
DER NÄHE VON LAREDO, TEXAS
Der Rio Grande, der Grenzfluss zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und Mexiko zog sich nördlich von Laredo wie eine Schlange in mehreren Linkskurven flussaufwärts, ehe er in einer geraden Linie genau durch Laredo führte, um südlich davon einen großen Bogen nach rechts zu machen.
Der Fluss war von jeher ein wichtiger Versorger der Bevölkerung und in den letzten Jahren durch die anhaltenden Dürren und den Klimawandel so weit gesunken, dass man ihn an fast jeder Stelle bequem zu Fuß durchwaten konnte, was für die Flüchtlingsströme, die es bis hierher schafften, natürlich einfach machte. Der Grenzzaun, den der letzte US-Präsident sich in den Kopf gesetzt hatte, war nur an wenigen Stellen richtig geschlossen und in Texas bestand er fast nur aus normalem Maschendraht, oder keiner Sperre, da für die meisten Menschen wie in früheren Zeiten, der Fluss die natürliche Grenze war. Zwar machten die Grenzbehörden beider Seiten ihre regelmäßigen Streifen entlang des Flusses, doch bei einer tausende Kilometer langen Grenze war es natürlich ein Ding der Unmöglichkeit, jeden illegalen Übertritt zu verhindern. Außerdem gab es schon außerhalb der Städte genug Stellen, die fast nie oder nur selten kontrolliert wurden, da die meisten Übertritte eher weiter im Süden stattfanden, als hier oben.
Es war gegen 23 Uhr und die Sonne hatte schon ihre letzten Strahlen über die nun glitzernde Oberfläche des Flusses gesandt, als nur noch die Geräusche der Tierwelt zu hören waren. Hier, etwa dreißig Meilen nördlich von Laredo machte der Rio Grande den ersten, weiten Bogen nach links, um dann in nordwestlicher Richtung, flussaufwärts gerechnet natürlich, sich weiter in Richtung seines Quellgebietes zu erstrecken. In der Nähe führte die Interstate 69 W vorbei, die zu dieser späten Stunde auch nur schwach befahren war, so dass die Natur jetzt die Oberhand über die Geräusche der Nacht hatte.
Straßen oder Wege führten hier keine an den Fluss, die meisten Flüchtlinge benutzten einfache Trampelpfade, wenn sie die Vereinigten Staaten erreicht hatten, um dann in einer der kleineren Städte im Umkreis zu versuchen, Obdach und einen Job zu bekommen. Die beiden Flussseiten wurden von nur wenigen Kaktuspflanzen bedeckt, ansonsten war nur Grasbewuchs vorhanden, der zum hier recht steilen Ufer hin weniger wurde. Die Oberfläche des Rio Grande wurde nun vom aufziehenden Vollmond beleuchtet und man hatte fast das Gefühl, wieder in einer alten, fast vergessenen Zeit zu sein, in der hier in dieser Gegend nur die Ureinwohner mit ihren Pferden die Herren der Welt gewesen waren.
Der Mann, der vor zwanzig Minuten durch den Fluss gewatet war, saß rauchend an eine der Kakteen gelehnt und blickte ein weiteres Mal auf seine Uhr. Er hatte die Grenze schon so oft überschritten, dass er inzwischen wusste, wann und wie viele Grenzbeamten an dieser Stelle vorbeikamen. Es war immer dieselbe Runde mit den gleichen zwei Polizisten. Die beiden hatten anscheinend einen geregelten Tagesablauf, was für seine Zwecke natürlich perfekt war. Sie befanden sich jetzt, wie er durch einen Kontaktmann in Laredo erfahren hatte, in einem der zahlreichen Kaffeeshops an der Interstate, wo sie ihre erste längere Pause machten, ehe sie dann den südlichen Teil der Stadt kontrollierten, so dass er jetzt mindestens drei Stunden Ruhe hatte, ehe hier wieder ein Beamter auftauchen würde.
Ein Kojote jaulte in der Nähe seine Klagen in die Nacht, als ein anderes Geräusch laut wurde, der Motor eines Wagens. Der Mann, ein untersetzter Kerl Ende der 20 mit einer langen Narbe über der rechten Wange, erhob sich und warf die Zigarette in die Fluss, wo sie mit einem leisen Zischen verglühte. Er verschränkte die Arme vor der Brust und blickte auf den kleinen, ausgetretenen Trampelpfad, den man leicht mit einem Vierradantrieb bewältigen konnte, den hier in der Gegend ohnehin jeder Autobesitzer innehatte.
Die Scheinwerfer des Wagens wurden sichtbar, ehe sie einen Moment später gelöscht wurden, im nächsten Augenblick hielt der Wagen etwa dreißig Meter vom Ufer entfernt und der Motor wurde abgestellt. Der Mann hörte, wie eine Person ausstieg und die Tür ohne Rücksicht auf die Stille einfach zuschlug, auch er musste wissen, dass im Moment nur er und der Mexikaner anwesend waren. Die Gestalt kam langsam und mit Kenntnis des Weges sicher auf ihn zugeschritten und blieb nur zwei Meter von ihm entfernt stehen. Der Mexikaner lächelte und ließ die Hände sinken.
„Guten Abend, Senior!“
Steven Candles richtete seine stahlblauen Augen auf den Mann und sein zerfurchtes Gesicht, das sein Alter Ende der 50 klar werden ließ, setzte sich in Falten. Er hob eine Hand grüßend und ließ sie dann wieder sinken, ehe er das Wort ergriff.
