Mörderischer Schwarzwald - Ernst Obermaier - E-Book

Mörderischer Schwarzwald E-Book

Ernst Obermaier

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Beschreibung

Rund um die Triberger Wasserfälle löst der brandenburgische Kommissar Danilo Kötter spannende Kriminalfälle wie den Mord mit einer Überdosis Viagra in Schnapspralinen, eine Brandserie auf einsamen Schwarzwaldhöfen, eine Schwarzwälder Kirschtorte als Dopingmittel, den Mord wegen einer futuristischen Kuckucksuhr oder die kriminellen Machenschaften in der Schwarzalb-Klinik. Dabei lernt er nicht nur den Schwarzwald und die Bewohner sondern auch seine Assistentin Sandra Lechner kennen und lieben.

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Ernst Obermaier

Mörderischer Schwarzwald

12 Krimis und 120 Freizeittipps

Impressum

Personen und Handlung sind frei erfunden.

Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen

sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.

Da Freizeiteinrichtungen einem ständigen Wandel

unterliegen und Irrtümer vorbehalten sind,

besteht keine Gewähr für die Richtigkeit der Angaben

Besuchen Sie uns im Internet:

www.gmeiner-verlag.de

© 2017 – Gmeiner-Verlag GmbH

Im Ehnried 5, 88605 Meßkirch

Telefon 0 75 75/20 95-0

[email protected]

Alle Rechte vorbehalten

1. Auflage 2017

(erschien bereits 2014 im Gmeiner-Verlag unter dem Titel »Wer mordet schon im Schwarzwald?«)

Lektorat: Claudia Senghaas, Kirchardt

Herstellung / E-Book: Mirjam Hecht

Umschlaggestaltung: U.O.R.G. Lutz Eberle, Stuttgart

unter Verwendung eines Fotos von: © PRILL Mediendesign – Fotolia.com und © Lucky Dragon – Fotolia.com

ISBN 978-3-8392-5568-1

AM GALGEN

Es ging ihm nicht gut, es ging ihm sogar überhaupt nicht gut, Danilo Kötter hatte mit wahnsinnigen Kopfschmerzen zu kämpfen. Die Ursache dieses unangenehmen Leidens war ihm allerdings bestens bekannt, denn der gestrige Abend mit reichlichem Alkoholkonsum und einigen ebenso trinkfesten Freunden in seinem Stammlokal hatte allzu deutlich seine Spuren hinterlassen. Natürlich hatte dieses außerplanmäßige Besäufnis einen äußerst gewichtigen Grund, denn Danilo hatte den Verlust seiner nunmehr nicht mehr aktuellen Lebensabschnittspartnerin zu beklagen, welchen er zwar sehr bedauerte, aber seiner Meinung nach doch in kurzer Zeit verschmerzen würde. Trotzdem saß der Schock diesmal tief, denn dass eine Frau einen so perfekten Mann wie ihn verlassen würde, sei ein Ding der Unmöglichkeit, zumal er ›seine Sabine‹ doch abgöttisch liebte. Dies bestätigten auch erwartungsgemäß die trinkfesten Freunde am Tresen, denen als Dank für jede moralische Unterstützung ein Glas frisch gezapftes Freibier spendiert wurde. Wie Danilo den kurzen Nachhauseweg bewältigte und wie er verletzungsfrei in sein Bett im ersten Stock des kleinen Häuschens gelangte, entzog sich seinem Erinnerungsvermögen. Vor allem blieb ihm schleierhaft, wie er an der Wohnung seiner Mutter, die das Erdgeschoss alleine bewohnte, vorbeigekommen war, ohne von ihr gesehen und gehört zu werden. Dies grenzte fast schon an ein Wunder. Höchstwahrscheinlich war es die späte oder besser gesagt die frühe Stunde, die verhindert hatte, dass der ›mütterliche Wachhund‹ von dem ausschweifenden Gelage des Sohnes etwas mitbekommen hatte. Würde Danilo Kötter für die Zeit von abends 22 Uhr bis 3 Uhr morgens ein hieb- und stichfestes Alibi benötigen, hätte er mit Sicherheit große Probleme bekommen, die Polizei davon zu überzeugen, dass er nicht der Täter sein könne. Schon aus dem Grund, da er ja schließlich selbst die Polizei verkörpert, denn ein junger Kommissar muss bekanntlich über jeden Zweifel erhaben sein.

