Mord ist kein Patentrezept - Klaus Ranzenberger - E-Book

Mord ist kein Patentrezept E-Book

Klaus Ranzenberger

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Beschreibung

Es ist was faul, im Städtchen Burgheim. Da ist sich der eigenwillige Gastronom Matthias Krantz, seines Zeichens Inhaber der „Apotheke", eines kleinen aber feinen Lokals, in dem sich die vermeintliche „high society" Burgheims gern trifft, sicher. Nach den erschreckenden Ereignissen vor drei Jahren ist der Alltag wieder eingekehrt, Krantz ist zufrieden und die Dinge nehmen ihren Lauf – bis einer seiner Gäste bei einem Autounfall ums Leben kommt … Nach dem Bestseller Der Onkel Franz und dem ersten Burgheim-Krimi Mord in vier Gängen dreht sich in Klaus Ranzenbergers neuem Werk alles um technologischen Fortschritt, zukunftsweisende Innovationen, konkurrierende Unternehmen und dunkle Vorahnungen – und natürlich wird auch wieder gekocht: ein mörderisch-kulinarisches Lesevergnügen aus dem Innviertel!

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Seitenzahl: 238

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Impressum

Bibliografische Information der Deutschen NationalbibliothekDie Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

© 2017 Verlag Anton Pustet

5020 Salzburg, Bergstraße 12

Sämtliche Rechte vorbehalten.

Lektorat: Marlene Kühn

Produktion: Nadine Kaschnig-Löbel

Coverbild: Sippapas/www.shutterstock.com, Gestaltung Tanja Kühnel

eISBN 978-3-7025-8040-7

Auch als Buch erhältlich

ISBN 978-3-7025-0869-2

www.pustet.at

Klaus Ranzenberger

MORDist keinPatentrezept

Ein Burgheim-Krimi

Ein Paradoxon entsteht, wenn eine frühreife Erkenntnismit dem Blödsinn ihrer Zeit zusammentrifft.

Karl Kraus

Vorwort

Burgheim zwei. Jetzt ist schon wieder etwas passiert, um einen bekannten, von mir sehr geschätzten Kollegen zu zitieren. Und wieder befinden wir uns im beschaulichen, mittelalterlichen Städtchen Burgheim. Wir treffen auf den üblichen, semiurbanen Charme, der Städten dieser Art anhaftet. Denn sie ist ein besonderes Biotop, die Kleinstadt. Nicht mehr ganz auf dem flachen Land gibt man sich großstädtisch und geschäftig: Alteingesessenes Bürgertum trifft auf Provinz-Schickeria, Industrie auf Landwirtschaft. Diese Mischung ergibt ein eigenes Spannungsfeld, hat einen besonderen Reiz … den ich im Lauf der Zeit liebgewonnen habe und nicht mehr missen möchte. Ich gebe es zu, ich bin begeisterter Kleinstadtbewohner.

Man muss den ersten Burgheim-Krimi »Mord in vier Gängen« nicht unbedingt gelesen haben, um Freude an diesem Buch zu haben. Aber es hilft. Denn im Folgenden treffen wir sie wieder, die Schicken und Schönen Burgheims, beziehungsweise jene, die sich dafür halten. Ähnlichkeiten der Figuren mit Bewohnern der Heimatstadt des Autors oder gar jener der Leser sind, wie es so schön heißt, nicht gewollt und rein zufällig. Man mag mir vorwerfen, da und dort so manches Klischee zu bedienen, dieses Kompliment nehme ich gerne an. Denn letztlich ist es ja die uns umgebende Realität, die Klischees erst entstehen lässt.

So finden wir uns also wieder ein im Gastlokal des Matthias Krantz, der sogenannten »Apotheke«. Dort, wo man sich trifft und austauscht. Informationen werden hier weitergegeben so wie auch das ein oder andere Gerücht. Etliche Zierfische dieses kleinstädtischen Biotops werden Ihnen bekannt vorkommen, so mancher ist neu dazu gekommen. Notgedrungen. Ansonsten stünde womöglich noch eine allzu starke Dezimierung der Burgheimer Bevölkerung zu befürchten.

Und ja, gekocht wird auch wieder. Darum möchte ich die Mahnung aus dem ersten Band wiederholen: Hungrig sollten Sie dieses Buch nicht lesen!