„Eine ruhige Nacht für einen Ausflug über die Grenze!“
Der andere nickte. „Die Gesetzeshüter machen wieder ihre übliche Runde und werden uns nicht stören. Das war aber vor einigen Tagen anders in Washington, wie ich gehört habe.“
Candles senkte leicht den Kopf. „Eine unwichtige, kleine Verschiebung unserer Pläne. Das FBI war schon so lange hinter mir her, dass ich schon fast die Anwesenheit von den Kerlen vergessen habe.“
„Wissen Sie schon, wer Sie verraten hat?“
Candles schüttelte den Kopf. „Das spielt auch keine Rolle.
Meine Pläne sind gemacht und werden auch durch das FBI nicht gestört. Ganz im Gegenteil, ich rechne sogar mit der Mitarbeit der Beamten. Ohne sie kann der Plan nicht klappen und ich habe da noch eine alte Rechnung zu begleichen, die ich schon seit Jahren mit mir herumtrage.“
Der Mexikaner griff in seine Hosentasche und überreichte dem Anderen einen USB-Stick. „Hier, Senior!“
Candles nahm den Stick und betrachtete ihn genau. „Alles darauf?“
„Selbstverständlich, alle Zugangsdaten, die Grundrisse der Gebäude und die Sicherheitscodes für den gesicherten Bereich im Inneren. Die Überwachungsmethoden dieser Gebäude stammen anscheinend noch aus dem letzten Jahrhundert, da käme sogar ein Taschendieb ohne größere Probleme hinein. Die Amerikaner nehmen es anscheinend nicht so genau.“
Candles nickte. „Immer erst, wenn etwas passiert. 2001 war da ein Musterbeispiel dafür. Danach sind sie erst darauf gekommen, die Überwachung auszubauen und die Systeme zu erneuern. Aber seitdem schlafen sie wieder in ihrem sicheren Schlaf. Ein System, das 20 Jahre alt ist, kann jeder übertölpeln.“
„Warum wollen Sie ausgerechnet in dieses Gebäude?“
Candles antwortete: „Erstens ist es nur eine kleine Zweigstelle der Firma, außerdem ist in Boulder, Nevada die nächste größere Stadt Denver und genau dort sitzt der Mann, auf den ich es abgesehen habe. Es muss dort passieren, sonst wird der Plan nicht klappen.“
Der Mexikaner lächelte. „Es gibt nichts Schöneres, als Rache.“
„Das ist richtig, doch muss man den Moment der Rache so einrichten, dass man selbst den Vorteil hat und aus der Situation verschwinden kann, ohne selbst dabei Schaden zu nehmen.“
„Das sollte mit diesem Plan nicht schiefgehen.“
Candles steckte den Stick jetzt endlich ein und blickte sich um.
„Nichts zu sehen. Alles ist ruhig. Wie stehen die Dinge in Mexiko?“
Der andere zuckte mit den Achseln. „Die Behörden sind immer noch damit beschäftigt, den falschen Spuren zu folgen, da droht uns keine Gefahr. Das große Ziel ist also in Reichweite. Das Treffen soll in zwei Monaten stattfinden.“
„Wo?“
„Das wurde noch nicht festgelegt, aber auf alle Fälle in einem der Südstaaten. Nicht zu weit vom Meer entfernt, Sie wissen, ja, die Zielperson reist gerne mit dem Boot an.“
Candles nickte. „Perfekt, dann sollte ja alles so laufen, wie wir es erwartet haben.“
„Genau, Senior!“
Von der Ferne hörte man das laute Motorengeräusch eines Trucks, der in Richtung Norden fuhr und der Mexikaner meinte: „Ich mache mich jetzt wieder auf den Weg über die Grenze. Wenn Sie wieder etwas brauchen, dann melden Sie sich über die üblichen Kanäle.“
„Bis jetzt habe ich alles, was ich wollte. Wenn die Dinge so laufen, wie wir geplant haben, dann sehen wir uns erst in zwei Monaten wieder am großen Tag.“
„Leben Sie wohl, Senior!“ Der Mexikaner drehte sich um und sprang mit einem weiten Satz in den hier nur knietiefen Fluss, dann watete er ohne große Eile an das andere Ufer, um dort hinter einigen großen Sträucher aus dem Blickfeld zu verschwinden. Candles blickte ihm noch einige Minuten nach, dann atmete er tief durch und machte sich dann auf den Weg zurück zu seinem Wagen. Dort angekommen stieg er ein und machte die kleine Lampe über dem Rückspiegel an. Er holte den Stick aus seiner Jackentasche und steckte ihn in ein Gerät, das neben ihm auf dem Beifahrersitz gelegen hatte. Es war mit einem kleinen Bildschirm ausgestattet, der für seine Zwecke völlig ausreichte. Candles aktivierte das Gerät und kontrollierte dann den Inhalt des Sticks, der zu seiner vollsten Zufriedenheit ausfiel. Er lächelte wieder, dann schaltete er Gerät und Lampe aus und schnallte sich an. Er war selbst beim Fahren ein vorsichtiger Mann, der nichts dem Zufall überließ und selbst der kleinste Zufall konnte einem Mann immer zum Verhängnis werden.
