Mord im Grandhotel - Rita Hampp - E-Book

Mord im Grandhotel E-Book

Rita Hampp

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Beschreibung

Schicksalsschlag für die liebenswürdige Marie-Luise Campenhausen: Ihr Lieblingsneffe Raphael Wittemann, ein reicher Bauunternehmer aus Frankfurt/Main, ertrinkt während des traditionellen Oldtimermeetings im Luxuspool von Brenner's-Parkhotel, dem ältesten der Fünf-Sterne-Häuser Baden-Badens. Für die Ärzte ist es natürlicher Herztod, für Marie-Luise kann es aber nur Mord gewesen sein. Denn ist es nicht höchst verdächtig, dass Raphael in seinem Zimmer drei Millionen Euro in bar aufbewahrte? Oder dass seine unangenehme Ex-Verlobte lügt und ein sonderbares Interesse an einem bis heute ungelösten Baden-Badener Mordfall zeigt? Kurz entschlossen alarmiert die alte Dame ihre Freunde, die Gerichtsreporterin Lea Weidenbach und Kriminalhauptkommissar Maximilian Gottlieb. Diese finden schon bald weitere Personen, die Grund genug gehabt hatten, Raphael Wittemann den Tod zu wünschen. Die dramatischen Nachforschungen bringen sowohl Lea als auch Frau Campenhausen in größte Gefahr und Gottlieb in irritierende Gefühlswallungen.

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Seitenzahl: 475

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Über das Buch:

Schicksalsschlag für die liebenswürdige Marie-Luise Campenhausen: Ihr Lieblingsneffe Raphael Wittemann, ein reicher Bauunternehmer aus Frankfurt/Main, ertrinkt während des traditionellen Oldtimermeetings im Luxuspool von Brenner's-Parkhotel, dem ältesten der Fünf-Sterne-Häuser Baden-Badens. Für die Ärzte ist es natürlicher Herztod, für Marie-Luise kann es aber nur Mord gewesen sein. Denn ist es nicht höchst verdächtig, dass Raphael in seinem Zimmer drei Millionen Euro in bar aufbewahrte? Oder dass seine unangenehme Ex-Verlobte lügt und ein sonderbares Interesse an einem bis heute ungelösten Baden-Badener Mordfall zeigt? Kurz entschlossen alarmiert die alte Dame ihre Freunde, die Gerichtsreporterin Lea Weidenbach und Kriminalhauptkommissar Maximilian Gottlieb. Diese finden schon bald weitere Personen, die Grund genug gehabt hatten, Raphael Wittemann den Tod zu wünschen. Die dramatischen Nachforschungen bringen sowohl Lea als auch Frau Campenhausen in größte Gefahr und Gottlieb in irritierende Gefühlswallungen. 

Edel eBooks Ein Verlag der Edel Germany GmbH

© 2015 Edel Germany GmbH Neumühlen 17, 22763 Hamburg

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Copyright © 2007 by Rita Hampp

Dieses Werk wurde vermittelt durch die Michael Meller Literary Agency GmbH, München.

Covergestaltung: Eden & Höflich, Berlin.

Konvertierung: Datagrafix

Alle Rechte vorbehalten. All rights reserved. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des jeweiligen Rechteinhabers wiedergegeben werden.

ISBN: 978-3-95530-772-1

facebook.com/edel.ebooks

Inhalt

EINS

ZWEI

DREI

VIER

FÜNF

SECHS

SIEBEN

ACHT

NEUN

ZEHN

ELF

ZWÖLF

DREIZEHN

VIERZEHN

FÜNFZEHN

SECHZEHN

SIEBZEHN

ACHTZEHN

NEUNZEHN

ZWANZIG

EINUNDZWANZIG

ZWEIUNDZWANZIG

DREIUNDZWANZIG

VIERUNDZWANZIG

FÜNFUNDZWANZIG

EINS

Angestrengt vertiefte sich Robby Oser in das Buch, das vor ihm lag, und wünschte sich, unsichtbar zu sein. »Kriminalistisches Denken« – allein der Titel versprach, was er sich immer gewünscht hatte, nämlich Einblicke in seinen heimlichen Traumberuf.

Aber es war gar nicht so leicht, sich zu konzentrieren. Die Buchstaben tanzten vor seinen Augen Walzer, langsamen Walzer, und seine Gedanken kreisten um den einen und einzigen Namen: Claudia.

Gleich würde sie wieder vorbeikommen, wohl zum zwanzigsten Mal heute. Aber er würde nicht aufblicken. Er würde ihr nicht nachsehen. Er würde ihren Blick nicht erwidern, nicht an ihren Lippen hängen. Dabei hatte sie den aufregendsten Mund der Welt, die längsten Beine, die blondesten Haare und die schönsten grünbraunen Augen, die man sich nur vorstellen konnte.

Claudia! Schon dieser Name zerging auf der Zunge wie Sahnetrüffel. Ja, er gab es zu: Er war ihr vom ersten Anblick verfallen, seit er vor zwei Wochen, gleich nach seinem Abitur, diesen Ferienjob in Brenners Pool- und Spa-Bereich bekommen hatte.

Er machte sich nichts vor: Sie war unerreichbar für jemanden wie ihn, der nichts anderes vorzuweisen hatte als gute Noten. Er war nicht besonders groß, nicht besonders sportlich, sah nicht besonders gut aus. Durchschnitt eben.

Dumm und ungelenk wie ein Vierzehnjähriger kam er sich vor, wenn sie lächelte oder sich über seinen Schreibtisch beugte. Zweimal schon hatte sie ihn mit ihrer sanften Milchschnitten-Stimme gebeten, ihm bei den Handtüchern zu helfen, und jedes Mal hatten ihm dann die Hände gezittert. Wie peinlich! Er hatte den frischen Blumenduft ihrer Haare eingeatmet und sich für eine Millisekunde vorgestellt, wie es wäre, wenn sie seine verwirrten Gefühle erwidern würde. Das war natürlich Unsinn. Kompletter Unsinn. Claudia war zwei Jahre älter als er und außerdem viel zu schön, um sich mit jemandem wie ihm abzugeben!

Außerdem brauchte er diesen Job, um sich ab Herbst das Studium zu finanzieren. »Keine Flirts, weder mit den weiblichen Gästen noch mit den Kolleginnen«, hatte man ihm gleich am ersten Tag beigebracht, und er hatte es natürlich hoch und heilig versprochen.

Aber da hatte er Claudia noch nicht gesehen.

Zweieinhalb Stunden noch, dann war er für heute erlöst.

»Verdacht hegen heißt mehr oder anderes vermuten, als sich zeigt«, las er und verstand kein Wort, denn gerade klapperten ihre Absätze an ihm vorüber. Sein Arbeitsplatz befand sich direkt vor der Treppe zum Pool im ersten Stock, zwischen der Wäschekammer und dem exklusiven Spa-Bereich. Wie jedes Mal zog ihr Duft in seine Nase. Er duckte sich und begann zu schwitzen. Heute war Sonntag, die Teilnehmer des Oldtimer-Meetings waren abgereist, die restlichen Gäste machten sich zum Abendessen im Haus oder in den anderen Lokalen Baden-Badens fertig. Mit anderen Worten: Claudia und er waren allein hier unten.

Gleich würde sie zurückkommen. Was sollte er sagen, falls sie ihn ansprach? Dass sie ihn in Ruhe lassen sollte? Dass er noch nie eine Freundin gehabt hatte und keinen Fehler machen wollte? Dass er zu schüchtern war, um sich zuzutrauen, sie einzuladen und sie einen ganzen Abend mit witzigen Anekdoten zu unterhalten?

Schritte von links. Er verkroch sich tiefer hinter dem Monitor. Aber nein, das war nicht das aufregende Klacken ihrer Absätze, sondern das Schnalzen von Badelatschen. Robby versuchte sich zu entspannen.

Der Gast, der sich im weißen Bademantel des Hauses näherte, war Mitte fünfzig, groß und relativ schlank. Er hielt sich gerade, wie es reiche Leute oft tun, sein Haarschnitt sah teuer aus, am kleinen Finger blitzte ein Siegelring mit einem blauen Stein, dessen Wert einen Studenten vermutlich durch zwei Semester bringen konnte. In der Hand hielt er ein Champagnerglas, und das bedeutete Ärger.

Claudia und die Kriminalistik waren vergessen. Jetzt ging es nur noch darum, diesem Mann dieses Glas auszureden, ohne sich eine dicke Beschwerde einzuhandeln.

*

Mit hämmerndem Kopf ließ Raphael Wittemann den Hotelbademantel auf die Steinbank neben dem Pool sinken und betrachtete sich in dem großen, goldumrandeten Spiegel, der schräg an der Wand lehnte. Verärgert schnitt er eine kaum sichtbare Grimasse.

Früher hätte man ihm den nächtlichen Alkoholexzess um diese Uhrzeit längst nicht mehr angesehen. Aber jetzt zeigte sein Spiegelbild ihm unmissverständlich, dass er heute fünfundfünfzig geworden war. Hässliche Tränensäcke hingen unter seinen geröteten Augen, und die Mundwinkel ließen sich nur mit großer Anstrengung nach oben ziehen. Immer noch war ihm flau im Magen. Es war eindeutig zu viel Whisky gewesen, mit dem er seinen Zorn und seine Enttäuschung heruntergespült hatte. Aber er wollte nicht daran denken, nicht jetzt. Morgen war noch Zeit genug. Dieses verdammte Miststück war es doch gar nicht wert gewesen, sich diesen Riesenrausch anzutrinken.