Ihr Klaus Ranzenberger

Inhalt

Vorwort

Prolog

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Prolog

Eigentlich fuhr er gar nicht so gerne Auto. Und dennoch saß er – wie an jedem Freitagnachmittag – in dem Firmenwagen, den ihm sein Arbeitgeber, die ASS, zur Verfügung stellte. Christian Feiler war Wochenend-Pendler. Von Burgheim bis zu seinem Wohnort Ebensee waren es gut hundert Kilometer. Je nach Verkehr benötigte er für die Strecke eineinhalb bis zwei Stunden. Freitag gegen fünfzehn Uhr nach Hause zu Frau und Kind, Montag in aller Früh wieder in die Firma. Feiler hatte also keine große Freude am Autofahren. Trotzdem nahm er das Pendeln auf sich; zudem arbeitete er in einem Unternehmen, das elektronische Systeme für Automobile entwickelte. ASS stand für »Autonomic Solution Systems«, es waren darüberhinaus aber auch die Anfangsbuchstaben des Namens seines Chefs. Roland Assbacher war Gründer und Hauptgesellschafter der Firma. Monika Assbacher, dessen Frau und rechte Hand, leitete die Entwicklungsabteilung des Unternehmens.

Sie war es auch, die Christian Feiler nach Burgheim zurückgeholt hatte. Monika und er kannten sich seit ihrer gemeinsamen Zeit an der hiesigen HTL. Die höhere technische Lehranstalt war landesweit bekannt und angesehen für ihr hohes Niveau. Wer hier die fünf Klassen bis zur Matura überstand und mit vernünftigem Notendurchschnitt abschloss, konnte darauf vertrauen, einen gut bezahlten Job in der Elektronikbranche angeboten zu bekommen. Das war auch der Grund, aus dem Schüler von weit her die Einrichtung besuchten. Es gab ein Internat, dessen Plätze sehr begehrt waren und in dem auch Christian Feiler fünf Jahre verbracht hatte. Monika Berger – Mona, wie sie alle nannten – war Burgheimerin, genauso wie der Dritte im Bunde, Thomas Gruber. Das dynamische Trio, so wurden sie von manchen genannt, war ein seltsames Gespann. Christian war der typische Nerd. Bücherwurm oder Streber sagte man früher wohl dazu. Introvertiert, dabei intelligent und hochtalentiert, besonders im abstrakten Kosmos der Algorithmen und Datenstrukturen. Die beiden anderen waren auf diesem Gebiet ebenso versiert, jedoch von der Persönlichkeit her ganz anders veranlagt. Monika war schon als Fünfzehnjährige mehr als selbstbewusst, dieser Wesenszug steigerte sich von Jahr zu Jahr. Die Jungs aller Jahrgänge rissen sich um sie. Sie war nicht nur im landläufigen Sinne hübsch, sie hatte etwas an sich, das ihre Umgebung faszinierte. Ein freundliches und fröhliches Wesen konnte man ihr allerdings nicht attestieren. Im Gegenteil, ihre Mitmenschen behandelte sie eher abweisend und kühl. Mit Ausnahme von Christian und Thomas. Die drei steckten ständig zusammen. Lernten gemeinsam und gingen miteinander aus. Mona und Christian suchten keinen näheren Kontakt zu anderen. Ganz anders verhielt es sich mit Thomas Gruber: Groß, schlank und dunkelhaarig wirkte er schon als junger Bursche etwas dandyhaft. Er legte Wert auf Kleidung und war selten ohne Sakko zu sehen. Die wenigen Mädchen, die die HTL besuchten, himmelten ihn an.

Monika Berger aber hatte ihre zwei »Ritter« gut im Griff. Beide waren – jeder auf seine Weise – verliebt in sie. Bei Christian war es eine Art von Bewunderung und ein kaum fassbares Glück, von ihr als engster Freund auserkoren worden zu sein. Thomas wiederum sah sich selbst als ihren perfekten Gefährten. Immerhin waren sie beide die begehrtesten Schüler beim jeweils anderen Geschlecht. Dennoch war es, soweit Christian wusste, nie zu einer Verbindung der beiden gekommen. Thomas Gruber verließ aus unerfindlichen Gründen gegen Ende des vierten Jahres die HTL und gab damit eine hoffnungsvolle schulische Laufbahn auf. Und das bei besten Zensuren. Mehr als Gerüchte über seinen Verbleib waren seither nicht in Erfahrung zu bringen gewesen. Mal hieß es, Gruber wäre in die USA ausgewandert und habe dort Karriere gemacht, andere glaubten zu wissen, er lebe in Wien und leite dort irgendeine wichtige Firma. Aber wie gesagt, alles nur Gerüchte, Genaueres wusste keiner.