Candles startete den Motor und fuhr erst ein Stück rückwärts, ehe er eine Stelle erreichte, wo er den Wagen ohne Probleme wenden konnte. Dann erst schaltete er die Scheinwerfer wieder ein und kam so unbemerkt an den Interstate Highway, auf dem zu dieser Zeit kein Verkehr herrschte. Auch deswegen hatte er diese Gegend ausgesucht, weil hier keiner auch nur einen Gedanken verschwendete, an Wagen die hier auftauchten und wieder verschwanden. Die Leute in dieser Gegend kümmerten sich um ihre eigenen Dinge und das war Candles immer recht. Er blickte nach beiden Seiten der Straße und lenkte den Wagen dann in ruhigem Tempo darauf. Ein Lächeln fuhr wieder über seine Lippen.
„Lasst die Spiele beginnen!“
WASHINGTON D. C.
Der Box-Sack hatte schon einiges einstecken müssen, doch heute wurde er stark malträtiert. Die Schläge der roten Boxhandschuhe hämmerten von allen Seiten auf ihn ein und er schwang hin und her, als ob er wie ein lebendiger Gegner den Treffern ausweichen wollte. Doch es nützte nichts, immer wieder kamen Einzeltreffer, dann Doppeltreffer und machten das Leder an den ersten Stellen brüchig. Ein weiteres Mal schwang der Sack nach hinten und dieses Mal schlug die rechte Faust mit der ausholenden Bewegung weit vorbei.
Rose wurde durch die Wucht ihres Hiebes einmal um die eigene Achse gedreht und blieb endlich schwer atmend stehen. Sie ließ die Arme sinken und wischte sich mit dem Ellbogen über die schweißbedeckte Stirn. Seit einer halben Stunde hämmerte sie auf den Sack ein und erst jetzt fühlte sie zum ersten Mal das Gefühl, ausgepowert zu sein.
Normalerweise kam das schon nach einer Viertelstunde, doch der Ärger über den verpatzten Einsatz vor einigen Tagen lag ihr noch immer stark auf der Seele. Seit sie nach Washington versetzt worden war, bestand ihr Ritual jeden Tag, außer Sonntag, aus derselben Morgenroutine.
Nachdem sie in ihrer Wohnung im Lyon Village aufgewacht war, duschte sie kurz, zog sich ihre Trainingssachen an, nahm die Tasche mit ihrem Dienstanzug und lief die paar hundert Meter zu dem Box-Klub, der sich im selben Stadtteil befand.
Sie hatte ihn schon in den ersten Tagen gefunden und die familiäre Atmosphäre hatte ihr sofort zugesagt. Nur wenige Leute befanden sich in diesen frühen Morgenstunden schon zum Training hier und so hatte sie ihre eigene Ecke, wie sie sie nannte, mehr oder weniger für sich alleine, während die paar anderen Männer, die sich mit ihr hier befanden, schon die ersten Runden in den drei Box-Ringen absolvierten, die in der Mitte der großen Halle aufgebaut waren. Rose arbeitete lieber mit dem Box-Sack, der konnte sich nicht wehren und sie konnte in aller Ruhe ihre Aggressionen an ihm auslassen.
Bis jetzt hatte keiner der anderen Trainingsanwesenden versucht, mit ihr in ein Gespräch zu kommen und das war ihr immer am Liebsten. Sie genoss die Ruhe und das Alleinsein, mit sich und ihren Gedanken.
Jetzt kam sie langsam wieder zu Atem und blickte auf die große Hallenuhr, die sich über der Tür zu den Duschräumen befand. Sie zeigte kurz vor sieben Uhr morgens und Rose zog sich mit einer gekonnten Bewegung die beiden Handschuhe aus, warf sie über den für sie reservierten Haken an der Wand und ging zu den Sanitärräumen. Dort duschte sie ausgiebig, warf dann die durchgeschwitzten Trainingssachen in ihre Sporttasche und zog sich den schwarzen Dienstanzug an, mit dem sie dann zur Arbeit ging. Sie nickte dem Mann zu, der mit einem Eimer und Wischlappen in einer der Ecken sauber machte und marschierte dann, die Trainingstasche in der linken Hand, aus der Sporthalle. Draußen angekommen, sog sie die frische Morgenluft durch die Lungen und blickte auf die Straße, wo sich der Verkehr noch in Grenzen hielt. Sie fuhr in den meisten Fällen mit dem gleich vor der Halle haltenden Bus zur Arbeit, denn sie hatte sich nicht die Mühe gemacht, einen eigenen Wagen zu besorgen. Wenn es möglich wurde, durch einen Einsatz oder ähnliches, dann konnte sie jederzeit einen Wagen aus dem Fuhrpark des FBI bekommen, die in der großen Garage unterhalb des Büros bereit standen.
