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Ein toter Vogelflüsterer, eine zwielichtige Wahrsagerin und diebische Pfauen
Potsdams Lokalreporter Frederik Loebell hat schon entspanntere Aufträge erlebt. Eigentlich wollte er nur einen Artikel über Madame Karamba schreiben, die auf der berühmten Pfaueninsel in die Zukunft blickt. Begleitet von seiner Kollegin Lisi und Zwergdackel Wilhelm gerät er jedoch mitten in einen Mordfall: Ein Mann wird tot im Gasthaus vor der Insel gefunden - ausgerechnet von Loebells Mutter Maria.
Schnell fällt der Verdacht auf die zwielichtige Wahrsagerin mit den großen Füßen. Doch auch die diebischen Pfauen und die verschwundene Freundin des Opfers werfen Fragen auf. Eine Insel voller Rätsel - und das Potsdamer Ermittlerteam ist wieder im Einsatz.
Sommerlich, spritzig, spirituell - dieser humorvolle Cosy-Krimi steckt voller skurriler Charaktere, tierischer Verwicklungen und kriminalistischem Spürsinn! Der nächste Fall für Frederik Loebell aus der Provinz-Krimi-Reihe »Morden ohne Sorgen«.
Im schönen Potsdam, zwischen Schlössern und Parks, stolpert Frederik mit seinem Zwergdackel Wilhelm über die eine oder andere Leiche. Zum Glück stehen ihm mehrere tapfere Helfer zur Seite - die lebensfrohen Reporterin Lisi und der junge Redakteur Tuan, sowie Loebells liebste Ermittlungspartnerin Fleur. Ach, und Zwergdackel Wilhelm ist mit seiner Spürnase natürlich auch immer dabei.
eBooks von beTHRILLED - mörderisch gute Unterhaltung.
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Seitenzahl: 252
Veröffentlichungsjahr: 2025
Cover
Grußwort des Verlags
Über diese Folge
Morden ohne Sorgen – Die Serie
Titel
Prolog
Samstag, der erste Tag
Linienbus ab Wannsee
Die Märchen-Insel
Madame Karamba
Rohrbruchleiche
Sonntag, der zweite Tag
Chef zum Frühstück
Werners Würstchen & Inges Decke
Zu Gast bei Koloschke
Glaskugel, Mob & Karamba
Turmzimmerträume
Montag, der dritte Tag
Geschwister-Frühstück
Redaktionskonferenz (1)
Schmackes Käfer
Volieren-Challenge
Madame Helga
Nachts beim Kavalier
Dienstag, der vierte Tag
Inselkoller
Neuer Ärger und neue These
Redaktionskonferenz (2)
Pfauen-Beschattung
Drei neue Verdächtige
Helgas Nachtquartier
Mittwoch, der fünfte Tag
Schmuckgeschäfte mit Rolfi
Teufelsbrücke
Schnitzelfinale
Epilog
Über den Autor
Impressum
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Potsdams Lokalreporter Frederik Loebell hat schon entspanntere Aufträge erlebt. Eigentlich wollte er nur einen Artikel über Madame Karamba schreiben, die auf der berühmten Pfaueninsel in die Zukunft blickt. Begleitet von seiner Kollegin Lisi und Zwergdackel Wilhelm gerät er jedoch mitten in einen Mordfall: Ein Mann wird tot im Gasthaus vor der Insel gefunden – ausgerechnet von Loebells Mutter Maria.Schnell fällt der Verdacht auf die zwielichtige Wahrsagerin mit den großen Füßen. Doch auch die diebischen Pfauen und die verschwundene Freundin des Opfers werfen Fragen auf. Eine Insel voller Rätsel – und das Potsdamer Ermittlerteam ist wieder im Einsatz.
eBooks von beTHRILLED – mörderisch gute Unterhaltung!
Im schönen Potsdam, zwischen Schlössern und Parks, stolpert Frederik mit seinem Zwergdackel Wilhelm über die eine oder andere Leiche. Zum Glück stehen ihm mit der lebensfrohen Reporterin Lisi und dem cleveren Redaktionspraktikant Tuan bei seinen Ermittlungen stets zwei tapfere Helfer zur Seite.
ANDREAS K. BUCHHOLZ
Vier Pfauen und ein Mord
Ein Potsdam-Provinz-Krimi
Maria Loebell stieg vom Fahrrad. Sie lehnte das alte Hollandrad an den Jägerzaun eines Gasthauses. Durch die Bäume am Ufer schimmerten die Wellen der Havel im Sonnenlicht. In der Ferne konnte man die Türmchen des weißen Schlosses der berühmten Pfaueninsel erkennen.
Sie war die letzten zwei Stunden hinter ihrem Schulfreund Werner Werner, Potsdams bekanntem Abschleppunternehmer, hergeradelt. Er hatte sie wochenlang mit der Idee genervt, endlich einmal wieder etwas gemeinsam zu unternehmen. Vor zwei Tagen hatte er ihren Widerstand gebrochen.