Christian Feiler, dem auf der Heimfahrt gerade die gemeinsame Schulzeit durch den Kopf ging, stellte erstaunt fest, wie seltsam verblasst ihm die Bilder dieser Vergangenheit vorkamen. Auch die sechs Semester an der Fachhochschule für Software Engineering, die er und Mona absolviert hatten, hatte er irgendwie nur verschwommen in Erinnerung. Das mochte wohl auch daran liegen, dass er über diese ganze Zeit hinweg kaum Eigeninitiative an den Tag gelegt hatte. Monika Berger hatte ihn immer geführt. Und er hatte sich auch auf diese Führung verlassen. Mona wusste, was gut für ihn war. Und seit Thomas Gruber nicht mehr Teil ihrer Gemeinschaft war, empfand er die Bindung an seine Freundin als enger denn je. Umso größer war dann das Gefühl des Verlustes, als beide nach Beendigung des Studiums in ihre jeweiligen Heimatstädte zurückkehrten. Man hielt natürlich Kontakt, erst regelmäßig, später immer seltener. Christian fand ohne Probleme Arbeit bei der Niederlassung einer großen IT-Firma in der Nähe von Ebensee. Nach ein paar Jahren hatte er sich in eine führende Position hochgearbeitet und lernte bald darauf Renate, seine jetzige Frau, kennen. Kurz nach dem Erwerb einer Doppelhaushälfte stellte sich Nachwuchs ein und Christian Feiler war mit der Entwicklung seines Berufsund Privatlebens durchaus zufrieden.

Monika Berger hatte schon immer ein Gefühl für Timing. Exakt am dritten Geburtstag von Lisa Feiler, Christian schnitt gerade die Torte mit den drei Kerzen für seine Tochter an, rief sie an. Und kam auch gleich ohne Umschweife zur Sache. Teilte ihm ihren aktuellen Status mit und ihre damit zusammenhängenden – ihn betreffenden – Pläne. Es war nicht zuletzt die überdurchschnittlich gute Bezahlung, aufgrund derer Feiler als junger Vater und Hausbesitzer dem Firmenwechsel zustimmte. Zu einem nicht unbeträchtlichen Teil war es aber auch – wie er sich gerade selbst eingestand – die Tatsache, dass er nach wie vor auf Monas Führung vertraute.

1

Matthias Krantz war an diesem Donnerstag bester Laune. Richtig schlecht gelaunt war er ohnehin fast nie, aber heute strahlte er regelrecht mit der Frühlingssonne um die Wette. Woher dieses Hochgefühl kam, konnte er so genau gar nicht sagen. Oder doch, denn es war einfach einer dieser Tage, an denen Krantz unvermittelt – bereits morgens beim Aufwachen – bewusst wurde, wie unverschämt gut es ihm eigentlich ging. Gesund und körperlich bestens in Schuss hatte er zudem noch das Glück, zur richtigen Zeit im richtigen Land geboren zu sein. Ein Blick auf die jüngere Geschichte und die aktuelle weltpolitische Lage zeigte, dass es mehr als angebracht war, dankbar zu sein. Burgheim, seine Heimatstadt, in die er nach ein paar gastronomischen Wanderjahren zurückgekehrt war, trug ebenfalls einen guten Teil zu seiner Zufriedenheit bei. Mit ihren etwa zwanzigtausend Einwohnern, dem mittelalterlichen Stadtkern und einer Infrastruktur, die eigentlich alle täglichen Bedürfnisse decken konnte, war sie genau das Biotop, in dem sich Matthias Krantz wohlfühlte. Und diesem eben erwähnten Stadtkern, der mit seinen malerischen Fassaden und verwinkelten Gassen ein fast mediterranes Flair besaß, stattete er gerade seinen täglichen Morgenbesuch ab.

Nach dem üblichen Einkauf in der Bäckerei begab er sich in seine Apotheke, um alles für seine Kunden vorzubereiten. Die ersten Frühstücksgäste würden sicher bald eintreffen. Krantz wohnte in dem Haus, das ihm sein Onkel Maximilian mangels eigener Nachkommen vererbt hatte. Nur betrieb er, anders als der verstorbene Onkel, keine Apotheke in den Parterreräumlichkeiten; ein kleines Bistro war nach erfindungsreicher und behutsamer Umgestaltung der weit über hundert Jahre alten Einrichtung entstanden. Jugendstil sowie Art Deco und dunkles Holz prägten die Optik des Lokals und noch immer prangte auf dem Firmenschild aus schwarzem Glas über dem Eingang in goldenen Lettern der Schriftzug »M. Krantz – Apotheke«. Matthias hatte beschlossen, diesen Namen beizubehalten.