Ansonsten zog sie es vor, ihre Wege entweder zu Fuß oder mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zurückzulegen. Heute war ihr der Sinn nach einem langen Spaziergang. Sie wandte sich in Richtung Osten und ging langsamen Schrittes auf die Brücke zu, die hier über den Potomac führte. Sie erreichte kurz vorher ein kleines Bistro, das von einem alten französischen Pärchen geleitet wurde, kaufte sich dort ihren Latte Macchiato und schlenderte dann, ab und zu an dem Kaffee nippend, über die Brücke in Richtung des Regierungsviertels, in dem sich auch das Büro des FBI befand, in dem sie ihren Dienst versah. Die Luft war noch frisch und Rose kam langsam wieder zu Atem, während ihr Puls sich in Richtung der 70 Schläge normalisierte, die sie sich antrainiert hatte. Sie leerte die Reste des Bechers, noch ehe sie den Eingang zu dem unscheinbaren Glas- und Betonbau erreichte, der auch ihr Büro beherbergte, warf ihn in einen der neben dem Eingang stehenden Mülleimer und betrat die große Eingangshalle, wo sich die erste Kontrollstelle befand, an der sie ihren Dienstausweis zücken musste, um ins Innere des Heiligtums zu gelangen. Ganze drei Stellen musste man passieren, ehe sie in ihr kleines Büro im dritten Stock des Gebäudes erreichte. Sie nickte den wenigen Beamten zu, die sich zu dieser frühen Stunde schon hier befanden, ließ sich von einer der Sekretärinnen die Nachtberichte geben, die heute nicht sehr umfangreich waren und ging dann die lange Reihe der Schreibtische entlang, an denen die unteren Ränge der Beamten ihren Dienst versahen. Am Ende des Ganges lagen vier Büros, in denen die Spezialagenten ihrer Abteilung ihr kleines, privates Reich hatten. Ihr Büro lag ganz rechts am Rand, hatte außer Schreibtisch, Aktenschrank und einer kleinen Grünpflanze nur das obligatorische Fenster mit Blick auf den Fluss, was für sie ein beruhigendes Zeichen war, wenn der Stress mal all zu groß wurde. Sie stellte die Sporttasche in eine Ecke des Raumes, nahm auf dem angenehm weichen Bürostuhl Platz und legte die Berichte der Nachtschicht vor sich auf den Tisch. Sie öffnete den obersten Knopf ihrer Anzugjacke und lehnte sich zurück. Dann widmete sie sich eine Viertelstunden den Berichten in der Akte, die nichts Wichtiges enthielten, außer den normalen Meldungen einiger Kontaktleute aus den westlichen Staaten über eine Bande von Waffenschmugglern, die über die Kanadische Grenze eine große Ladung Sturmgewehre für eine rechte Gruppierung in der Nähe von Los Angeles herüber gebracht hatte, ehe sie von einem Einsatzteam des dortigen Büros hochgenommen worden war.
Rose las den Bericht zu Ende, setzte dann ihren Stempel mit der Bemerkung „Gelesen“ darunter und unterzeichnete ihn, ehe sie die Akte in den Kunststoffbehälter rechts von ihr legte, in dem sich die gelesenen Dokumente befanden, die nachher von einer der freiwilligen Mitarbeiterinnen, die hier ihre Studienzeit abarbeiteten, um nebenbei ein paar Dollar zu verdienen, abgeholt wurde, um dann schließlich im Archiv zu verschwinden. Rose lehnte sich kurz vor und blickte auf die kleine Standuhr auf dem Tisch. Noch nicht einmal acht Uhr und sie fühlte sich schon gelangweilt. Seit dem Einsatz gegen Candles hatte sie immer wieder nachgedacht, was schiefgelaufen war. Hatte er Lunte gerochen, oder von vornherein gewusst, dass das FBI ihm auf die Schliche gekommen war? Jeden Tag stellte sie sich diese Fragen und jeden Tag gab es keine Antwort. Candles war ihnen schon einige Male durch die Finger geschlüpft und so nach wie beim letzten Mal waren sie ihm schon seit Jahren nicht mehr gekommen. Der Fehlschlag wurde ihr angelastet, als Leiterin des Einsatzteams und ausgerechnet der erste Einsatz war schiefgegangen. Für sie war das der größte Schlag, den man ihr versetzen konnte. Sie hatte schon insgeheim damit gerechnet, versetzt zu werden, doch eigenartigerweise war nichts passiert. Sie hatte weiter ihren Dienst versehen und nicht einmal ihre Kollegen im Büro hatten auch nur eine dumme Bemerkung oder einen blöden Scherz darüber gemacht. Jetzt saß sie da und überlegte, was der Tag bringen würde, als das Telefon auf ihrem Schreibtisch klingelte und sie sofort abnahm.
„Spezialagentin Rose hier!“
Sie erkannte die Stimme einer der Studentinnen, die als Sekretärin hier arbeitete. „Judy hier, es gibt Nachrichten von Cross.“
„Und?“
„Es sieht gut aus.“
„Wirklich?“
„Ja, er kann morgen das Krankenhaus verlassen und wird dann für einige Zeit in den Innendienst versetzt. Die Verletzungen sind komplett auskuriert und es sieht so aus, als ob er bald wieder mitmischen kann.“
Rose lehnte sich erleichtert zurück. „Das sind doch schon einmal gute Nachrichten. Hat er noch etwas gesagt?“
„Ja, das er sich freut, bald wieder mit Dir zusammen Arbeiten zu können.“
„Vielen Dank!“
„Sehr gerne und Dir einen schönen Tag!“
Rose legte auf und schloss für einen Moment die Augen.
Cross war an jenem Abend verletzt worden durch die Sprengfalle, doch glücklicherweise hatte die kugelsichere Weste den größten Schaden verhindern können. Außer einer schweren Rippenprellung hatte er noch eine Gehirnerschütterung und zahlreiche Kratzer und blaue Flecken erlitten, im Gegensatz zu Rose, die nicht einmal eine Schnittwunde verzeichnet hatte. Jetzt war er also wieder auf dem Weg der Besserung und sie freute sich, bald wieder mit ihm zusammenarbeiten zu können. Rose lächelte und widmete sich dann wieder ihrer Arbeit. Eine der Sekretärinnen brachte ihr jetzt einen ganzen Stapel mit Berichten aus den nördlichen Bundesstaaten, die sie ebenfalls mit Sorgfalt durchlas und dann ihren Stempel daruntersetzte.
Gegen Mittag nahm sie in der Kantine im Erdgeschoss einen kleinen Imbiss ein, ehe sie die restlichen Stunden ihrer Dienstzeit des Tages wieder mit dem Wälzen von Akten hinter sich brachte.
