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Hinter dem Märchentor entdeckt die neunjährige Mona den Eingang in die Märchenwelt! Aus einem Zusammenstoß mit dem vorlauten Rotkäppchen entsteht eine dicke Mädchenfreundschaft - und die Frage, warum Rotkäppchen so dumm ist, dem Wolf immer wieder auf den Leim zu gehen. Während Mona die Geschichte als neues Rotkäppchen im Märchenwald ganz neu aufrollt, begeistert sich das echte Rotkäppchen für die Menschenwelt. Schon bald frisst der Wolf nur noch Kuchen und Rotkäppchen postet spannende Neuigkeiten auf ihrem Märchenblog. Doch der Märchenkönig sieht nicht tatenlos zu, wenn es in seinem Reich drunter und drüber geht... Für junge Leser ab 8 Jahren.
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Seitenzahl: 117
Veröffentlichungsjahr: 2016
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Nicolas Bjausch
Monas Märchentor
Sei clever, Rotkäppchen!
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Inhaltsverzeichnis
Titel
1. Kapitel „Im Wald hinter dem Garten“
2. Kapitel „Das Mädchen in Rot“
3. Kapitel „Märchen lesen“
4. Kapitel „Freundinnen“
5. Kapitel „Mal was anderes“
6. Kapitel „Mona ist cleverer“
6. Kapitel „Rosi“
8. Kapitel „Rotkäppchen online“
9. Kapitel „Die Vorladung“
10. Kapitel „Guter Rat gesucht“
11. Kapitel „Rosi telefoniert“
12. Kapitel „Ende gut?“
Impressum neobooks
„Das Haus ist eine richtige Villa!“ hatten Mama und Papa Mona versprochen. Eine „Villa“ hätte Mona das Haus nie im Leben genannt, als sie nun davor stand. Das riesige Gebäude mit der schmutzig-weißen Holzverkleidung sah aus, als hätte es die Hauptrolle in einem Gruselfilm gespielt. In dem verwilderten Garten standen ein paar karge Bäume, auf denen schwarze Krähen hockten. Ein hoher Zaun aus rostigem Eisen umgab den Garten. Dahinter begann ein dunkler Wald.
Rechts und links vom Grundstück gab es keine Nachbarn. Die nächsten Häuser lagen einige hundert Meter weit weg. Das Gruselhaus lag also auch noch mitten in der Einöde, stellte Mona erschrocken fest.
Wie hatten Mama und Papa ihr das antun können? Dass sie eines Tages mit Mona aus der engen Stadtwohnung in ein eigenes Haus ziehen wollten, das stand schon lange fest. Aber Mona hatte immer gedacht, sie würden ein neues Haus in einer schönen Siedlung in einem Vorort bauen. Dass sie in diese alte, riesige Bretterbude ziehen würden, damit hätte Mona niemals gerechnet.
„Und, wie gefällt es dir, Schatz?“ fragte Mama gespannt.
Mona entschloss sich, ihrem Entsetzen Einhalt zu gebieten. Darum sagte sie: „Ich warte ab, bis ich das Haus von innen sehe.“
Aber das Innere der neuen Bleibe war auch nicht besser. Die hölzernen Treppenstufen knarrten, die Tapeten waren vergilbt, es roch nach vielen vergangenen Jahrzehnten. Als Spukhaus wäre die „Villa“ wunderbar durchgegangen.
„Sicher muss man das ein oder andere noch renovieren“, gab Mama zu. „Aber das machen wir schon. Nicht wahr?“
„Sicher“, seufzte Mona und besah sich ihr neues Zimmer. All ihre Möbel und die anderen Sachen waren bereits geliefert worden. Mona blickte aus dem Fenster. Ihr Zimmer lag auf der Rückseite des Hauses. Die Aussicht durch die milchige Fensterscheibe zeigte das wuchernde Gras und den rostigen Zaun mit den Eisenspitzen. Dahinter war der Wald, nichts als Wald. Mona blickte noch einmal genauer hin. Zwei Metallsprossen des Zaunes waren auseinander gebogen.
Ob Monas Freundinnen sie hier jemals besuchen würden? Eine geschlagene halbe Stunde brauchte der Bus aus der Stadt hierher. Mit dem Fahrrad hier rauszufahren, daran war gar nicht zu denken. Sicherlich würde Mona all ihre Freundinnen verlieren, jetzt, wo sie hier draußen im Nirgendwo leben musste.
Mona überlegte, was sie zuerst auspacken wollte. Ihre Bücher? Ihre Kleider? Vielleicht die Spiele? Zwischen den Kartons fand Mona eine lange, weiße Feder auf dem Fußboden. Sie steckte zwischen zwei Paneelen des Holzbodens. Mona nahm sie und legte sie auf die Fensterbank. Sie hatte keine Ahnung, woher die Feder stammte.
