Mörderisches Somerset - Der tote Professor - Dorothea Stiller - E-Book

Mörderisches Somerset - Der tote Professor E-Book

Dorothea Stiller

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  • Herausgeber: beTHRILLED
  • Kategorie: Krimi
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2022
Beschreibung

Folge 1: Kurz nachdem June in das Haus ihrer Tante in Lower Foxdale gezogen ist, geschieht etwas Schreckliches: Ihr Nachbar, der pensionierte Professor Leighton, stürzt in seinem Haus eine steile Treppe hinunter und stirbt. Die Polizei hält seinen Tod für einen Unfall, aber die junge Frau hat Zweifel. Kurz vor seinem Tod hat ihr der Professor von einer bedeutsamen Entdeckung erzählt, die er zunächst geheim halten wollte. June stellt Nachforschungen an und stößt auf die Spur eines verloren geglaubten, sehr wertvollen Buches. Aber offenbar ist sie nicht allein hinter dem Buch her - denn eine unheimliche Gestalt in Mönchskutte überfällt sie. Ist sie dem Mörder von Professor Leighton begegnet? Gemeinsam mit der Buchhändlerin Pomona und dem sympathischen Antiquariatsbesitzer Mr Whalley macht sich June an die Lösung des Rätsels ...

Über die Serie:

Traumhafte Gärten, eine wunderschöne Landschaft und mystische Orte - dafür steht die Grafschaft Somerset. Als die junge Londonerin June das Cottage und den Buchladen ihrer Tante erbt, beschließt sie, dort neu anzufangen. Doch auch in der südenglischen Idylle gibt es dunkle Schatten und Verbrechen ... Wie gut, dass ihr die quirlige Pomona mit ihrem Hang zu Tarot und Esoterik und der sympathische Antiquar Mr. Whalley bei ihren Ermittlungen zur Seite stehen. Und dann gibt es da den attraktiven Detective Seargeant Sean Darcy, der bei der Verbrecherjagd auch noch ein Wörtchen mitzureden hat ...

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Inhalt

CoverGrußwort des VerlagsMÖRDERISCHES SOMERSET – Die SerieÜber diese FolgeDie ProtagonistenTitelProlog1. Kapitel2. Kapitel3. Kapitel4. Kapitel5. Kapitel6. Kapitel7. Kapitel8. Kapitel9. Kapitel10. Kapitel11. Kapitel12. Kapitel13. Kapitel14. Kapitel15. Kapitel16. KapitelDanksagungÜber die AutorinImpressumIn der nächsten FolgeLeseprobe

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Über diese Serie

Traumhafte Gärten, eine wunderschöne Landschaft und mystische Orte – dafür steht die Grafschaft Somerset. Als die junge Londonerin June das Cottage und den Buchladen ihrer Tante erbt, beschließt sie, dort neu anzufangen. Doch auch in der südenglischen Idylle gibt es dunkle Schatten und Verbrechen … Wie gut, dass ihr die quirlige Pomona mit ihrem Hang zu Tarot und Esoterik und der sympathische Antiquar Mr. Whalley bei ihren Ermittlungen zur Seite stehen. Und dann gibt es da den attraktiven Detective Seargeant Sean Darcy, der bei der Verbrecherjagd auch noch ein Wörtchen mitzureden hat …

Über diese Folge

Kurz nachdem June in das Haus ihrer Tante in Lower Foxdale gezogen ist, geschieht etwas Schreckliches: Ihr Nachbar, der pensionierte Professor Leighton, stürzt in seinem Haus eine steile Treppe hinunter und stirbt. Die Polizei hält seinen Tod für einen Unfall, aber die junge Frau hat Zweifel. Kurz vor seinem Tod hat ihr der Professor von einer bedeutsamen Entdeckung erzählt, die er zunächst geheim halten wollte. June stellt Nachforschungen an und stößt auf die Spur eines verloren geglaubten, sehr wertvollen Buches. Aber offenbar ist sie nicht allein hinter dem Buch her – denn eine unheimliche Gestalt in Mönchskutte überfällt sie. Ist sie dem Mörder von Professor Leighton begegnet? Gemeinsam mit der Buchhändlerin Pomona und dem sympathischen Antiquariatsbesitzer Mr Whalley macht sich June an die Lösung des Rätsels …

Die Protagonisten

Juniper »June« Morgan (34) zieht aus London in den kleinen Ort Lower Foxdale in der Grafschaft Somerset. Von ihrer verstorbenen Tante Sheila hat sie ein hübsches kleines Cottage und einen Buchladen im nahegelegenem Glastonbury geerbt. Außerdem ein Päckchen Tarotkarten, dass June trotz ihrer Skepsis oft erstaunlich hilfreiche Hinweise zu liefern scheint. In der scheinbar heilen Welt des ländlichen Idylls möchte June die persönliche und berufliche Krise überwinden, in der sie gerade steckt. Doch kurz nach ihrer Ankunft kommt June einem Verbrechen auf die Spur und hat plötzlich ganz andere Problemes …

Pomona »Mona« Quimby (60) war die beste Freundin von Junes verstorbener Tante und ihre Geschäftspartnerin im Buchladen. Sie ist ein lebenslustiger Freigeist, Expertin für Tarot und Esoterik und beherrscht das kreative Chaos. Eine gute Tasse Tee und eine Kuscheleinheit mit ihren Katzen ist für sie ein Allheilmittel.

