Moby Dick. Band Zwei - Herman Melville - E-Book

Moby Dick. Band Zwei E-Book

Herman Melville.

0,0
2,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

“Moby Dick” ist ein Roman des amerikanischen Schriftstellers Herman Melville aus dem Jahr 1851. Das Buch ist die Erzählung des Matrosen Ismael über das obsessive Streben von Ahab, dem Kapitän des Walfangschiffs “Pequod”, nach Rache an Moby Dick, dem riesigen weißen Pottwal, der ihm auf der letzten Reise des Schiffs ein Bein abriss. “Moby Dick” war ein kommerzieller Misserfolg und zum Zeitpunkt des Todes des Autors im Jahr 1891 vergriffen. Sein Ruf als “großer amerikanischer Roman” wurde erst im 20. Jahrhundert, nach dem hundertsten Geburtstag des Autors 1919, begründet. William Faulkner sagte, er wünschte, er hätte das Buch selbst geschrieben, und D. H. Lawrence nannte es “eines der seltsamsten und wunderbarsten Bücher der Welt” und “das größte Buch über das Meer, das je geschrieben wurde”, sein Eröffnungssatz “Nennt mich Ismael” gehört zu den berühmtesten Sätzen der Weltliteratur. Melville begann im Februar 1850 mit dem Schreiben von “Moby Dick” und beendete es 18 Monate später, ein Jahr später als geplant. Melville stützte sich auf seine Erfahrungen als einfacher Seemann von 1841 bis 1844, darunter mehrere Jahre auf Walfängern, und auf eine umfangreiche Lektüre der Walfangliteratur. Der weiße Wal ist dem notorisch schwer zu fangenden Albino-Wal Mocha Dick nachempfunden, und das Ende des Buches basiert auf dem Untergang des Walfängers “Essex” im Jahr 1820. Die detaillierten und realistischen Beschreibungen der Waljagd und der Gewinnung von Walöl sowie des Lebens an Bord eines Schiffes mit einer kulturell vielfältigen Besatzung vermischen sich mit der Erforschung von Klasse und sozialem Status, Gut und Böse sowie der Existenz Gottes. Zu den literarischen Einflüssen des Buches gehören Shakespeare, Carlyle und die Bibel. Neben der erzählenden Prosa verwendet Melville Stile und literarische Mittel, die von Liedern, Gedichten und Katalogen bis hin zu Shakespeare’schen Regieanweisungen, Selbstgesprächen und Nebenbemerkungen reichen. Das Buch wurde erstmals (in drei Bänden) unter dem Titel “The Whale” im Oktober 1851 in London veröffentlicht, und unter seinem endgültigen Titel “Moby-Dick, or, The Whale” in einer einbändigen Ausgabe im November in New York. Dies ist der zweite von zwei Bänden der Neuausgabe des apebook Verlags nach der Übersetzung von Wilhelm Strüwer.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 322

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



HERMAN MELVILLE

 

 

MOBY DICKODERDER WEIßE WAL

 

ROMAN

in zwei Bänden

 

 

 

 

Band Zwei

MOBY DICK wurde im amrikanischen Original zuerst veröffentlicht von Harper & Brothers, New York 1851

Diese Ausgabe wurde aufbereitet und herausgegeben von

© apebook Verlag, Essen (Germany)

www.apebook.de

1. Auflage 2022

 

V 1.0

 

 

Nach der Übersetzung von Wilhelm Strüwer

 

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über www.dnb.d-nb.de abrufbar.

 

 

Band Zwei

ISBN 978-3-96130-500-1

 

Buchgestaltung: SKRIPTART, www.skriptart.de

 

 

Books made in Germany with

 

 

 

Bleibe auf dem Laufenden über Angebote und Neuheiten aus dem Verlag mit dem lesenden Affen und

abonniere den kostenlosen apebook Newsletter!

Erhalte zwei eBook-Klassiker gratis als Willkommensgeschenk!

Du kannst auch unsere eBook Flatrate abonnieren.

Dann erhältst Du alle neuen eBooks aus unserem Verlag (Klassiker und Gegenwartsliteratur)

für einen sehr kleinen monatlichen Beitrag (Zahlung per Paypal oder Bankeinzug).

Hier erhältst Du mehr Informationen dazu.

Follow apebook!

*

* *

 

MOBY DICK

 

TEIL 1: DIE PEQUOD | TEIL 2: DIE JAGD

 

 

***

 

BUCHTIPPS

 

 

Entdecke unsere historischen Romanreihen.

Der erste Band jeder Reihe ist kostenlos!

 

DIE GEHEIMNISSE VON PARIS. BAND 1

MIT FEUER UND SCHWERT. BAND 1

QUO VADIS? BAND 1

BLEAK HOUSE. BAND 1

 

Klicke auf die Cover oder die Textlinks oben!

 

 

Am Ende des Buches findest du weitere Buchtipps und kostenlose eBooks.

Und falls unsere Bücher mal nicht bei dem Online-Händler deiner Wahl verfügbar sein sollten: Auf unserer Website sind natürlich alle eBooks aus unserem Verlag (auch die kostenlosen) in den gängigen Formaten EPUB (Tolino etc.) und MOBI (Kindle) erhältlich!

 

 

* *

*

 

 

 

Inhaltsverzeichnis

MOBY DICK. Band Zwei

Frontispiz

Impressum

BAND 2

Erstes Kapitel

Zweites Kapitel

Drittes Kapitel

Viertes Kapitel

Fünftes Kapitel

Sechstes Kapitel

Siebentes Kapitel

Achtes Kapitel

Neuntes Kapitel

Zehntes Kapitel

Elftes Kapitel

Zwölftes Kapitel

Dreizehntes Kapitel

Vierzehntes Kapitel

Fünfzehntes Kapitel

Sechzehntes Kapitel

Siebzehntes Kapitel

Achtzehntes Kapitel

Neunzehntes Kapitel

Zwanzigstes Kapitel

Einundzwanzigstes Kapitel

Zweiundzwanzigstes Kapitel

Dreiundzwanzigstes Kapitel

Vierundzwanzigstes Kapitel

Fünfundzwanzigstes Kapitel

Sechsundzwanzigstes Kapitel

Siebenundzwanzigstes Kapitel

Achtundzwanzigstes Kapitel

Neunundzwanzigstes Kapitel

Dreißigstes Kapitel

Einunddreißigstes Kapitel

Zweiunddreißigstes Kapitel

Dreiunddreißigstes Kapitel

Vierunddreißigstes Kapitel

Fünfunddreißigstes Kapitel

Sechsunddreißigstes Kapitel

Siebenunddreißigstes Kapitel

Achtunddreißigstes Kapitel

Neununddreißigstes Kapitel

Vierzigstes Kapitel

Epilog

Wortableitung

Auszüge aus der Literatur, den Walfisch betreffend.