Der Schriftzug, der die Fassade des Nachbarhauses zierte, war nicht ganz so dezent. Hier hatte sich einer der selbsternannten Grafiker Burgheims ausgetobt. Es gab einige dieser Werbedienstleister. Meist waren es heute nicht mehr ganz so junge Herren, die sich schon frühzeitig für Computer und deren gestalterische Möglichkeiten interessiert und sich kurzerhand ohne weitere Ausbildung mit diesem »Geheimwissen« selbstständig gemacht hatten. In den 1990er-Jahren begannen sie dann damit, alles, was als Werbefläche dienen konnte, mit ihren Klebefolien zu verzieren. Die Ergebnisse dieser Bemühungen wirkten im Lauf der Zeit immer professioneller, da sich auch die technischen Möglichkeiten der Herstellung verbesserten. Heutzutage konnte man die Daten ohne überbordende Kosten mittels moderner Druck- oder Fräsmaschinen in beinahe jede gewünschte Form bringen. Die kreative Ader mancher Anbieter in der Branche hielt mit dieser Qualitätssteigerung allerdings leider nicht Schritt. Und das bewies das Firmenschild der Damenboutique, die sich neben Krantz’ Apotheke befand. Der geschwungene, verspielte Schriftzug »Schick & Schön« präsentierte sich da in der fatalen Farbkombination von Pink und Apfelgrün. Das Ganze vor schokobraunem Hintergrund, flankiert von zwei stilisierten Diamanten. Und was das Logo versprach, löste die Ware im Inneren des Ladens ein: Auch hier viel Glitzer und Raubtierornament. Schick und schön eben, für die Dame mit dem besonderen Geschmack. Und wie die Boutique war auch deren Betreiberin ein Gesamtkunstwerk. Marlies Frohwein war eine wandelnde Reklame für ihr Sortiment. Die Mitdreißigerin hatte ihren wenig innviertlerischen Namen der Tatsache zu verdanken, dass ihr Herr Papa bei einem Ausflug nach dem schönen Hamburg – Ende der Siebzigerjahre war das – für ein Fräulein Britta Frohwein entflammt war. Als diese alsbald feststellte, guter Hoffnung zu sein, kündigte sie ihre Anstellung als Empfangsdame im Hotel Hanseblick und teilte dem werdenden Vater ihre diesbezüglichen Beschlüsse mit. Geheiratet werde umgehend und selbstverständlich würde Ferdinand Schacherl dabei ihren Namen annehmen, nicht umgekehrt. Und Marlies solle die gemeinsame Tochter heißen, weitere Namen stünden weder zur Auswahl noch zur Debatte. Ferdinand gab nach, nicht zum letzten Mal. Als Besitzer zweier Schottergruben und einiger Häuser in Burgheim war er finanziell in der Lage, seinen beiden Damen jeden Wunsch zu erfüllen. Und so wurde später auch dem Ansinnen von Fräulein Tochter, eine eigene Boutique zu eröffnen, kampflos nachgegeben. Da bei Marlies weder Geschäftssinn noch Stilsicherheit im Übermaß vorhanden waren, musste der Schotterbaron in der Folge laufend Geld zuschießen. Aber, wie gesagt, er konnte es sich leisten.

So kam Matthias Krantz zu seiner Nachbarin. An sich war ihm Marlies ja nicht unsympathisch. Wenn ihr Auftreten auch oft eine Herausforderung für Augen und Ohren war. Matthias war eher ein Anhänger dezent-klassischer Kleidung und leiserer Töne. Mit beidem konnte Fräulein Frohwein nicht dienen. Dafür besaß sie sehr viel Fantasie. So war sie anfangs nur schwer von der Idee abzubringen, Krantz und sie gäben ein ideales Paar ab. Auch Papa Ferdinand konnte sich für diesen Gedanken erwärmen, wäre ihm ein Mann mit mehr Durchsetzungskraft, als er selber besaß, in der Familie doch sehr willkommen gewesen. Krantz lehnte höflich, aber bestimmt ab. Marlies verlegte sich darauf nach einer kurzen Schmollphase auf freundschaftliche Neckereien und Anspielungen. Und startete, so sie nicht anderweitig beschäftigt war, regelmäßig neue Versuche, um sich ihrem Nachbarn schmackhaft zu machen. Das konnte durchaus nerven, aber Matthias hatte gelernt, damit zu leben. Es gab Schlimmeres.

Als er die Tür der Apotheke aufschloss, warf er einen prüfenden Blick auf den Himmel über Burgheim. Es war Mitte Juni und letztes Wochenende hatte er zum ersten Mal Gastgartenbetrieb abhalten können. Der Mai war sehr verregnet gewesen und auch die Temperaturen hatten zu wünschen übriggelassen. Aber Matthias war flexibel. Es war kein großer Aufwand, den Garten aufzubauen, da das Lokal in einer Seitengasse lag, in der nur Zulieferverkehr gestattet war. So konnte Krantz seine wenigen Klapptische und Stühle direkt auf dem Kopfsteinpflaster platzieren. Spielte das Wetter nicht mit, war alles auch schnell wieder abgebaut. Heute würde er aber wohl auf Außenbetrieb verzichten müssen, es war bewölkt und nicht allzu warm. Für die Art, wie er sein kleines Bistro betrieb, war es von der Logistik her ohnehin einfacher, die Gäste im Inneren des Lokals zu bedienen. Matthias führte die Apotheke die meiste Zeit über als Ein-Mann-Betrieb. Nur ab und zu, wie zum Beispiel an Sonntagabenden, holte er sich Hilfe dazu.