Nun stand sie hier vor diesem romantischen Wirtshaus. Mit der mintgrünen Fassade, den weißen Sprossenfenstern und dunkelgrünen Fensterläden entsprach der Holzbau Marias Vorstellung eines alten Forsthauses. Über dem Eingang hing ein Hirschgeweih. Hier wirkte alles so, als wäre die Zeit stehen geblieben.
»Ich brauche erst mal eine Pause«, schnaubte sie und griff zur Wasserflasche. Es war schon recht warm an diesem Samstagvormittag mitten im August.
Werner machte einen frischeren Eindruck. Trotz seiner Leibesfülle hatte er die erste Etappe gut weggesteckt, was aber an dem modernen Pedelec lag, mit dem er unterwegs war.
»Du brauchst ein neues Fahrrad, Maria. Heutzutage ist niemand mehr ohne Elektrik unterwegs. Schon gar nicht in unserem Alter.«
»Ich komme gut ohne Strom klar. Ist auch viel gesünder.«
»Deshalb bist du noch so knackig«, lachte er. »Davon habe ich aber nicht viel, wenn du immer hinter mir fährst. Auf der nächsten Etappe ändern wir die Reihenfolge. Machen wir hier Mittagspause?«
»Wenn die schon geöffnet haben? Reservier uns bitte einen schönen Platz in der Sonne.« Sie nickte zur Terrasse, die direkt am Ufer der Havel lag. »Ich prüfe kurz die sanitären Anlagen.«
»Jawohl, Platz suchen. Wird gemacht.« Werner salutierte und marschierte zur Terrasse, wo eine Kellnerin die Tische abwischte.
Das Wirtshaus strahlte auch im Innern Gemütlichkeit aus. Von einem attraktiven Förster war leider keine Spur zu finden, also machte sich Maria auf die Suche nach den Toiletten. Sie betrat einen kleinen Flur, an dessen Wänden Rehgeweihe zwischen Wandleuchtern hingen. Die Dielen knarzten mit jedem Schritt. Eine ältere Frau, mit zwei Wanderstöcken bewaffnet, sah zu ihr auf. Sie wartete ungeduldig vor einer Tür, aber es war die Tür zum Herrenklo, wie Maria erkannte.
»Falls Sie schlecht lesen können, das ist die Herrentoilette«, erklärte sie freundlich.
»Ich habe zwar meine Brille nicht dabei, aber blind bin ich nicht«, gab die Fremde schnippisch zurück. »Es gibt nur die eine Toilette, die für Frauen ist kaputt. Und hier ist besetzt. Ich warte schon eine halbe Ewigkeit, aber da rührt sich nichts. Man hört auch nichts.«
»Haben Sie denn schon einmal reingesehen?«
»Nur in den Vorraum. Auf dem Klo sitzt jemand, man kann die Füße sehen. Der antwortet nicht. Und feucht ist es da auch. Typisch Männer.«
»Ah, so?« Maria öffnete die Tür und trat in den leeren Vorraum mit dem Waschbecken. Die eigentliche Toilette mit Pissoir und der WC-Kabine war eins weiter. »Hier ist es nicht nur nass, hier steht das Wasser. Haben Sie das nicht bemerkt?«
»Wie soll ich so etwas sehen ohne Brille?« Die Frau rief in den Raum. »Hallo, hallo? Sind Sie bald fertig? Meine Blase ist nicht mehr die jüngste. Da, sehen Sie. Ein Fuß!«
Maria bückte sich. Sie konnte einen Schuh unter der Tür der Kabine sehen. Sie ging auf Zehenspitzen über den nassen Boden und klopfte gegen die Tür. »Nanu, die ist ja gar nicht abgeschlossen. Hallo? Hallo!«
Sie versuchte, die Tür zu öffnen, aber etwas versperrte den Weg. Maria stemmte sich mit aller Kraft dagegen und sah durch einen Spalt in die Kabine. Dort lag ein kräftig gebauter Mann eingeklemmt zwischen Kloschüssel und Wand. Sein Kopf war zur Seite gekippt, das rechte Bein blockierte die Tür. Maria beugte sich zu dem Mann und griff an seine Hand, um den Puls zu fühlen. »Ich glaube, der ist tot.«
»Da muss ich einmal im Leben auf das Männerklo und dann so etwas. Ich hole Hilfe.« Die Dame verschwand.
Werner erschien im Vorraum. »Was ist denn hier los? Rohrbruch?«
»Schlimmer«, stöhnte Maria. »Hier liegt ein Toter.«
Er trat zu ihr und beugte sich in die Kabine. »Ach du lieber Gott. Der hat sich am Rohr erhängt, und es runtergerissen. Siehst du den Strick um seinen Hals?«
»Was? Los, komm da weg und lass mich mal.« Marias Ermittlergeist war geweckt. Um den Hals des Mannes baumelte ein Stück Stoff, vielleicht eine Krawatte. Über dem Toten hing eines der alten Rohre frei in der Luft. Aus ihm ergoss sich der Wasserstrahl, der den ganzen Raum überflutet hatte. Hinter ihr ertönte ein anderes plätscherndes Geräusch. »Werner, was machst du denn da?«
»Das Pissoir funktioniert einwandfrei«, verkündete er erleichtert.