Eine kleine Bitte

Buchtipps für dich

Kostenlose eBooks

A p e B o o k C l a s s i c s

N e w s l e t t e r

F l a t r a t e

F o l l o w

A p e C l u b

Links

Zu guter Letzt

BAND 2

 

Erstes Kapitel

Es war ein bewölkter, schwüler Nachmittag. Die Matrosen lagen faul auf Deck oder starrten müßig in das Wasser, das wie Blei aussah. Queequeg und ich waren damit beschäftigt, eine sogenannte Schwertmatte zu weben, die als Reservecurring für unser Boot benutzt werden sollte. Es war so still, gedämpft und so ahnungsvoll, und es lag ein solcher Zauber von Festlichkeit in der Luft, daß jeder Matrose schweigend dasaß und in das eigene unsichtbare Selbst vertieft zu sein schien.

Ich war der Begleiter oder Diener Queequegs, als ich mit der Matte beschäftigt war. Wie ich den Einschlag des Marlleinen zwischen den langen Strängen der Kette hindurchzog, wobei meine eigene Hand die Funktion des Schiffchens beim Webstuhl ersetzte, und wie Queequeg, der seitwärts daneben stand, immer sein schweres Schwert aus Eichenholz zwischen die Fäden gleiten ließ und traumverloren auf das Wasser blickte und jeden Strang nachlässig und gedankenlos seinem Ort zuführte, lag eine so seltsame Traumatmosphäre über dem Schiff und dem Meere, die nur durch den zeitweiligen dumpfen Klang des Schwertes gestört wurde, daß es schien, als ob es der Webstuhl der Zeit und ich das Schiffchen wäre, das mechanisch zu den Schicksalsgöttinnen den Faden hin und her wöbe.

Als wir so in einem fort am Weben waren, schreckte ich bei einem seltsamen langgezogenen, wild klingenden und überirdischen Laut auf, so daß mir das Knäuel aus der Hand fiel und ich die Wolken anstarrte, woraus die Stimme mit Flügelschlag zu dröhnen schien. Ganz oben in den Quersalings saß der tolle Mann aus Gay-Head, Tashtego. Sein Körper streckte sich gierig nach vorn, seine Hand war wie ein Zauberstab ausgebreitet, und in kurzen, plötzlichen Pausen stieß er seine Schreie aus. Gewiß hörte man denselben Laut in demselben Augenblick über die Meere auch anderswo, und Hunderte von Wachtposten, die ebenso hoch in der Luft hingen, stießen ihn aus. Aber nur von wenigen Stimmen hatte der altbekannte Ruf einen solch merkwürdigen Klang wie vom Indianer Tashtego. Wie er über uns schwebte und Ausschau hielt und wild und raubtiergierig nach dem Horizont starrte, hätte man annehmen können, er wäre ein Prophet oder ein Seher, der die Schatten des Schicksals erblickt hätte und seine Ankunft durch diese wilden Schreie verkünden wollte. »Da bläst sie! Da, dort, da, sie bläst, sie bläst!«

»Wo denn?«

»Leewärts war's, ungefähr zwei Meilen weit, eine Herde!«

Sogleich war alles in Aufregung.

Der Pottwal bläst so, wie eine Wanduhr tickt, mit derselben unverkennbaren und zuverlässigen Einförmigkeit. Dadurch können die Walfischjäger ihn von anderen dieser Art unterscheiden.

»Da gehen Schaufeln!« war jetzt der Ruf Tashtegos, und die Wale verschwanden.

»Schnell, Junge!« rief Ahab, »die Zeit!«

Der Junge stürzte nach unten, warf einen Blick auf die Uhr und berichtete Ahab die Zeit auf die Minute. Das Schiff wurde nun vom Wind fortgetrieben, und es fuhr sanft dahin. Da Tashtego gemeldet hatte, daß die Wale leewärts gegangen wären, sahen wir erwartungsvoll hin, um sie wieder vor unserem Bug zu erblicken.

Dem Pottwal fällt es manchmal ein, daß er den Kopf in die Tiefe steckt und so unter der Oberfläche des Meeres verborgen im Kreise sich umdreht und schnell in der entgegengesetzten Richtung weiterschwimmt. – Seine Eigenheit, zu täuschen, konnte nun nicht zutage treten; denn es lag kein Grund vor, anzunehmen, daß der Fisch, der von Tashtego gesichtet war, beunruhigt wäre oder unsere Nähe bemerkt hätte. Einer von den Leuten, die als Bordleute ausgesucht waren – das sind die, die nicht für die Boote bestimmt sind – lösten inzwischen den Indianer oben am Mast ab. Die Matrosen am Vordermast und am Kreuzmast waren heruntergekommen. Die Trommeln mit der Leine wurden an ihre Plätze gelegt. Die Kräne wurden herausgestoßen, die Großrahe wurde zurückgestreift, und die drei Boote wurden wie drei leichte Eimer über hohe Klippen herabgeworfen. Außerhalb des Schiffskörpers waren die kampfbegierigen Mannschaften: bei jedem hing die eine Hand an der Reling, während ein Fuß erwartungsvoll auf dem Schanzdeck schwebte. So sieht die lange Reihe der Leute eines Kriegsschiffes aus, die sich angriffsbereit an Bord eines feindlichen Schiffes stürzen wollen.

Aber in diesem kritischen Augenblick vernahm man einen plötzlichen Schrei, der jeden Blick von dem Walfisch abwandte. Mit einemmal starrten alle den finsteren Ahab an, der von fünf trüben phantastischen Gestalten umgeben war, die wie aus der Luft gemacht zu sein schienen.