Rufus Whalley (55) ist der Inhaber des Antiquariats gegenüber dem Buchladen. Natürlich kennt er sich bestens mit Literatur, Geschichte und den Mythen und Legenden rund um Somerset aus. Er ist stets akkurat, sehr belesen, intelligent und heimlich in Pomona verliebt.

Detective Sergeant Sean Darcy (35) heißt nicht nur wie der Protagonist in Jane Austens Stolz und Vorurteil, sondern kann auf den ersten Blick auch ziemlich überheblich und arrogant wirken. Doch der erste Eindruck täuscht, denn eigentlich ist er ganz umgänglichs …

Der tote Professor

Prolog

Das Wetter war umgeschlagen und hatte William überrascht. Eine kräftige Brise blies ihm feinen Sprühregen ins Gesicht wie Meeresgischt.

Das Gartentor klapperte im Wind. Er musste wohl vergessen haben, den Riegel zu befestigen. Als er es hinter sich schloss, überfiel ihn das eigenartige Gefühl, als ob er aus dem Dunkel der Ligusterhecke beobachtet würde. Eilig fischte er den Schlüssel aus der Tasche und schloss auf.

Abrupt blieb er stehen. Ein plötzlicher, scharfer Luftzug hätte ihm beinahe die Klinke aus der Hand gerissen. Stand etwa ein Fenster auf? Ein Prickeln zog vom Nacken über seine Kopfhaut, er zögerte auf der Türschwelle. Und wenn jemand im Haus war?

Leise schloss er die Tür und lauschte mit angehaltenem Atem. Da! Er fuhr zusammen. War das nicht ein Rascheln gewesen, ein dumpfes Klopfen wie gedämpfte Schritte auf dem Teppichboden? Williams Herz hämmerte gegen die Rippen.

Verflixt! Er hätte draußen bleiben und die Polizei rufen sollen. Schließlich war er ein alter Mann und hatte gegen einen jungen, kräftigen Einbrecher keine Chance. Was, wenn der Eindringling eine Waffe besaß?

Erneut spürte William einen kühlen Luftzug. Allmählich gewöhnten sich seine Augen an die Dunkelheit, und vage Formen schälten sich aus den Schatten.

Was zur Hölle? William blinzelte.

Gegen das blasse Mondlicht, das vom Garten in die Stube schien, zeichnete sich eine schwarze Gestalt ab. Was sollte er nur tun? Hinauslaufen? Aber dann würde der Fremde ihn hören und womöglich von hinten angreifen.

Instinktiv packte William den viktorianischen Gehstock mit dem massiven Metallknauf aus dem Schirmständer und hob ihn angriffsbereit über den Kopf. Ihm blieb nur das Überraschungsmoment. Vielleicht konnte er den Einbrecher überrumpeln und vertreiben.

Sein Herz pumpte hektisch, das Blut rauschte in seinen Ohren. Mit zittrigen Fingern tastete er nach dem Lichtschalter. Abermals hörte er Rascheln. Jetzt hatte er den Schalter gefunden und ließ ihn nach oben schnappen. Kurz musste er die Augen gegen die plötzliche Helligkeit zukneifen, während er laut brüllend mit erhobenem Stock ins Wohnzimmer stürzte.

Als er wieder etwas erkennen konnte, blieb er stehen. Sein Herz stolperte, und der Atem kam stoßweise über die Lippen. Am ganzen Körper bebend sah er sich im Raum um. Nichts. Die Gestalt war verschwunden, nur die Terrassentür schlug gegen den Rahmen, und die Gardine flatterte im Wind.

Langsam senkte er den Gehstock. Er hatte die Faust so fest um den Knauf geklammert, dass sich die Fingerknöchel weiß gefärbt hatten. Was nun? Ob der Eindringling noch im Garten war?

Wieder erhob er den Stock, stieß die Terrassentür auf und machte einen Schritt hinaus auf die Veranda. Sein Blick huschte durch den vorderen, nun erleuchteten Teil des Gartens und erfasste eine Bewegung ganz hinten. Er sah gerade noch eine dunkle Gestalt rechts über die Mauerkrone verschwinden. Er blinzelte. Oder war es nur ein Schatten gewesen?

Langsam ließ die Spannung in seinem Körper nach, der Gehstock rutschte ihm aus den Händen. Seine Knie zitterten, und er brauchte eine Weile, um wieder zu Atem zu kommen. Gewissenhaft verschloss er die Verandatür und durchsuchte die Räume im Erdgeschoss. Nichts. Keine Unordnung, keine herausgerissenen Schubladen oder andere verräterische Spuren.