Drinnen machte er zuerst Licht und Musik. Die richtigen Rhythmen im Hintergrund beeinflussten seiner Meinung nach die Stimmung im Lokal maßgeblich. Heute entschied er sich für einen Sampler mit französischen Chansons, mit viel Akkordeon und Klarinette. Matthias mochte das. Es klang irgendwie nach Zwanzigerjahren und Montmartre. Für die ersten Frühstücksgäste war soweit alles vorbereitet, sodass er sich gedanklich bereits mit dem Tagesgericht befassen konnte. Es gab keine Speisekarte in der Apotheke, die wenigen Standardgerichte im Angebot waren den Gästen ohnehin bekannt. Ein Rindsgulasch etwa, das in drei Größen zu haben war, oder verschiedene Salatvariationen. Ein bis zwei weitere Gerichte wurden auf einer Tafel ausgelobt. Hier entschied Krantz meist spontan beim Einkaufen. Auf dem gestrigen Wochenmarkt hatte er beim Metzger seines Vertrauens einige schöne Stücke Schweinefilet erstanden. Diese gedachte er heute zu verarbeiten. Er würde Medaillons mit Rohschinken umwickeln und auf Spieße stecken, dazwischen Stücke vom roten Paprika, rote Zwiebel und Bauchspeck platzieren. Scharf angebraten und zusammen mit Kräutern und Gewürzen in der Folie warmgehalten entstand so ein sehr schmackhaftes und auch optisch ansprechendes Gericht. Dazu wollte er Reis und ein feuriges Letscho servieren. Die Spieße hatte er bereits am Vorabend gesteckt, das Letscho würde er dann in der Küche im ersten Stock zubereiten, sobald das Frühstücksgeschäft nachließ.

Der Apotheker servierte Kaffee und Tee, Gebäck, Schinken, Käse und die ersten Gläser Prosecco des Tages. Er selbst war kein großer Fan dieses Getränks, viele Damen und auch einige Herren seines Kundenkreises schworen jedoch darauf. Krantz hatte als Alternative französischen Cremánt und hochwertige österreichische Winzersekte im Sortiment, dafür fanden sich aber bei Weitem weniger Abnehmer. Sei’s drum, dachte er gerade, dafür ließ sich beim Prosecco eine höhere Gewinnspanne aufschlagen.

Wie aufs Stichwort betrat eine weitere Liebhaberin des prickelnden Getränks das Lokal – und bat auch gleich um ein Glas davon. Marlies Frohweins obligatorischer Vormittagsbesuch. Trotz der etwas kühlen Temperaturen hatte sie sich für sommerliche Garderobe entschieden. Und die präsentierte sie in einer Art, die befürchten ließ, dass wieder einmal ein Revival der Achtziger ins Haus stand. Das übergroße, weiße T-Shirt, das die Modefachfrau trug, wurde tatsächlich von Mickey Mouse persönlich geziert und war an der linken Hüfte zum Knoten gebunden. Quasi als Gegengewicht dazu trug Marlies das streng zur Seite gekämmte Haar über dem rechten Ohr zum Pferdeschwanz. Ein schmaler, blauer Streifen, der unter dem T-Shirt hervorlugte, ließ ein Jeans-Miniröckchen vermuten und das Schuhwerk besaß Plateausohlen aus Kork. Auch das Handtäschchen – eine Art Miniatur-Arztkoffer – und die verschiedenfarbigen Plastikarmreifen passten zur längst überwunden geglaubten Epoche. Matthias hoffte inständig, dass dieser neuerliche Versuch seiner Nachbarin, einen Trend zu setzen, keine Nachahmerinnen finden möge.

»So mein Schatz«, flötete sie, »jetzt sag mal, wie kann ich dir helfen, soll ich vielleicht ein bisserl servieren oder abräumen?« »Nein danke, wirklich nicht …« antwortete Krantz wie meist »und sag nicht immer Schatz zu mir, das haben wir doch schon öfter besprochen.« »Jetzt hab dich nicht so, ich mein es ja nur gut und außerdem hätt’ ich gerade Zeit, ist nicht viel los heute bei mir. Ich hab das Schild an die Tür gehängt.« »Das Schild« war eines von dreien, die sie besaß, um ihren etwaigen Kundinnen den aktuellen Status ihrer Boutique mitzuteilen. Auf einem war »Open« zu lesen, auf dem anderen »Closed«; am häufigsten zum Einsatz kam jedoch das angesprochene mit dem Schriftzug »Komme gleich«. »Gleich« war bei Fräulein Frohwein allerdings ein sehr dehnbarer Begriff, weshalb das Schild zusätzlich von ihrer Handynummer geziert wurde. »Weil, ich bin ja eh erreichbar, falls wer was kaufen will, Anruf genügt!« pflegte sie zu sagen. Und genau diesen Gefallen tat Matthias nun gerade jemand. Aus Marlies’ Umhängetäschchen erklang lautstark die Macarena. Noch immer dieser schauderhafte Klingelton! Nach umständlichem Hervorkramen des Telefons und lebhaftem Gezwitscher in dasselbe stürzte sie nun ihren Prosecco in einem Zug hinunter und entschwand. Nicht, ohne noch schnell dem wehrlosen – weil mit einem vollen Tablett in Händen – Matthias einen Wangenkuss aufzudrücken.