»Männer«, seufzte sie. Ihr Blick ging zurück zu dem Toten. »Aber so hoch hängt das Rohr gar nicht. Und so marode, wie hier alles aussieht, hätte es sofort nachgegeben bei seinem Gewicht. Wie lange dauert es, bis man am Strang erstickt?«
»Das weiß ich nun wirklich nicht, Maria. Da müssen Profis ran. Der ist sicher auf die Toilettenschüssel gestiegen und …«
»Aber hier könnte jemand nachgeholfen haben. Vielleicht war es Mord?«
»Was machen Sie denn da?« Ein Mann erschien in der Tür zur Toilette, der Wirt oder ein Kellner, vermutete Maria. Er trug eine schwarze Hose, ein weißes Hemd und darüber eine dunkelgrüne Weste. Die ältere Dame war ihm dicht auf den Fersen und reckte neugierig den Hals.
»Rohrbruch und ein Toter«, verkündete Werner.
»Und wer sind Sie? Der Wirt?«, fragte Maria.
Der Mann nickte und hob eine Hand vor den Mund, als er den Toten entdeckte.
»Das erste Mal ist immer schrecklich, ich weiß«, murmelte Maria. »Aber wir haben darin schon etwas Übung. Das Böse lauert überall, selbst in diesem schönen Gasthaus.«
Maria zückte das Handy und wählte die Nummer von Kriminalhauptkommissarin Edda Kleist und legte sofort los. »Du, Edda. Kind, es ist wieder etwas Grausames passiert. Ich bin mit dem Werner auf einer Fahrradtour nach Wannsee. Was? Nein, das ist nicht grausam. Aber darum geht es nicht. Hier ist schon wieder eine Leiche. Nein, nicht der Werner. Auf der Toilette des Gasthofes. Da hat sich jemand erhängt. Oder wurde erdrosselt. Das muss ganz genau untersucht werden, du bist doch vom Fach.« Maria verstummte und lauschte. »Was? Wie? Ob ich in Berlin bin?« Sie wandte sich an den Wirt. »Sind wir hier in Berlin oder Brandenburg?«
»Berlin«, brummte der.
»Leider Berlin. Warum ist das wichtig?« Maria stöhnte auf. »Wie? Du bist nicht zuständig? Aber wir sind aus Potsdam, zählt das nicht? Na, herzlichen Dank. Wiederhören.«
Die ältere Dame lehnte sich wieder durch die Tür. »Sind Sie bald fertig?«
Maria wählte eine andere Nummer. »Nein, das kann dauern. Wir sind leider in Berlin. Aber wir kümmern uns, das ist nicht unsere erste Leiche. Machen Sie sich keine Sorgen.«
»Ich kann nicht glauben, dass wir das wirklich tun.« Frederik Loebell stand dicht gedrängt mit seiner Kollegin und Freundin Lieselotte, genannt Lisi, in einem Linienbus vom Bahnhof Wannsee zur Pfaueninsel. Mit mindestens achtzig weiteren Fahrgästen. Den Stimmen nach hauptsächlich Touristen aus dem Ausland.
Erst vor wenigen Wochen war Loebell in dieser Gegend mit seiner Fleur unterwegs gewesen: auf Pfauen-Rettungsmission. Heute hatte er in seinem linken Arm Zwergdackel Wilhelm, während er versuchte, sich mit seiner rechten Hand an einer Haltestange festzuhalten. Kein einfaches Unterfangen in diesem überfüllten Bus. Rettung war vorerst nicht in Sicht.
»Was kannst du nicht glauben? Dass wir mit einem Bus fahren? Geht mir genauso. Warum hast du denn immer noch keinen Führerschein?«, zischte Lisi ihm ins Ohr. Sie standen sehr eng beieinander.
»Ich meine den Grund unseres Ausflugs. Deine Madame Karacho«, brummte Loebell. »Hoffentlich ist sie es wert, dass ich so früh an einem Samstag in einen Touribus gestiegen bin.«
»Also erstens: Sie heißt Karamba, nicht Karacho. Merk dir das bitte. Und zweitens: Die Kunst einer Wahrsagerin sollte man niemals verachten, das bringt nur Unglück. Sie ist Ehrengast des diesjährigen Sommerprogramms auf der Pfaueninsel.«
»Da soll es sogar einen Pfauenflüsterer geben. Klingt wie ein schlechter Witz. Das wusste sogar der Gallig. Und von der Karacho wusste er auch.«
»Karamba.«
»Das macht es nicht besser.«
»Ah, Sie wollen auch zur Karamba? Die ist richtig gut, die wird Ihnen gefallen.« Ein Mann mit Schnauzer und fettigen schwarzen Haaren strahlte Lisi und Loebell an. Er trug ein ausgebeultes, graues Sakko mit Nadelstreifen. Viel zu warm für diese Jahreszeit. Aus der Brusttasche seines Hemdes schaute ein Flyer, auf dem das Konterfei der Wahrsagerin abgebildet war. Stark geschminkt nebst Sonnenbrille mit rot getönten Gläsern und einem roten Tuch um die wallenden schwarzen Haare posierte sie vor einem alten Zirkuswagen.