Ein Schreck fuhr ihm durch die Glieder, als sich ein plötzlicher Gedanke in sein Bewusstsein drängte. Das Arbeitszimmer! Die Tagebücher!

Keuchend lief er die steile Treppe hinauf und machte Licht. Er blieb im Türrahmen stehen und atmete geräuschvoll aus. Alles lag da, wie er es verlassen hatte. Auch nach eingehender Untersuchung fand er keine Anzeichen dafür, dass irgendetwas fehlte oder durchwühlt worden wäre. Offenbar hatte er den Täter rechtzeitig aufgeschreckt, und er war nicht dazu gekommen, etwas zu stehlen.

William ließ sich in seinen Bürostuhl fallen, stützte den Kopf in die Hände und massierte seine Schläfen. Was hatte der Einbrecher gesucht? Konnte es sein, dass er hinter den Tagebüchern her gewesen war?

William zog eines der ledergebundenen Bändchen heran und blätterte es auf. Ein echter Glücksgriff, dass er bei einer Auktion darauf gestoßen war. Wenn er es richtig interpretierte, konnte das eine kleine Sensation bedeuten. Er hatte schon lange vermutet, dass es Aufzeichnungen gab, die seine Annahmen belegen könnten.

Hatte der Kerl es darauf abgesehen? Aber wie hätte er davon wissen sollen? William schüttelte den Kopf. Nein, das war vollkommen abwegig. Vermutlich hatte er einfach die Terrassentür nicht richtig geschlossen, und jemand hatte die Gelegenheit genutzt.

Er überlegte, dass er den Vorfall wohl besser melden sollte, auch wenn er sich keine große Hoffnung machte, dass der Einbruch aufgeklärt würde. Schließlich war nichts gestohlen oder beschädigt worden, und er konnte noch nicht einmal eine gute Täterbeschreibung abgeben. Himmel, er war sich ja noch nicht einmal sicher, was genau er da eben gesehen hatte.

Er rief sich das Bild der schemenhaften Gestalt in seinem Wohnzimmer ins Gedächtnis. Es hatte ausgesehen, als wäre sie in ein unförmiges Gewand mit einer spitzen Kapuze gehüllt gewesen, wie eine mittelalterliche Mönchskutte.

William seufzte. Er beschloss, dieses Detail bei der Polizei lieber unerwähnt zu lassen. Schließlich wollte er nicht für einen senilen Spinner gehalten werden. Er griff nach dem Telefon und wählte die 999.

1. Kapitel

»Halt! Hier! Hier ist es.« June seufzte. »Ach, Mist! Zu spät. Hier hätten wir reingemusst.«

»Da rein?«, fragte Ashley ungläubig, nahm aber den Fuß vom Gaspedal. »Bist du sicher? Das war doch ein Feldweg.«

»Doch, natürlich. Vertrau mir«, versicherte June. »Ich kenne mich hier aus. Schließlich habe ich hier einige Jahre gelebt.«

»Na, wenn du meinst … Verflixt, wo kann man denn hier wenden?«

»Wenn du noch ein Stück fährst, kommt die Zufahrt zum Campingplatz, da geht es.« June musste lachen. »Ich sagte doch, dass die Gegend etwas ländlicher ist.«

»Etwas ländlicher ist gut. Für ein Stadtgewächs wie mich ist das hier die reinste Wildnis.« Ashley kicherte. »Und du hast hier gelebt? Ich dachte, du wärst in London aufgewachsen.«

»Bin ich auch, aber während der Schulzeit habe ich eine Weile hier gewohnt«, erwiderte June. »Meine Großeltern mütterlicherseits stammen von hier. Ich habe fast immer die Ferien bei ihnen und Tante Sheila verbracht und bin einige Jahre hier zur Schule gegangen. Da! Da vorne kannst du wenden. Ich kann gar nicht genug betonen, wie dankbar ich dir bin, dass du dir so spontan Zeit genommen hast, mich herzufahren.«

»Aber na klar. Dafür sind Kolleginnen doch da, nicht?« Ashley lächelte etwas verlegen. »Ich hatte ohnehin noch Überstunden abzubauen und bin ehrlich gesagt ziemlich urlaubsreif nach dem Tamtam wegen des Bainbridge-Manuskripts. Da ist so eine Landpartie doch gar nicht schlecht.«

»Tja, mal wieder typisch für mich, dass mein Wagen ausgerechnet jetzt den Geist aufgibt, oder nicht? Ich fürchte, es wird sich nicht rentieren, ihn noch zu retten. Erinnere mich daran, dass ich später bei der Werkstatt anrufe.«

»Mache ich.« Ashley bremste und fuhr auf die schmale, holprige Auffahrt, die zu einem Gehöft führte. »Huch! Das soll der Campingplatz sein?«

»Na ja, so etwas Ähnliches. Das ist die Yew Tree Farm. Die Ruckleys verdienen sich während der Saison etwas dazu, indem sie auf ihrem Land Zeltplätze und Stellplätze für Wohnwagen und Wohnmobile vermieten.«

»Aha.« Ashley zog eine Augenbraue hoch und grinste. »Ich verkneife mir weitere Kommentare.«

Sie wendete und bog an der Einmündung dieses Mal in die schmale Straße ein, die zwischen Wiesen und Feldern hindurch am Ufer des Milley entlang bis nach Lower Foxdale führte. Zu ihrer Rechten erstreckten sich grüne Wiesen und von Hecken gesäumte Obstgärten.