Er sollte sich lieber ablenken und sich entspannen. Eigentlich sollte es ihm gut gehen. Es war doch sehr angenehm hier. Rötlicher Marmor, azurblaues Wasser, Stille. Durch die riesige Glasfront konnte man hinaus in die berühmte Lichtentaler Allee sehen, durch die Bäume die formvollendeten Umrisse des Burda-Museums ahnen und die Pferdekutschen beobachten, die wie ein Postkartengruß aus dem vorletzten Jahrhundert vorbeizogen. Die Abendsonne tauchte den Raum in warmes Licht.

Er war allein. Es war halb sieben, und die übrigen Hotelgäste bereiteten sich wahrscheinlich aufs Abendessen vor. Er wollte nur zehn oder zwölf Bahnen schwimmen, gerade genug, um sich frisch zu machen und um endlich Appetit zu bekommen. Tante Marie-Lu hatte vorhin leider wie üblich auf einem Stück Kuchen bestanden, und wer konnte ihr schon etwas abschlagen. Aber sein Magen hatte es ihm übel genommen. Deshalb hatte er sich auf dem Weg zum Pool, schon im Bademantel, an der Bar noch schnell ein Glas Champagner geben lassen.

Wieder erinnerten ihn seine pochenden Schläfen daran, wie sehr er sich ärgerte. Robert Oser, den Namen würde er sich merken! Dieses Würstchen war heute zum letzten Mal im Dienst! Wie kam dieser pubertierende Jüngling dazu, ihm den Champagner abzunehmen? War er etwa ein alter Tattergreis, dem jeden Augenblick ein Glas aus der Hand rutschen konnte? Vorschriften, pah! Er war Raphael Wittemann, Stammgast des Hauses seit dreißig Jahren. Noch nie hatte ihm jemand ein Glas verweigert!

Wie ein alkoholsüchtiger Stadtstreicher hatte er den Champagner heruntergestürzt. Er hatte ihn doch nicht schal werden lassen wollen! Aber bei Gott, es war eine unwürdige Szene gewesen, und der Alkohol hatte ihm überhaupt nicht gutgetan, sondern seinen Kater noch verstärkt.

Robert Oser! Am liebsten hätte er sofort den Hoteldirektor gerufen, dieses Bürschchen vor seinen Augen hinauswerfen und sich ein neues Glas kommen lassen. Doch das ging nicht, er hatte keine Zeit. In einer halben Stunde, Punkt neunzehn Uhr, würde er zum Geburtstagsdinner im Parkrestaurant erscheinen, wie es seit dreißig Jahren Tradition war.

Noch einmal ließ er seinen Blick schweifen und versuchte, sich zu beruhigen und sich in Feierlaune zu versetzen. Es war doch herrlich hier. Genau das Richtige, um ein paar Minuten abzuschalten und an nichts zu denken. Vor allem nicht an diesen unsäglichen Betrug, dem er um ein Haar zum Opfer gefallen wäre.

*

Am Monitor ließ Robby den eitlen Gecken nicht aus den Augen. Wie der sich aufgespielt hatte! Dabei gab es keine Ausnahmen. Glas war im Poolbereich verboten. Daran mussten sich auch die Reichsten der Reichen, die Wichtigsten der Wichtigen halten. Unglaublich, wie aggressiv dieser Kerl geworden war! Der Hinweis auf die neuen Vorschriften hatte ihn geradezu explodieren lassen.

»Junger Mann, ich sage Ihnen etwas: Erreichen Sie erst einmal etwas in Ihrem Leben, bevor Sie mir mit Vorschriften kommen! Was fällt Ihnen ein, mir mein Glas Champagner zu verbieten?«

»Ich verbiete es Ihnen nicht. Sehen Sie, ich habe einen Kühler hier, extra für solche Fälle. Ihr Champagner wird nachher genauso frisch sein wie jetzt.«

Der Mann hatte ihn mit blutunterlaufenen Augen angestarrt. Wahrscheinlich hatte er schon mittags einen zu viel gehoben oder die Nacht zuvor durchgemacht. Und jetzt ließ er seine Laune am Schwächsten aus, dem er begegnete.

»Das ist mir egal! Ich will Ihren Namen! Ich werde mich beschweren! Sie können schon anfangen, Ihre Stellungnahme zu schreiben, ach was, schreiben Sie gleich eine Bewerbung für Hartz IV. Sie werden nicht mehr hier sein, ehe der Abend herum ist. Haben Sie das verstanden?«

Robby hatten die Knie gezittert. Jedes Wort glaubte er diesem Mann. Am liebsten hätte er ihn im Pool ertränkt!

»Ihren Namen!«

»Robert Oser.«

Der Mann hatte den Champagner in einem Schluck heruntergekippt und ihm das leere Glas auf den Tresen geknallt. »Robert Oser. Kommen Sie mir nie wieder unter die Augen! Seit dreißig Jahren nehme ich mein Glas mit an den Pool. Seit dreißig Jahren! Und jetzt schwafeln Sie etwas von Verboten? Das ist unerträglich!«

Ausgerechnet in diesem Augenblick, als sich dieser Gockel so aufplusterte, ausgerechnet da schwebte Claudia herbei. Sie blieb stehen, einen Stapel frischer Handtücher im Arm, direkt zwischen seinem Arbeitsplatz und dem Gast.

»Entschuldigen Sie, wenn ich mich einmische«, sagte sie sanft. »Es geht mich zwar nichts an, aber ich möchte für den Kollegen ein gutes Wort einlegen. Wir haben die Vorschrift erst seit ein paar Wochen, seitdem ein paarmal Gläser auf dem Boden zerbrochen sind und die Scherben auch in den Pool fielen. Es ist ein sehr großer Aufwand, den Pool abzulassen und zu säubern, und die anderen Gäste beschweren sich, wenn sie während der Zeit nicht schwimmen können. Stellen Sie sich vor, ein solches Malheur wäre vor einer Viertelstunde einem anderen Gast passiert, und wir hätten den Poolbereich abgesperrt.«

Der Gast ließ seinen Blick langsam, ganz langsam, über Claudias Oberkörper gleiten, und sie machte unwillkürlich einen kleinen Schritt zurück. Robby merkte, wie ihm die Halsschlagader vor Eifersucht schwoll. Dieser Mann sollte Claudia nicht so anstarren. Das war nicht anständig! Dann aber machte er sich bewusst, dass Claudia den Handtuchstapel vor sich trug und der Gast nichts, aber auch gar nichts von ihren perfekten Rundungen sehen konnte.

Dem Mann reichte offensichtlich schon ein Blick in ihre großen Augen, denn er begann zu lächeln, hob die Hand und fasste ihr ans Kinn. Am liebsten hätte Robby ihn mit einem Faustschlag niedergestreckt, so sehr ärgerte er sich über diesen Übergriff.

Doch Claudia konnte sich selbst helfen. »Vielen Dank für Ihr Verständnis«, hauchte sie, entzog sich mit einem kleinen, leisen Kichern seiner Hand und entfernte sich in Richtung Spa-Bereich, wo sie die Handtücher für die Gäste des nächsten Morgens ausbreiten würde.

Der Gast blieb einen Moment stehen und sah ihr nach, dann machte er eine halbe Drehung und streckte seinen Zeigefinger aus. »Robert Oser! Das wird ein Nachspiel haben! Das schwöre ich!« Dann stieg er zornig die Treppe nach oben zum Poolbereich, und Robby hatte ihn nur noch im Monitor sehen können.

Ihm wurde schlecht, als er beobachtete, wie der Mann sich wie ein Pfau vor dem Spiegel drehte und wendete. Es war seine Aufgabe, ein Auge auf die Badegäste zu haben. Der Pool war zwar nur einen Meter vierzig tief, aber es waren schon Leute in einer Pfütze ertrunken. Unter den Gästen des Hauses waren ältere Herrschaften, bei denen man immer mit einem kleinen Schwächeanfall rechnen musste. Genau für solche Fälle war er ausgebildet. Er wusste, was dann zu tun war.

Dieser Kerl dort war ihm allerdings herzlich egal. Sollte er doch ausrutschen und sich die Knochen brechen! Er würde ihm zu Hilfe kommen, natürlich, das war sein Job, aber der Mann würde kein Mitleid erwarten dürfen. Robby begann sich auszumalen, wie der Mann sich vor Schmerzen wand, wie er versprach, sich nicht zu beschweren, wenn er, Robert Oser, ihm nur endlich, endlich helfen würde.

Ach, schön wäre es.

Aber dieser Mensch dort stand ja nur da und bewunderte sich!

Und hier kam das vertraute Klacken zurück, immer lauter wurde es, dann hörte es auf, direkt vor ihm.

*

Ein letzter Blick in den Spiegel. Hier stand Raphael Wittemann, der erfolgreichste Bauunternehmer Frankfurts. Es war doch egal, was gestern geschehen war! Er hatte alles Nötige in die Wege geleitet, und heute würde er den Tag genießen. Morgen war Zeit genug, sich um den Rest zu kümmern.