Zweites Kapitel

Die phantastischen Gestalten stürzten sich auf die andere Seite des Deckes und warfen mit geräuschloser Behändigkeit das Takelwerk und die Seile, an die das Boot gebunden war, los. Dies Boot war immer als Reserveboot gedacht gewesen, obgleich man es als das »Kapitänsboot« bezeichnete, weil es auf der Steuerbordseite hing. Die Gestalt, die nun am Bug des Bootes stand, war groß und dunkelfarbig; ein weißer Zahn ragte ihr auf häßliche Weise über die stahlartigen Lippen. Eine zerknitterte Chinesenjacke von schwarzer Wolle umhüllte den Kerl wie bei einem Begräbnis, und dazu hatte er weite, schwarze Hosen von demselben dunklen Stoff. Um der Seltsamkeit den Gipfel aufzusetzen, trug er einen glitzernden, weißen, zusammengeflochtenen Turban, und das Haar war ihm in Streifen rund um den Kopf gelegt. Seine Gefährten waren wohl nicht so dunkelfarbig, hatten aber dieselbe tigergelbe Hautfarbe, die den Urbewohnern von Manila eigentümlich ist. Eine Rasse, die wegen ihrer verteufelten Verschlagenheit bekannt ist und von ehrlichen weißen Matrosen für bezahlte Spione und geheime Agenten des Teufels, der ihr Herr ist, gehalten wird.

Während die erstaunte Schiffsmannschaft diese Fremdlinge anstarrte, rief Ahab dem Alten an ihrer Seite mit dem weißen Turban zu:

»Alles fertig, Fedallah?«

»Fertig«, war die halb gezischte Antwort. »Runterlassen, hörst du?« rief er über das Deck. »Runterlassen da, sage ich!«

Seine Stimme war so laut, daß trotz der allgemeinen Verwirrung die Leute über die Reling sprangen. Die Rollen wirbelten in den Blöcken, und die drei Boote fielen baumelnd in die See, während die Matrosen mit einer waghalsigen Schnelligkeit, die bei einem anderen Beruf unbekannt ist, wie die Ziegen längsseits des stampfenden Schiffes unten in die hin- und hertanzenden Boote sprangen. –

Kaum waren sie von der Leeseite des Schiffes weggerudert, da kam von der Achterseite ein viertes Boot mit den fünf rudernden Fremden. Ahab, der hinten im Heck in aufrechter Haltung dastand, rief Starbuck, Stubb und Flask laut zu, sie sollten weit auseinanderrudern und eine große Wasserfläche bestreichen. Aber die Insassen der anderen Boote hatten ihre Blicke auf den dunkelfarbigen Fedallah und seine Leute gerichtet und achteten nicht auf den Befehl.

»Kapitän Ahab?« sagte Starbuck.

»Auseinanderrudern!« rief Ahab, »vorwärts alle vier Boote, halt dich mehr an der Leeseite, Flask!«

»Ja, ja, Kapitän!« rief der kleine King-Post und legte sein großes Steuerruder um. »Etwas zurück!« so wandte er sich an seine Leute. »Da! da! wieder dahin! Dort bläst sie! Zurück!«

»Seht nicht nach den gelben Burschen, Archy!«

»Oh, ich seh' nicht dahin, Herr«, sagte Archy. »Ich wußte es schon vorher. Ich hab' sie doch da unten gehört, und habe ich Cabaco nicht davon erzählt? Was sagst du, Cabaco? Das sind blinde Passagiere, Mister Flask.«

»Los, meine lieben Freunde! Feste, Kinder! Feste, meine lieben Jungen!« rief Stubb beschwichtigend seiner Mannschaft zu, die zum Teil schon Zeichen von Unbehaglichkeit an den Tag legte. »Mir scheint, als ob ihr euch den Hals brechen wollt, Jungens? Wo starrt ihr denn so hin? Doch nicht nach diesen Kerlen da unten im Boot? Ruhig, Kinder! Das sind nur fünf Hände mehr für uns. Woher die kommen, soll uns nicht kümmern. Je mehr, um so lieber! Los denn, feste! Kümmert euch nicht um den Drachen. Die gelben Kerle sind trotzdem anständig. So, soweit haben wir es jetzt gebracht! Hurra, Leute, lustig! Ruhig, ruhig! Nicht so hastig. Seid nicht so hastig! Warum legt ihr euch nicht in die Riemen, ihr Schurken? Fest angefaßt, ihr Hunde! So, so, so ist's richtig! Ruhig, ruhig! So ist's richtig – richtig! Lang und kräftig! Vorwärts, nochmals vorwärts! Der Teufel soll euch holen, ihr Lumpenkerle. Ihr schlaft ja alle! Laßt das Schlafen, ihr Träumer! Rudern, rudern! Wollt ihr nicht rudern, könnt ihr nicht? Warum rudert ihr nicht, zum Henker nochmal? Rudern, und wenn die Riemen krachen! Rudern! Die Augen aufgemacht!«

Dann zog er sein scharfes Messer aus der Gürteltasche und sagte: »Jeder Muttersohn von euch – das Messer 'raus und die Klinge zwischen die Zähne genommen, so – so! So wird das gemacht, nun drauflos, meine lieben Jungen, drauflos!«

Stubbs Kommandos sind hier in aller Umständlichkeit wiedergegeben, weil er eine merkwürdige Art hatte, mit seinen Leuten zu reden und den Takt des Ruderns auf eine besondere Art hielt. Aber man darf nicht annehmen, daß seine Mannschaft auf ihn wütend geworden wäre. Das war nicht seine Absicht, und darin bestand seine Eigentümlichkeit. Er wollte seinen Leuten die schrecklichsten Dinge mit einem Tone sagen, der aus Schmerz und Wut seltsam gemischt war, so daß kein Ruderer solche komischen Ermunterungen anhören konnte, ohne wie ein Wilder zu rudern, und doch nur aus Spaß zu rudern.

Außerdem sah er selbst so wenig angestrengt aus, wie er sich an sein Steuerruder hinflegelte und den Mund so weit aufriß, daß der bloße Anblick eines solchen Befehlshabers schon durch den reinen Gegensatz seinen Reiz auf die Mannschaft nicht verfehlte.

Auf ein Zeichen von Ahab hin ruderte nun Starbuck schräg auf das Boot von Stubb zu. Und als dann eine Minute lang die beiden Boote ziemlich dicht aneinander waren, begrüßte Stubb den Maaten.

»Starbuck, das Backbordboot da, hören Sie mal! Ein Wort mit Ihnen, bitte.«

»Hallo!« rief Starbuck zurück und wandte sich nicht einen Zoll breit zur Seite, als er sprach. Im vollen Ernst und mit leiser Stimme erteilte er im bestimmten Tone seinen Leuten die Befehle. Sein Gesicht war starr auf Stubb gerichtet.