So lag er nun auf seinem Bett und grübelte, so gut es sein Geisteszustand schon zuließ, vor sich hin. Eigentlich war seine Lage mehr als bescheuert, denn Sabine hatte ihn, ohne irgendeine Szene zu machen, nahezu stillschweigend verlassen und lediglich in einem kleinen Briefchen, das in aufreizender Weise nach ihrem Parfüm roch, mitgeteilt, dass sie die Verbindung beenden möchte, weil sie es endlich leid sei, nur die Lückenbüßerin zu sein, wenn es ›ihrem‹ Danilo gerade in den Kram passte. Nun hasste er seine ehemalige Lebensabschnittsgefährtin mindestens genauso wie er seinen Vornamen Danilo hasste. Seine Mutter war eine eingeschworene Opern- und Operettenfreundin und so bekam er nach dem Grafen Danilo aus der Lustigen Witwe von Franz Lehar seinen etwas gewöhnungsbedürftigen Vornamen. In der Schule riefen sie ihn deshalb immer Lilo. Lieber wäre ihm damals Nico oder Ronny gewesen, doch wer ist schon mit seinem Vornamen zufrieden. Das nahm er seiner Mutter noch immer übel, aber solange er die Vorzüge des ›Hotel-Mama‹ in vollen Zügen auskostete, musste er es sich wohl oder übel gefallen lassen, bemuttert und natürlich auch überwacht zu werden.

»Danilo, das Frühstück ist fertig«, ertönte die Stimme der Mutter aus dem Erdgeschoss und so sollte sich der Schwerkranke trotz seines dicken Kopfes wohl oder übel aufraffen, dem Weckruf Folge zu leisten.

»Ich komme gleich, gehe aber noch schnell ins Bad,« brüllte er die Treppe hinunter.

Unter der kalten Dusche begann sein Verstand langsam wieder zu arbeiten. Und als er sich hüllenlos im Spiegel betrachtete, dachte er: »Eigentlich bin ich doch ein ansehnlicher 85-Kilo-Mann und kann nicht verstehen, warum mich Sabine trotz der vielen Vorteile verlassen hat. Andere Frauen hätten bestimmt ihre Freude an solch einem kurzhaarigen blonden Hünen wie mir, mit einer stattlichen Größe von 1,85 m, selbst wenn ein kleines Bäuchlein meine Figur ziert. Ich muss nun endlich mit meinen 35 Jahren mein Leben ändern. Weg von Mama, weg von meinen Saufkumpanen, weg aus meiner Geburtsstadt Potsdam, weg aus meinem geliebten Havelland mit den vielen Seen und den Kiefernwäldern.«

Als er verspätet bei seiner Arbeitsstätte im Kommissariat von Potsdam eintraf, begrüßte ihn sein Chef mit den Worten: »Herr Kötter, heute sehen Sie aber wieder zerknittert aus.«

Zum Glück erinnerte er sich an den Spruch, den er auf einer Postkarte gelesen hatte: »Nur wer zerknittert aufsteht, kann sich tagsüber entfalten. Chef, ich muss mit Ihnen reden. Ich will mein Leben ändern und weg von hier.«

Hauptkommissar Krüger konnte Kötter zwar gut leiden, doch aufgrund der in letzter Zeit vermehrten Alkoholexzesse seines Mitarbeiters konnte er sich schnell mit dem Gedanken an eine Versetzung Danilos anfreunden.

»Erst gestern las ich in der Zeitung, dass Baden-Württemberg seine Polizeipräsenz erhöhen will. Wenn Sie wollen, so schreibe ich Ihnen eine sehr gute Beurteilung für Ihre Bewerbung.«

Kommissar Kötter war einverstanden, zumal hinterher in der Beurteilung eher stand, wie er sein sollte, als wie er war.

Nach einigen Wochen kam bereits Post vom Innenministerium aus Stuttgart. Zwei Stellen bot man ihm zur Auswahl an, eine im württembergischen Allgäu und eine im Schwarzwald, in Triberg 1, mit der Aufforderung, er solle sich bei der jeweils zuständigen Landespolizeidirektion bewerben. Da er schon über viele Morde im Allgäu gelesen hatte, entschloss er sich für das seiner Meinung nach ruhigere Triberg, zumal er dort vor Jahren mit der noch intakten Familie einen wunderschönen Wanderurlaub verbracht hatte. Inzwischen zog es sein Vater, der für einen großen Berliner Konzern als Monteur in Brasilien arbeitete, vor, dauerhaft sein Leben mit einer brasilianischen Schönheit in Rio zu verbringen. Die Zusage der Landespolizeidirektion Freiburg für das Kommissariat in Triberg kam prompt.

Der Abschied gestaltete sich tränenreich, zumindest von Seiten der Mutter. Auf der Autobahn über Leipzig – Nürnberg – Stuttgart – Richtung Singen bis zur Ausfahrt Villingen-Schwenningen ging es schnell voran. Von da fuhr er an Villingen vorbei und auf der B33 bis Triberg. Als Aufzeichnung für seine Umzugskosten notierte er exakt 735 Kilometer. Schon um 17 Uhr fuhr Kötter in das Parkhaus von Triberg ein. Hier gab es gleich eine Überraschung: ein Männerparkplatz! Von so etwas hatte er noch nie gehört. Gekonnt parkte er auf dem schwierig einzuparkenden Platz ein, den der findige Bürgermeister von Triberg als Werbegag für die Stadt als Männerparkplatz ausschildern ließ. Die Übergabe der kleinen Dienstwohnung war für 18.00 Uhr und die des Kommissariats für den nächsten Tag mit dem in den Ruhestand gehenden Amtsinhaber vereinbart. Vom Parkhaus ging er zu Fuß in die nahe gelegene Dienstwohnung, in der ihn Hauptkommissar Erwin Griesbacher erwartete. Anstatt einer freundlichen Begrüßung polterte dieser sofort los:

»Ich verstehe nicht, warum bei meiner Pensionierung dieses Ein-Mann-Kommissariat ohne Schreibkraft von Triberg an der Nordrandlage des Schwarzwald-Baar-Kreises nicht geschlossen wird. Die wenigen Fälle von Diebstahl, Zechprellerei und kleineren Tätlichkeiten könnten auch der Polizeiposten Triberg oder bei größeren Fällen die Kriminalpolizei von Villingen-Schwenningen erledigen. Aber bei Einsparungen von öffentlichen Ämtern tun sich Politiker und Beamte sehr schwer. Innerhalb der vergangenen Jahren kam es hier nur zu einigen Brandfällen bei allein stehenden Bauernhäusern, bei denen eine Brandstiftung zwar vermutet, aber nicht nachgewiesen konnte. Vor einigen Wochen hatten wir einen Fall: ein Mann stürzte betrunken nachts in den Triberger Wasserfall 2. Man fand ihn am anderen Morgen, weil seine Taschenlampe noch leuchtete. Vermutlich benutzte er den Wasserfallweg als Abkürzung hoch zum Bergsee 3, da er in dieser Gegend wohnte. Die Untersuchung des Toten ergab einen Promillewert von 2,2. Zuvor hatte er mit seinen Arbeitskollegen die bestandene Meisterprüfung von Georg Abele in einer Triberger Wirtschaft gefeiert. Ich habe die Bedienung vernommen und diese behauptete, sie sei sich sicher, der Mann habe nur zwei Glas Tannenzäpfle von der Brauerei Rothaus 4 und ein Viertel Spätburgunder von einem Winzer aus Gengenbach 5 getrunken. An was sie sich noch erinnern konnte, der Mann musste oft auf die Toilette. Die Vernehmung der Arbeitskollegen, die alle in einem Sägewerk arbeiten, und die der Ehefrau habe ich Ihnen aufgehoben, damit Sie am Anfang wenigstens etwas zu tun bekommen.«

Anschließend zeigte er ihm noch die leere Dienstwohnung, in der nur noch ein altes Sofa stand, das er für seine erste Übernachtung nutzen konnte.

Nach der Übergabe des Ein-Mann-Kommissariats am nächsten Tag kümmerte sich Danilo Kötter zuerst um seine Wohnungseinrichtung. Die leistungsfähigen Geschäfte in der Region hatten genügend Mitnahmemöbel und er entschied sich für die billigeren Kiefernmöbel, da Kiefernholz für ihn auch eine Verbindung zu seiner brandenburgischen Heimat herstellte. Bei seiner Einrichtung fehlte nur noch ein kleines Regal für seine Mineraliensammlung, das wegen der Dachschräge eine Sonderanfertigung erforderte. Aber das hatte noch Zeit, da seine Sammelstücke noch bei Mutter Kötter in Potsdam lagen. Für den folgenden Tag vereinbarte er telefonisch eine Vernehmung im Sägewerk mit den Beteiligten an der offensichtlich feuchtfröhlichen Meisterfeier.

Als er mit seinem Auto am nächsten Tag auf das Gelände des Sägewerks einbog, zog er genüsslich den ihm entgegen strömenden Holzduft ein. Holzgeruch, das erinnerte ihn, wie er noch als Junge mit seinem Vater durch die brandenburgischen Wälder streifte. Aus der Werkhalle dröhnten die Geräusche der großen Säge. Bei seinem Eintreten wurde die Maschine, nachdem ein Baum fertig in Brettern zerteilt war, abgestellt und die fünf Männer nahmen auf einem Holzstapel Platz und zeigten sich bereit für eine Befragung. Zuerst wollte der Kommissar Näheres über den Ablauf der Feier wissen.

»Herr Kommissar, wir fünf und Richard Epple, der Tote, sind alle in der Zimmermannsgilde von Schönwald 6, die am Fastnachtsdonnerstag den Narrenbaum aufstellt. Auch außerhalb der Fastnacht feiern wir zusammen, in diesem Fall war es die Meisterprüfung für das Schreinerhandwerk von Georg Abele. Das ist dieser Mann hier. Nach der Feier trennten wir uns und Richard benutzte wie immer die Abkürzung über den Wasserfall. Er trank normalerweise nicht viel, doch an diesem Tag wankte er ein wenig. Aber nicht so, dass ihn einer von uns heimbegleiten musste. Am Unglückstag regnete es. Vermutlich ist er ausgerutscht und in den Wasserfall gefallen.«

»Laut Protokoll fiel der Bedienung auf, dass er, immer wenn sie ihm ein Getränk brachte, auf der Toilette war.«

»Das ist richtig, denn Richard plagte an diesem Abend Durchfall. Deshalb empfahlen wir ihm, von Bier auf Rotwein umzusteigen, da dieser magenfreundlicher ist.«

»Und ist es richtig, er hat nur zwei Bier und einen Rotwein getrunken?«

»Ja, das können wir bestätigen.«

Auf die Frage, warum er dann so betrunken war, wussten die fünf Männer auch keine Antwort. Irgendwie hatte er das Gefühl, diese Zimmerleute wussten mehr als sie sagten. Doch für einen Kriminalbeamten war dies bei Verhören nichts Ungewöhnliches.