Er trat einen Schritt vor und machte eine halbe Drehung nach links, dann nach rechts. Er würde schon nicht lange Single bleiben. Er konnte jede Frau haben. Er war wohlhabend, und er sah großartig aus. Jawohl! Großartig! Nun ja – bis auf diesen Schönheitsfehler. Vorsichtig hob er den Arm und vergewisserte sich, dass er immer noch allein war. Ekelhaft, dieser Ausschlag unter den Achseln. Erst vor ein paar Jahren hatte ein Arzt seinem Leiden einen Namen gegeben: Morbus Hailey Hailey. Eine Erbkrankheit, hatte er erfahren, als wenn er es nicht schon längst geahnt hätte. Alle in seiner Familie hatten darunter gelitten, besonders die männlichen Mitglieder. Wie er diese permanent juckende, nässende Hautpartie verabscheute! Sie passte nicht zu ihm. Er wusste nicht, womit er dieses Ekzem verdient hatte. Es war ungerecht! Sein persönliches Fegefeuer auf der Erde. Dabei wollte er doch so stark und unbesiegbar sein.

Wittemann schreckte aus seinen Gedanken hoch. Wie die Zeit verrann! Er hatte nur noch zwanzig Minuten, gerade ausreichend für ein paar Bahnen. Unpünktlichkeit konnte er nicht ausstehen. Er nahm das Mittel gegen den Ausschlag aus der Tasche des Bademantels, sprühte seine Achseln ein und wartete ungeduldig auf die kühle Erleichterung, die sich auf die heißen offenen Hautpartien legen würde. Gleich würde das Jucken und Brennen vorbei sein.

Wenigstens körperlich würde es ihm dann wieder gut gehen. Mit allem anderen würde er auch noch fertig werden. Wieder kroch ungezügelter Ärger in ihm hoch, der in ihm nagte, seit er diesem unsäglichen Manöver auf die Spur gekommen war. Wie hatte er sich nur so täuschen lassen können, ausgerechnet er! Ein vertrauensseliger Einfaltspinsel war er gewesen, ohne Verstand! Das war mit nichts zu entschuldigen.

Der Geschmack wie von einem Lösungsmittel legte sich auf seine Zunge, widerlich intensiv. Er erschrak. Was war das? Das bildete er sich nicht ein! Sein Mund wurde trocken. In den Ohren begann es zu rauschen. Zur selben Zeit erfasste ein Kribbeln wie von Millionen Ameisen seinen Körper. Eiseskälte kroch in ihm hoch, fuhr in seine Adern, drang in die kleinsten Blutgefäße. Es war kein Blut mehr in ihm, nur noch blankes Eis.

Er merkte, wie ihm der Atem stockte, wie sein Herz sich weigerte weiterzuschlagen. »Hilfe«, wollte er rufen, aber kein Laut kam über seine Lippen. Er konnte sich nicht bewegen und bekam keine Luft mehr. Nicht einmal seine Augen konnte er mehr schließen. Er war gelähmt. Nur seine Gedanken rasten durch seinen Kopf. Was passierte mit ihm? Er würde sterben, das erkannte er in diesem Augenblick. Aber warum? Weshalb? Das Herz? Schlaganfall? Unmöglich! Oder hatte er die albernen ärztlichen Warnungen doch zu leichtfertig in den Wind geschlagen?

Es war niemand hier, der helfen konnte. Der Angestellte an dem Überwachungsbildschirm eine Treppe tiefer würde nichts Ungewöhnliches bemerken, nur einen Mann, der da stand und sich nicht regte. Er konnte nicht schreien, keine Zeichen geben, dass etwas mit ihm nicht stimmte. Der dünne Flakon glitt aus seiner Hand und zerbrach.

Wie irrsinnig, dachte er noch, niemand merkt, dass ich sterbe.

Dann begann er zu fallen. Erst langsam, dann immer schneller. »Ins Wasser«, flehte er lautlos, »bitte, bitte, lass mich ins Wasser fallen.« Das Wasser war bestimmt warm. Es würde das Eis in seinem Körper zum Schmelzen bringen. Vielleicht hatte er eine Chance weiterzuleben.

ZWEI

Marie-Luise Campenhausen genoss das Treiben in der Kaminhalle wie ein junges Mädchen. Solange sie denken konnte, war Brenners Parkhotel Baden-Badens allererste Adresse. Früher hatte sie sich manchmal gewünscht, in einer anderen Stadt zu leben, denn dann hätte sie genau hier ihre Urlaube verlebt. Doch sie wohnte nur wenige Meter entfernt, da war ein solcher Gedanke eigentlich ein wenig – nun ja – töricht.

Leider war selbst an einem Ort wie diesem nicht mehr alles so, wie es einmal gewesen war. Im Kamin zum Beispiel hatte früher echtes Holz geknistert und einen unvergleichlichen Geruch verbreitet. Heute war das Flammenspiel zwar immer noch stilvoll, aber aus Gas gespeist. Früher war dies eine große, weitläufige Halle gewesen, heute ein eher intimer Salon. Aber den Geist des Hauses hatte man bei all den Modernisierungen erhalten, und darauf kam es an.

Entzückt schloss sie die Augen, als Hauspianist Frederico di Giorgio auf dem Flügel einen Evergreen anstimmte. »A kiss is still a kiss«, summte sie insgeheim mit. Passte diese altmodische Melodie nicht großartig zu einer alten Dame in einem altehrwürdigen Grandhotel? Ach, wie sie die Besuche in dieses Haus jedes Jahr genoss! Raphael hatte alles wieder genauso arrangiert wie immer. Das war ja schon wie beim »Dinner for one«, dachte sie und kicherte unhörbar in sich hinein: Nur die Anzahl der Gäste war eine andere als in der berühmtem Vorlage.

Sie war sehr froh, dass das ungezogene, vorlaute, viel zu junge Fräulein Kuhn ihr dieses Mal nicht die Laune verderben würde. Eine Person ohne Benimm. Sie unterbrach Gespräche, feilte sich zwischen den Gängen bei Tisch die Nägel, behängte sich mit zu protzigem Schmuck zur unpassenden Tageszeit, benutzte ein aufdringlich süßes Parfüm und trug unanständig tiefe Ausschnitte. Wahrscheinlich war das sowieso nur etwas Sexuelles zwischen den beiden gewesen; ein Mann Mitte fünfzig brauchte das vermutlich.

Eigentlich hatte Marie-Luise vorgehabt, diesmal ihre Vorbehalte herunterzuschlucken und dieser unmöglichen Frau so gut es ging entgegenzukommen. Immerhin waren die beiden nun schon sechs Jahre zusammen, da war kühle Reserviertheit vielleicht nicht mehr angebracht. Doch dann hatte sie vorgestern ausgerechnet dem Badischen Morgen entnehmen müssen, dass die beiden am zweiten Oktober heiraten wollten. Unerhört, dass die eigene Tante eine solche Nachricht aus der Zeitung erfuhr! Sie hatte Raphael sofort die Meinung sagen wollen, aber dann hatte sie es sich gerade noch rechtzeitig überlegt, den ersten Zorn heruntergeschluckt und eine Nacht darüber geschlafen. Gestern hatte sie ihn nicht erreichen können, und so hatte sie die Aussprache auf heute Nachmittag verschoben.

Und jetzt war plötzlich alles anders, aus und vorbei. Raphael hatte die Lippen zusammengepresst und ihr das Wort abgeschnitten.

»Wir sind nicht mehr verlobt.«

Mehr sagte er zu dem Thema nicht. Und sie würde sich hüten, den Namen Sina Kuhn noch einmal in den Mund zu nehmen. Die Lektion hatte sie vor sechs Jahren gelernt, als er sich ausgerechnet einen Monat vor der Silberhochzeit von der stillen, zarten Nicole scheiden ließ und deren Name ab diesem Tag tabu war. Wenig später war Fräulein Kuhn aufgetaucht, wie ein kleiner Springteufel aus der Schachtel. Vermutlich war sie an dem ganzen Schlamassel schuld gewesen.

Marie-Luise seufzte bei dem Gedanken an Nicole. Armes Ding! Erst gestern hatte sie mit ihr in ihrem zauberhaften romantischen Garten gesessen, auf einer halb morschen blauen Holzbank, mit Nicoles kleinem schwarzen Kater Tommi auf dem Schoß. Sie hatte den Bienen und Vögeln gelauscht, Schmetterlinge beobachtet, den Duft von Rosen eingeatmet und dem Frieden nachgespürt, der sich in dem großen Garten hinter dem kleinen alten Holzhaus erstreckte. Eine himmlische Ruhe, obwohl das Grundstück fast mitten im alten Ortskern lag. Seit drei Jahren lebte Nicole wieder in Bühl, bei ihrer kranken Mutter, und sie schien deren Kräuterstübchen trotz aller Umstände gern weiterzuführen.

Nicole neben ihr war barfuß gewesen. Mit den offenen hellblonden Haaren und dem mädchenhaften Blümchenkleid hatte sie wie eine Elfe ausgesehen.

Als Joseph sich schließlich von drinnen bemerkbar machte und zum Aufbruch drängte, hatte sie mit Nicole noch den üblichen Rundgang gemacht, durch den Rosengarten zum Gartenteich, durch einen über und über mit rosa Blüten überwucherten Rosenbogen in den durch hohe Hainbuchen abgetrennten Kräutergarten, in dem, von niedrigen Buchshecken umgeben, die unterschiedlichsten Gewürz- und Heilpflanzen wuchsen, und dann an einem frisch umgegrabenen, mit einem gravierten Stein bestückten Beet vorbei zurück zum Haus.

Zum Abschied hatte Nicole ihr das Päckchen in die Hand gedrückt, das überraschend klein gewesen war.

»Der Rest kommt nächste Woche«, hatte sie geflüstert, und dabei waren ihr Tränen in die Augen geschossen.