Gegen 16 Uhr verließ sie dann mit der Masse der Mitarbeiter das Gebäude und machte sich auf den Nachhauseweg.
Während dieser Viertelstunde erledigte sie dann noch ihre wenigen Einkäufe, die meist nur aus dem bestanden, was sie am Abend noch zu sich nahm. Dann ging sie entweder noch eine Runde im nahegelegenen Park, in dem sich zu dieser Zeit wieder zahlreich Jogger oder Hundebesitzer befanden, setzte sich entweder auf einer der Bänke an dem großen Teich in der Mitte des Parks, oder ging schnurstracks nachhause.
Heute war ihr nach ein wenig Ruhe und sie saß noch etwa eine halbe Stunde am Teich, ehe sie sich in Richtung ihrer Wohnung machte.
HEIGHT APPARTEMENTS
LYON VILLAGE
WASHINGTON D. C.
Die North Highland Street zog sich parallel zum Potomac etwa zweihundert Meter entfernt von Norden nach Süden. Genau im Zentrum der Straße lag der Gebäudekomplex, in dem sich das Appartement von Rose befand. Sie öffnete die Haustür und blickte nur kurz in den Briefkastenschlitz, da die meiste Post, die sie bekam, über das Büro lief und so fast ausschließlich nur Werbung in ihrem Privatbriefkasten landete. Sie stieg die bequemen Stufen in den zweiten Stock hinauf und öffnete die Tür zu ihrem, kleinen Reich. Die Wohnung war nicht sehr groß, doch für ihre Zwecke reichte sie vollkommen. Rose war noch nie ein Mensch mit hohen Ansprüchen, was Einrichtungsgegenstände betraf und so wirkte ihr Heim schon fast spartanisch. Sie legte ihre Anzugjacke über die Lehne der Wohnzimmercouch und befreite sich vom Waffenholster, das heute wie Blei an ihr hing. Die Waffe hatte sie seit dem Abend, an dem ihr Candles entkommen war, nicht mehr benutzt, obwohl seitdem zwei Schießtests angestanden hatten, bei denen sie jedoch eine der Waffen benutzt hatte, die von den Schießtrainern zur Verfügung gestellt wurden. Sie ging zum Kühlschrank ihrer kleinen Küche, öffnete ihn und nahm eine Flasche Perrier heraus, die sie zur Hälfte leerte. Dann verstaute sie ihre durchgeschwitzten Trainingssachen in der Waschmaschine, die sich ebenfalls in der Küche befand und ließ das Programm durchlaufen. Sie öffnete den obersten Knopf ihrer weißen Bluse und setzte sich auf die Wohnzimmercouch, wo sie sich anlehnte und die Augen schloss. Noch immer kreisten ihre Gedanken um den Einsatz, den sie zu verantworten hatte und der Gedanke, wie sie wieder auf die Spur von Candles kommen konnte.
„Ich dachte schon, dass es heute länger dauern könnte!“
Rose öffnete die Augen und drehte den Kopf zum geöffneten Wohnzimmerfenster, das zur obligatorischen Feuerleiter führte. Dort stand mit einem Lächeln im Gesicht, eine etwa dreißigjährige, hochgewachsene Frau mit schwarzen, kurz gelockten Haaren und Augen, die so grün waren, dass man es sogar auf diese Entfernung genau sehen konnte. Sie trug Freizeitkleidung und hatte eine Flasche Sekt in der Hand. Sie duckte sich leicht, um durch den Fensterrahmen in die Wohnung zu gelangen und blieb dann vor Rose stehen, die sie ruhig anblickte.
„Den kannst Du wohl jetzt brauchen!“ Sie hob die Flasche leicht und ging dann in die Küche, um zwei Gläser zu holen, ehe sie die Flasche auf dem Tisch entkorkte und dann einschenkte. Dann setzte sie sich Rose gegenüber auf den kleinen Schemel, auf dem Rose abends ihre Füße entspannte, wenn sie ab und zu einmal den Fernseher einschaltete. Rose beugte sich vor und nahm eines der Gläser.
„Ja, den kann ich jetzt brauchen.“
Sigourney Rouse prostete ihr zu und sie leerten die Gläser auf einen Zug. Dann stellten sie beide auf den Tisch und schwiegen eine Weile. Sigourney war kurz nach Rose in diesen Bau gezogen und die beiden Frauen hatten sich auf Anhieb gut verstanden. Rouse arbeitete in einer IT-Firma gleich zwei Blocks weiter und war ein Ass auf ihrem Gebiet.
Sie hatten sich beim Einkaufen kennengelernt und waren dann einige Male in die kleine Bar im Erdgeschoß des Hauses gegangen, das sich neben dem ihren befand.
Rouse war eine der wenigen Personen, denen Rose ihre Sorgen erzählte, ansonsten erfuhr niemand von ihren Problemen oder Nöten. Im selben Zug erzählte auch Rouse von ihren Sorgen und so waren die beiden Frauen schnell gute Freundinnen geworden. Rouse deutete auf die Flasche.
„Noch Einen?“
Rose schüttelte den Kopf. „Vielleicht später.“
Sigourney blickte sie an. „Harter Tag?“
Rose nickte. „Kann man wohl sagen.“
„Liegt Dir dich Sache von neulich immer noch so schwer im Magen?“
Rose antwortete: „Natürlich, es war mein erster Einsatz als leitende Agentin und dann geht alles schief.“
Sigourney machte eine abwertende Bewegung mit der Hand.