Mama und Papa hatten ihr versichert, dass sie ihr Zimmer so einrichten und einräumen durfte, wie sie wollte. Aber wenn Mona jetzt beginnen würde, sich den Raum schön zu machen, so war das wie ein Zugeständnis an den Umzug und die „Villa“. Und das wollte Mona gerade auf keinen Fall. Lieber würde sie die Gegend um das Haus herum erkunden.
Ihre Eltern waren unten in der Diele damit beschäftigt, einen Garderobenschrank aufzubauen. Als Mona mit ihrer Jacke vorbeikam, um aus der Haustür zu schlüpfen, fragte Papa: „Nanu, wo willst du hin? Hast du nicht in deinem Zimmer zu tun?“
„Doch“, druckste Mona herum, „aber ich möchte erst einmal sehen, wie es draußen aussieht.“ Dann fügte sie hinzu: „Es wird ja draußen auch schon wieder viel früher dunkel. Da habe ich noch genug Zeit, mein Zeug auszupacken.“
„Gut“, sagte Mama, „aber bleib nicht zu lange fort.“
Mona fragte sich, wie lange es her war, dass jemand das Gras im Garten gemäht hatte. Es reichte ihr fast bis über den Bauch. Mona stellte sich vor, dass sie eine Riesin war, die durch einen Wald streifte und über alle Baumkronen hinausragte. Hinter sich ließ sie eine große Furche zurück. Eigentlich fand Mona das meterhohe Gras sogar toll. Aber Mama war ein Fan von Gartenarbeit – sie würde bestimmt bald einen kurzgeschnittenen Rasen daraus machen.
Der Herbst hatte den Bäumen im Garten schon sämtliche Blätter weggenommen. Die Bäume erinnerten Mona an Gerippe. Der Wald, der sich hinter dem hohen Zaun auftat, sah ebenso kahl und nackt aus. Mona mochte den Herbst nicht. Alles war so kalt und trostlos.
Mona hatte sich den Weg durch das Gras bis hinter die Villa gebahnt. Sie blickte an der Fassade nach oben. Dort musste ihr Zimmerfenster sein. Mona ließ den Blick vom Fenster durch den Garten bis hin zum Zaun gleiten. Ihr fielen die beiden Eisenstäbe auf, die sie schon durch das Fenster gesehen hatte. Jemand hatte sie gelockert und auseinander gebogen. So war eine Öffnung entstanden, durch die man recht bequem durch den hohen Zaun schlüpfen konnte.
Neugierig kletterte Mona zwischen dem rostigen Eisen hindurch. Vor ihr ragte der Wald empor. Mona sah zwischen den hohen Baumstämmen hindurch. Wie tief diese Wälder wohl sein mochten? Sie hatte keine Vorstellung, sah nur, dass es in der Ferne zwischen den turmdicken Bäumen immer dunkler wurde.
Vorsichtig tat sie ein paar Schritte ins Gehölz. Der Herbstwind heulte leise durch die nackten Baumkronen. Krähen riefen in der Ferne. Es war ein bisschen gruselig, fand Mona, aber die Stimmung gefiel ihr. Ein wenig wollte sie diesen Wald noch erkunden.
Sie lief durch das Laub, über nasse Erde, und sprang über einen dicken Ast, den der Sturm einmal von einem Baum abgerissen hatte. Zwischendurch vergewisserte sie sich immer wieder, dass sie das Haus und den Garten nicht aus den Augen verlor, um den Rückweg zu finden.
Der Duft von verregneter Erde mischte sich mit dem Geruch von vermodertem Holz. Mona balancierte über einen am Boden liegenden Baumstamm, um nicht mit den Füßen in den Schlamm zu geraten. Da fiel ihr plötzlich etwas ins Auge. Einige hundert Meter entfernt, vielleicht war es auch näher, nahm Mona ein großes, braungrünes Gebilde wahr. Kurz dachte sie, dass es ein riesiger Haufen von aufgestapelten Ästen und Zweigen war. Aber dafür war es zu riesig. Für ein Haus war das Gebilde zu unförmig. Mona machte schnellere Schritte. Sie musste wissen, was das war. Noch einmal drehte sie sich um. Die Villa und der Garten waren schon recht weit entfernt, aber Mona konnte sie noch sehen.