Die Arme, die Trennung ging ihr also immer noch nahe.

Erstaunt sah Marie-Luise auf ihre zierliche Armbanduhr. Gleich sieben! Wie hatte die Zeit nur so verfliegen können! Raphael konnte jeden Augenblick kommen.

Ah, und da war Joseph auch schon! Heller Anzug, Fliege und zwei Rosen in der Hand, eine rot, eine gelb, bestimmt für sie und dieses Fräulein Kuhn. Ein vornehmer, stattlicher Herr! Leider besaßen weder er noch sie selbst ein Handy, und so hatte sie ihn nicht mehr rechtzeitig von der neuen Wendung in der Tischordnung unterrichten können.

Joseph machte eine kleine bedauernde Handbewegung, als sie ihm von der geplatzten Verlobung berichtete. Dann reichte er ihr lächelnd beide Rosen und bot ihr seinen Arm an. Sie schlenderten zum Speisesaal. Raphael musste ja jede Minute hier sein. Er war zwar ziemlich sparsam und eitel, aber eines war er gewiss nicht: unpünktlich. Voller Vorfreude auf den Abend ließ sich Marie-Luise zum reservierten Tisch geleiten, derselbe wie seit dreißig Jahren, direkt an der großen Fensterfront.

Sie setzte sich und lächelte Joseph zu.

»Du wirst ihn mögen«, sagte sie und berührte seine Hand. »Raphael wirkt vielleicht auf den ersten Blick etwas grob. Er hat viel von seinem verstorbenen Vater, dem Bruder meines lieben Willi. Aber wenn du hinter sein Gehabe siehst, wirst du einen netten, hilfsbereiten Menschen entdecken. Seltsam, dass er noch nicht da ist.«

Sie klopfte auf ihre Uhr. Fünf Minuten zu spät. Das sah ihm gar nicht ähnlich.

Um die Wartezeit zu überbrücken, bestellten sie Mineralwasser und vertieften sich in die Speisekarte. Hummer mit Avocado, Stubenkükenbrüstchen mit Flusskrebsen, Steinbutt mit Champagnersauce, Rehrücken an Pfeffer-Gewürzsauce ...

Marie-Luises Magen meldete sich, und sie versuchte sich abzulenken, indem sie Joseph von ihrem Nachmittag mit ihrem Neffen erzählte. Sie waren in ihrem alten Auto über die Schwarzwaldhochstraße gefahren, und sie hatte sich Jahrzehnte zurückversetzt gefühlt.

»Ein weinroter Mercedes 170 S, Baujahr 1950«, schwärmte sie. »Willi hat mich damit zur Hochzeit abgeholt. Ich weiß noch heute, wie es gerochen hat: nach Holz und Leder und Benzin. Willi hatte das Radio angemacht, und es kam ›Der lachende Vagabund‹. Wie war ich glücklich!« Sie sah aus dem Fenster zur angrenzenden Parkanlage der Lichtentaler Allee, dann wieder zu Joseph, der ebenso versonnen lächelte. Wahrscheinlich dachte er gerade an seine eigene Hochzeit und seine ebenfalls verstorbene Frau.

»1975 haben wir Raphael den Wagen anvertraut, und er liebt das Auto genauso wie ich. Seit 1976 kommt er jedes Jahr Mitte Juli zum Oldtimer-Treffen. Er hat am 16. Juli Geburtstag. Das lässt sich gut verbinden, und neuerdings geht er während der Zeit auch gleich zum Gesundheits-Check, wie das heute heißt«, fuhr Marie-Luise fort, aber so ganz war sie nicht bei der Sache.

Auch Joseph sah auf die Uhr, dann zur Tür. Gleich halb acht, und immer noch keine Spur von Raphael. Das war sehr merkwürdig. Vielleicht ein wichtiges geschäftliches Telefonat? Aber an einem Sonntag?

»Wir nehmen schon den Aperitif«, beschloss Marie-Luise. »Wie wäre es mit einem kleinen Sherry?«

Irgendwann fiel ihnen kein Gesprächsstoff mehr ein, weil sie immer ungeduldiger auf die Hauptperson warteten. Schließlich hielt es Marie-Luise nicht mehr aus. Es war Viertel vor acht, und sie hatte nur noch eine Erklärung für sein Ausbleiben. Sie winkte den Ober herbei. »Lassen Sie bitte das Zimmer meines Neffen anrufen. Wittemann, Raphael Wittemann. Wahrscheinlich hat er sich kurz hingelegt und ist eingenickt.«

Der Ober verbeugte sich formvollendet und entschwand.

Irgendwo waren Martinshörner zu hören. Im Saal erklang leise Klaviermusik. Ein Kellner zündete die Kerze auf ihrem Tisch an.

Joseph und Marie-Luise sahen sich ratlos an. »Ich verstehe das nicht«, murmelte Marie-Luise. »Er ist immer pünktlich.«

Nach weiteren endlosen Minuten erschien der Ober wieder, gefolgt vom Direktor des Hotels, Frank Marrenbach. Marie-Luise kannte ihn vom Sehen, aber nie hatte er so ernst geblickt wie jetzt. Ihr Herz stolperte.

»Sie sind die Tante von Herrn Raphael Wittemann aus Frankfurt?«

Marie-Luise konnte nicht einmal nicken. Sie tastete nach Josephs Hand. Angstvoll blickte sie dem Hoteldirektor ins Gesicht, denn sie ahnte schon, dass er keine gute Nachricht für sie hatte.

»Ihr Neffe hatte in unserem Pool-Bereich einen Unfall«, begann Marrenbach vorsichtig. »Der Notarzt hat ihn in die Stadtklinik transportieren lassen. Sicherlich wollen Sie ihm ein paar Sachen bringen. Hier ist der Schlüssel für sein Zimmer. Wir werden es ihm selbstverständlich für die nächsten Tage frei halten.«

Marie-Luise blieb auf ihrem Stuhl sitzen. Sie wusste, dass sie jetzt etwas antworten sollte, dass sie handeln musste. Aber sie konnte nicht. Tausend Szenen gingen ihr durch den Kopf. Raphael als Baby. Raphael in den Schulferien. Seine Miene, als er den alten Mercedes geschenkt bekam. Raphael bei seiner Hochzeit, dann als Stütze auf Willis Beerdigung, später als witziger Höhepunkt ihres siebzigsten Geburtstags. Ein gut aussehender, erfolgreicher, dynamischer und gesunder Mann in den besten Jahren! Es konnte nichts Ernstes sein!

»Was ist denn passiert?«

»Das Herz, meint der Notarzt. Es sieht nicht gut aus.«

»Herz?«, echote Marie-Luise. »Das kann doch nicht sein. Sein Herz war vollkommen in Ordnung, das hat er mir heute Nachmittag noch gesagt.«

Marrenbach behielt seine dezent freundlich-besorgte Miene bei. Er wartete geduldig darauf, dass sie sich fing und aufstand. Aber sie konnte nicht. Niemals würde sie ihre weichen Beine dazu überreden können, sie aus dem Saal in Raphaels Hotelzimmer zu tragen. Aber sie musste. Er hatte doch sonst niemanden.

»Frau Kuhn ist leider außer Haus. Wir haben ihr eine Nachricht auf ihrem Zimmer hinterlassen.«

Marie-Luise fand es zwar sonderbar, dass diese Person trotz der aufgelösten Verlobung immer noch im selben Hotel, wenn auch in einem eigenen Zimmer wohnte, aber sie war viel zu durcheinander, um sich weiter darüber Gedanken zu machen.

»Wo ... wo ist Raphaels Zimmer?«, brachte sie heraus und stemmte sich mühsam aus dem Stuhl hoch. Tatsächlich, die Füße gehorchten ihr. In Krisenzeiten war sie immer stark gewesen. Das hatte schon ihrem Willi imponiert. Auch Joseph hatte plötzlich diesen bewundernden Zug im Gesicht. Er machte eine Bewegung, als wollte er sie stützen, und das brachte sie wieder zur Besinnung.

»Hol doch bitte den Wagen und warte vor dem Eingang. Ich bin gleich da«, bat sie ihn und folgte dem Hotelchef mit wackligen Knien durch eine Halle und einen schier endlosen Gang. Endlich blieb Marrenbach stehen und schloss auf, gab ihr den Schlüssel und entfernte sich rücksichtsvoll.

Überrascht blieb Marie-Luise an der Tür stehen. Raphael hatte eine geräumige Juniorsuite gemietet. Das hätte sie bei seiner Sparsamkeit nicht erwartet. Nun, wahrscheinlich hatte Fräulein Kuhn ihn dazu überredet.

Was würde er im Krankenhaus brauchen? Er war am Pool zusammengebrochen, wenn sie den Direktor richtig verstanden hatte. Also Nachtwäsche, Unterhosen, Socken, Hemd und Hose. Sie legte alles aufs Bett. Viel war es nicht. Der Koffer dort in der Ecke war für das kleine Häufchen entschieden zu groß. Im Schrank hatte sie eine Sporttasche gesehen, genau das Richtige. Als sie sie herauszog, wunderte sie sich, wie schwer sie war. Hatte er etwa Bücher dabei? Das sah ihm gar nicht ähnlich, leider.

Langsam zog sie den Reißverschluss auf, und ohne es zu wollen entfuhr ihr ein schriller Schrei. Ungläubig öffnete sie die Tasche weiter und griff mit beiden Händen hinein. Geld! Die ganze Tasche war voll damit. Dutzende von Geldbündeln, alles Fünfhundert-Euro-Scheine.