2

»Jetzt komm, Christian, sag schon ja.« Monika Assbacher redete geduldig auf Feiler ein. »Ich brauche dich in Korea. Alleine schaffe ich das nicht. Roland hat nun mal blöderweise zur selben Zeit den Termin mit den Deutschen. Außerdem ist die Software für das neue Lasersystem dein Baby.«

Die ASS arbeitete in der Entwicklung autonomer Systeme für die Automobilindustrie eng mit einem deutschen Hersteller zusammen. Aus diesem Grund fuhr Roland Assbacher am kommenden Wochenende nach Baden-Württemberg, dort befand sich in der Nähe des Bodensees ein Testgelände. Ursprünglich hätte Monika ihren Mann begleiten sollen, dann kam das Angebot der Koreaner dazwischen. Assbacher war zwar nicht sonderlich davon begeistert, stimmte dann aber zu, dass Mona nach Seoul zu ersten Gesprächen fliegen sollte. Wie auch ihrem Wunsch, Christian Feiler als den eigentlichen Entwickler des neuen Systems mitzunehmen. Es war eben nicht leicht, Mona Assbacher etwas abzuschlagen. Hatte sie einmal etwas beschlossen, setzte sie sowohl sachliche Argumente als auch weibliche Überredungskunst ein, bis die Dinge den von ihr gewünschten Lauf nahmen. Damit war sie immer bestens gefahren und letztlich dorthin gelangt, wo sie heute war. Und damit war sie äußerst zufrieden. Vorerst.

»Ich weiß, deine Frau erwartet dich in Ebensee. Versteh ich ja. Aber die Firma geht momentan halt vor. Übrigens, das Wochenende darauf brauche ich dich auch. Zumindest solltest du Sonntagabend schon wieder in Burgheim sein. Wir essen bei Krantz in der Apotheke. Rolands Anwalt und seine Frau werden da sein, es gibt Verschiedenes zu besprechen. Wird aber sicher ein netter Abend. Weißt du was, nimm doch deine Renate mit, ich kenn’ sie eh kaum.« Feiler gab nach. Wie immer. Schon seit der gemeinsamen Schulzeit traf Mona die Entscheidungen für ihn. Nur eines wusste er jetzt bereits. Renate würde an dem Essen nicht teilnehmen. Die beiden Frauen hatten sich bis jetzt erst zweimal kurz gesehen und dabei war sofort klar geworden, dass sie sich nicht mochten. Renate nahm Mona übel, dass sie ihren Mann zu dem familienfeindlichen Arbeitswechsel überredet hatte. Monika wiederum vertrug es nicht, dass die Männer in ihrem Umfeld auch anderen Einflüssen als den ihren ausgesetzt sein könnten. Ein erneutes Aufeinandertreffen der beiden Frauen war deshalb für Christian undenkbar.

Feiler hatte sich nie für die kaufmännische Seite seiner Arbeit interessiert. Er war Techniker, Tüftler. Wir entwickeln Dinge, weil wir es können. Punkt. Einer der Sätze seines Professors an der FH, die er verinnerlicht hatte. Dennoch kam ihm in den Sinn, dass das Angebot der Koreaner höchst lukrativ sein musste. Ein Flug von München nach Seoul dauerte an die elf Stunden und war auch alles andere als günstig. Diesem zeitlichen und finanziellen Aufwand sollte ein aussichtsreiches Geschäft gegenüberstehen, soweit kannte er seinen Chef. Allerdings wusste er auch, dass Roland Assbacher sehr auf die Zusammenarbeit mit den Deutschen fixiert war. Wahrscheinlich hatte Monika ihren Mann von der Notwendigkeit einer zweiten Option überzeugt. Aber was geht’s mich an, ich bin ja nur der Schrauber, dachte er sich.

Mona war zwar die Leiterin der Entwicklungsabteilung und schrieb viele der Programme, die die Koordination der einzelnen Assistenzsysteme in den Automobilen gewährleisteten – die eigentliche Schwierigkeit auf dem Weg zum vollkommenen autonomen Fahren allerdings war das Masterprogramm, welches sämtliche Daten in Millisekunden verarbeiten und interpretieren sollte. Und das war Christians Aufgabenfeld. Die neuen Wege, die er hier ging, verstanden weder Roland noch Monika Assbacher zur Gänze. Und deswegen war wohl auch seine Teilnahme an den Gesprächen in Korea notwendig.