Zwergdackel Wilhelm, kampferprobt und mittlerweile erfahrener Mordermittler, knurrte dem Fremden direkt ins Gesicht und fletschte die Zähne. Der Mann versuchte zurückzuweichen, kam aber nicht weit. Es war zu eng.
Loebell lächelte den Fremden an und erlaubte sich einen Scherz. »Meine Frau ist Fan von Frau Karacho. Ich bin nur Begleitung. Aua!« Lisi war ihm mit voller Wucht auf den Fuß getreten.
»Ich bin nicht deine Frau. Und sie heißt Karamba, merk dir das bitte.«
»War doch nur ein Witz. Zumindest scheint sie über die Landesgrenzen hinaus bekannt zu sein. Hoffentlich müssen wir da nicht lange warten. Ich habe keine Lust, mit lauter Touristen in der prallen Sonne für eine Wahrsagerin anzustehen. Für meinen Wilhelm ist die Sonne auch nicht gut.«
»Wir haben einen Zeit-Slot, den habe ich online gebucht. Ich bin Clubmitglied.«
»Du bist was?«
»Ich bin zahlendes Mitglied im Karamba-Club. Dreißig Euro pro Monat. Onlineberatung und VIP-Slots bei den Live-Sessions sind inklusive.«
»Und was bringt dir das?«
»Wahrheit und Weisheit. Beides kann ich gerade gut gebrauchen.«
»Und das geht nicht online?«
»Bei der Onlineberatung sieht Madame Karamba nicht bis ins nächste Jahr. Das geht nur von Angesicht zu Angesicht, vor der Glaskugel. Da muss man im Raum sein.«
»Ah.« Loebell hatte die Szene schon bildlich vor Augen. Lisi und er in diesem Zirkuswagen. Schummriges Licht, ein kleiner runder Tisch, darauf die Kugel und vor ihnen die wirre Karamba mit der komischen Brille.
Lisi nickte zum Dackel, der interessiert an einem anderen Fahrgast schnüffelte. »Und wie kriegen wir unseren kleinen Vierbeiner gleich auf die Insel? Der darf da doch gar nicht mit. Damit verstoßen wir gegen alle Parkregeln. Das hat dir deine Fleur sicher zigmal gepredigt.«
Loebell seufzte, denn da hatte sie leider recht. Hunde waren auf der Pfaueninsel strengstens untersagt. In dem Punkt hatte sich seine Herzensdame Fleur sehr klar ausgedrückt. Sie bekleidete bei der Park- und Schlösserverwaltung, die auch für die Pfaueninsel zuständig war, eine hohe Position. Wegen Fauna, Pfauen und Flora durften keine fremden Tiere auf das Eiland übersetzen. Auch keine Hunde, ohne Ausnahmen.
Allerdings sah Loebell Regeln, die im Zusammenhang mit seinem Dackel standen, generell nicht so streng. Schließlich machten Dackel ihre eigenen Regeln. Je eher man sich damit abfand, desto einfach war das Leben. Und sein Wilhelm war ja nur ein kleiner Dackel, ein Zwergdackel. Zudem hatte Loebell für den Tag keinen Hundesitter gefunden. Fleur musste arbeiten, seine Tante spielte Bridge, und seine Mutter machte irgendeinen Ausflug. Er hatte nicht weiter nachgefragt. Also kam der Dackel mit.
»Wir machen das wie im Supermarkt. Rein in die Tasche und Schnauze halten«, erklärte Loebell zuversichtlich. »Und für den Fall, dass er bellt, habe ich ein Ass im Ärmel. Tuan hat mir Hundegebell als Klingelton aufs Handy gespielt. Im Zweifel war’s also mein Handy. Gut, was?« Er strahlte Lisi an.
»Wenn das mal nicht in die Hose geht. Wehe, der funkt mir in meinen Termin mit der Wahrsagerin. Ich möchte mir meine und Jannis Zukunft vorhersagen lassen. Vielleicht heiraten wir nächstes Jahr. Also vermassel mir das nicht, Freddy. Das ist wichtig.«
»Jawohl, Schatz.«
Die Liebelei zwischen Lisi und dem deutlich jüngeren Polizeikommissar Jan Winter hatte sich in letzter Zeit zugespitzt. Die zwei gab es seit Wochen nur im Doppelpack. Loebell hatte seine liebe Kollegin und Freundin Lisi viel zu selten für sich.
Insgeheim war Loebell aber auch mitgekommen, weil ihn sein Chefredakteur Winfried Gallig auf die Karamba angesetzt hatte. Aus irgendeinem Grund witterte der Chef in der Karamba-Nummer eine große Geschichte. Er wollte eine investigative Knaller-Story für die Stadtnachrichten, um die Wahrsagerin hochgehen zu lassen. Warum, behielt Gallig für sich.
Loebell war das ganz recht. So hatte er einen doppelten Grund, um dem Humbug der Karamba auf den Grund zu gehen: rein beruflich als Journalist im Auftrag des Chefs. Und als Begleitung und moralische Unterstützung für seine Freundin Lisi.