„Ach was, solche Dinge passieren eben. Den Kerl erwischt Du schon noch früher oder später. Wenn es einem Kerl passiert wäre, hätte am Morgen danach keiner mehr darüber gesprochen, aber wenn eine Frau einen Fehler macht, dann hängt ihr das das ganze Leben lang nach.“
„Dir kann man nichts vormachen. Es hat zwar Niemand im Büro auch nur ein Wort darüber fallengelassen, aber insgeheim freuen die Kerle sich wohl, dass die kleine Neue versagt hat.“
Sigourney beugte sich leicht vor. „He, Du hast nicht versagt.
Wenn dir das einer ins Gesicht sagen würde, ich würde ihm sofort eine verpassen.“
Sie schwiegen wieder eine Weile, dann fragte Rose: „Wie war dein Tag?“
„Ach, das übliche Schuften. Jede Menge neue Programme zum Hochladen. Eine Menge zu verarbeiten und wenig Beifall dafür. Ich glaube, ein Lob von seinem Vorgesetzten bekommt man nur einmal im Leben, wenn man in Rente geht.“
Rose lächelte. „Du wirst nie hören, dass man etwas gut gemacht hat. Eher beißen sich die Vorgesetzten die Zunge ab, als dass sie Dir ein Lob aussprechen.“
„Ein wahres Wort!“
Sigourney richtete sich auf. „Ich habe morgen wieder einen anstrengenden Tag vor mir. Aber eine Weile könnte ich es schon noch hier aushalten. Wollen wir auf einen Drink in die Bar gehen?“
Rose schüttelte den Kopf. „Danke, heute ist mir nicht nach ausgehen.“
Ihre Freundin erhob sich. „Kein Problem. Vielleicht dann morgen.“
„Ja, gerne!“
Sigourney blickte sie noch einmal an. „Bist Du sicher, dass Du okay bist?“
Rose nickte. „Ja, es wird schon jeden Tag besser.“ Sie erhob sich und die beiden Frauen umarmten sich fest. Rose meinte: „Wir sehen uns dann morgen Abend!“
„Kann es kaum erwarten!“ Sigourney warf ihr noch ein Lächeln zu, dann stieg sie gekonnt über den Fensterrahmen nach draußen und verschwand über die Feuertreppe einen Stock höher, wo sich ihre Wohnung befand. Rose blickte ihr noch nach, dann schloss sie das Fenster und begab sich ins Bad, wo sie sich entkleidete, eine lange Dusche nahm und dann ihren Pyjama anzog, in dem sie noch eine Weile auf der Couch saß, um etwas fernzusehen, wobei sie sich kaum auf den Inhalt des Programms konzentrieren konnte. Ihre Gedanken kreisten weiter um Candles und die Frage, wo er nur sein konnte? Morgen würde sie ins Archiv gehen und alle möglichen Informationen über ihn noch einmal sichten, vielleicht hatte sie doch irgendetwas übersehen, war auf seinen jetzigen Aufenthaltsort hinweisen konnte.
Es war gegen 22 Uhr, als sie endlich so müde war, dass sie den Fernseher ausschaltete und das Licht im Wohnzimmer löschte. Sie ging ins Schlafzimmer, das außer einem kleinen Bett und einem Kleiderschrank nichts enthielt. Ohne Licht zu machen kroch sie unter die warme Decke und hüllte sich ein.
Doch auch jetzt konnte sie keinen Schlaf finden. Sie drehte sich hin und her, versuchte an andere Dinge zu denken doch früher oder später landete sie immer wieder bei dem Fall.
Nach einer Weile stand sie wieder auf und ging zum Kühlschrank. Sie nahm einen großen Schluck Wasser und blickte dann aus dem Fenster. Die Nach war inzwischen hereingebrochen und der Vollmond erhellte die Gegend mit einem weißen Schein. Rose blickte auf die ruhig daliegende Stadt und die Menschen, die jetzt friedlich schliefen, während sie hier stand und an Dinge dachte, von denen die da draußen keine Ahnung hatten, was auch gut war, denn es liefen genügend Verbrecher da draußen herum, die es auf die Sicherheit dieses Landes abgesehen hatten. Rose fuhr sich durch die Haare und begab sich dann wieder ins Bett, wo sie sich noch eine Weile unruhig hin und her wälzte. Ehe sie dann doch nach einer geraumen Weile einschlafen konnte, tauchte wieder die Frage auf, die sie sich den ganzen Tag immer wieder stellte.
Steven Candles, wo steckst Du in diesem Moment?
BOULDER CITY
NEVADA
Die Nacht hatte sich bereits über die Stadt gesenkt, als über die Georgia Avenue ein Range Rover fuhr, der in gemäßigtem Tempo sich fortbewegte. Der Verkehr in der Stadt war nicht sehr stark und so konnte sich der Wagen ohne Probleme an den Reihen der Geschäftshäuser entlang bewegen. Menschen waren um diese Zeit, es mochte etwa 23 Uhr sein, nicht mehr viele unterwegs und die Straßenbeleuchtung erhellte die Gegend nur mäßig. Der Wagen fuhr auf der rechten Spur, das Tempo wurde immer langsamer, so als ob der Fahrer eine bestimmte Adresse suchte. Nach einiger Zeit, das Fahrzeug befand sich schon im Süden der Stadt, schien man endlich das Ziel gefunden zu haben und der Wagen parkte am Straßenrand vor einem Glasgebäude. Die Firmenschilder vor dem Eingang sagten aus, dass sich hier fast nur Versicherungen befanden. Das Gebäude war im Gegensatz zu den meisten anderen, hell erleuchtet und im Eingangsbereich befand sich ein großer Empfangscounter, hinter dem ein Sicherheitsbeamter saß und auf sein Smartphone blickte. Der Wagen hielt an, die Lichter wurden gelöscht und für einige Minuten rührte sich gar nichts. Dann öffneten sich die Türen des Fahrzeuges und drei Männer stiegen aus, die alle dunkle Kleidung trugen. Sie gingen langsam, nach allen Richtungen blickend, auf den Eingang des Gebäudes zu, warteten dort noch einen Moment, dann trat der Erste von ihnen ein und ging auf den Counter zu, hinter dem der Sicherheitsmann jetzt von seinem Handy aufblickte und die Stirn runzelte.