Kraftlos setzte sie sich aufs Bett und begann mechanisch, die Bündel in Zehner-Stapel zu ordnen. Einhundert Scheine befanden sich in einem Bündel, sechzig Bündel lagen schließlich vor ihr. Das waren – das waren ja drei Millionen Euro!

DREI

Lea fühlte sich so unsicher wie noch nie in ihrem Leben. Eine private Einladung von Kriminalhauptkommissar Maximilian Gottlieb zu einem Abendessen in dessen Wohnung mit Kostproben aus seinem Saxophon – das ging eigentlich nicht. Gut, es war eine Gegeneinladung für ihr Abendessen von vor knapp einem Jahr, aber jener Abend war streng genommen ein Arbeitstermin gewesen, ein Informationsgespräch zwischen Presse und Polizei. Hätten sie sich damals im Lokal getroffen, hätte sie den Abend von der Steuer absetzen können.

Aber heute gab es keinen beruflichen Anlass, aus dem der Leiter der Mordkommission die Polizeireporterin des Badischen Morgens hätte einladen können. Dieser Abend war rein privat. Viel zu privat.

Leas Schritte wurden langsamer, und das nicht etwa, weil sie nach dem Anstieg über die steile Friedhofstraße außer Atem war, auch nicht, weil es ihr zu warm geworden war in der Abendsonne, die die Häuser der Staufenbergstraße und die Streuobstwiesen unterhalb des Merkurberges in ein romantisches goldenes Licht tauchte und die Stadt unten im Tal in bläulichen Schatten hüllte.

Nein. Ihr war schlicht und einfach mulmig zumute. Wenn sie es sich ehrlich eingestand, mochte sie den kauzigen Kripochef. Sie hatten den gleichen Humor, die gleichen Interessen, den gleichen Arbeitseifer, und sie lebten beide seit Jahren allein. Schlimmer noch: Seit einem Jahr spürte sie ein leises Kribbeln in Bauch, wenn sie ihn sah. Das war gefährlich, denn es war nicht steuerbar. Dieser Abend würde womöglich in einem emotionalen Desaster enden.

Am liebsten hätte sie auf dem Absatz kehrtgemacht, aber das ging nicht, denn zu oft hatte sie den Termin schon verschoben, und Gottlieb hatte sich bestimmt Mühe gegeben. Sie konnte jetzt nicht kneifen, dafür war es zu spät. Sie wollte ihn auch gar nicht enttäuschen. Aber sie würde gleich zur Begrüßung klarstellen, dass er sich gar keine Hoffnungen zu machen brauchte. Sie war gern Single und wollte es auch bleiben. Keine Verwirrungen, keine schlaflosen Nächte, keine Ablenkungen. So sollte ihr Leben sein und bleiben. Langweilig, aber kontrollierbar. Wie seit dreiundvierzig Jahren.

Wie um sich selbst Mut zu machen, drückte sie viel zu lange auf den Klingelknopf, dann stieg sie mit leichtem Herzklopfen die schmale Stiege nach oben unters Dach.

Gottlieb empfing sie an der Tür. Er hatte sich ein Geschirrtuch wie eine Schürze in den Hosenbund gestopft, eine Serviette über dem Arm und zwei Sektgläser in der Hand. Für seine vierundfünfzig Jahre sah er richtig attraktiv aus, fand Lea, und ein kleiner, allzu bekannter Stich fuhr ihr in die Magengrube. Er war einen Kopf größer als sie, da konnte er die paar Gramm zu viel gut vertragen. Seine Haare waren in letzter Zeit genau wie sein gepflegter Vollbart grau geworden, was ihn paradoxerweise jünger und gelassener aussehen ließ – oder dichtete sie ihm das nur an? Seine braunen Augen blitzten freundlich hinter seiner runden Hornbrille, und sein Lächeln rann ihr vom Scheitel bis zur Sohle wie ein Strahl Ayurvedaöl.

Nur ein Abendessen! Es ist nur ein unverbindliches Treffen, redete sie sich verzweifelt ein, während sie gleichzeitig versuchte, ihre Knie daran zu hindern, einzuknicken.

»Du lieber Himmel, Frau Weidenbach«, sagte er und lachte leise. »Sie sehen aus, als seien Sie auf dem Weg zum Schafott! Ich garantiere Ihnen, es gibt heute kein Fastfood. Ich habe mir extra ein Kochbuch gekauft und mich genau an die Anweisungen gehalten. Außerdem dürfen Sie abschmecken. Nur Mut!«

Lea musste lachen. Im Morddezernat nannten sie ihren Chef »Big Mäx« wegen seiner Vorliebe für Hamburger. Jetzt war sie gespannt, was er für sie gekocht hatte! Sie nahm ihm das Glas ab und trank einen Schluck, während sie neugierig und erleichtert seine Wohnung betrat. Alle Bedenken stoben davon. Gottlieb war nett, und es würde ein interessanter, fröhlicher Abend werden. Nicht mehr und nicht weniger.

*

Drei Millionen! Marie-Luise saß wie betäubt auf dem Bett. Was sollte sie jetzt tun? Sie konnte eine solche Summe unmöglich im Zimmer lassen. Sie konnte so viel Geld aber auch nicht ins Krankenhaus mitnehmen oder zu sich nach Hause. Außerdem, wofür hatte Raphael es überhaupt gebraucht? Sie wusste, dass er oft Millionenverträge abschloss. Aber in bar? Nicht doch! In bar tätigte man keine ehrlichen Geschäfte dieser Größenordnung.

Egal. Sie musste das Grübeln verschieben. Erst musste sie ins Krankenhaus! Später würde Zeit genug sein, sich um das Geld zu kümmern. Wenn es sogar der geizige Raphael im Schrank verwahrte, konnte es noch ein paar Stunden dort bleiben. Sie legte die Bündel in den Koffer und schichtete sorgsam mehrere Kleidungstücke darüber, dann schloss sie den Deckel. So, das war zwar kein Safe, aber wenigstens konnte niemand rein zufällig auf den Inhalt stoßen. Dennoch wollte sie lieber auf Nummer sicher gehen und schleppte den Koffer zum Schrank, wuchtete ihn hinein und drapierte Raphaels Staubmantel darüber. Immer noch hatte sie größte Bedenken, das Geld hier zu lassen. Am liebsten würde sie Joseph bitten, den Schrank zu bewachen, aber er musste sie ja ins Krankenhaus fahren.

Schnell steckte sie die bereitgelegten Kleidungsstücke in die Sporttasche, hängte das Bitte-nicht-stören-Schild an die Tür, verschloss das Zimmer sehr sorgfältig und gab den Schlüssel nicht an der Rezeption ab, sondern behielt ihn in ihrer Handtasche, die sie fest an sich drückte.

Das Herz klopfte ihr bis zum Hals, als sie die Halle durchquerte, sich die Tür öffnen und die Reisetasche abnehmen ließ und endlich, endlich in Josephs Jaguar klettern konnte. Der Portier stellte die Tasche in den Kofferraum und gab ein Zeichen zur Abfahrt.

Das Innere des Wagens roch nach Josephs unaufdringlichem Aftershave, männlich und elegant zugleich. Sein weißer Schnauzbart zitterte leicht, als er flüsterte: »Stadtklinik, nicht wahr?«

Sie konnte nur nicken und schloss die Augen. Wieder wirbelten Erinnerungen durch ihren Kopf wie Fetzen eines Ohrwurms, den man nicht loswurde. Raphaels dritter Geburtstag, den er bei ihnen feierte und an dem er seinen ersten Fußball bekommen hatte. Die ersten Rollschuhe, das erste Fahrrad, seine Konfirmation, bei der sie zum ersten Mal erschrocken festgestellt hatte, wie schnell doch die Zeit verflog. Seine wilden Sturm- und Drangjahre, in denen sie sich große Sorgen um ihn machte, dann seine Hochzeit mit Nicole, ihr persönliches vergebliches heimliches Warten auf Nachwuchs. Eine Träne entschlüpfte ihr, rollte langsam an der Nase entlang in den Mundwinkel. Verstohlen leckte sie den salzigen Tropfen weg. Joseph sollte nicht merken, was in ihr vorging. Bestimmt waren ihre Sorgen vollkommen unbegründet, und Raphael würde sie gleich in seiner ihm eigenen Art tadeln, weil sie ihm natürlich die falschen Sachen mitgebracht hatte. Sie konnte es gar nicht abwarten, seine Nörgeleien zu hören.

Doch als sie wenig später in der Notaufnahme stand und in das verlegene Gesicht der Klinikangestellten sah, dieses ausweichende »Ich hole einen Arzt« hörte, da fuhr ihr die unsichtbare Faust sofort wieder in den Magen.

»Warum sagen Sie mir nicht, wo ich ihn finde?«, fragte sie und wurde noch aufgeregter, als sie ihre eigene Stimme so piepsen hörte. »Und warum wollen Sie meine Personalien haben?«

Die Angestellte sah sie mitleidig an, sagte aber nichts, sondern nahm den Telefonhörer auf.