Auf der gegenüberliegenden Seite am Flussufer kauerten schläfrig einige schiefergedeckte Häuschen aus grauem Stein inmitten üppig blühender Vorgärten oder lugten beinahe schüchtern hinter verwitterten, mit Efeu, Rosen und Schlingknöterich berankten Mauern hervor.

»Das ist übrigens der örtliche Pub. The Trout«, erklärte June. »Auf der Terrasse hinter dem Haus sitzt man sehr nett, direkt am Flussufer. Da können wir später einen Happen essen, was meinst du?«

»Essen klingt fantastisch.« Ashley lächelte. »Außerdem freue ich mich auf ein Pint Cider. Ich muss schließlich prüfen, ob das Zeug seinem Ruf gerecht wird.«

»Aber sicher! Der Cider hier ist … Achtung!!«, rief June.

Ashley quiekte schrill und trat auf die Bremse.

Eine Gans war aus dem Gebüsch auf der rechten Seite auf die Fahrbahn geflattert, watschelte aufgeregt und flügelschlagend vor ihnen über die Straße und verschwand zwischen dichten Hecken in Richtung Uferböschung.

Ashley atmete hörbar aus, dann wandte sie sich mit einem breiten Grinsen an June. »Etwas ländlicher. Schon klar.«

»Ab hier musst du ohnehin langsamer fahren, wir sind gleich da. Dort vorne links ist es. Die Einfahrt hinter der Trauerweide.«

»O mein Gott, ist das hübsch!«, rief Ashley, als die beiden ausstiegen und sie an der efeuberankten Fassade hinaufblickte. »Dafür wirst du im Handumdrehen einen Käufer finden.«

»Oder eine Käuferin.« June lächelte. Als Kind war ihr das verwinkelte rote Ziegelgebäude mit seinen spitzen Dachgiebeln und den schlanken, hohen Schornsteinen wie ein verwunschenes Schloss vorgekommen. Mit erwachsenen Augen betrachtet erschien es ihr wesentlich kleiner, hatte aber nichts von seinem Bilderbuchcharme verloren. Heute mehr denn je spürte sie den besonderen Zauber eines Ortes, an dem die Zeit stehen geblieben war und die Welt heil und unkompliziert zu sein schien.

Ihr Blick fiel auf die blaue Eingangstür mit den schmiedeeisernen Beschlägen, und für einen Augenblick erwartete sie, dass sie aufgehen und Sheila in einem ihrer bunten, folkloristischen Kleider darin erscheinen und sie umarmen würde. Sie schluckte. Heute würde Sheila nicht aus dem Haus gelaufen kommen. Sie würde es nie mehr tun. June presste die Lippen aufeinander und versuchte, den Gedanken für den Moment zu verbannen.

»Die Sachen können wir später holen, lass uns erst einmal hineingehen. Ich mache uns einen Tee.«

Ashley folgte June durch die Tür in den winzigen Vorflur. »Da rechts ist übrigens die Toilette.«

»Gut zu wissen«, meinte Ashley. »Dann verschwinde ich gleich mal. Und dann zeigst du mir alles.«

Nachdem Ashley ins Bad gegangen war, durchquerte June den Flur, betrat die geräumige Wohnküche und ließ das Rollo vor dem Küchenfenster hochschnappen. Dann ging sie auf die andere Seite des Raumes und schob die geblümten Vorhänge beiseite.

Die Nachmittagssonne lugte gleich neugierig durch das Esszimmerfenster herein und tauchte den Raum mit seinen cremefarbenen Landhausmöbeln, dem wuchtigen alten Holztisch und den zwei gemütlichen, bunt bezogenen Sesseln in ein freundliches Licht.

Mit einem schlechten Gewissen bemerkte June die beiden Sansevierien, die seit der Beerdigung im Zwielicht und ohne Wasser neben dem Kamin ausgeharrt hatten. Tante Sheila hatte immer behauptet, dass diese Gewächse quasi unzerstörbar seien und somit die einzigen Zimmerpflanzen, die bei ihr überleben würden.

June wollte diese Theorie allerdings keinem Praxistest unterziehen und ging in die Küche, um die kleine kupferne Gießkanne zu füllen. Sheila hatte gemeint, Pflanzen gehörten nach draußen in die Natur. Von Zimmerpflanzen und Schnittblumen hatte sie nie viel gehalten. Deshalb hatte June ihr bei ihren Besuchen lieber Schokolade oder Bücher mitgebracht.