»Was halten Sie von den Gelben?«

»Sind irgendwie an Bord geschmuggelt, bevor das Schiff abfuhr.« (»Feste, feste, Jungens!« flüsterte er seinen Leuten zu.) Dann sprach er wieder laut: »Eine faule Sache, Mister Stubb.« (»Fest angefaßt! Feste, Jungens!«) »Aber trotz alledem kann es gut gehen, Mister Stubb. Ihre Leute sollen feste anfassen, mag kommen, was will.« (»In die Riemen, Leute, in die Riemen!«) »Es wird Oxhöfte von Walfischöl geben, Mister Stubb. Deswegen kam man ja auch her.« (»Feste, Jungens!«) »Um Öl handelt es sich? Das ist ja unsere Pflicht. Pflicht und Gewinn, Hand in Hand!«

»Ich dachte das auch«, sagte Stubb vor sich hin, als die Boote auseinanderkamen, »sobald ich sie sah, war ich derselben Ansicht. Ja, und deswegen ging er so oft hinten in den Kiel, wie der Junge es seit langem vermutet hatte. Die waren da unten versteckt! Der weiße Wal hat etwas damit zu tun. Nun mag kommen, was will! Es ist nichts zu machen! Gut denn! Vorwärts, Leute! Heute handelt es sich noch nicht um den weißen Wal, vorwärts!«

Nun hatte das Erscheinen der sonderbaren Fremdlinge in einem so kritischen Augenblick, als die Boote vom Deck heruntergelassen wurden, eine Art abergläubische Verwirrung bei einigen Leuten der Mannschaft hervorgerufen. Die phantastische Entdeckung Archys, der einige Zeit vorher anderen davon erzählt hatte, obwohl er damals keinen Glauben fand, hatte sie bis zu einem gewissen Grade auf das Ereignis vorbereitet. Sie nahm dem Wunder das Überraschende, und so wurden sie dadurch wie auch durch die vertrauensvolle Art Stubbs, seinem Erscheinen Rechnung zu tragen, zur Zeit von abergläubischen Mutmaßungen befreit, wenn auch die Angelegenheit noch nicht völlig geklärt war und die bestimmte Mitwirkung des dunklen Ahab in dieser Angelegenheit von Anfang an sehr zur Kritik herausforderte. Ich dachte im stillen an die geheimnisvollen Schatten, die ich während des trüben Morgens in Nantucket in der Dämmerung an Bord des »Pequod« hatte schleichen sehen, wie an die rätselhaften Andeutungen des unberechenbaren Elias.

Indessen war Ahab, wie man aus dem Verhalten seiner Offiziere, die sich vorn an der Leeseite hielten, entnehmen konnte, immer noch an der Spitze der anderen Boote. Dieser Umstand ließ erkennen, daß die Mannschaft, die ihn ruderte, ausgezeichnet war. Diese Menschen, die gelb wie Tiger waren, schienen alle aus Stahl und Knochen zu bestehen, wie fünf Hämmer gingen sie mit regelmäßig geführten Schlägen auf und nieder und trieben das Boot wie einen Dampfer durch das Wasser. Fedallah, der das Ruder des Harpuniers führte, hatte die schwarze Jacke abgeworfen und ließ seine offene Brust und den übrigen Teil des Körpers über dem Dollbord spielen, der sich von den wechselnden Senkungen des Wasserspiegels klar abhob. Am anderen Ende des Bootes hatte Ahab wie ein Fechter den einen Arm in die Luft geworfen, halb nach der Backbordseite hin, als ob er bei einem etwaigen Schwanken das Boot im Gleichgewicht halten wollte; man sah, wie er das Steuerruder mit männlicher Kraft lenkte, so wie er es tausendmal gemacht hatte, wenn die Boote herabgelassen wurden, ehe der weiße Wal ihm das Bein abgerissen hatte. Da gab der ausgestreckte Arm ein merkwürdiges Zeichen und blieb in ausgestreckter Haltung, worauf die fünf Ruderer zu gleicher Zeit die Ruder einlegten. Boot und Mannschaft saßen bewegungslos auf dem Meere. Zugleich hielten die drei Boote, die sich hinten ausgebreitet hatten, in ihrer Fahrt ein. Die Wale hatten sich in unregelmäßigen Abständen in der blauen See niedergelassen und gaben kein deutliches Zeichen von Bewegung, obwohl Ahab von dichter Nähe aus es hätte bemerken müssen.

»Jeder Mann sieht in die Richtung seiner Ruder!« rief Starbuck. »Queequeg, aufstehen!« Der Wilde sprang auf den dreieckigen aufgerichteten Kasten im Bug, blieb in aufrechter Haltung dort stehen und starrte mit gierigen Augen auf die Stelle, wohin die Jagd ihr Ziel genommen hatte. Starbuck nahm auch an der äußersten Ecke des Bootes, wo eine Stelle in gleicher Höhe mit dem Dollbord dreiecksförmig eingerichtet war, seinen Standort ein und balancierte seinen Körper bei der heftigen Schwankungen seines kleinen Fahrzeuges mit Kaltblütigkeit und Geschick und sah ruhig und gefaßt in die blaue See hinein.

Nicht weit davon lag auch das Boot von Flask in atemloser Stille. Flask stand unruhig oben auf einem im Kiel eingerichteten Untersatz, dem »Loggerhead«, der sich zwei Fuß über dem Achterteil des Bootes erhob. Die Stelle ist dafür da, um die Walfischleine beim Abspulen in der Gewalt zu behalten. Oben ist kaum mehr Platz als auf dem Rücken einer Hand, und als Flask nun auf solch einer Plattform stand, schien es, als ob er auf der Mastspitze eines Schiffes wäre, das schon bis zu den Flaggenknöpfen gesunken ist. Aber King-Post war klein und kurz, und doch war er zugleich von einem um so größeren Ehrgeiz erfüllt, so daß der Standort im Boot ihm keineswegs genügte.

»Ich kann ja keine drei Wellen weit sehen. Lang' mir mal ein Ruder her und laß mich hinauf!«

Darauf kam Daggoo schnell von der Achterseite, faßte mit beiden Händen an das Dollbord, um Halt zu gewinnen, und bot, indem er sich aufrichtete, seine hohen Schultern als Plattform an.