Joseph fasste sie am Arm, beruhigend, fest und verlässlich. Am liebsten hätte sie sich an ihn gelehnt. Aber dann sagte sie sich, dass sie übertrieb. Noch gab es keinen Grund zur Panik. Raphael wurde wahrscheinlich gerade untersucht. Gleich würde der Arzt kommen und ihr sagen, dass er später mit ihnen zurückfahren könne. Nur ein kleiner Schwächeanfall. Er hatte den ganzen Tag schon schlecht ausgesehen, aber sie hatte gedacht, er hätte vielleicht am Abend zuvor zu lange gefeiert. Er hatte jedenfalls noch mittags ganz eindeutig eine Fahne gehabt, das hatte sie genau gerochen, auch wenn er ständig diese fürchterlichen Pfefferminzdragees gekaut hatte.

Doch als sie das Gesicht der jungen Frau sah, die sich ihr in einem weißen Kittel langsam näherte, sprang ihr das Herz wieder in den Hals und klopfte und pochte und presste ihr die Luftröhre zusammen. Sie versuchte, ruhig zu atmen, aber es gelang ihr nicht.

Noch einen Meter war die junge Frau entfernt. »Dr. Szepesi«, stand auf dem kleinen Namensschild. Ihr Gesicht war ernst, und ihr Blick wich zur Seite aus, dann saugte er sich an den weißen Schuhspitzen fest.

»Sie sind die Tante von Herrn Wittemann?«

Marie-Luise nickte mit angehaltenem Atem. Zu mehr war sie nicht fähig.

Mit einem Ruck hob die Frau den Kopf. Ihre Augen waren bodenlos schwarz. »Es tut mir leid. Wir haben wirklich alles versucht. Es war das Herz.«

Marie-Luise schüttelte den Kopf. Alles drehte sich. »Tot?«, fragte sie. »Sie meinen, Raphael ist tot?«

Dr. Szepesi nickte. »Sind Sie einverstanden, wenn wir ihn obduzieren? Kennen Sie seinen Hausarzt?«

In Zeitlupe knickten Marie-Luise die Beine weg. Joseph tat sein Bestes, aber auch er konnte sie nicht halten. Nur mit Hilfe der Ärztin schaffte sie es zum nächsten Stuhl. Die Armlehne war aus Stahlrohr, und Marie-Luise begann zu frieren. Sie schloss die Augen. Wie gern würde sie jetzt allein sein und ein Gebet sprechen. Oder wenigstens weinen.

»Ich komme später wieder«, hörte sie die Ärztin, dann entfernten sich die Schritte.

Jemand strich ihr unbeholfen über den Arm. »Lass dich gehen, das tut bestimmt gut«, hörte sie Josephs Stimme ganz nah an ihrem Ohr.

Müde schlug sie die Augen auf. Sein Gesicht war nur wenige Zentimeter von dem ihren entfernt. In seinen Augen standen dicke Tränen, sein Unterkiefer zitterte.

»Wein doch nicht, Joseph«, sagte sie und legte ihre Hand auf seine Wange. Sie wollte ihm etwas Tröstliches sagen, aber es ging nicht. Ihre Lunge schmerzte. Sie holte tief Luft. Fassung! Haltung! Wenn sie jetzt loslassen würde, würde sie nie mehr aufhören zu weinen.

»Lass uns an die frische Luft gehen«, murmelte sie, und allein diese Worte zu formen raubte ihr fast die letzte Kraft, die sich noch in ihrem müden, uralten Körper befand.

Joseph half ihr hoch, und gemeinsam schleppten sie sich ins Freie. Es war warm, die Sonne sandte ihre letzten Strahlen zu ihnen auf den Berg hinauf. Oberhalb der Klinik begann der Wald, und direkt dort stand eine Bank.

Marie-Luise ließ sich mit einem tiefen Seufzer auf das krustige, warme Holz sinken. Der Blick, den man von hier über die Weststadt und das Oostal über die Rheinebene bis zu den Vogesen im Elsass hatte, war unpassend schön. Sie schloss die Augen und fühlte, wie die untergehende Sonne langsam an Kraft verlor; wahrscheinlich nahm sie Raphaels Seele gerade mit in die Dunkelheit, die vom Westen langsam heranzog. Ihr Herz stolperte, dann kamen die Tränen.

»Es ist nicht gerecht«, flüsterte sie eine Weile später. »Die Jungen sollten nicht vor uns sterben. Das ist so nicht vorgesehen.«

Joseph sagte nichts. Er streichelte nur unentwegt ihren Arm und reichte ihr mit der anderen Hand sein weißes, ordentlich zusammengelegtes Taschentuch. Es roch nach seinem Aftershave.

Hinter ihnen raschelte etwas im Laub, dann schlug eine Amsel ein Klagelied an.

Der Tag verschwand. In der Stadtklinik unter ihnen gingen die Lichter an. Irgendwo dort lag Raphaels Leichnam, und sie hatte gar nicht Abschied nehmen können. Wollte sie ihn überhaupt noch einmal sehen, oder wollte sie ihn so im Gedächtnis behalten, wie sie ihn heute Nachmittag erlebt hatte? Lustig, lachend, am Steuer des alten Mercedes?

Allmählich begann ihr Kopf wieder zu arbeiten. Das Herz, hatte die Ärztin gesagt? Das war unmöglich. Er war vollkommen gesund gewesen. Das hatte er ihr heute Nachmittag selbst gesagt.

Nervös öffnete Marie-Luise ihre Handtasche. Ja, der Schlüssel zu Raphaels Suite und zu dem Koffer mit den Millionen war noch da. So viel Bargeld! Das konnte eigentlich nur eines bedeuten:

»Es war Mord!«

Josephs Hand hielt inne. Trotz der beginnenden Dunkelheit konnte sie erkennen, dass er sie verwirrt und zugleich besorgt betrachtete.

»Ich bin vollkommen bei Sinnen«, beruhigte sie ihn. »Für Trauer ist später Zeit. Jetzt müssen wir beweisen, dass es kein natürlicher Tod war!«

»Aber ... aber ...«, stotterte Joseph. Ganz offensichtlich fehlte ihm die Routine für die Rolle eines Mister Stringer.

Marie-Luise ging im Geiste all die Krimis durch, die sie im Laufe ihres Lebens verschlungen hatte. Tote im Swimmingpool hatten in der Regel eine Schuss- oder Stichverletzung, waren vergiftet oder bei einem heftigen Kampf unter Wasser gedrückt worden. Kein einziger war einem natürlichen Herztod erlegen.

Aufgeregt stand sie auf und strich den Rock ihres guten Kostüms glatt. Dann reichte sie ihrem verdutzten Begleiter die Hand.

»Unten ist eine Telefonzelle. Ich muss telefonieren«, verkündete sie, und ihre Stimme piepste nicht mehr. »Wir müssen zurück ins Hotel, schnell, ehe alle Spuren verwischt sind.«

*

»Ich kann nicht mehr«, seufzte Lea und lehnte sich zurück. »Noch ein Bissen, und ich platze! Das waren die besten Maultaschen und der allerbeste Kartoffelsalat meines Lebens.«

Maximilian Gottlieb sah glücklich aus. »Ich war mir nicht sicher, ob Ihnen die schwäbische Küche ...«, stammelte er, und seine braunen Augen nahmen hinter den Brillengläsern die Farbe von Karamellbonbons an.

Lea wurde es durch und durch warm, und das lag nicht am Cannstatter Zuckerle, der noch fast unberührt zwischen ihnen stand. Wie hatte sie nur Bedenken gegen dieses Treffen haben können? Es war ein zauberhafter Abend, und dabei hatte Gottlieb noch gar nicht zum Saxophon gegriffen, das neben ihm auf dem gemütlich durchgesessenen Sofa lag.

Während er die Teller in die winzige Kochnische jonglierte, stand sie auf und trat an das große, bodentiefe Giebelfenster. Die Aussicht über die Stadt und die Rheinebene war umwerfend. Hinter den blauen Vogesen am Horizont ging die Sonne gerade glutrot unter wie in einem kitschigen Liebesfilm.

Sie spürte Maximilians Wärme, als er hinter sie trat. Wenn sie sich nur ein winziges Stückchen nach hinten lehnen würde, würde sie in seinen Armen landen.

Nein! Das durfte nicht sein. Sie musste etwas tun, um diese romantische Stimmung zu durchbrechen, sonst würde sie in einem heillosen Gefühlschaos ertrinken. Das war das Letzte, was sie wollte. Sie war gern allein, verdammt. Sie brauchte keinen Menschen, der ständig um sie war, sie kontrollierte, sie umschlang und nicht mehr atmen ließ. Sie wollte unabhängig bleiben. Sie wollte, sie wollte ...

Ach, zur Hölle mit ihrer Unabhängigkeit. Wann hatte sie eigentlich das letzte Mal dieses Kribbeln verspürt? Diese aufgeheizten Nerven, dieses Vibrieren in den Adern? Wie sich seine Lippen wohl anfühlten? Was gab es denn Schöneres, als sich an einem warmen Sommerabend wie diesem zurückzulehnen, verwöhnen und liebkosen zu lassen, miteinander zu lachen und nicht mehr allein zu sein? Was war denn so Schlimmes dabei, wenn, wenn, wenn ...

Sie schloss die Augen und hielt ergeben den Atem an.

Fast meinte sie zu spüren, wie auch Gottlieb dahinschmolz, wie er seinen Arm hob und ...

Nein! Nicht jetzt! Nicht ihr Handy! Warum hatte sie es vorhin nur nicht ausgeschaltet, als Gottlieb sie darum gebeten hatte? Sie würde es ignorieren. Es würde schon aufhören. Ganz bestimmt.