Das Hotel InterContinental in Seoul lag in unmittelbarer Nähe zum COEX-Exhibition Center, wo das Treffen mit den koreanischen Interessenten stattfinden sollte. Christian und Mona bezogen eine Suite mit zwei Schlafzimmern und ruhten sich erst einmal etwas aus. Der lange Flug machte vor allem Christian zu schaffen und kaum hatte er sich auf sein Bett gelegt, war er auch schon eingeschlafen. Er erwachte etwa zwei Stunden später und konnte sich nicht sofort orientieren. Er reiste selten. Mit Renate nach Griechenland, kurz vor Lisas Geburt, und danach noch einmal an die spanische Costa del Sol, das kannte er, aber so weite Flugstrecken waren neu für ihn. Als Feiler wieder wusste, wo und warum er hier war, schlurfte er auf Strümpfen durch die Suite. Im Salon war niemand. So klopfte er erst leise, und dann, als keine Antwort kam, kräftiger an Monikas Schlafzimmertür. Er rief ihren Namen und drehte leise den Türknauf. Auf dem Bett lagen ihr kleiner geöffneter Koffer und achtlos hingeworfene Kleidungsstücke, die sie auf der Reise getragen hatte. Christian sah im Bad nach, natürlich auch hier nicht, ohne vorher zu klopfen und ihren Namen zu rufen. Keine Spur von seiner Chefin.

Als er schon anfing, sich ernsthaft Sorgen zu machen und wildeste Szenarien in Erwägung zu ziehen, öffnete sich die Eingangstür zur Suite. Herein kam fröhlich summend Monika Assbacher, eine überdimensionale Sonnenbrille auf der Nase und ein leichtes Sommerkostüm tragend, das ihre Weiblichkeit mehr als betonte. »Hallo Schlafmütze, auch wieder unter den Lebenden?« Im Vorbeigehen strich sie mit ihren Fingerspitzen durch Christians zerzaustes Haar und schenkte ihm ihr – wie er es nannte – »privates« Lächeln. Sie öffnete eine Flasche Champagner aus der Minibar und schenkte zwei Gläser ein. »Lass uns anstoßen, du Genie. Auf unsere erste gemeinsame Geschäftsreise!« Mona wirkte irgendwie aufgekratzt. Feiler konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, dass dies heute nicht ihr erstes Glas sein mochte. »Gibt es denn jetzt schon was zu feiern? Und wo warst du eigentlich? Ich hab mir Sorgen gemacht.« »Ach Christian, Sorgen … was soll das denn. Ein bisschen Bummeln war ich, die Gegend erkunden. Sieh du lieber zu, dass du aus den Klamotten kommst!« »Wie bitte?« »Na, duschen sollst du gehen und den Anzug anziehen, den du hoffentlich eingepackt hast. In einer halben Stunde werden wir abgeholt, die Koreaner warten!«

Fünfzehn Minuten später versuchte Christian Feiler ungeschickt, mittels des hoteleigenen Haartrockners so etwas ähnliches wie eine Frisur zu kreieren. Hoffnungslos. Als er das Ding ausstellte, hörte er Monikas Stimme aus dem Nebenraum. In der Annahme, dass sie mit ihm sprach, öffnete er die Tür des Badezimmers einen Spalt und steckte den Kopf hinaus. Doch er war gar nicht gemeint. Mona hatte ihm den Rücken zugekehrt und telefonierte. Auf Deutsch. Den wenigen Wortfetzen, die er aufschnappte, konnte er keinen Sinn zuordnen, dennoch war klar, dass nicht Roland Assbacher am anderen Ende der Leitung sein konnte, denn Christian wusste, wie die beiden miteinander sprachen.

3

Sonntags gab es in der Apotheke an sich keine warme Küche. Von zehn bis etwa vierzehn Uhr war Brunch im Angebot. Selbst mochte Matthias Krantz diese Art des Buffets nicht so gerne, die Burgheimer aber liebten es. Mit vergleichsweise wenig Aufwand war hier gutes Geld zu machen: Die Gäste bedienten sich selbst bei den Speisen, Matthias musste nur ab und zu nachlegen. Außerdem hatte es sich bei den Liebhabern dieser Tradition eingebürgert, die meisten Getränke gleich flaschenweise zu bestellen. Ein weiterer Fixtermin war dann die reservierte Runde am Sonntagabend. Vier bis acht Personen bestellten ein mehrgängiges Menü, wobei man sich meist vom Apotheker überraschen ließ, der hier – im Gegensatz zum Brunch – voll in seinem Element war. Matthias liebte es, die Speisenfolge zusammenzustellen, beste Zutaten zu besorgen und den Ablauf zu planen. Bewältigte er die Arbeit in seinem Lokal unter der Woche meist alleine, holte er sich für den Sonntagabend die unverzichtbare Hilfe von Frau Mildner dazu. Die Frau des Gemeindejägers war Mitte siebzig und auch dafür verantwortlich, dass Krantz’ privater Junggesellenhaushalt gepflegt und vorzeigbar blieb.