„Kann ich Ihnen helfen, die Firmen haben alle geschlossen?“
Steven Candles antwortete: „Das weiß ich doch!“ Dann zog er einen Revolver mit Schalldämpfer aus der Jackentasche und jagte dem verdutzten Mann zwei Kugeln in die Brust. Der Sicherheitsbeamte wurde nach hinten geschleudert, riss den Stuhl, auf dem er gesessen hatte, mit sich zu Boden und blieb dort regungslos liegen. Candles blickte sich um und nickte dann den beiden Männern zu, die ihn begleiteten. Diese hoben den Leichnam auf und trugen ihn in eine der Abstellkammern auf der linken Seite der Eingangshalle, in der sich Reinigungsutensilien befanden. Sie legten die Leiche ab, schlossen die Tür und traten wieder zu Candles, der auf sie wartete. Er blickte auf sein Handy, auf dem die Daten des USB-Sticks, den er in Laredo erworben hatte, gespeichert waren und deutete dann in Richtung der hinteren Gebäudeteile.
„Im Kellergeschoß!“
Er ging voran, die beiden Männer folgten ihm. Sie durchquerten die Eingangshalle, traten durch eine Tür in das Treppenhaus und gingen dann einen Absatz hinunter in das erste Tiefgeschoß. Dort befanden sich zu beiden Seiten des langen Ganges mehrere Serverräume, auf deren Türen Schilder angebracht waren, um zu zeigen, zu welcher der Firmen im Gebäude sie gehörten. Candles blickte noch einmal auf sein Smartphone, dann ging er bis zur hintersten Tür auf der linken Seite und blieb vor ihr stehen. Die Aufschrift auf dem Schild sagte aus, dass sie einer Versicherung für Reiserücktritte und Ähnliches gehörte.
„Wir sind da!“
Er nickte einem der Männer zu, dieser kniete sich vor der Tür hin und machte sich an dem Schloss zu schaffen. Nach einer Minute nickte er zufrieden und öffnete die Tür. Im Inneren brannte kein Licht, nur die vielen blinkenden Dioden der Server sorgten für etwas Helligkeit. Candles blieb an der Tür stehen und fand schließlich den Lichtschalter, den er betätigte, so dass der Raum im nächsten Moment in gleißendes Licht getaucht wurde. Die Männer blickten sich um und Candles kontrollierte noch einmal seine Daten.
„Server 756!“
Er blieb an der Tür stehen, während die beiden Männer anfingen, die Reihen der Server, es mochten gegen zweihundert sein, auf ihre Nummern zu überprüfen. Nach einer Weile hob einer der Männer die rechte Hand und deutete auf einen Server direkt im Mittelgang.
„Hier!“
Candles und der andere Mann traten zu ihm und sie sahen auf den unschuldigen Server. Einer der Männer fragte: „Was ist an einem Server einer Versicherung so wichtig?“
Candles lächelte. „Glaubst Du wirklich, dass eine Versicherung so eine große Anzahl von Servern braucht?“
Der Andere schüttelte den Kopf. „Nein.“
Candles sagte: „Meine Herren, wir stehen hier inmitten der Serverzentrale des FBI in Nevada. Hier laufen alle wichtigen Daten zusammen und wir brauchen nichts anderes zu tun, als uns zu bedienen.“
Einer der Männer fragte: „Ist die Zentrale nicht in Denver?“
Candles schüttelte wieder den Kopf. „Die Bürozentrale ja, aber das Rechenzentrum befindet sich hier an diesem unschuldigen Ort, an dem niemand damit rechnet, diese Menge an Daten zu finden. Das Büro wählt immer kleinere Orte aus, an denen die Sicherheitsdaten abgelegt werden, da sie befürchten, in den großen Städten einfacher zum Ziel von Cyberterroristen zu werden. In kleineren Städten ist die Datenmenge, die abgerufen wird, nicht so groß und bei einem eventuellen Stromausfall oder Ähnlichem, besteht keine Gefahr, eines Verlustes der Daten. Deswegen stehen wir hier, meine Herren. Wir können beginnen!“
Er nickte einem der Männer zu und dieser begann, einen kleinen, viereckigen Apparat aus seiner Tasche, die er um die Schulter hängen hatte, zu holen, an dem mehrere Stecker angebracht waren. Er kniete nieder und prüfte die Anschlüsse des Servers, dann steckte er einen nach dem anderen der Verbindungen an und hatte schließlich Kontakt mit dem Server. Er blickte auf seinen kleinen Bildschirm und meinte dann: „Es wird etwa zwanzig Minuten dauern, ehe alle Daten heruntergeladen sind.“
Candles zuckte mit den Achseln. „Kein Problem, wir haben alle Zeit der Welt.“
Sie schwiegen, während die Datenübertragung lief. Candles blickte auf die beiden Männer, die bei ihm waren. Mehr brauchte er nie, sein Prinzip war immer, nur zwei Männer bei sich zu haben, die waren immer leicht zu finden und bei drei Männern bestand nie die Gefahr, dass man auffallen konnte.