Allmählich nahm das merkwürdige, große Gebilde Gestalt an. Was Mona da sah, versetzte sie in Staunen: Zwei Bäume – Mona nahm an, es waren Eichen – standen dort, nur wenige Meter voneinander entfernt. Das Merkwürdige war aber, dass sich die Baumkronen ab dem oberen Teil des Stammes einander zuneigten. Die Äste der Bäume wuchsen aufeinander zu. Dort, wo sie sich trafen, verschlangen sich die Äste und verwuchsen ineinander. Doch damit war es nicht genug: Mona besah sich die Kletterpflanzen, die zwischen den Eichen wuchsen und an den Baumstämmen hinauf rankten, sich oben in den Ästen festhielten und an anderer Stelle wieder nach unten hingen. Was sich dort bildete, sah fast so aus wie ein... Tor.
Mona kam aus dem Staunen nicht heraus. Sie blickte das „Tor“ fassungslos an. Sie war sich nicht sicher, ob das Tor ein Kunstwerk war, das die Natur aus Zufall hatte wachsen lassen oder ob das jemand mit Absicht so gepflanzt hatte. Mit zaghaften Schritten näherte sich Mona dem Tor. Sie strich einige der hängenden Kletterpflanzen zur Seite und atmete tief durch. Dann ging sie zwischen den farblosen Blättern durch den Bogen aus Baumstämmen und Geäst.
Nie im Traum hätte Mona erwartet, was sie hier empfing. Der Wald war wie ausgewechselt: Hier auf der anderen Seite des Tores war von der tristen Kälte nichts mehr übrig. Hell brach sich das Licht durch strahlende, frühlingsgrüne Baumkronen. Pollen schwebten wie Federn durch die Luft, die erfüllt war von Vogelgezwitscher. Der Wind rauschte sachte durch das Blattwerk.
Mona kam aus dem Staunen nicht heraus. Es war so, als sei sie eben aus dem Herbst direkt in den Frühling gesprungen. Und das nur, weil sie unter diesem merkwürdigen Bogen aus Bäumen hindurch gegangen war. Mit einem Male stellte Mona fest, wie mild und warm die Luft war. Es herrschte eine beinahe sommerliche Temperatur, so dass Mona ihre Jacke auszog und sie sich um die Hüfte band.
Was war das? In der Ferne sah Mona plötzlich eine Gruppe von Gestalten durch den Wald wandern. Es waren... kleine Männer, glaubte Mona zu erkennen. Sie liefen in einer Reihe hintereinander durch die Sträucher. Sie verschwanden im Dickicht, gerade als Mona die Männer gezählt hatte. Es waren sieben gewesen.
In diesem Augenblick hörte Mona etwas knacken und knistern. Es waren hastige Schritte, mit denen jemand durch den Wald eilte. Mona fuhr herum und sah auf einer entfernten Lichtung zwei Kinder, einen Jungen und ein Mädchen. Der Junge trug eine Lederhose mit Latz, das Mädchen hatte zwei Zöpfe und trug ein zerschlissenes Kleid. Aber noch bevor Mona nach den beiden Kindern rufen konnte, waren sie schon hinter den Büschen verschwunden.
Was war denn hier nur los? Wie konnte es sein, dass der Wald hier auf einmal in schönster Frühlingsblüte stand? Hätte Mona die sieben Männer oder die beiden Kinder doch nur fragen können. Vielleicht konnte sie die Kinder einholen? Mona zog ihre Jacke noch einmal an der Hüfte fest und begann zu laufen. Doch als ihre Augen versuchten zu erhaschen, wo die Kinder abgeblieben waren, stolperte Mona über etwas und schlug der Länge nach auf den Waldboden. Glücklicherweise war der Boden mit weichem Moos bewachsen, so dass der Aufprall Mona nicht sehr schmerzte. Dennoch rappelte sie sich vorsichtig auf und prüfte, dass sie sich auch wirklich nicht verletzt hatte.
Dann sah Mona, über was sie eigentlich gestolpert war. Es war ein Weidenkorb. Mona hatte ihn umgestoßen, als sie über ihn gestolpert war. Dabei waren der Kuchen und die Flasche Wein, die im Korb gelegen hatten, herausgerollt. Überrascht sah Mona sich um. Niemand war in der Nähe. Ob jemand den Weidenkorb hier einfach vergessen hatte, oder warum stand er hier mitten im Wald? Schnell packte Mona den Kuchen und den Wein zurück in den Korb und richtete ihn auf.
„Was machst du da? Finger weg!“ gellte da eine helle Stimme hinter Mona.
Mona wirbelte herum und sah ein kleines Mädchen mit blonden Haaren und einem roten Kleid. Das Mädchen hatte ihre Arme angriffslustig vor der Brust verschränkt.