»Kennen Sie die Ehefrau des Toten?«

»Klar, Dagmar Epple kennen wir sehr gut. Eine lebenslustige Person. Angesprochen auf ihr italienisches Aussehen behauptet sie immer, eine ihrer weiblichen Vorfahren hätte sicher eine intime Beziehung zu einem italienischen Bauarbeiter gehabt, die nach den Plänen von Robert Gerwig die Schwarzwaldbahn 7 erbauten. Ein temperamentvolles Weib. Bei den jährlichen Ausflügen unserer Zimmermannsgilde, die wir immer zusammen mit den Ehefrauen oder derzeitigen Lebensgefährtinnen unternehmen, tanzte sie beim letzten Ausflug nach Mallorca sogar auf dem Tisch.«

»Dieses verrückte Huhn müssten Sie mal erleben«, sagte Georg Abele, der sich mehr und mehr als Sprecher der Gruppe gab.

»Beim Ausflug nach Mallorca übte sie mit mir als ihrem Tanzpartner bei Amateurturnieren am Strand Dirty Dancing. Sie sprang auf mich zu und ich musste sie mit beiden Händen waagrecht über meinen Kopf halten. Als es endlich gelang, johlte und applaudierte nicht nur unsere Reisegruppe.«

»Da bin ich aber neugierig, denn Frau Epple muss ich auch noch vernehmen. Vorerst danke für das Gespräch.«

Genüsslich rauchte Dagmar Epple eine Zigarette und betrachtete die zugezogenen Vorhänge, während der Mann neben ihr im Bett noch schlief. Die Vorhänge gingen inzwischen als antiquarisch durch und hatten schon mindestens zwei Menschengenerationen hinter sich. Die gesamte altertümliche Einrichtung passte zu dem Junggesellen Paul. »Du bist nun der zweite aus der Gilde«, dachte sie. Gleich nach der Beerdigung ihres Mannes hatte sie einen Schwur geleistet. Seit sie ihn kannte, hatte ihr Mann noch nie über den Durst getrunken. Mit Sicherheit steckten da seine Zimmermannskollegen dahinter. Aber sie würde der Sache auf den Grund gehen. Sie war mit allen diesen Kollegen, die den harten Kern der Gilde bildeten, mehr oder weniger befreundet und sie war entschlossen, nichts unversucht zu lassen, um herauszubekommen, was an diesem Abend, als ihr Mann in den Wasserfall stürzte oder gestürzt wurde, wirklich geschehen ist. Doch Paul, der neben ihr lag, schwieg über diese Angelegenheit.

Leichtes Spiel hatte sie mit dem Zimmermann Ulrich. Der war einem Abenteuer nicht abgeneigt und nahm ihre Einladung zu einer Nachtwanderung auf dem neuen Schwarzwaldbahn-Erlebnispfad 8 gerne an. Auf der Aussichtskanzel hoch über dem Tal, von der aus man bei Tag viermal Teilstrecken der Schwarzwaldbahn sieht, verführte sie ihn. Anschließend beobachteten beide einen hell erleuchteten Zug, wie er im Tunnel verschwand und die Lichter nach geraumer Zeit wieder auftauchten. Es sah aus wie eine Spielzeugeisenbahn. Doch auch Ulrich blieb bei Fragen nach dem Ablauf der Fete und wie es dazu kam, dass ihr Mann betrunken war, stumm wie ein Fisch.