Bei den Erinnerungen stiegen ihr die Tränen in die Augen, und sie musste kurz die Handballen dagegen pressen, um nicht loszuheulen. Sie war immer gern hier gewesen.

In diesem Moment kam Ashley herein, blieb mitten im Esszimmer stehen und drehte sich nach allen Seiten. »Nein, ist das urig! Und sogar ein Kamin.« Sie strich mit dem Finger über das dunkle Holz des massiven Esstisches. »Der ist ja traumhaft schön.«

»Ja, das ist ein ganz altes Stück, den hat meine Großmutter schon von ihren Eltern geerbt.« Sie seufzte und legte die Handfläche auf das von jahrzehntelangem Gebrauch gezeichnete, polierte Holz. »Eigentlich mag ich mich nicht davon trennen. Vielleicht könnte ich ihn mitnehmen in die neue Wohnung. Überhaupt könnte ich doch einige der Möbel behalten.«

Ashley zog die Augenbrauen hoch und musterte sie neugierig. »Dann plant ihr noch immer, zusammenzuziehen?«

»Ja, natürlich. Das heißt … eigentlich …« Sie wiegte den Kopf hin und her. »Ich weiß nicht. Ich habe so viele Annoncen durchgesehen, und es waren auch wirklich tolle und einigermaßen erschwingliche Wohnungen dabei. Aber bei der Besichtigung hat Mark immer irgendein Haar in der Suppe gefunden. Manchmal habe ich das Gefühl, er bekommt kalte Füße, sobald es konkret wird, verstehst du?«

Ashley räusperte sich und betrachtete den Kaminsims. »Du meinst, er will nicht wirklich und traut sich nur nicht, es zu sagen?«

»Ach, ich weiß nicht. Vielleicht bin ich nur paranoid. Es kommt mir einfach so vor, als sucht er krampfhaft nach einem Fehler. Neulich haben wir uns eine Dreizimmerwohnung in Camden angesehen. Die wäre perfekt gewesen. Es gehörte sogar ein kleiner Garten im Innenhof dazu. Ich verstehe einfach nicht, warum er sie nicht wollte. Vielleicht hast du recht, und er will gar nicht mehr mit mir zusammenziehen.«

Ashleys Miene war nachdenklich, und für einen Moment schien es so, als wollte sie noch etwas sagen, doch sie zuckte nur mit den Schultern und lächelte. »Ich weiß nicht. Möglich.« June beschlich das Gefühl, dass Ashley das Gespräch unangenehm war.

»Na ja, vielleicht … also, möglicherweise habt ihr einfach unterschiedliche Vorstellungen von der perfekten Wohnung«, meinte Ashley schließlich und trat an das hintere Fenster, das über den Garten hinausblickte. »June, der Garten ist ja ein Traum! Und hinter der Mauer liegt das Flussufer?«

June stellte sich neben sie und betrachtete Sheilas wunderbare, romantische Wildnis. Offenbar hatte Professor Leighton, der Nachbar, der nach Sheilas Tod angeboten hatte, ein wenig nach dem Rechten zu sehen, die wuchernde Pracht etwas im Zaum gehalten.

Als Junes Großmutter noch für die Pflege des Gartens verantwortlich gewesen war, hatte es ein ordentlich geschorenes Rasenviereck gegeben und außen herum strategisch geplante Staudenbeete und Blumenrabatten, in denen zu jedem Zeitpunkt des Jahres irgendetwas blühte, vor allem aber Nanas Rosen, auf die sie besonders stolz gewesen war, und der Gemüsegarten, der sie mit allerlei frischem Obst und Gemüse versorgte.

Dann war Granddad krank geworden, und Ruby hatte nicht mehr die Kraft, ihren Mann und den Garten zu pflegen. Daraufhin hatte Tante Sheila das Zepter in die Hand genommen und ihn nach und nach in dieses wildromantische Paradies verwandelt, das weitgehend vom Zufall und den Jahreszeiten regiert und von Sheila lediglich sanft eingehegt wurde.

Auch Unkraut hatte seine Daseinsberechtigung. Der englische Rasen war einer Wildblumenwiese gewichen. Ein Gartenpfad wand sich zwischen Sträuchern, Blumen und Obstbäumen bis zu der mit Blauregen berankten Terrasse am Flussufer. Es gab schwarze, rote und weiße Johannisbeeren, Haferpflaumen und Stachelbeeren.

Brombeerranken und üppige Ramblerrosen krochen über die Ziegelmauer am hinteren Ende des Gartens und erklommen die Grenzmauer, die den Garten vom Nachbargrundstück trennte. An diese Mauer lehnte sich der Gartenschuppen, der mit seiner blauen Tür, dem weißen Sprossenfenster und dem leicht schrägen Schieferdach wie ein Hexenhäuschen wirkte.