Auf dem Fußweg von der Bushaltestelle zur Fähre kamen sie an einem alten Gasthaus vorbei. Die Terrasse lag verführerisch in der Sonne. Ein schöner Platz für eine erste Rast und einen guten Kaffee. Loebell zwinkerte Lisi zu, während sein Wilhelm zufrieden einen Jägerzaun markierte.
»Denk nicht mal daran. Ich habe für uns Wasser und ein paar Stullen dabei. Hier wird keine Minute verschwendet. Auf, auf! Ich will die nächste Fähre bekommen.« Sie stürmte in Richtung des Fähranlegers, wo eine Schlange von Touristen auf die Abfahrt wartete.
Wehmütig blickte Loebell zum Wirtshaus. Dort wurde auf mehreren Kreidetafeln mit leckeren Köstlichkeiten geworben. Vor allem das Wiener Schnitzel hatte es ihm angetan. Er nahm sich vor, bei der Rückkehr hier auf jeden Fall einzukehren – wie es sich für einen entspannten Samstagnachmittag gehörte.
Direkt neben den Tafeln lehnten ein paar Fahrräder. Bei einem von ihnen stutzte er, und sein linkes Augenlid zuckte. War das nicht …?
»Kommst du? Und pack den Dackel ein, sonst kommen wir nicht mal bis aufs Boot.« Lisis Stimme ließ keine Widerrede zu.
Loebell seufzte. Er beugte sich zu Wilhelm und erklärte dem Zwergdackel seinen Plan. »Wir machen es wie im Supermarkt. Ganz lieb, ganz ruhig und ganz geduldig. Das dauert nicht lange. Und sobald wir drüben im Park verschwunden sind, darfst du wieder raus und dir gehört eine ganze Insel. Ist das toll?«
Wilhelm wedelte und ließ sich routiniert in den Rucksack setzen. Loebell wartete, bis der Dackel sich zwei Mal darin gedreht und eine bequeme Sitzposition eingenommen hatte. Als er die kleine Schnauze oben aus der Öffnung schob, wusste Loebell, dass sein Wilhelm einsatzbereit war. Er schulterte den Rucksack vorsichtig und reihte sich mit Lisi in die Schlange am Anleger ein. Die kleine Fähre näherte sich bereits dem Ufer.
»Rüdiger, letzte Fuhre, danach Middach!«, brüllte eine tiefe Stimme quer über das Boot. Es war der Kapitän, der aus der erhöhten Brücke getreten war und grimmig über die Fahrgäste blickte. Er war sicher schon Ende fünfzig, schätzte Loebell. Mit seinem weißen Vollbart strahlte er Souveränität und Verlässlichkeit aus, wie es sich für einen Kapitän gehörte. Aber als sich der Mann in Loebells Richtung drehte, verzog er mürrisch das Gesicht. Sein Blick war voller Misstrauen, oder war es Wut? Aber warum? Hatte er etwa Wilhelms Versteck im Rucksack entdeckt?
»Middach. Alles klar, Boss.« Sein jüngerer Kollege, von dem nun alle wussten, dass er Rüdiger hieß, salutierte. Er hatte einen kahl geschorenen Kopf, Tattoos an beiden Armen und war sicher noch keine dreißig, tippte Loebell. Der junge Mann stand vorne an der Rampe und kontrollierte die Fahrkarten. »Tickets nur am Automaten oder online. Nicht bei mir«, wiederholte er ein ums andere Mal. Wobei er das i in mir sehr lang zog. Loebell spürte, dass sein Wilhelm bei dem Gebrüll im Rucksack unruhig wurde.
Der Automat stand keine drei Meter von ihnen entfernt, halb im Gebüsch. Davor verzweifelte eine Gruppe älterer Damen am Bezahlprozess. Die Maschine nahm kein Kleingeld, nur Karte, wie Loebell der Diskussion entnehmen konnte.
»Das hatte ich mir hier romantischer vorgestellt«, brummte er zu Lisi. »Irgendein nettes Frauchen mit Bauchladen, das freundlich Fahrkarten verkauft und süßen Kinderlein dabei einen Lutscher spendiert. Aber Automaten und Wärter mit norddeutschem Gekreische?«
»Beruhig dich«, murmelte sie. »Ich habe unsere Tickets schon dabei. Stell dich neben mich und sei still. Ich will diese Fähre nicht verpassen.«
»Aber ich glaube, der Kapitän hat es auf uns abgesehen«, flüsterte Loebell ihr zu.
»Ach was, der ist total süß mit dem weißen Bart. Und Pfeife raucht er auch. Ein Kapitän wie im Bilderbuch, nur die Uniform fehlt.«
Loebell sah zurück zur Brücke. Dort stand der Mann nun zufrieden in der Sonne und paffte mit seiner Pfeife Wölkchen in den blauen Himmel. »Hoffentlich dringt der Rauch nicht bis in den Rucksack an Wilhelms Nase. Pfeifenrauch macht ihn kirre.«
Lisi winkte ab. »Ach was, der verfliegt mit dem Wind.«
»Na, Fräulein. Geht’s auf die Insel?« Kontrolleur Rüdiger zwinkerte Lisi zu.