Übermorgen hatte sie eine Verabredung mit Christian in der Brigachmühle. Er sollte dort etwas reparieren und bekam deshalb den Schlüssel. Da Christian ein extrovertierter und großmauliger Typ war, versprach sie sich von ihm mehr Informationen als von diesem verklemmten Paul oder dem schweigsamen Ulrich. Endlich kam sie in diese Brigachmühle nahe der Brigachquelle 9 bei St. Georgen, die man sonst nur wochenweise mieten kann. Und hier ging es dann besonders heftig zur Sache. Diese Mühle, die in den 1970er Jahren ein Journalist, der Bahnhofsvorsteher und der Verkehrsamtsleiter für den Fremdenverkehrsverein mit Spenden des örtlichen Handels und der Industrie als Ferienhaus ausgebaut hatten, wird vom Verkehrsverein St. Georgen vermietet. Dieses von außen eher unansehnlich anmutende Bauwerk hatte es ihr angetan, denn innen entfaltete die liebevoll gestaltete Mühle ihren eigenartigen Charme. Die Durchsicht hinter Glas auf das Mahlwerk dieser Doppelmühle und die mit dem Mühlstein drehbare Tischplatte gefielen ihr neben der urigen Einrichtung besonders gut. Und wie ›die Brigach und die Breg die Donau zu Weg bringen‹, brachte auch Christian in dieser Mühle einiges ›zum Strömen‹. Auf die ominöse Meisterfeier mit Todesfolge angesprochen, gestand ihr Christian, dass Georg aus Spaß dem Richard, immer wenn dieser auf der Toilette war, Schwarzwälder Kirschwasser in die Getränke geschüttet hatte. Georg, in bester Laune wegen seiner bestandenen Meisterprüfung, hatte eine Halbliterflasche in der Hosentasche und diese leerte er im Lauf des Abends in die Getränke von Richard. Alle fanden dies lustig, da sich Richard als Einziger der Clique immer mit dem Trinken zurückgehalten hatte. Man konnte ja nicht ahnen, wie sich dieser Spaß dann in der Nacht auswirkte. Gleichzeitig nahm er ihr das Versprechen ab, ja nicht von dieser Information Gebrauch zu machen.

»Es ist halt passiert und wie ich heute erlebt habe, hast du deinen Spaß auch ohne deinen Mann.«

Endlich hatte sie die gesuchte Information.

Kommissar Kötter verbrachte das erste Wochenende seiner Triberger Amtszeit in Potsdam, um seine letzten Umzugsgüter zu holen. Seine Mutter machte ihm viele Vorwürfe. Sie sei nun ganz allein im Haus und er so weit weg. Dennoch überließ sie ihm einen Teil ihres Hausrates und packte ihm für die Rückfahrt Verpflegung ein. Kaum war er am Montag wieder in seinem Büro in Triberg, kam die Meldung, ein Mann sei vom Stöcklewaldturm 10  gestürzt. Warum auch immer, ob aus Liebeskummer oder eventuell weil der FC Freiburg fünfmal hintereinander verloren hatte, ihm konnte es eigentlich egal sein, wenn nicht die Arbeit wäre. Für ihn bedeutete dies, vor allem eine Verzögerung bei der endgültigen Einrichtung seiner Wohnung. Wenigstens, so dachte er, hatte sich dieser nicht vor einen Zug geworfen und den Tagesablauf vieler Menschen gestört. Dabei war es mehr als ärgerlich, seit Jahren gab es keine Unfälle mit Todesfolge in Triberg und nun innerhalb eines Monats schon die zweite Leiche. Auf der Karte sah er, dass der Stöcklewaldturm nur wenige Kilometer oberhalb von Triberg liegt. Am Aussichtsturm erwartete ihn bereits eine junge Frau, die gesehen hat, wie der Mann sich von dem 25 Meter hohen Turm stürzte. Sie kenne den Toten, es sei Georg Abele vom Sägewerk, ein ehemaliger Freund und Kollege ihres verstorbenen Mannes.

»Dann sind sie vermutlich Dagmar Epple?«

»Ich habe Sie noch nie gesehen, aber woher kennen Sie meinen Namen?«

»Ich untersuche den Todesfall Ihres Mannes und wollte Sie deshalb in den nächsten Tagen aufsuchen.«

»Das können Sie sich nun sparen.«

»Über Ihren Mann müssen wir noch sprechen, aber nun zu dem Toten. Bitte schildern Sie, was sie gesehen haben.«

»Ich wollte Georg in der Schreinerei seines Schwiegervaters sprechen. Dieser sagte mir, Georg sei im Auftrag des Verschönerungsvereines im Gebiet Stöcklewaldturm – Galgen 11  – Hirzwald damit beschäftigt, Ruhebänke für Wanderer aufzustellen. Tatsächlich traf ich ihn gerade bei einer Vesperpause am Stöcklewaldturm. Da ich früher mit meinem Mann mindestens einmal im Jahr die etwa zwölf Kilometer weite Wanderung von St. Georgen nach Triberg 12 unternommen hatte und oft mit ihm auf den Turm gestiegen war, bat ich Georg, mich zu begleiten. Er schien mir etwas depressiv zu sein und während ich die schöne Aussicht genoss, sprang er plötzlich ohne Vorwarnung über die Brüstung. Ich stürzte die Treppe hinunter und soweit ich das feststellen konnte, gab er kein Lebenszeichen mehr von sich. Sofort lief ich in das Lokal und verständigte die Polizei.«