»Das ist ein guter Mast, Herr. Wollen Sie nicht hinaufsteigen?«

»Das soll geschehen, und vielen Dank, mein lieber Junge. Nur wollte ich, du wärest noch fünfzig Fuß größer.«

Daggoo stemmte seine Füße fest gegen die Planken des Bootes, bückte sich ein wenig und hielt dem Fuß Flasks das flache Ruderblatt hin, worauf Flask in das schwarze Haar des riesenhaften Negers faßte und mit einem geschickten Schwung oben auf der Schulter desselben ankam. Da stand nun Flask oben, und Daggoo bot ihm mit dem aufgehobenen Arm eine Art Brustwehr, woran er sich lehnen und festhalten konnte.

Indessen sah der dritte Maat, Stubb, nicht mit so großer Unruhe in die Ferne. Die Wale hätten ruhig untertauchen können, er wäre darüber doch nicht in Schrecken geraten, und wenn so etwas eingetreten wäre, so hätte Stubb in solchen Fällen wohl entschlossen die eintretende Unruhe mit seiner Pfeife gedämpft. Er zog sie aus seiner Hutschnur, wo er sie gewöhnlich wie eine Feder angebracht hatte. Er stopfte sie und vollendete das Stopfen mit dem Daumen, aber kaum hatte er sein Streichholz an dem rauhen Schmirgelpapier seiner Hand angezündet, als Tashtego, sein Harpunier, dessen Augen wie zwei Fixsterne aufleuchteten, plötzlich wie ein Blitz aus seiner aufrechten Haltung aufschoß und in wilder Hast rief: »Die Ruder 'runter, und los! Da sind sie!!«

Ein Landbewohner hätte in diesem Augenblick weder einen Wal noch die geringste Spur von einem Hering gesehen. Es war nichts zu sehen als Schaum von grünlichweißem Wasser, darüber lagerte sich Wasserdampf in dünnen Wolken, der nach der Leeseite fortgetrieben wurde und sich auflöste wie eine verirrte Windwolke vor weißen anrollenden Wellen. Die Luft ringsum fing plötzlich an zu zittern und zu tönen, wie über stark erhitzten Eisenplatten. Unter dieser schwingenden und kräuselnden Luft und einer dünnen Wasserschicht kamen die Wale herangeschwommen. Wenn man die ausgepufften Wolken von Wasserdampf, die allen anderen Erscheinungen vorausgingen, betrachtete, so hätte man sie für vorauseilende Kuriere und vom Gros losgelöste Vorreiter halten können.

Alle vier Boote hatten es nun auf die eine Stelle scharf abgesehen, wo Wasser und Luft in Bewegung waren, aber es war unmöglich, ihnen den Rang abzulaufen. Das flog weiter und weiter, wie ein Haufen Wasserblasen, die sich mischen und in einer schnellen Strömung niedersinken.

»Feste, feste, liebe Jungens!« sagte Starbuck mit einem leisen, aber stark betonten Flüstern zu seinen Leuten. Ein scharfer Blick schoß aus seinen Augen gerade über den Bug, aus Augen, die zwei sichtbaren Kompaßnadeln glichen, die ihres sicheren Weges gewiß sind. Er sagte nicht viel zu seinen Leuten, aber auch diese sagten kaum etwas zu ihm. Die Stille des Bootes wurde nur zeitweilig durch sein eigentümliches Flüstern in markanter Weise durchbrochen, das mal wegen eines Befehls scharf, mal wegen eines Überredungsversuches sanft war.

Der laute kleine King-Post war ganz anders. »Nun sagt doch mal was, ihr lieben Burschen! Gebrüllt und in die Riemen gelegt, ihr Teufelskerle, daß wir an ihre schwarzen Nacken kommen! Wenn ihr mir den Gefallen tut, so will ich euch meine Besitzung in Marthas Vineyard verschreiben lassen, mit Weib und Kind, Jungens! Weiter, feste! Ach, Herr, was soll das noch geben! Ich werde noch vor lauter Hinstarren wahnsinnig! Seht doch her! Seht doch das weiße Wasser!« Und als er das rief, riß er sich den Hut vom Kopf und stieß mit den Füßen darauf. Dann hob er ihn auf, schwenkte ihn weit über die See und ließ sich schließlich, wie ein wildes Füllen von der Prärie, hinten in das Boot fallen.

»Seht euch nur den Kerl an«, sagte Stubb auf seine gelassene philosophische Weise. Er hielt seine kurze Pfeife, die er noch nicht angebrannt hatte, mechanisch zwischen den Zähnen und fuhr gleichsam tropfenweise fort:

»Er bekommt seine Anfälle, dieser Flask. Anfälle? Ja, das ist der richtige Ausdruck, aber munter, Jungens, munter! Es gibt Pudding zum Essen. Ihr wißt ja, munter, ist das richtige Wort. Feste, ihr Lieben! Feste, Kinder! Feste! Aber warum habt ihr es so eilig? Ruhig, langsam und fest durchziehen, Leute! Rudern, immer rudern, weiter nichts! Die Knochen durchdrücken. So! Nehmt es leicht – warum nehmt ihr es denn so schwer? Und wenn die Lunge zum Teufel geht!«

Aber was der unberechenbare Ahab seinen tigergelben Leuten zurief, wird hier am besten nicht erwähnt; denn man lebt ja schließlich in einem gesegneten, zivilisierten Lande. Nur die treulosen Haifische in den wilden Meeren haben vielleicht für solche Worte Verständnis, wie Ahab sie seinen Leuten zurief, als er mit einer Stirn, auf der wilde Sturmwolken saßen, und mit Augen, die von roten Mordgedanken strahlten, und mit Lippen, die von Schaum gefärbt waren, auf seine Beute zusprang.

Inzwischen zogen die Boote weiter. Flask machte seine besonderen Anspielungen auf den Wal und sprach immer von dem »verdammten Wal«. So nannte er das imaginäre Ungeheuer, das, wie er sagte, unaufhörlich den Bug seines Bootes mit seinem Schwanz quälte. Er verstand sich so gut und anschaulich auszudrücken, daß einer oder der andere von seinen Leuten einen furchtsamen Blick über die Schulter warf. Aber das war gegen alle Regeln; denn die Bootsleute müssen ihre Augen außer Betrieb setzen und sich gleichsam einen Spieß durch den Nacken rennen. Der alte Brauch verlangt, daß sie nichts als Ohren haben, und in solch kritischen Augenblicken keine anderen Glieder, als ihre Arme gebrauchen.