Allenthalben summte und duftete es, und es gab immer etwas zu entdecken: originelle steinerne Gartenfiguren, die Sheila irgendwo aufgetrieben hatte. Die Beeteinfassungen waren aus Weinflaschen und alten Dachschindeln improvisiert. Erdbeeren und Salat wuchsen in umfunktionierten Regenrinnen. Überall gab es zusammengewürfelte Töpfe und Kübel vom Flohmarkt, als Pflanzgefäße zweckentfremdete Küchenutensilien, Rankgitter aus alten Fensterrahmen oder Estrichgittern.

Nana Rubys Rosen waren geblieben, doch die ordentlichen viereckigen Gemüsebeete hatten einer Permakultur Platz gemacht, wo Sheila alte Gemüsesorten angebaut hatte.

June seufzte. Es hingen viele wunderbare Erinnerungen an diesem Haus und dem verwunschenen Garten. Sie mochte sich nicht ausmalen, wie jemand Fremdes hier wirken und das wilde Paradies möglicherweise in eine Steinwüste mit Golfrasen verwandeln würde. Es war schwer, sich das Haus ohne Sheila vorzustellen.

»Tja, dann will ich mal den Tee machen«, sagte June, um sich von den Gedanken loszureißen. »Was hältst du davon, wenn wir uns noch etwas auf die Terrasse setzen und die Sonne genießen? Danach holen wir schnell das Gepäck aus dem Auto und gehen anschließend im Pub etwas essen. Heute noch anzufangen, hat wenig Sinn. Morgen früh sind wir ausgeruht und können richtig loslegen.«

In Wahrheit drückte sie sich vor der bevorstehenden Arbeit. Ihr graute bei dem Gedanken, durch Sheilas Sachen zu wühlen und all die Schätze und Erinnerungen zu verkaufen.

»Das klingt nach einem Plan«, meinte Ashley. »Brauchst du Hilfe?«

»Nein, nein. Geh du nur schon einmal raus. Im Schuppen findest du Auflagen für die Gartenstühle. Er müsste offen sein, und wenn nicht, findest du den Schlüssel in der japanischen Steinlaterne neben der Tür.«

Am frühen Abend machten June und Ashley sich auf ins The Trout. Sie hatten einen netten Nachmittag gehabt, über die Arbeit geplaudert und über Kolleginnen und Kollegen aus dem Verlag gelästert.

Es hatte gutgetan, eine Weile nicht an die drohende Haushaltsauflösung und den Rattenschwanz der Probleme zu denken, der daran hing, wie zum Beispiel die Frage, was mit Sheilas Buchladen in Glastonbury geschehen sollte. Inzwischen betrachtete June den unerwarteten Totalzusammenbruch ihres greisen, aber bis dahin zuverlässigen Vauxhall Corsa als glückliche Fügung. So war sie wenigstens nicht allein.

Dass Ashley sich spontan bereit erklärt hatte, sie zu fahren, hatte sie überrascht. Ashley war vor etwas über einem Jahr als Verstärkung des Lektoratsteams eingestellt worden. June mochte sie, aber ein engerer privater Kontakt hatte sich bisher nie ergeben.

»Abendessen und Getränke gehen selbstverständlich auf mich«, sagte June. »Du hast mir so geholfen, Ash. Komisch eigentlich, dass wir in London nie etwas zusammen unternommen haben.«

»Haben wir doch«, widersprach Ashley.

»Ja, zum Mittagessen oder einen Drink nach der Arbeit. Das zählt nicht.« June räusperte sich. Sie sollte den Elefanten im Raum vielleicht direkt ansprechen. »Ist es … na ja, wegen Mark?«

Ashley blieb abrupt stehen und sah June mit großen Augen an. »Was? Wieso wegen Mark?«

»Nun ja«, druckste June. »Weil er mir die Programmleitung übertragen hat. Ich dachte, vielleicht könnte jemand glauben …«

Ashley lächelte schief. »Ach so, das meinst du. Nein. Warum sollte ich damit ein Problem haben?«

June zuckte mit den Schultern und grinste verlegen. »Tja, also, im Allgemeinen führt es zu Problemen mit den anderen Beschäftigten, wenn man mit dem Sohn des Chefs schläft. Ich habe immer Angst, dass jemand glauben könnte, er würde mich bevorzugen, oder ich hätte mich quasi hochgeschlafen. Das ist aber wirklich nicht der Fall.«

»Ach was, das weiß ich doch! Du warst für den Posten die Qualifizierteste. Ich glaube auch nicht, dass es jemand anders sieht. Jedenfalls habe ich im Team keine blöden Bemerkungen gehört. Aber jetzt erzähl doch mal, du sagtest, du hättest eine Weile hier gelebt?«

June hatte das unbestimmte Gefühl, dass Ashley nicht von ungefähr das Gespräch in eine andere Richtung lenkte. Möglicherweise hatte doch jemand etwas fallen lassen, und Ashley wollte darüber nicht sprechen. June entschied, nicht weiter nachzuhaken und einfach die Frage zu beantworten.