»Das war richtig! Benötigen Sie den Beistand eines Psychiaters?«

»Nein, es geht schon.«

»Und wegen Ihres Mannes melde ich mich demnächst.«

Die Todesnachricht von Georg löste in der Schreinerei Abele bei der Ehefrau, beim Schwiegervater und beim Bruder Entsetzen aus. Sollte doch Georg ab 1. Januar die Schreinerei übernehmen. Vor einem halben Jahr war die Frau des Schreinermeisters gestorben und nun wollte der alte Herr den Betrieb übergeben. Erst vor wenigen Wochen hatte Georg die Meisterprüfung mit Erfolg abgelegt. Die Behauptung von Dagmar Epple, Georg hätte einen depressiven Eindruck gemacht, konnte keiner der drei nachvollziehen. Georg sei am Vorabend bester Dinge gewesen, da ihm seine Frau ihren positiven Schwangerschaftstest gezeigt hatte. Seit Jahren wünschten sie sich Kinder. Nun war auch die Schreinerstochter Claudia ebenfalls wie Dagmar Witwe. Sie nahm sich fest vor, ein Gespräch unter vier Augen von Witwe zu Witwe zu suchen, um Näheres von diesem ›Unfall‹ zu hören. Jetzt befragte sie auch noch der neue Kommissar über die Verhaltensweisen ihres Mannes in den letzten Wochen. Auch, ob eventuell ein Abschiedsbrief gefunden wurde, was sie aber mit gutem Gewissen verneinen konnte.

»Einen Selbstmord meines Mannes schließe ich definitiv aus. Dazu bestand überhaupt kein Grund. Belästigen Sie uns nicht mit Ihren Fragen über meinen Mann, sondern finden Sie heraus, was auf dem Stöcklewaldturm wirklich geschah. Und noch was, lassen Sie uns in Ruhe trauern.«

Nachdem er die Vernehmungs-Protokolle getippt hatte, konnte sich Kommissar Kötter endlich wieder der Einrichtung seiner Wohnung widmen. Als er alles eingeräumt hatte, blieb nur noch die Mineraliensammlung übrig. Er hatte es sich angewöhnt, aus jedem Urlaub Steine mitzunehmen, je nach Gelegenheit gekauft oder selbst gesammelt. Einiges hatte sich angesammelt und er fühlte sich ›steinreich‹. Sein bestes Stück bestand aus einer riesigen Amethyst-Druse, die ihm sein Vater aus Brasilien mitgebracht hatte. Für die Sammlung brauchte er noch ein stabiles Regal, das genau in die Dachschräge passte. Da er morgen wegen des Todessturzes vom Stöcklewaldturm wieder zur Vernehmung ins Sägewerk musste, fertigte er eine Skizze mit den genauen Maßen der benötigten Balken und Bretter an. Anschließend kaufte er noch Lebensmittel ein, wobei er von den Einheimischen sofort als neuer Kommissar erkannt wurde. An diesem Tag erschien im Schwarzwälder Bote ein ausführlicher Bericht mit Bild über ihn. Daraus ergab sich das eine oder andere Gespräch.

Wieder fuhr er zum Sägewerk. Anstatt der bisherigen fünf saßen ihm jetzt nur noch vier Männer gegenüber. Kommissar Kötter entschied sich heute für die harte Vernehmungsvariante:

»Also, Sie haben nun innerhalb von vier Wochen zwei Ihrer Kollegen verloren. Das kann kein Zufall sein. Nun sagen Sie endlich die Wahrheit, warum war Ihr Kollege Richard Epple bei der Meisterfeier so betrunken.«

Die Männer zuckten nur mit den Schultern.

»Und Georg, hatte der mit Dagmar Epple, der Frau von Richard, ein Verhältnis?«

»Auf keinen Fall! Die tanzten nur zusammen bei regionalen Amateur-Tanzturnieren.«

»Bedrückte ihn in den Tagen vor seinem Sturz vom Turm irgendetwas?«

»Nein, wir hatten wie immer den Eindruck eines lustigen Kollegen, der für uns leider bald demnächst die Schreinerei seines Schwiegervaters übernehmen wollte.«

»Ist Ihnen sonst noch etwas aufgefallen?«

»Nein!«

Doch nun holte der Kommissar zu einem Schlag aus:

»Drei von Ihnen wurden gesehen, der eine kam des Nachts mit Dagmar Epple aus seinem Haus und sie küssten sich zum Abschied. Der andere von Ihnen kam mitten in der Nacht eng umschlungen vom Schwarzwaldbahn-Erlebnispfad zurück. Und den dritten hier beobachtete man, wie er mit dieser Frau in die Brigachmühle ging. Sie wissen, in so einer kleinen Stadt bleibt nichts unbemerkt und das Gerücht, wie eine Frau so kurz nach dem Tod ihres Mannes eine Liebschaft nach der anderen haben kann, macht natürlich in der Provinz schnell die Runde. Sie gestatten schon, dass auch ich mir Gedanken darüber mache.«

»Das sind private Angelegenheiten, und das geht Sie rein gar nichts an.«

»Sie können versichert sein, ich bringe die Wahrheit noch ans Licht.«

Solange dieses Verhör auch dauerte, immer mehr wurde dem Kommissar bewusst, diese verstockten Schwarzwälder konnte er nicht aus der Reserve locken. Schließlich gab der Kommissar auf.