Es war ein Anblick, wo Staunen und Entsetzen schnell aufeinander folgen. Das allmächtige Meer wogte in seiner Unendlichkeit. Die Wellen brüllten hohl und rollten an den acht Dollbords vorüber, wie Riesenkugeln auf einer unendlich weiten grünen Ebene. Das Boot saß angstbeklommen auf der messerscharfen Kante der spitzen Wellen und drohte in zwei Teile geschnitten zu werden. Dann tauchte man mal tief in die hohlen Wellentäler, mal mußte man sich mit aller Macht bemühen, den gegenüberliegenden Wellenberg zu erreichen. Dann glitt man, wenn man oben war, wie ein Schlitten auf der anderen Seite wieder herunter. Dann gab es Schreie der Führer und Harpuniere; die Ruderleute sperrten vor Entsetzen den Mund auf, und der »Pequod« sah auf seine Boote mit ausgebreiteten Segeln wie eine erschreckte Henne auf ihre schreienden Jungen. Das war ein schrecklicher Anblick. Nicht der unerfahrene Rekrut, der aus dem Arm der Frau in die Fieberhitze der ersten Schlacht marschiert; nicht der Geist eines Toten, der das erste unbekannte Wesen in der anderen Welt antrifft, kann seltsamere und größere Erschütterungen durchmachen, als der Mann, der sich zum erstenmal in seinem Leben in den geheimnisvollen, schäumenden Strudel des gejagten Pottwales getrieben sieht.

Das schäumende weiße Wasser der Walfischjagd wurde nun dank der wachsenden Dunkelheit von den dichten Schatten der Wolken, die über der See hingen, immer mehr sichtbar. Der Wasserdunst ballte sich nicht mehr zusammen, sondern teilte sich rechts und links. Die Wale schienen ihr Kielwasser voneinander zu trennen. Man ruderte mit den Booten jetzt zur Seite. Starbuck eröffnete die Jagd auf drei Wale. Wir setzten das Segel auf, und mit dem immer stärker werdenden Wind sausten wir durch das Wasser. Das Boot fuhr mit solcher wahnsinnigen Schnelligkeit, daß die Ruder an der Leeseite nur mit Mühe schnell genug gehandhabt werden konnten, ohne von den Ruderklappen abgerissen zu werden.

Bald trieben wir durch einen erstickenden weiten Nebelschwaden. Man konnte weder vom Schiff noch vom Boot etwas sehen. »Macht zu, Leute!« flüsterte Starbuck, und zog weiter an der Schotte des Segels; »wir haben noch Zeit, den Fisch zu töten, bevor die Bö kommt. Da ist wieder weißes Wasser. Ran! Los!«

Bald darauf ließen zwei Schreie, die an jeder Seite von uns kurz aufeinander folgten, erkennen, daß die anderen Boote schnell gefahren waren. Aber kaum waren sie vernommen, als mit blitzartig schnellem Geflüster Starbuck sagte: »Steh auf!«, und Queequeg mit der Harpune in der Hand aufsprang. Obwohl keiner von den Ruderleuten der Todesgefahr, die so nahe war, ins Auge schaute, so erkannten sie doch an dem gespannten Gesichtsausdruck des Bootsmannes hinten im Boot, daß der wichtige Augenblick gekommen war. Sie hörten auch ein ungeheures Poltern, als ob fünfzig Elefanten sich auf ihrer Streu wälzten. Indessen kämpfte sich das Boot durch den Nebel hindurch, und die Wellen heulten und zischten um uns herum wie hochgerichtete rasende Schlangen.

»Da ist der Höcker. Da, da, da, gib's ihm!« flüsterte Starbuck.

Von dem Boot aus erfolgte ein kurzes sausendes Geräusch; es war das Eisen Queequegs. Dann wurde das Boot unter großem Getöse von Achtern mit unsichtbarer Kraft vorwärtsgetrieben, während es vorn an einer Kante aufzuschlagen schien. Das Segel brach mit einem Knall zusammen. Dicht in der Nähe schoß brennender Dampf auf, und unter uns rollte und wirbelte es wie bei einem Erdbeben. Die ganze Mannschaft erstickte beinahe, als sie holterdiepolter in den weißen Schaum der Windbö hineingeriet. Bö, Wal und Harpune waren in eins verschmolzen, und der Wal, der nur vom Eisen geritzt war, entkam.

Obwohl das Boot beinahe voll Wasser gelaufen war, hatte es keinen Schaden erlitten. Wir suchten die umhertreibenden Ruderstangen auf und machten sie am Dollbord fest, worauf wir wieder zu unseren Plätzen taumelten. Da saßen wir nun bis zu den Knien im Wasser, das jede Planke und jede Rippe im Boot bedeckte, so daß für unsere nach unten starrenden Augen das schwebende Fahrzeug ein Korallenboot zu sein schien, das aus der Tiefe des Ozeans herausgekommen war.

Der Wind wurde immer stärker und heulte. Die Wellen schlugen wie Schilde zusammen. Die Bö brüllte, teilte sich zu einer Gabel und krachte um uns herum wie ein weißes Feuer in der Prärie, in dem wir, wenn auch nicht verzehrt, gleichsam brannten, wie im Rachen des Todes. Vergebens riefen wir die anderen Boote an. Man hätte ebensogut von oben etwas zu den glühenden Kohlen im Schornstein eines flammenden Ofens hinunterrufen können; so unmöglich war es, sich im Sturme zu verständigen. Indes wurde die rauschende, neblige Wolkenmasse bei der anbrechenden Nacht immer dunkler, und vom Schiff war keine Spur zu sehen. Die schwere See machte alle Versuche, das Boot auszuschöpfen, zunichte. Die Ruder waren zum Vorwärtsbewegen nutzlos; sie hatten jetzt die Funktion von Lebensrettern übernommen. Starbuck schnitt nun das Band des wasserdichten Feuerzeuges ab, und nach verschiedenen vergeblichen Versuchen gelang es ihm, das Licht in der Laterne anzuzünden. Er steckte sie dann auf einen Flaggenträger und reichte sie Queequeg, der nun zum Bannerträger der verlorenen Hoffnung wurde. Da saß er und hielt die dumme Kerze mitten in der unbezwingbaren Verlassenheit. Da saß er und war ein Symbol für den Menschen, der den Glauben verloren hat und hoffnungslos in der Welt der Verzweiflung die Fahne der Hoffnung aufrechthält.