Sie hielt ihm ein Stück Papier hin. »Wir haben online gebucht. Ein Kombiticket über Madame Karamba.«
Rüdiger stöhnte auf. »Und was willste bei der? Die Zukunft kann ich dir auch vorhersagen, Mädel.«
Lisi strahlte ihn an. »Oh, echt?«
»Nee, war gelogen. Aber besser als ich macht die Karamba das auch nicht.« Er lachte laut los.
Loebell war geneigt einzustimmen, bemerkte aber Lisis ernsten Blick.
Auch Rüdiger verstummte schnell. Er nickte zu Loebell. »Und mit dem da willste zur Wahrsagerin? Eure gemeinsame Zukunft vorhersagen?«
»Das ist seine Frau«, tönte eine Stimme hinter ihnen. Loebell fuhr herum, da stand wieder der Sakko-Tourist aus dem Bus.
Rüdiger zog eine Augenbraue hoch und winkte alle auf die Fähre.
»Das fängt ja gut an. Wenigstens hat er meinen Wilhelm nicht entdeckt«, seufzte Loebell.
Der Dieselmotor der Fähre heulte auf, und Rüdiger ließ die Schranke runter. Langsam machte sich das Schiffchen auf den Weg hinüber zu den Pfauen. Mit ihnen gut dreißig weitere Fahrgäste, aber ohne die älteren Damen. Die kämpften lautstark mit dem Automaten.
Loebell platzierte sich mit Lisi vorne am Bug und blickte zum gegenüberliegenden Ufer. Die Pfaueninsel wirkte im Licht der Spätsommersonne wie ein verwunschenes Paradies, das einem Märchenbuch entsprungen war. Hohe Bäume säumten das Ufer, eine alte Kate stand direkt hinter der Anlegestelle. Ansonsten unberührte Natur, so weit das Auge reichte.
Die Überfahrt war ein Witz, es waren keine hundert Meter. Auch die Fähre war klein, fast niedlich, wie Loebell fand. Sie hatte nur eine Fahrspur und Platz für maximal drei Autos, wenn überhaupt. Aber hier durften eh nur Mitarbeiter und Inselbewohner mit ihren Fahrzeugen übersetzen. Besucher und Touristen standen links und rechts dicht gedrängt an der Reling. Es war wie im Bus, nur mit einer kühlen Brise um die Nase.
»Der Sakko-Tourist schaut ganz komisch zu deinem Rucksack«, flüsterte Lisi. »Hoffentlich verpfeift der uns nicht.«
Wenn es hier heute einen Mord gäbe, würde ich diese schmierige Type als Erstes verdächtigen, dachte Loebell. Verstohlen versuchte er den Mann zu beobachten. Wie ein Tourist verhielt er sich nicht, eher wie jemand, der gerade zu spät zu einem Termin kam. Anstatt die schöne Aussicht zu genießen, starrte der Mann angestrengt in sein Handy und fluchte dabei leise.
»Lust auf etwas Geschichtsunterricht?« Lisi zeigte zu einer großen Tafel, die am Maschinenhaus hing und auf der die wichtigsten historischen Rahmendaten des Eilands vermerkt waren.
Loebell seufzte. Geschichtliche Vorträge waren eigentlich die Spezialität seines Kollegen Tuan. Und der war heute zum Glück nicht dabei. Loebell entzog sich gern historischen Belehrungen. Lustlos überflog er die Informationen. Vor ein paar Wochen wäre er fast mit seiner Fleur hierhergekommen. Aber ihr romantischer Picknickausflug wurde damals von einem herrenlosen Pfau durchkreuzt, der an der Straße auf einem Baum gehockt hatte. Loebell musste sich den halben Nachmittag mit zwei Vogelpflegern, Fleur und einer zickigen Pfauenhenne herumschlagen, die den Flüchtigen bezirzen sollte. Was sie aber nicht tat. Die Aktion hatte ihn mehrere Stunden gekostet, und das gemeinsame Picknick mit Fleur stand weiter aus.
»Siebenundsechzig Fußballfelder ist die Insel groß«, las er laut vor. »Das ist ja nicht nichts, was?«
»Seit wann interessierst du dich für Fußball?« Lisi studierte den Text. »Aber hier steht gar nichts von Fußball. Da steht Hektar.«
»So funktioniert Journalismus, meine Liebe. Komplizierte Größenangaben rechnen wir immer in eine Währung um, die der Mann von der Straße versteht. Und das sind in Deutschland Fußballfelder. Merk dir die Faustregel: Ein Feld misst ungefähr einen Hektar. Also siebenundsechzig Hektar Pfaueninsel machen siebenundsechzig Fußballfelder. Toll, was?«
»Ganz toll. Danke für die Belehrung. Ich bin ja erst seit dreißig Jahren Journalistin und habe von so etwas keine Ahnung.«
»Laut der Tafel diente die Insel einst einem unserer Wilhelm-Könige als Liebesnest mit seiner Mätresse. Hoffentlich ist das kein schlechtes Omen für deinen Plan mit dem Janni, was?«
»Was meinst du damit? Mein Janni hat eine Mätresse?«
»Nein, nein. Das war nur ein Witz, das …«
Über die Fähre ging ein Raunen. Loebell verstummte. Alle Köpfe drehten sich zurück zum Festland, obwohl die Fähre die Pfaueninsel schon fast erreicht hatte. Vor dem Wirtshaus hielten zwei Streifenwagen mit Blaulicht. Loebells linkes Augenlid zuckte.