Gottlieb seufzte, nur einen Zentimeter von ihrem Ohr entfernt. Sie konnte seinen Atem auf ihrer Haut spüren, und es durchfuhr sie ein wohliger Schauer.

Das Telefon klingelte weiter.

»Das ist bestimmt wichtig«, versuchte sie zu erklären. Er sollte bloß nicht merken, wie leid ihr die Unterbrechung tat. Er würde sie sonst womöglich davon abhalten, das Gespräch anzunehmen. Es musste wichtig sein, so spät!

»Schade«, flüsterte er, trat einen Schritt zurück und steckte die Hände in die Hosentasche.

Sie sah auf die Uhr. Gleich zehn. Wer konnte das sein? Die Polizei bestimmt nicht, die hätte zuerst Gottlieb informiert, wenn etwas geschehen war. Wer dann?

Als sie das Telefon aufnahm, war sie schon wieder ganz Lea Weidenbach, die Polizeireporterin des Badischen Morgens. Mit der freien Hand angelte sie sich Stift und Stenoblock aus dem Rucksack.

Frau Campenhausen war am anderen Ende, ihre liebenswürdige Vermieterin und Vertraute.

»Helfen Sie mir«, rief die alte Dame aufgeregt in ihr Ohr. »Mein Neffe ist tot. Die Ärzte meinen, es sei das Herz gewesen. Aber das kann ich nicht glauben. Ich bin mir sicher, es war Mord.«

VIER

Kriminalhauptkommissar Gottlieb gab sich allergrößte Mühe, ruhig zu bleiben. Ein Mord in Brenners Parkhotel, und niemand informierte ihn, den Chef des Morddezernats? Das war im höchsten Maße suspekt. War die Polizei am Ende überhaupt nicht verständigt worden? Wenn die Ärzte, wie Frau Campenhausen behauptete, von einem natürlichen Tod ausgingen, war das durchaus im Rahmen des Möglichen, zumal Hotels generell dazu neigten, unangenehme Dinge diskret zu regeln. Das war zwar verständlich, aber bei Mord hörte der Spaß natürlich auf.

Er war heilfroh, dass er an dem Trollinger bislang nur genippt hatte, um später auf dem Saxophon noch die richtigen Töne zu treffen. So konnte er sich guten Gewissens als Chauffeur anbieten und dabei gleich selbst nach dem Rechten sehen.

Sein betagter Volvo sprang beim ersten Versuch an. Erleichtert gab er Gas und fuhr die enge Friedhofstraße hinab. Am Bertoldplatz warf er aus reiner Routine einen kurzen Blick nach links auf die Gestecke, Pflanzen und Tontöpfe, die das dort ansässige Blumengeschäft ungeachtet aller Kriminalstatistiken ungesichert vor der Tür aufgebaut hatte und auch übers Wochenende stehen ließ. Eigentlich eine provokative Einladung für jeden Langfinger. Erstaunlich, dass so gut wie nie ein Diebstahl angezeigt wurde. Das gab es wahrscheinlich nur in Baden-Baden, wo man selbst nachts in der Innenstadt die Caféstühle nicht ankettete. In Stuttgart wäre das undenkbar gewesen, und nicht nur aus diesem Grund beglückwünschte er sich wieder einmal, dass er sich nach seiner Scheidung vor sechs Jahren in diese idyllische Kurstadt hatte versetzen lassen.

Schon hatten sie die Schillerstraße erreicht, und er hielt direkt vor dem Eingang unter dem weinroten Baldachin, der den Eingangsbereich des Grandhotels majestätisch überwölbte. Dem Portier zuckte für einen Wimpernschlag ein missbilligender Zug über das Gesicht, als er den Volvo erblickte, und Gottlieb konnte es ihm nicht verübeln. Der Wagen hätte schon vor Wochen in die Waschstraße gehört, aber irgendwie war immer etwas dazwischengekommen.

Als er den Motor abstellte, sprang seine Adrenalinproduktion in den zweiten Gang. Kein Streifenwagen, keine Zivilfahnder in Sicht. Er konnte sich nicht vorstellen, dass der Hoteldirektor versuchte, einen Mord zu vertuschen. Gab es überhaupt ein Verbrechen, oder hatte sich Frau Campenhausen womöglich einen Krimi oder ein Gläschen Portwein zu viel genehmigt? Er kannte die rüstige Mittsiebzigerin seit über zwei Jahren und wusste, dass sie gern in die Rolle einer Detektivin schlüpfte. War beim Tod ihres Neffen etwa die Fantasie mit ihr durchgegangen?

Er warf einen Seitenblick auf seine Begleiterin. Eben war sie ihm noch verführerisch weich und entspannt vorgekommen, und nun hatte sie sich wieder in die kühle, routinierte Journalistin verwandelt, die er von vielen beruflichen Terminen her kannte. Ob sie vielleicht insgeheim über die Unterbrechung froh gewesen war? Schon als sie vorhin die Treppe hochgekommen war, hatte er ihr angesehen, wie unwohl sie sich gefühlt hatte.

Wahrscheinlich war diese Einladung ein schrecklicher Fehler gewesen, ein Missverständnis, Fehlleitung seiner aufgewühlten Hormone. Er sollte sich diese Frau aus dem Herzen reißen. Zugegeben, anfangs hatte er mit ihr beruflich auf Kriegsfuß gestanden, aber die letzten Monate hatte er lichterloh gebrannt. Das war ihm erst heute Nachmittag aufgegangen, als er sich mit diesem vertrackten Essen abgemüht hatte. Am liebsten hätte er sein mühseliges Kochexperiment unvollendet aufgegeben, vor allem als er versucht hatte, den klebrigen Nudelteig für die Maultaschen auf seinem Couchtisch auszurollen. Aber dann hatte er durchgehalten, weil er sich ausgemalt hatte, wie der Abend wohl ablaufen würde.

Vorhin, als sie zusammen am Fenster gestanden und in den kitschigen Sonnenuntergang geblickt hatten, da hatte nicht mehr viel gefehlt, und er hätte sie zu küssen versucht. Wenn sie sich nur noch einen Millimeter weiter nach hinten gelehnt, den Kopf ein winziges Stück in Richtung seiner Lippen gedreht hätte ... Und dann hatte dieses Telefon geklingelt, und sie war zu ihrem Rucksack gehechtet, als würde sie dadurch von allem Übel erlöst. Vielleicht hatte ihn sein Gefühl getäuscht. Vielleicht empfand sie nichts für ihn. Vielleicht war sie nur nett zu ihm, weil sie sich davon einen Informationsvorsprung vor der Konkurrenz erhoffte. Vielleicht war er gerade noch davor bewahrt worden, sich zum Narren zu machen. Ach verdammt. Wieso war alles so kompliziert?

Lea Weidenbach war bereits ausgestiegen und eilte gerade durch die Drehtür ins Hotel. Wie immer ging ihm das Herz auf, als er ihr nachsah. Die Beleuchtung des Eingangs ließ ihre halblangen braunen Haare fast golden schimmern, die Jeans passten perfekt zu ihrem sportlich-eleganten Typ. Er wollte sich vorstellen, dass sie sich gleich umdrehen und ihm lächelnd zuwinken würde. Aber so war es nicht. Sie war im Dienst, auf der Jagd nach einer neuen, exklusiven Story und hatte ihn bereits vergessen. Und eigentlich sollte auch er mit den Ermittlungen beginnen.

Er fand sie in der Kaminhalle auf einer Couch neben Frau Campenhausen. Die alte Dame weinte heftig, und bei diesem Anblick begann sein Polizistenherz zu galoppieren. Automatisch zog er sein Handy aus der Hosentasche und seinen kleinen Notizblock, den er immer bei sich trug. Er machte dem Kellner ein Zeichen, und wenig später standen Kaffee, Mineralwasser und für Frau Campenhausen ein Cognac auf dem niedrigen Tisch.

Die alte Dame gab sich große Mühe, ihre Beherrschung zu wahren. Mit zittriger Stimme teilte sie ihm die nötigsten Informationen über den Toten mit. Beim Punkt Gesundheits-Check und dem angeblichen Resultat »kerngesund« malte er ein Fragezeichen auf die Seite. Angehörige waren häufig die Letzten, die über den wahren Gesundheitszustand eines Menschen aufgeklärt wurden. Er persönlich konnte sich nicht vorstellen, dass jemand freiwillig zu einer solchen Untersuchung ging, wenn ihm nichts Ernsthaftes fehlte.

In Frau Campenhausens kleinem Vogelgesicht machte sich erneut eine Träne selbständig. Sie tupfte sie schnell weg.

»Es war kein Unfall. Das kann nicht sein«, flüsterte sie. »Glauben Sie mir! Helfen Sie mir!«

Lea Weidenbach nahm sie in den Arm und wiegte sie hin und her, während der weißhaarige Begleiter ihr von der anderen Seite seine Hand auf den Arm legte. Gottlieb stand auf, ging hinaus in die Empfangshalle und ließ sich von der Einsatzzentrale die Telefonnummer des diensthabenden Notarztes geben. Als er den Namen hörte, atmete er auf. Er kannte den Mann, ein hervorragender Spezialist und sauberer Diagnostiker mit stets kühlem Kopf.

Heute hörte sich der Mann allerdings gestresst an. Er käme gerade von einem weiteren Einsatz, entschuldigte er sich.