»Eigentlich sollte es nur vorübergehend sein«, erklärte sie. »Als ich zwölf war, haben sich meine Eltern scheiden lassen. Das war sehr belastend und hat mich ziemlich aus der Bahn geworfen, falsche Freunde, Ärger in der Schule und so etwas. Deswegen haben meine Eltern mich für eine Weile zu meinen Großeltern und Tante Sheila aufs Land geschickt. Aus ein paar Wochen wurden ein paar Monate, und dann wollte ich nicht schon wieder die Schule wechseln. Jedenfalls bin ich bis zur Oberstufe hiergeblieben.«

»Hast du deine Eltern nicht vermisst?«, fragte Ashley.

»Schon, aber ich hatte ja meine Großeltern und Sheila. Na ja, und ein bisschen war es ja, als wäre meine Mum bei mir. Sie und Sheila sind … waren eineiige Zwillinge.«

»Ach wirklich?« Ashley sah sie erstaunt an. »Das hast du gar nicht erzählt.«

June lachte. »Ja, äußerlich glichen sie sich wie ein Ei dem anderen, aber vom Wesen waren sie grundverschieden.«

»Ehrlich? Man hört doch immer, Zwillinge wären sich auch vom Charakter ähnlich«, meinte Ashley.

»Also, Mum und Sheila jedenfalls nicht.« June grinste. »Mum war strukturiert und ordentlich und konnte ziemlich streng sein. Sheila war chaotisch und unordentlich, manchmal auch etwas unzuverlässig. Sie war angeblich früher das schwarze Schaf der Familie und hatte wohl eine ziemlich wilde Jugend. Meine Großeltern und meine Mum haben nicht gern darüber gesprochen.«

»Klingt spannend.« Ashley lachte. »Bei uns in der Familie sind alle total spießig und langweilig, aber ich schätze, das hat auch was für sich.«

»Apropos spannend. Da wären wir. The Trout, der soziale Dreh- und Angelpunkt von Lower Foxdale.« June machte eine einladende Geste mit dem Arm, und Ashley lachte. »Hier steppt der Papst im Kettenhemd. So etwas wird dir in London nicht geboten.«

Der Pub war gemütlich eingerichtet. Mit den massiven Holztischen, zusammengewürfelten Stühlen und Bänken und den bunten Sitzkissen wirkte er fröhlich und ungezwungen. Alte Filmplakate und diverse Werbeschilder aus Blech zierten die mit einer altmodischen Mustertapete beklebten Wände.

Der dunkle Holzboden verlieh dem Raum etwas Uriges, und überall auf Regalen und Sideboards gab es Nippes und Kitsch zu bewundern, der sich vermutlich über Jahrzehnte angesammelt hatte. Der wuchtige, mit Naturstein ummauerte Kamin blieb jetzt im Sommer natürlich aus. Daneben gab es eine kleine Bühne für Livemusik und Ähnliches.

Eine Kreidetafel über der Bar verkündete die aktuellen Tagesgerichte und Angebote, und in der Ecke verbreitete eine Sitzgruppe aus plüschigen Sofas und Sesseln und einer altmodischen Stehlampe mit Fransen Wohnzimmeratmosphäre.

June und Ashley durchquerten den leeren Schankraum und traten hinaus auf die schmale Terrasse, direkt am Flussufer und zum Teil überdacht.

Da es noch recht früh war, saßen bisher nur wenige Gäste an den Tischen, und sie hatten freie Platzwahl. Sie nahmen einen Tisch in der Sonne, der auf den Fluss hinausblickte.

»Ich weiß schon genau, was ich essen möchte«, verkündete June.

»Ach, wirklich? Klär mich auf. Vielleicht schließe ich mich an.«

»Im Trout gibt es die allerbesten Fish and Chips mit Erbsenpüree«, schwärmte June. »Schellfisch, kein Kabeljau, liebevoll in selbstgemachten Bierteig getaucht und goldgelb ausgebacken. Die Erbsen sind so grün, die leuchten im Dunkeln, nicht diese graue Pampe mit vorpaniertem, tiefgefrorenem Fisch wie beim Chippy an der Ecke. Dazwischen liegen Welten. Dazu noch Wildkräutersalat und Sauce Tartare – selbstverständlich auch hausgemacht. Ich gönne mir ja selten Fast Food, aber hier müssen es einfach Fish and Chips sein.«

»Klingt fantastisch, allerdings mag ich absolut keinen Fisch.« Ashley zuckte mit den Schultern. »Was kannst du noch empfehlen? Ich liebäugle mit dem gebackenen Brie mit Salat und Focaccia.«

»Der ist auch sehr lecker. Gibt es etwas Besseres als warmen, geschmolzenen Käse? Ein Pint Cider dazu?«

»Aber natürlich, was denn sonst?« Ashley grinste.