Wenn er mit einer kleinen Armee hier aufgetaucht wäre, hätte man alle Aufmerksamkeit dieser kleinen Stadt auf sich gezogen und der Plan wäre sofort schiefgelaufen, doch mit einem kleinen Team, wie er es besaß, konnte man ungesehen aus einem Gebäude herein und wieder hinausmarschieren.
Candles blickte auf seine Uhr und maß dann den Rest des Raumes. Die anderen Server waren für ihn ohne Bedeutung sie beherbergten nur die täglichen Berichte, die kreuz und quer durch das Land auf den Computern des FBI geschickt wurden. Nur wenige dieser Büros hatten kleine Schätze, wie diesen Server. Candles nickte zufrieden und wandte sich dann wieder an den Mann, der den Datenklau durchführte. Dieser zuckte einen Moment zusammen, als der Server zweimal piepte.
Candles fragte: „Etwas nicht in Ordnung?“
Der Mann schüttelte den Kopf. „Wahrscheinlich nur ein Update. Ich kann sonst nichts feststellen.“
„Dann weiter!“
Candles richtete sich wieder auf, während der Mann vor ihm seine Arbeit weitermachte. Was die drei Männer nicht wissen konnten, war, dass der Server eine Meldung weiter gegeben hatte, die jetzt durch die Sicherheitssysteme des FBI lief und eine Warnung enthielt, dass hier ein Abzapfen von Daten lief.
In Sekundenbruchteilen wusste man in der Zentrale in Washington davon und die Alarmglocken schrillten dort los. In wenigen Augenblicken wurden Meldungen weitergegeben und keine zwei Minuten, nachdem der Server gepiept hatte, befanden sich schon zwei Streifenwagen der hiesigen Polizei auf dem Weg zu dem Gebäude, da das FBI keine Sicherheitseinheiten hier in der Stadt besaß. Die Streifenwagen hielten ohne Sirene und Blaulicht vor dem Gebäude und vier Beamte stiegen aus, die sofort ihre Waffen zogen. Sie betraten die Eingangshalle und fanden relativ schnell den getöteten Sicherheitsmann. Einer der Männer überprüfte die Überwachungsmonitore am Empfangsschalter und deutete dann schweigend in Richtung des Treppenhauses. Die vier Beamten gingen langsam und jedes Geräusch vermeidend die Treppen hinunter und blieben am Anfang des langen Ganges stehen. Schon beim ersten Blick sahen sie das Licht aus einem der Serverräume leuchten und mit einem Kopfnicken bedeutete der vordere der Männer, den anderen, ihm zu folgen. Sie schritten leise den Gang entlang und blieben dann zu beiden Seiten der geöffneten Tür stehen. Der vorderste der Männer blickte kurz hinein und drehte sich dann zu seinen Kollegen um. Er hob die freie Hand und drei Finger. Die anderen Männer nickten und er gab ihnen ein Zeichen. Sie sprangen mit einem Satz in den Raum, nahmen nebeneinander Stellung ein und richteten die Waffen auf die drei Männer, die herumschnellten, doch es war schon zu spät.
„Keine Bewegung!“
Candles richtete sich auf und blickte den Polizisten ruhig entgegen. „Sie sind etwas zu früh gekommen, meine Herren!“
Der Beamte sagte: „Waffen zu Boden!“
Candles ließ seinen Revolver, den er die ganze Zeit in der Hand gehalten hatte, zu Boden fallen, während die anderen beiden Männer sich erhoben und ihre Jacken öffneten, um zu zeigen, dass sie unbewaffnet waren.
„Zwei Schritte zurück!“
Candles und seine Begleiter folgten dem Befehl und erst jetzt machten die Polizisten weitere Bewegungen in den Raum hinein. Einer sicherte den Revolver, während zwei andere ihm Deckung gaben. Der vierte Mann trat zu einem von Candles Begleitern, nahm seine Handschellen vom Gürtel und legte sie dem Mann an. Dann ließ er sich von einem seiner Kollegen dessen Handschellen geben, mit denen er den zweiten Mann fesselte, ehe das dritte Paar für Candles bestimmt war. Als alle drei Einbrecher gesichert waren, ließ sie der führende Offizier umdrehen. Dann prüften sie den Apparat, der noch immer Daten abrief, ehe einer der Männer die Verbindungskabel löste und den Apparat an sich nahm. Der leitende Beamte griff zu seinem Handy und wählte eine Nummer. Nach einer Weile meldete sich eine Person in Washington und der Mann sagte: „Sir, wir haben hier drei männliche Personen erwischt, die sich an einem der Server gemacht hatten. Wie es scheint, wurden Daten abgegriffen.“
Er wartete die Antwort seines Gesprächspartners ab, dann wandte er sich an einen seiner Kollegen. „Ausweispapiere checken!“
Der Angesprochene trat zu Candles und untersuchte dessen Taschen, bis er einen Führerschein fand und ihn unter die Lupe nahm. Dann reichte er den Ausweis an seinen Kollegen und dieser blickte auf das Foto. Dann sprach er wieder mit dem Mann in Washington.
„Sir, es handelt sich um einen gewissen Steven Candles!“