Gottliebs Fragen beantwortete er, ohne zu zögern. »Ich habe den Mann im Pool-Bereich vorgefunden. Er hatte sich allein dort aufgehalten, hat man mir gesagt. Das Personal hatte ihn schon aus dem Wasser gezogen und erste Wiederbelebungsversuche unternommen. Ich habe ihn in die Stadtklinik bringen lassen. Exitus bei der Einlieferung. Herzversagen.«

»Hinweise auf unnatürliche Todesursache?«

»Wie bitte? Nein, um Gottes willen.«

Gottlieb sah auf seine Notizen, dann durch die Glastür zu der alten Dame am Kamin.

»Hm. Können Sie trotzdem zum Tatort kommen?«

»Unglücksort.«

»Meinetwegen.«

»Wann? Jetzt? Hier ist die Hölle los. Das Wetter. Hat das nicht Zeit bis morgen früh? Ich habe bis sieben Bereitschaft.«

Sein Instinkt befahl Gottlieb, den Mann sofort herzuholen, den Staatsanwalt und die Kollegen des Dezernats und der Spurensicherung zu alarmieren – kurz: das große Programm zu fahren. Aber ohne konkrete Anhaltspunkte auf eine Straftat? Nur weil eine alte Dame Zweifel verspürte?

»Ich melde mich gleich wieder«, sagte er. Dann rief er in der Stadtklinik an und sprach mit der zuständigen Ärztin in der Notaufnahme.

»Herzversagen«, war auch deren Diagnose.

»Geht das genauer?«

»Da müssen Sie sich bis morgen gedulden. Natürlich wird eine Leichenschau veranlasst. Die nächste Angehörige, wo habe ich den Namen, hier, Frau Campenhausen war damit einverstanden. Polizei, sagen Sie? Wird das ein staatsanwaltschaftlicher Sektionsantrag? Dann lassen wir die Leiche gleich zu den Kollegen in Freiburg bringen.«

»So weit sind die Ermittlungen noch nicht.«

Die Ärztin seufzte genervt. »Dann warten wir, bis Sie sich entschieden haben. Wir haben genug um die Ohren, da sparen wir uns gern unnötige Arbeit. Was für einen Verdacht haben Sie eigentlich? Ich habe den Mann gesehen. Äußerlich habe ich nichts Außergewöhnliches feststellen können. Sie können uns helfen, wenn Sie den Namen seines Hausarztes feststellen. Wir müssen ihn nach Vorerkrankungen fragen.«

»Er hatte dieser Tage im Brenners einen Gesundheits-Check.«

»Beim Kollegen Jaeger? Gute Nachricht. Leite ich gleich an die Pathologie weiter. Dann können wir ihn morgen Mittag bestimmt freigeben.«

Nachdenklich legte Gottlieb auf. Allem Anschein nach handelte es sich hier um einen ganz normalen Todesfall. Andererseits war es seine Pflicht, Ermittlungen aufzunehmen, wenn Angehörige den Verdacht auf eine Straftat äußerten. Es gab allerdings bislang keinen Grund, Frau Campenhausens Verdacht ernst zu nehmen, außer der Sympathie, die er für sie hegte. Andererseits wollte er sich hinterher auch nichts vorwerfen.

Er ging zurück an den Kamin.

»Die Ärzte gehen von natürlichem Tod aus«, begann er vorsichtig.

»Das kann nicht sein.«

»Ich habe bisher keinen Anlass, es nicht zu glauben.«

»Aber ...« Frau Campenhausen stockte und begann, am Verschluss ihres kleinen altmodischen Handtäschchens zu spielen.

Auf, zu, auf, zu.

Gottliebs Nackenhaare sträubten sich. Da war etwas. Frau Campenhausen hatte einen Grund für ihre Vermutung. Warum nannte sie ihm den nicht?

»Wie kommen Sie darauf, dass es Mord sein könnte?«, insistierte er.

Auf, zu, auf, zu.

Lea Weidenbach runzelte widerwillig die Stirn, sagte aber nichts.

»Frau Campenhausen, wissen Sie etwas? Verheimlichen Sie mir etwas?«

Auf, zu, auf, zu.

»Frau Campenhausen!«

Lea Weidenbach schnaubte wütend. »Sie sehen doch, dass sie völlig am Ende ist!«

»Schon gut, Kindchen. Ja, es – es gibt da etwas: Aber ich weiß nicht, ob es Raphael recht wäre, wenn, wenn ... Vielleicht – nun, vielleicht ... Herr Gottlieb, darf ich Ihnen privat etwas anvertrauen, ohne dass Sie ein Ermittlungsverfahren gegen meinen Neffen in Gang setzen?«

»Wenn Sie Kenntnis von einer Straftat haben – nein!«

»Ach, wenn ich das nur wüsste. Es ... es ist so: In seinem Zimmer habe ich Bargeld gefunden.«

Der Ton, in dem sie das sagte, ließ seine Alarmglocken erklingen. »Wie viel?«

»D-drei ...«

»Dreitausend Euro?«

Sie schüttelte den Kopf und hob ihre Hand, um ihm etwas ins Ohr zu flüstern. Er beugte sich zu ihr. »Drei Millionen«, verstand er.

»Millio...?«

»Pssst. Die sind noch auf dem Zimmer. Suite 123. Im Koffer. Ich wusste so schnell nicht, wohin damit.«

Drei Millionen Euro in bar in einem Hotelzimmer, und der Besitzer hatte einen plötzlichen Herztod erlitten? Gottlieb erhob sich. »Haben Sie den Schlüssel? Zeigen Sie mir das Zimmer.«

Frau Campenhausen rappelte sich schwankend hoch und strich ihren Kostümrock glatt. »Versprechen Sie mir, dass Sie Raphael keiner Straftat verdächtigen!«

Gottlieb musste schmunzeln. »Gegen Tote ermitteln wir grundsätzlich nicht, Frau ...«

Weiter kam er nicht, denn in diesem Moment betrat die schönste Frau, die er je gesehen hatte, die Lobby und sah sich suchend um. Dann kam sie zielstrebig direkt auf ihn zu. Ihre schwarze Lockenmähne wippte mit jedem Schritt ihrer zierlichen Füße, die vollen roten Lippen verzogen sich zu einem bezaubernden Lächeln, ihre grünen Augen funkelten. Sie trug ein fantasievolles Kleid aus flaschengrüner Rohseide, unter der schmalen Taille weit gebauscht, mit einem federleichten, fast durchsichtigen rostroten Oberteil, das mit kleinen Perlen verziert war und sich wie eine Wolke um ihre perfekt gerundeten Schultern schmiegte. Darunter trug sie ein hautenges flaschengrünes Seidentop, das den Ansatz ihrer vollen Brüste zur Geltung brachte. Gottlieb wurde es warm. Galt ihr Lächeln ihm? Wollte sie zu ihm?

»Frau Campenhausen!«, rief die Frau mit einer verführerisch dunklen Stimme. »Ich habe mich verspätet. Wo haben wir denn das Geburtstagskind?«

Frau Campenhausen wurde blass, tat einen Schritt nach hinten und plumpste auf das Sofa zurück.

Die Frau drehte sich suchend um. Sie war noch jung, Mitte zwanzig vielleicht, und sie duftete betörend nach Orient und Sünde. »Ich war bei der Eröffnung dieses neuen Modesalons, Isa-Isa. Haben Sie davon gehört? Fantastisch, sage ich Ihnen! Das muss man gesehen haben. Es tut mir leid, ich habe mich dort verplaudert. Warum sehen Sie mich so an? Ist etwas ...? Oh mein Gott, Frau Campenhausen, Sie weinen ja! Wo ist Ralfi? Ich meine, Raphael? Ich wollte ihm gratulieren.«

Gottlieb räusperte sich. Da Frau Campenhausen ihren Mund nur tonlos auf- und zuklappen konnte, stellte er sich vor und kam sofort zur Sache. »Sie kannten Herrn Wittemann?«

Selbst in ihrem Erstaunen sah diese Frau einfach göttlich aus. Ihre Brüste hoben und senkten sich wie die Sahnehäubchen auf Donauwellen. Er liebte Donauwellen. Klara, seine geschiedene Frau, hatte die allerbesten der Welt gebacken.

»Polizei?«, fragte die schöne Frau und sah verwirrt aus.

»Das ist Sina Kuhn, die Ex-Verlobte meines Neffen. Sie haben nichts mehr miteinander zu tun«, mischte sich Frau Campenhausen ein. Sie klang verärgert und hatte einen ungewohnt harten Zug um den Mund. »Fräulein Kuhn, wo waren Sie heute zwischen achtzehn Uhr und neunzehn Uhr dreißig?«

»Was bedeutet das? Was ist hier los? Wo ist Ralfi?«

Frau Campenhausens Gesicht färbte sich rot. Ihre blauen Augen sprühten vor Zorn. Sie holte Luft und ... Es war Zeit, einzugreifen.

Vorsichtig nahm Gottlieb den weichen Ellbogen der Göttin und führte sie ein Stück abseits. Dann versuchte er möglichst sensibel, sie vom Tod ihres Ex-Verlobten zu unterrichten. Ihre Augen wurden dunkel, so unergründlich wie ein tiefer Bergsee.

»Tot? Aber wann ... wie ... und warum?«, stotterte sie. Eine Träne hing an ihren langen schwarzen Wimpern. Gottlieb schluckte. Was war denn mit ihm los? Hilfesuchend drehte er sich zu Lea Weidenbach um, aber die beschäftigte sich mit Frau Campenhausen, deren Gesicht ganz spitz aussah und die gerade unentschlossen auf ihre Armbanduhr blickte.