»Apropos privat, ich bräuchte noch ein Regal für meine Mineraliensammlung. Hier ist die Skizze und die Maße der benötigten Balken und Bretter.«

»Und welches Holz soll es sein?«

»Kiefer, passend zu meinen Möbeln.«

»Damit können wir nicht dienen. Wir verarbeiten hier nur Tanne und Fichte. Vielleicht sollten Sie in der Schreinerei Abele fragen. Da gibt es sicher Kiefernholz.«

»Okay, mache ich!«

Kaum befand sich das Auto des Kommissars außer Sichtweite, brach ein gewaltiger Streit unter den Kollegen aus. Keiner der Betroffenen konnte es fassen, dass Dagmar ihre Liebe auf mindesten drei der vier Männer verteilte. Mit Mühe schlichtete der vierte den Streit, der inzwischen zu einer handfesten Prügelei unter den betroffenen Männern ausgeartet war.

»Diese Schlampe«, murmelte einer von ihnen, bevor er wütend seine Tasche packte und verschwand.

Die Beerdigung von Georg Abele fand um 14 Uhr auf dem Friedhof von Triberg statt. War es Sensationslust oder Anteilnahme? Der Friedhof fasste kaum die Anzahl der Trauernden. Auch Kommissar Danilo Kötter fand sich ein, denn manchmal konnte ein geschulter Kriminalbeamter aus den Reaktionen der Betroffenen Schlüsse ziehen. Dies schien bei dieser Beerdigung aufgrund der Menschenmenge nicht möglich, denn Kötter bekam nur in den hinteren Reihen, weit weg vom Grab, einen Platz. Die Ansprache des Pfarrers wurde durch eine kleine Lautsprecheranlage verstärkt. Für Kötter aus dem evangelischen Land Brandenburg war dies die erste katholische Beisetzung und so entsetzte es ihn, dass der Pfarrer zum Schluss für den Nächsten, der unter den Anwesenden sterben werde, betete. Verstohlen blickte sich Kötter um, wer dies sein könnte. Nach der Beerdigung ging es für die Eingeladenen in ein nahe gelegenes Café zum in dieser Gegend üblichen Kaffee mit Hefezopf. Kötter war nicht eingeladen und nahm die Gelegenheit wahr, an seinen Schreibtisch zurückzukehren. Im Café nahmen der Schwiegervater Abele mit seiner Tochter Claudia und dem Bruder Platz. Daneben saß die nähere Verwandtschaft und die ehemaligen Kollegen des Toten sowie, soweit verheiratet, auch deren Ehefrauen. Darunter auch Dagmar Epple. Als sich die Kaffeegesellschaft auflöste, sprach die trauernde Claudia ihre Freundin Dagmar an.

»Wir sind nun beide Witwen. Würdest du mich kurz in die Schreinerei begleiten. Ich möchte nicht allein hingehen, doch ich benötige noch ein paar Unterlagen für den Makler. Mein Vater möchte den Betrieb nicht mehr weiterführen und mein Mann ist tot. Und da du als Letzte mit meinen Mann zusammen warst, hätte ich gerne von dir Näheres über seine letzten Minuten auf dem Stöcklewaldturm erfahren.«

»Ja, darüber wollte ich auch mit dir sprechen.«

Unterwegs wollte sich Claudia bei Dagmar einhängen, doch diese verweigerte sich. In der Schreinerei angekommen, sperrte Claudia die Tür auf, an der das Schild ›Wegen Todesfall geschlossen‹ hing. Die abdeckten Maschinen und die halbfertigen Möbel passten zu der gedrückten Stimmung der beiden Frauen.

»Sag mal Claudia, wie geht es mit der Schreinerei weiter?«

»Vater hat keine Lust mehr. Er fertigt nur noch die laufenden Aufträge ab und dann ist Schluss.«

»Kann dein Bruder den Betrieb nicht weiter führen?«

»Nein, der ist kein Schreiner sondern Energieberater. Er hilft nur manchmal aus. Aber du wolltest doch mit mir sprechen?«

»Eigentlich halte ich den Beerdigungstag für ungeeignet, aber da sich gerade die Gelegenheit ergibt, sage ich es dir ins Gesicht, dein Mann ist der Mörder meines Mannes.«

»Was bildest du dir ein! Der bringt doch seinen besten Freund nicht um!«

»Ein schöner Freund, der meinem Mann Schnaps in die Getränke schüttet und den Betrunkenen nicht heimbegleitet.«

»Entschuldigung, davon wusste ich nichts. Das hat er mit Sicherheit nicht so gewollt. Wir hatten doch eine gute Freundschaft? Du als Tanzpartnerin meines Mannes, was dein Mann immer so großzügig tolerierte. Jetzt macht in der Stadt das Gerücht die Runde, du treibst es mit allen seinen Kollegen. Wahrscheinlich auch mit meinem Mann auf dem Stöcklewaldturm.«

Nun steigerte sich Dagmar in eine unglaubliche Wut hinein.