June ging zur Bar, um zu bestellen, und kehrte kurz darauf mit zwei Pintgläsern zurück, die sie auf dem Tisch abstellte.

Ashley nahm ihr Glas und nippte. »Hm. Der ist aber wirklich gut. Sehr erfrischend und nicht zu süß. Perfekt!«

»Der kommt von einer lokalen Cidermanufaktur direkt in Lower Foxdale. Anscheinend war der Besitzer mit Sheila befreundet. Er war bei der Beerdigung. Da ist mir erst einmal aufgegangen, wie wenig ich eigentlich über Sheilas Privatleben wusste. Ein blödes Gefühl.«

»Das ist doch ganz normal. Eltern, Großeltern und Tanten sind eben einfach da, und man macht sich keine Gedanken«, meinte Ashley und trank einen großen Schluck Cider. »Deine Tante kann noch gar nicht so alt gewesen sein, oder?«

»Siebenundfünfzig, noch überhaupt kein Alter.« June seufzte. »Aber lass uns über etwas Erfreulicheres sprechen.«

Ashley räusperte sich. June fand, dass sie eigenartig nervös wirkte. »Ja, äh, ich wollte tatsächlich noch etwas mit dir besprechen. Aber das ist eine lange Geschichte und etwas, äh, kompliziert. Vielleicht warten wir damit besser bis nach dem Essen.«

»Jetzt machst du mich aber neugierig.« June legte den Kopf schief.

Ashley lächelte kurz und griff zu ihrem Cider. »Der ist wirklich gut. Ich glaube, ich bestelle mir zum Essen noch einen. Für dich auch?«

»Ja, einen trinke ich auch noch. Aber mehr nicht, das wird morgen ein langer Tag und viel Arbeit. Ich denke, ich werde noch ein paarmal herkommen müssen, bis alles so weit ist, dass ich das Haus verkaufen kann.«

In diesem Augenblick ertönte die Glocke auf dem Tresen, und ihre Bestellung wurde aufgerufen.

»Ich geh schon, dann bestell ich auch gleich die neue Runde«, bot sich Ashley an.

Der Cider war June bereits zu Kopf gestiegen, und sie war froh, etwas Warmes in den Magen zu bekommen. Das Essen war himmlisch. Genau, wie sie es von ihrem letzten Besuch in Erinnerung hatte. Sie war neugierig, was Ashley auf dem Herzen hatte, doch sie wollte nicht drängen und lieber warten, bis sie das Gespräch selbst auf das Thema lenkte.

»Weißt du, ich bin froh, dass du mitgekommen bist, Ash«, sagte sie, als sie das Essen beendet hatten. »Ich weiß nicht, ob ich das allein packen würde mit Tante Sheilas Sachen und all dem. Moralische Unterstützung kann ich gut gebrauchen. Wir sind ein ziemlich gutes Team, oder?«

Ashley wandte den Blick ab und schob den Salzstreuer auf dem Tisch herum.

June fragte sich, was dieser eigenartige Stimmungswandel zu bedeuten hatte. »Ist irgendetwas?«

Ashley schüttelte den Kopf. »Nein, nein. Nichts.« Sie lächelte, und doch es war nicht zu leugnen, dass die unbeschwerte Stimmung vom Nachmittag sich plötzlich verflüchtigt hatte wie Wasser in einer Wanne, nachdem jemand den Stöpsel gezogen hatte.

June wagte einen Vorstoß: »Du … wolltest über irgendetwas sprechen.«

Ashleys Kinn bebte, und plötzlich schluchzte sie auf.

»Ach du Schreck!«, entfuhr es June. »Ash. Was ist denn los? Habe ich irgendwas gesagt, das …«

»Nein! Überha-haupt nicht«, wimmerte sie. »Du hast überhaupt nichts gemacht. Du bist so unglaublich nett.«

June wusste nicht so recht, was sie sagen oder tun sollte. Gehörte Ashley etwa zu diesen Leuten, die von Alkohol sofort sentimental wurden?

»Äh … ja, ich schätze, ich bin ganz nett, aber das ist doch kein Grund zu weinen, Ash.«

»Dooooch. Doch, das ist es. Ich bin so ein mieses Aas! June, du hast ja keine Vorstellung.«

Ein mulmiges Gefühl kroch aus ihrem Magen in die Kehle. »Wieso, wie meinst du das, Ashley?«

»Ich … ich weiß gar nicht, wie ich dir das sagen soll. Du wirst mich hassen. Zu Recht. Ich wollte es dir die ganze Zeit schon sagen, aber ich wusste einfach nicht, wie. Ich meine, das ist so mies, so etwas macht man nicht, man …«

»Ashley! Komm zum Punkt!«, rief June.

»Mark und ich sind seit zwei Monaten ein Paar«, platzte Ashley heraus. »So, jetzt weißt du es endlich. Ich habe mich so mies gefühlt deswegen, June, das musst du mir glauben.«