Für Sonntagabend hatte Krantz eine – wie er es nannte – Firmenreservierung. Diese bestand nicht aus verschiedenen befreundeten Paaren, die in angenehmer Atmosphäre gute Speisen und Getränke genießen wollten, sondern war ein von einer Firma ausgerichteter Abend, der vor allem dazu diente, geschäftlichen Anliegen einen geeigneten Rahmen sowie einen kulinarischen Anstrich zu geben. Ersteres war ihm lieber, letzteres gehörte zum Geschäft. In der Peripherie von Burgheim befanden sich etliche finanziell potente Firmen – verschiedene Hersteller von Metall- und Kunststoffformen oder Elektronikbauteilen, die meisten Zulieferer der deutschen und internationalen Automobilindustrie. Die ASS war eines dieser Unternehmen. Der Anwalt Martin Egger, den Matthias seit seiner Jugendzeit kannte, war häufig für das Unternehmen tätig. Egger hatte seine Doktorarbeit über die Feinheiten des Patentrechts geschrieben und war somit prädestiniert, um derartige Firmen zu beraten. Assbachers Unternehmen beschäftigte sich die letzten Jahre hauptsächlich mit dem kommenden Markt der Selbstfahrer. Und dabei spielten Patentrechte eine große Rolle.

Krantz waren diese Zukunftsvisionen eher suspekt. Aber das lag wohl an seinem Grundnaturell. Der Apotheker hatte sozusagen ein sehr analoges Wesen. Die Segnungen des Internets waren bis jetzt noch an ihm vorbeigegangen. Sein Fahrrad, mit dem er an seinen freien Tagen ausgedehnte Touren durchs Innviertel unternahm, besaß nicht einmal einen Tachometer. Er genoss diese Ausflüge, führte jedoch keine Statistiken darüber, und somit war so ein Ding ohnehin obsolet. Nicht einmal eine Armbanduhr hatte er dann mit, der Sonnenstand und ab und zu ein Kirchturm genügten.

Was er den Herrschaften an diesem Abend vorzusetzen gedachte, beschäftigte Krantz schon seit ein paar Tagen. Martin Egger, der die Apotheke für das hauptsächlich geschäftliche Treffen vorgeschlagen hatte, war es, der die kulinarischen Wünsche seines Mandanten übermittelt hatte: »Weißt du Matthias, es soll schon was hermachen, der Roland kommt ja viel rum und kennt sich aus. Aber auch nicht zu viel Chichi, verstehst du? Also von Welt und trotzdem bodenständig. Regionalität ist ja auch wichtig, nicht? Aber was erzähl’ ich dem Fachmann, du machst das schon, gell?« Hätte der Apotheker den Anwalt nicht schon so lange gekannt, hätte er ihn mit derartigen Wünschen höflich, aber bestimmt gebeten, sich ein anderes Lokal zu suchen. So aber blieb er gelassen und meinte nur: »Ist in Ordnung, ich koch’ euch was Schönes, seid pünktlich.«

Wie immer für diesen Anlass wurden drei der kleinen Tische in der Apotheke zu einer Tafel zusammengestellt und schlicht gedeckt. Weißes Leinen, weißes Porzellan, Silberbesteck. Dazu zwei Kerzenleuchter und ein schmales, langes Silbertablett in der Mitte. Hier würden später Brot und Gewürze Platz finden. Der vierte Tisch stand in kleinem Abstand als Vorlegefläche zur Verfügung. Im ersten Stock, wo sich die Küche befand, waltete bereits Frau Mildner ihres Amtes. Es gab einen Speiseaufzug – ein Relikt aus den Zeiten Onkel Maximilians – der sich durch das ganze Haus zog und hinter dem Tresen der Apotheke endete. So beförderte man früher Ware vom Lager unter dem Dach in den Verkaufsraum. Hier hatte Krantz nun seine kleine »Filialküche« eingerichtet: zweiflammiger Gasherd, kleine Grillfläche nebst Warmhaltegerät und Kühlung. So konnte er bei geschickter Vorbereitung vieles vor Ort fertigstellen und direkt servieren. Es lief auch bereits Musik. Barry White, Marvin Gaye und Billy Withers gaben ruhige Soul-Balladen zum Besten. Letzterer besang gerade »Grandma’s hands«, als die ersten Gäste eintrafen.