Bis auf die Knochen durchnäßt und vor Kälte zitternd, ohne Hoffnung auf ein herankommendes Schiff oder Boot, hoben wir unsere Augen auf, als die Dämmerung heranbrach. Dichter Nebel lag ausgebreitet über der See, die Laterne war zerschmettert unten im Boot und ohne Licht. Plötzlich sprang Queequeg auf und hielt die hohle Hand an das Ohr. Wir vernahmen ein schwaches Knirschen, als ob Taue und Rahen von dem Sturm in Bewegung gesetzt würden. Das Geräusch kam immer näher, und die dicken Nebelschwaden wurden durch eine ungeheuer große, aber unbestimmte Form undeutlich aufgeteilt. Entsetzt sprangen wir alle in das Meer, als das Schiff schließlich sichtbar wurde, und in einer Entfernung, die nicht größer war als die eigene Länge des Schiffes, gerade auf uns zukam. Wir trieben auf den Wellen und sahen das aufgegebene Boot. Einen Augenblick wurde es hin- und hergestoßen und schwebte dann unterhalb des Bugs des Schiffes, wie ein Gegenstand unter einem Wasserfall. Dann rollte der große Schiffskörper darüber hinweg, und man sah es nicht wieder, bis es am Heck wieder zum Vorschein kam und sich in den Wellen wälzte. Wir schwammen wieder darauf zu, wurden von den Wellen dagegengetrieben, wurden schließlich aufgenommen und gelangten unversehrt an Bord. Bevor die Bö in unmittelbare Nähe gekommen war, hatten die anderen Boote sich von ihrem Wal getrennt und waren noch rechtzeitig zum Schiff zurückgekehrt. Vom Schiff aus hatte man uns aufgegeben, aber das Schiff kreuzte noch, um vielleicht ein Zeichen unseres Unterganges, ein Ruder oder eine Walfischlanze zu finden.

Drittes Kapitel

Tage und Wochen vergingen. Da hatte unter leichten Segeln der elfenbeinerne »Pequod« langsam vier verschiedene Kreuzungsgebiete durchquert: das bei den Azoren, das bei Kap Verde, das an der Mündung des Rio de la Plata und das Carrol-Gebiet, ein nicht in den Karten bezeichnetes Wassergebiet südlich von St. Helena.

Während wir durch das letztere Gebiet fuhren, – es war eine heitere, helle Mondscheinnacht, als die Wellen wie Silberstreifen vorüberklatschten, und man die Einsamkeit wegen des sanften flüssigen Silbers, das von den Wellen ausgesät wurde, als silbernes Schweigen empfand, – in solcher Nacht erblickten wir vor den weißen Wasserblasen, die am Bug aufstiegen, eine Silberfontäne in der Ferne. Wie sie bei Mondenschein aufstieg, sah sie himmlisch aus, und ein glitzernder Gott schien in seinem Federschmuck aus dem Meere aufzustehen. Fedellah sah zuerst diese Fontäne; denn er pflegte in den Mondscheinnächten oben auf den Hauptmast zu steigen und dort mit derselben Wachsamkeit wie am Tage Ausschau zu halten. Obwohl Scharen von Walfischen bei Nacht gesehen werden, so würde doch kein einziger Walfischjäger unter hunderten wagen, bei Nacht die Boote herabzulassen. Man kann sich vorstellen, mit welcher Erregung die Matrosen den alten Orientalen, der da ganz oben zu solch ungewöhnlicher Stunde hockte, betrachteten. Es schien, als ob sein Turban mit dem Mond am Himmel in einer Ebene läge. Er hatte mehrere Nächte nacheinander dort oben in der einförmigen Stille zugebracht, ohne einen Laut von sich zu geben. Da meldete er mit seiner geisterhaften Stimme die silberartige Mondscheinfontäne, so daß jeder angelehnte Matrose aufsprang, als ob ein Geist in der Takelage sichtbar geworden wäre und die sterbliche Mannschaft begrüßt hätte: »Dort bläst sie!«

Wäre die Posaune des Jüngsten Gerichtes erklungen, so würden sie nicht so gezittert haben, und doch empfanden sie keinen Schrecken, sondern mehr ein Lustgefühl. Obwohl es zu einer ungewöhnlichen Stunde war, so war der Ruf so eindrucksvoll und so berauschend, daß fast jeder Mann an Bord instinktiv das Herablassen der Boote wünschte.

Ahab ging mit schnellen, nach der Seite weit ausholenden Schritten über Deck und befahl, daß man die Oberbramsegel aufsetzte und jedes Leesegel.

Der beste Mann mußte das Ruder in die Hand nehmen. Dann trieb, als jeder Mast bemannt war, das hochaufgetakelte Fahrzeug vor dem Winde dahin. Die das Schiff überkommende Brise blähte die vielen Segel auf, so daß man sich auf dem unruhig hin- und herschwankenden Deck vorkam, als ob man Luft unter den Füßen hätte. Dabei rauschte das Schiff davon, als ob zwei gegeneinandergerichtete Kräfte um die Herrschaft kämpften, eine, die oben nach dem Himmel strebte und eine andere, die nach einem mehr horizontal gerichteten Ziele hintrieb. Und wenn man Ahab in dieser Nacht ins Gesicht gesehen hätte, so wäre es einem vorgekommen, als ob auch in ihm zwei verschiedene Dinge kämpften. Während das lebendige Bein auch lebendige Echos an Deck verbreitete, klang das tote Bein bei jedem Gang wie ein Sargdeckel. Der alte Mann marschierte auf Tod und Leben. Aber obwohl das Schiff mit großer Geschwindigkeit fuhr, und obwohl aus jedem Auge Blicke wie Pfeile schossen, so bekam man doch in jener Nacht die Silberfontäne nicht mehr zu sehen. Jeder Matrose schwor, daß er sie einmal, aber nicht ein zweites Mal gesehen hätte. –

Man hatte die mitternächtliche Fontäne beinahe vergessen, als sie einige Tage später zur selbigen stillen Stunde wieder gemeldet wurde. Wieder wurde sie von allen entdeckt, aber als man die Segel aufsetzte und die Fontäne einholen wollte, da war sie wieder verschwunden, als ob sie niemals dagewesen wäre. – Und so kam sie eine Nacht nach der anderen, bis keiner sie betrachtete, ohne sich darüber zu wundern. Sie stieg bei hellem Mondlicht oder Sternenlicht auf. Sie verschwand dann einen, zwei oder drei Tage. Dann tauchte sie jedesmal in einer immer weiteren Entfernung vor uns auf, so daß wir den Eindruck hatten, die einsame Fontäne wolle uns auf den Leim locken.