„Nichts“, sagte Mona vorsichtig und schob dem Mädchen den Korb entgegen. „Wirklich.“
„Ach ja?“ fragte das Mädchen giftig. „Da geht man kurz über die Lichtung, um ein paar Blumen zu pflücken und schon gleich kramt jemand in meinem Korb!“
„Ich krame ja gar nicht“, antwortete Mona entschuldigend. „Ich bin darüber gestolpert. Verzeihung.“
Das Mädchen griff blitzschnell nach dem Korb und zog ihn an sich. „Na ja“, murmelte sie, während sie den Kuchen und den Wein untersuchte, „scheint alles in Ordnung zu sein.“
Verwundert besah sich Mona das Mädchen. Es war ungefähr so alt wie sie selbst, nur war die Art, wie sie gekleidet war, sehr altertümlich. Das rote Kleid mit der Schürze und die aufgedrehten Zöpfe – das Mädchen sah aus, als sei es einem Film entsprungen, fand Mona.
„Wer bist du eigentlich?“ fragte Mona misstrauisch.
„Wieso interessiert dich das?“ fragte das Mädchen zurück und setzte die Kapuze ihres roten Schulterumhangs auf. Die Kopfbedeckung leuchtete in einem kräftigen Rot.
So wie das Mädchen nun da stand, in diesem... Kostüm, und dann mit dem Korb mit dem Kuchen und dem Wein, so sah es aus wie...
„Rotkäppchen!“ rief Mona, „du siehst aus wie Rotkäppchen.“
Verblüfft starrte das Mädchen Mona an. „Kennen wir uns?“
Mona kicherte. „Nein, noch nicht. Aber was ist hier eigentlich los? Wieso spielst du hier im Wald Theater?“
„Theater spielen?“ Das Mädchen verstand nicht. „Was meinst du?“
„Na, du spielst doch Rotkäppchen!“ erklärte Mona. Da fiel es ihr ein. „Und da waren eben die sieben Männer... das waren bestimmt die sieben Zwerge! Und dann der Junge und das Mädchen.“
„Das waren bestimmt Hänsel und Gretel“, stellte das Mädchen fest und blickte zur Sonne. „Die sind aber heute früh dran.“
Mona lachte. „Ja, die sind früh dran. Aber jetzt mal im Ernst, was macht ihr hier? Seid ihr irgendein Theaterverein, der hier im Wald Märchen nachspielt oder wie?“
Das Mädchen blickte Mona entgeistert an und tippte sich an die Stirn. „Du bist genauso doof, wie du in deinen komischen Klamotten aussiehst. Eben hast du doch gewusst, dass ich Rotkäppchen bin. Warum meinst du dann auf einmal, dass ich hier Theater spiele?“
„Ja... spielst du denn nicht Rotkäppchen?“ fragte Mona.
„Nein, ich bin Rotkäppchen“, stellte Rotkäppchen fest. „Und ich muss jetzt auch wirklich mal los, ich muss zu meiner Großmutter.“
„Ja, aber sag mal: Wo bin ich denn hier eigentlich?“ hielt Mona sie zurück.
„Mensch, dieses Land nennt man Mär-chen-reich!“ Rotkäppchen sprach das Wort so aus, als hielte sie Mona für bescheuert.
„Märchenreich?“ wiederholte Mona ungläubig. Sagte diese Mädchen tatsächlich die Wahrheit? Merkwürdig genug war das hier alles ja... die saftig-grünen Bäume, die sieben Männer, das vorlaute Mädchen mit dem Korb.
Rotkäppchen seufzte. „Du bist wirklich anstrengend“, sagte sie. „Wo kommst du eigentlich her?“
„Na, aus der Stadt“, erklärte Mona. „Also, aus Deutschland.“
Rotkäppchen horchte auf. „Was? Willst du damit behaupten, du kommst aus der Menschenwelt?“
„Ja!“ sagte Mona.
Rotkäppchen riss ihre Augen auf. „Die Menschenwelt gibt es wirklich?“
„Natürlich gibt es die“, erwiderte Mona, „was hast du denn gedacht?“
„Dass all diese Geschichten aus der Menschenwelt erfunden sind“, erklärte Rotkäppchen.
„Was für Geschichten?“ fragte Mona.
„Na, zum Beispiel die von dem großen Schiff, das auf einen Eisberg gelaufen ist!“ erzählte Rotkäppchen aufgeregt. „Oder die von dem Land, in das man eine Mauer gebaut hat, so dass es in zwei Teile geteilt wurde.“
„Das sind doch keine Geschichten“, entgegnete Mona. „Das sind wahre Ereignisse. Geschichten, das sind Märchen, so wie... du.“
Sofort verfinsterte sich Rotkäppchens Miene wieder. „Willst du damit sagen, dass Märchen erfundene Geschichten sind?“