»Die wollen ins Wirtshaus, nicht auf die Insel«, sagte Lisi. »Ist sicher nur ein Gast, der die Zeche geprellt hat.«
»Du meinst, kein aufgebrachter Tourist, der eine betrügerische Wahrsagerin anzeigen will?«
Sie hob mahnend einen Finger. »Vorsichtig, Freundchen. Du bist heute nur stiller Begleiter. Keine Kritik, keine dummen Sprüche, ist das klar?«
»Klar, klar.«
Die Fähre verlangsamte die Fahrt. Am Bug ließ Rüdiger bereits die Schranke hoch. »Retour erst wieder in zwei Stunden. Jetzt gibt’s ’n frühes Middach.«
Die Fahrgäste kommentierten die Information mit lautem Gemurmel und schoben sich von der Fähre.
»In zwei Stunden wollte ich eigentlich wieder Hause sein«, seufzte Loebell, während er Lisi von Bord folgte.
Die konnte darüber nur laut lachen. »Wir brauchen alleine schon eine Stunde, bis wir bei der Karamba sind. Zumindest bei deinem Tempo.«
»Was? Wie meinst du das? Das ist doch nur so ein kleines Inselchen. In einer Stunde sind wir zwanzigmal drum rumgelaufen.«
Da ertönte Hundegebell in seiner Nähe. Es kam nicht aus Loebells Rucksack, sondern aus seiner Hosentasche. Und es klang sehr tief.
»Oh, mein Telefon. Moment.« Er zückte sein Smartphone. Auf dem Display sah er eine unbekannte Nummer. Er drückte den Anruf weg und lächelte Lisi an. »Wo waren wir?«
»Ist hier ein Hund?«, krächzte Rüdiger. »Hier ist Hundeverbot.«
Loebell riss die Hand mit seinem Telefon hoch. »Mein Klingelton, mein neuer Klingelton. Das war nur mein Handy, kein echter Hund.« Er hielt Rüdiger das Gerät direkt vor die Nase und trat schnell die Flucht an.
»Was war denn das?«, fragte Lisi, als sie wieder festen Boden unter den Füßen hatten.
Loebell lächelte stolz. »Das, meine Liebe, ist das Ablenkungsmanöver, von dem ich erzählt hatte. Und es hat seinen Zweck schon erfüllt.«
»Aber das klingt unecht und ist viel zu tief. Was ist das? Ein Dobermann?«
»Bernhardiner. Dackel-Gebell haben wir so schnell nicht gefunden.«
»Ein bekloppte Idee, wenn du mich fragst.« Sie blieb einige Schritte vor der alten Kate stehen und blickte sich nervös um. »Freddy, bevor wir weitergehen, kurz eine wichtige Information am Rande.«
Für Loebell klang das widersprüchlich, aber er spitzte die Ohren.
»Ich habe panische Angst vor …«
»Entschuldigung, darf ich mal? Ich habe es eilig. Danke.«Der Tourist mit dem Schnauzer und dem Nadelstreifensakko überholte sie mit schnellen Schritten. Er zeigte kurz zu einem alten Baum. »Schauen Sie da oben. Vier auf einem Ast. Das gibt es nur hier auf der Pfaueninsel.« Er eilte weiter.
Loebell und Lisi sahen hoch in den Baum. Dort saßen vier Pfauen auf einem langen Ast, quasi direkt über ihnen, und blickten auf sie herab. Lisi schrie auf und stürzte davon.
Verdutzt sah Loebell ihr hinterher. »Was hast du denn? Das sind doch nur Vögel.« Er nahm die Verfolgung auf und fand Lisi einige Meter weiter auf einer Parkbank sitzen. »Was ist denn los, um Gottes willen?«
Sie wirkte völlig verängstigt. »Ich bekomme Panikattacken bei großen Vögeln. Als Kind wollte mich in einem Tierpark ein frei laufender Pfau angreifen. Einer dieser balzenden Hähne. Das war ein traumatisierendes Erlebnis.« Sie lehnte sich zurück, legte beide Hände auf ihren Bauch und streichelte vorsichtig drüber.
Die Geste verwirrte Loebell. »Das kann ich verstehen. Aber ich kann dir versichern, dass der balzende Hahn ganz sicher nichts von dir wollte.« Unauffällig schielte er auf ihren Bauch. »Aber hier auf der Insel laufen von diesen Vögeln Dutzende herum. Sie wurde sogar nach ihnen benannt. Hast du vor, bei jedem von ihnen in Panik zu geraten? Dann wirst du heute am laufenden Band schreien.«
»Deshalb habe ich dich ja mitgenommen. Du musst mich beschützen.«
Loebell atmete tief ein. »Wo ist eigentlich dein treuer Begleiter, der Flachmann? Den habe ich schon lange nicht mehr gesehen.« Ein Schlückchen hätte sie sicher beruhigt.