Bei dem zu allen Zeiten dagewesenen Aberglauben ihres Berufes und im Einklang mit der Übernatürlichkeit, die, wie es schien, manchmal beim »Pequod« vorgekommen war, schworen einige Matrosen, mochte es nun sein, wo es wollte, und mochte es sich noch um so weit auseinanderliegende Längen und Breiten handeln, daß die unnahbare Fontäne immer von demselben Walfisch aufgeworfen würde und daß dieser Walfisch nur »Moby-Dick« sein könnte. Manchmal herrschte auch eine merkwürdige Furcht, wenn die Erscheinung eintrat. Man hatte gleichsam das Gefühl, als ob man hinterlistig immer weiter gelockt würde und das Ungeheuer sich in einem Bogen um uns drehte und uns schließlich in den entferntesten und wildesten Gewässern vernichten wollte.

Diese zeitweiligen Befürchtungen, die so unbestimmt und daher so entsetzlich waren, zogen einen guten Teil ihrer Kraft aus der blauen Heiterkeit des Himmels, zu der sie im Gegensatz standen. Der blaue Glanz, so nahmen einige an, müsse ein teuflisches Lockmittel bedeuten. Da wir Tag für Tag durch so milde und einsame Meere mit erschlaffendem Klima fuhren, so schien der Raum als Protest gegen unsere rachgierige Absicht sich allen Lebens vor unserem urnenhaften Bug zu entäußern.

Aber endlich stürmten die Winde vom Kap auf uns los, als wir östlichen Kurs nahmen, so daß wir auf den langen unruhigen Wellen, die für das Kap so charakteristisch sind, auf- und niederschaukelten. Da beugte sich der walfischbeingepanzerte »Pequod« vor dem Sturm und brach die dunklen Wellen in ihrem Ungestüm, so daß der Wellenschaum wie flüssiges Silber über den Schiffskörper flog. Da schwand auch alle niederdrückende Leere des Lebens dahin, aber noch schrecklichere Seufzer als vorher traten dafür an die Stelle.

Dicht vorm Bug schossen hier und da seltsame Gestalten im Wasser vor uns her, während hinter dem Schiff die unergründlichen Kormorane flogen. Alle Morgen sahen wir auf unseren Stags ganze Reihen von solchen Vögeln sitzen. Trotzdem wir sie anschrien, machten sie sich lange Zeit hartnäckig an dem Hanf zu schaffen, als ob sie unser Schiff für ein abtreibendes Fahrzeug ohne Bemannung hielten, für ein Ding, das zur Zerstörung bestimmt und daher für Heimatlose ein geeigneter Rastort wäre.

Man nennt es das Kap der guten Hoffnung. Der Ausdruck »Kap Tormentoto«, wie es früher genannt wurde, wäre besser. Wenn wir durch die trügerische Stille so lange verführt waren, so wurden wir jetzt in das gequälte Meer hinausgestoßen, wo in Vögel und Fische verwandelte schuldige Wesen dazu verurteilt zu sein schienen, auf ewig, ohne einen Hafen in Sicht, umherzuschwimmen, oder die schwarze Luft mit den Flügeln zu schlagen, ohne einen Horizont erblicken zu können. Der schneeweiße, ruhig und unveränderlich zum Himmel aufschießende Strahl der gebüschelten Fontäne hielt uns wieder zum Narren wie ehedem.

Sie wurde nun manchmal wieder gemeldet. Gegenüber den finsteren Elementen legte Ahab, obwohl er unaufhörlich auf dem durchnäßten und gefahrvollen Deck das Kommando hatte, die düsterste Zurückhaltung an den Tag. Mehr als sonst wandte er sich an seine Maate. Bei solchen gefährlichen Zeiten kann man, wenn alles hoch oben und in der Takelage in Ordnung gebracht ist, nichts tun, als ergeben den Ausgang des Sturmes abwarten. Dann wurden Kapitän und Matrosen zu reinen Fatalisten. Ahab steckte das künstliche Bein in das gewohnte Loch auf Deck und faßte mit der einen Hand fest an eine Schotte. Stundenlang stand er so da und sah starren Blickes windwärts, während eine Sturmbö mit Schlackerschnee seine beiden Augenbrauen zusammenfrieren ließ.

Inzwischen stand die Mannschaft, die von dem vorderen Teil des Schiffes durch die schwere See vertrieben war, die in einem fort über den Bug hinwegstürzte, in einer Reihe am Schiffskörper auf dem Mitteldeck. Um sich gegen die Springflut besser schützen zu können, hatte sich jeder ein Bugtau, das an der Reling befestigt war, um den Leib gebunden, so daß er wie in einem weiten Gürtel hin- und herschwang. Es wurde wenig oder gar nichts gesprochen. Und das stumme Schiff fuhr, als ob es von Matrosen aus Wachs bemannt wäre, durch die dämonisch wilden und übermütigen Wogen. –

Viertes Kapitel

Südostwärts vom Kap, auf der Höhe der weit abliegenden Crozetts, die ein gutes Kreuzgebiet für die Fischer des gewöhnlichen Wales bilden, wurde ein Segelschiff gesichtet, das der »Albatros« hieß. Als es langsam näher kam, konnte ich von meinem hohen Sitz aus oben am Vormast recht gut erkennen, daß es ein Walschiff auf hoher See war und lange von daheim fortgewesen sein mußte. –

Dieses Fahrzeug war durch die Wellen gebleicht worden und sah wie das Skelett eines an den Strand getriebenen Walrosses aus. Es war mit langen Kanälen von rotem Rost durchzogen, während das Takelwerk und alle Spiere wie dicke Baumzweige aussahen, die von Rauhfrost überzogen sind. Man hatte nur die unteren Segel aufgesetzt. Es bot einen merkwürdigen Anblick, wenn man die Ausgucksposten mit den langen Barten an den drei Masten sah. Sie schienen in Tierfelle gekleidet zu sein, so zerrissen war die Kleidung, die vier Jahre Fahrt ausgehalten hatte. Sie standen in eisernen Reifen, die an den Mast genagelt waren und schaukelten so über der unendlich tiefen See. Und als das Schiff auf seiner langsamen Fahrt sich unserem Heck näherte, kamen wir sechs Matrosen in der Luft einander so nah, daß wir von dem einen Mast des einen Schiffes auf den des anderen hätten springen können. Und doch sagten diese traurig aussehenden Fischer, die uns beim Vorüberfahren sanft ansahen, nicht ein Wort zu unseren Ausguckposten, während man den Gruß des Achterdecks von unten herauf hörte.