»Du weißt anscheinend überhaupt nichts, deshalb sage ich dir jetzt unter vier Augen: Ich habe mich an die Männer herangeschmissen, um die Wahrheit zu erfahren. Dadurch weiß ich, dass dein Mann der Täter ist. Und wenn du die Situation auf dem Stöcklewaldturm ansprichst, ja, ich flehte ihn an, zum Andenken an meinen Mann auf den Turm zu gehen. Oben angekommen, wollte er sofort wieder umkehren, weil an diesem Tag keine gute Sicht war. Ich sagte ihm: Wenn wir schon einmal alleine hier oben sind, lass uns doch die freie Fläche für eine kleine Probe für unser neues Showprogramm nutzen. Als wir zu der Nummer ›Dirty Dancing‹ kamen, schlug ich ihm vor, versuchsweise die Positionen zu wechseln. Er lachte mich aus. Ich wäre als Heber der Figur viel zu schwach. Lass es uns doch einfach versuchen, entgegnete ich ihm. Verhalten nahm er einen Anlauf. Ich ging einige Schritte zurück an den Turmrand und als er vorsichtig absprang, stemmte ich beide Hände an seine Hüften und nutzte den Schwung von ihm, ihn über mich hinweg kopfüber über die Brüstung zu werfen. Schnell lief ich die Treppe hinunter, um mich dann zu vergewissern, ob er auch wirklich tot war. Nachdem ich kein Lebenszeichen bei ihm feststellen konnte, rief ich die Polizei, der ich dann die Selbstmordtheorie auftischte. Endlich hatte ich meine Rache.«

»Du Biest! Jetzt kommt mein Kind ohne Vater zur Welt und mein Vater hat keinen Nachfolger für unseren über Generationen bestehenden Handwerksbetrieb. Dafür sollst du jetzt büßen!«

Außer sich vor Zorn stürzte sich Claudia auf Dagmar.

Kommissar Kötter saß in seinem Büro. Gestern hatte er an der Beerdigung teilgenommen und anschließend noch die restlichen Protokolle angefertigt. Den ruhigen Job in Triberg hatte er sich ursprünglich anders vorgestellt. Endlich kam er heute zur Aufstellung seiner Umzugskosten. Mitten in dieser Arbeit klingelte das Telefon. Widerwillig hob Kötter den Hörer ab.

»Hier meldet sich die zentrale Leitstelle. Herr Kommissar, ein Jogger meldete gerade, oben an der Gemarkung Galgen, dieser historischen Richtstätte, an der früher Verbrecher gehängt wurden, hängt jetzt eine weibliche Person am Galgen. Sie finden diese Stelle leicht, denn sie liegt nur wenige hundert Meter links von uns aus gesehen vom Stöcklewaldturm. Den Erkennungsdienst, das Rote Kreuz und die Feuerwehr habe ich bereits verständigt.«

»Nicht schon wieder eine Leiche«, dachte Kötter und fuhr schnell zu der angegeben Stelle. Die Kollegen standen bereits vor dem offensichtlich neu gezimmerten Galgen. An diesem hing eine weibliche Person, die Kötter sofort als Dagmar Epple identifizieren konnte. Um den Hals trug sie ein Schild mit der Aufschrift ›Schwarzwaldhexe‹. Der Erkennungsdienst schoss Fotos von allen Seiten und sicherte mögliche Spuren. Erst dann konnte die Feuerwehr die Leiche abhängen und den Abtransport zum gerichtsmedizinischen Institut veranlassen. Augenblicklich dachte Kötter an die Zimmermannsgilde vom Sägewerk, die, wie sie sagten, am Fastnachtsdonnerstag immer den Narrenbaum aufrichteten. Dafür sprach auch der fachmännisch ausgeführte Galgen. Diesen untersuchte er sehr genau, dabei fiel ihm auf, dass er aus Kiefernholz war. Wie immer funktionierte sein Gedächtnis ausgezeichnet. Sagten nicht die Männer im Sägewerk, sie verarbeiten nur Tanne und Fichte. Und Kiefernholz gab es unter anderem bei der Schreinerei Abele. Sofort beantragte er bei der Staatsanwaltschaft Villingen einen Hausdurchsuchungsbefehl für die Schreinerei.

Kaum hatte die Durchsuchung der Schreinerei begonnen, gab es bereits die ersten Erfolgsmeldungen. Hier waren Reste eines abgesägten Kiefernbalkens und am Boden und an einem Stuhlbein fanden sich Spuren von Blut. Ein späterer Vergleich ergab einwandfrei, das Blut stammte vom Opfer und die Holzsorte stimmte auch überein. Kommissar Kötter konfrontierte Vater Abele, seinen Sohn und die Tochter mit den Ergebnissen.

»Es war ein Unfall! Dagmar und Claudia hatten einen Streit, weil Georg der Mann von Claudia bei seiner Meisterfeier dem meist abstinenten Richard Schnaps in die Getränke geschüttet hatte und damit für den Todessturz in den Wasserfall verantwortlich war. Zumindest behauptete dies Dagmar.«