»Aus die Maus. Ich teste zurzeit ein Leben ohne Promille.«
Das kann ja was werden, dachte Loebell.
Nun bellte es auch aus seinem Rucksack. Er nahm ihn ab und setzte seinen Dackel auf den Boden. »Guter Junge. Jetzt bist du frei und Herr einer Insel. Viel Spaß, aber bitte undercover.«
Sofort machte sich Wilhelm auf Erkundungstour und verschwand im ersten Rosenbeet.
»Oh, ich dachte, die Leine wäre noch dran«, seufzte Loebell. Aber da arbeitete sich sein Dackel schon durch die Blumenpracht.
»So schaffen wir es niemals bis zu Karamba«, jammerte Lisi. »Entweder kriegen sie uns wegen deines Dackels dran oder mich ermordet ein Pfau.«
»Einer oder gleich vier«, lachte Loebell. »Vielleicht ja die Viererbande aus dem Baum.«
Lisi zog einen von Karambas Flyern aus der Tasche und faltete ihn auseinander. Im Innenteil war eine Karte der Insel aufgemalt. Loebell beugte sich interessiert vor. »Ah, eine Schatzkarte? Wo ist unser Schätzchen Karamba denn genau? Wo hat sie ihr Zelt aufgeschlagen oder den Zirkuswagen abgestellt?«
»Bei der Alten Meierei.« Lisi tippte auf einen Punkt am oberen Rande der Insel.
»Aber das ist auf der ganz anderen Seite, da brauchen wir ja eine Ewigkeit hin.«
»Ach was, da sind wir ruckzuck zwanzigmal drum rum. Das hast du doch gerade noch gesagt.« Lisi lachte und stand auf. »Wir gehen mitten durch und kürzen etwas ab. Unser Zeit-Slot beginnt in einer Dreiviertelstunde. Hol du mal deinen Dackel zurück.«
»Leichter gesagt als getan.« Loebell beäugte das Rosenbeet und die Rhododendronbüsche dahinter, unter denen sein Wilhelm verschwunden war. Die Pfotenabdrücke waren deutlich im Beet zu erkennen, er verwischte sie mit seinen Schuhen. »Schlimm, diese Touristen. Latschen einfach quer durch die Beete.«
Lisi schüttelte nur mit dem Kopf.
»Ah, mein neuer Freund, der Frederik.« Ein Mann in grüner Kleidung kam auf einem der schmalen Wege auf sie zu. Ihn umhüllte eine Rauchwolke.
Loebell hüpfte schnell aus dem Beet. Er erkannte den Oberaufseher der Pfauen, mit dem er vor ein paar Wochen den flüchtigen Vogel an der Straße eingefangen hatte. Nur leider wusste er nicht mehr, wie der Mann hieß. »Ah, der Herr über die hundert Pfauen. Was für ein Zufall.«
»Nicht einhundert. Offiziell sind es achtzehn, inoffiziell derzeit zweiundzwanzig.« Er schüttelte Loebell schwach die Hand, in der anderen hielt er eine Pfeife. Sein Blick wanderte zu Lisi. »Und wie geht es unserer lieben Fleur?«
»Wunderbar geht es der, ganz wunderbar. Das ist meine Kollegin, Frau Lieselotte. Wir wollen zur Karamba.« Loebell musterte den Mann. Bei ihrem letzten Treffen hatte er fit und voller Elan gewirkt. Jetzt war sein Gesicht fahl. Er wirkte abgekämpft und müde. Zudem hatte Loebell den Eindruck, dass der Vogelpfleger etwas schwankte.
Die Miene des Mannes verdunkelte sich. »Aha, zur Karamba«, sagte er knapp. »Ich bin der Georg«, stellte er sich Lisi vor. »Was wollen Sie denn bei der Wahrsagerin? Sind Sie Fan?«
»Ist sie. Sogar Clubmitglied«, bemerkte Loebell. Besorgt sah er zu Georgs Pfeife. Wenn Wilhelm den Rauch in die Schnauze bekam, gab es Ärger.
Georgs Miene bekam einen bitteren Zug. »Passen Sie auf, dass die Madame Ihnen nicht zu viele Lügen auftischt. Besonders Frauen scheinen schnell auf diese Wahrsagerin reinzufallen. Wenn ich könnte, würde ich der alle meine Pfauen auf den Hals hetzen.«
Loebell nickte verständnisvoll. »Was ist denn passiert?«
»Meine Frau ist vorletzte Woche ausgezogen und will sich scheiden lassen, nachdem ihr die Wahrsagerin dazu geraten hat. Dunkle Wolken würden an unserem Ehehimmel aufziehen, hat sie ihr aus der Glaskugel vorgelesen. Meine Frau ist sehr abergläubisch, müssen Sie wissen. Jetzt sitze ich mit allem allein da. Mit den Schulden, dem Haus und den Kindern. Es ist schrecklich.«
Loebell tat der Mann leid. »Sie Armer. Aber vielen Dank für die Warnung. Ich werde der Dame ganz genau auf die Finger schauen.«
Lisi gefiel die Kritik an der Wahrsagerin gar nicht. »Ich würde jetzt wirklich gerne los. Wir haben einen Termin.«