mordesNAH - Lana Leros - E-Book

mordesNAH E-Book

Lana Leros

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Beschreibung

Werde ich hier jemals wieder lebend rauskommen?,... fragt sich Sonja, die in einem Raum eingeschlossen ist, in dem unaufhörlich kaltes Wasser steigt. Wie war sie nur in diese Situation gekommen? In ihrem Umgang mit den sozialen Netzwerken gerät sie zunehmend in einen gefährlichen Strudel aus Liebe, Vertrauen und Mord.

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Seitenzahl: 269

Veröffentlichungsjahr: 2021

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Serie „NAH“:

Buch 1: „sterbensNAH“

Buch 2: „mordesNAH“

Dieses Buch widme ich meinen beiden Söhnen, meinem Mann, meiner Mutter, meiner Schwägerin G. und meiner Lektorin M., meiner besten Freundin H., meinem Freund G., sowie auch den Lesern und Leserinnen meines ersten Buches, die mir Zeit, Raum und Motivation geben zu schreiben.

Auch in diesem Roman gibt es einen Teil, der aus dem Leben gegriffen ist und ein Teil ist ausgedacht, dennoch sind Ähnlichkeiten mit lebendenden oder verstorbenen Personen oder Begebenheiten rein zufällig und von mir nicht beabsichtigt.

„Wege entstehen dadurch, dass man sie geht.“

Franz Kafka

Inhaltsverzeichnis

Prolog

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Nachwort der Autorin

Prolog

Dieses Plätschern in meinen Ohren betoniert sich für alle Ewigkeit in mein Hirn. Das Wasser um mich herum steigt unaufhörlich, und ich werde ertrinken, auch wenn ich es nicht wahrhaben will.

Warum das so ist, kann ich nicht sagen, denn der Raum, in dem ich stecke, bietet mir keine Möglichkeit zu entkommen. Vielleicht hätte ich eine geringe Chance, wenn ich ein Werkzeug oder etwas Ähnliches bei mir hätte.

Ja, mein Mann Manuel hatte immer etwas dabei. Damals hatte ich geschimpft, weil er so viel Geld für ein Leatherman Multitool ausgegeben hatte. Ein Werkzeug, an dem Schere, Feile, Messer und vieles andere dran war. Wenn er daran seine kleine Gabel ausklappte, um die Pommes Frites zu essen, dann hatte ich ihn immer belächelt. Doch was würde ich jetzt darum geben, wenn ich es jetzt hätte und mich damit aus diesem Loch hier befreien könnte.

Ach Manuel, wie vermisse ich dich. Wie konnte ich nur auf die Idee kommen, andere Menschen kennenlernen zu wollen? Und dann noch übers Internet! Warum hielt ich mich nicht einfach an alten Freundschaften und an meinem Mann fest? Er war beruflich viel unterwegs und hatte auch die ein oder andere Arbeit mit nach Hause genommen. Das hatte mich oft gestört, doch hatten wir so viel zusammen erlebt. Unsere Wochenendbeziehung während meines Studiums, unsere kleine Wohnung in einem Mehrfamilienhaus, in der wir alles um uns herum mitbekamen, weil es so hellhörig war, all das waren schöne Zeiten. Auch die Streitigkeiten, wenn es um die Farbe des neu zu kaufenden Sofas ging. Ich wollte gern das Liegesofa in tiefseeblau und er das puristische Sofa in grau. Er hatte gewonnen. Die Geburten unserer Kinder und die Sorgen, ob wir je das Haus, in das wir umgezogen waren, irgendwann mal abbezahlt haben würden, hatten wir zusammen gemeistert. Die großen Sorgen der kleinen Kinder, wenn z.B. der eine dem anderen das Essen vom Teller geklaut hatte, hatten uns oft zum Lachen gebracht. Ach ja, schön ist es, daran zu denken, doch ob ich sie je wiedersehen werde? Sogar ein Streit wäre jetzt toll. Hauptsache ich wäre hier nicht allein. Jetzt waren sie ja schon groß und kümmerten sich um ihre Freundinnen, Schule, Studium und Führerschein. Die Zeit war viel zu schnell vergangen. Ich war immer gern Mutter, auch wenn es das Anstrengendste in meinem Leben bisher war. So war es auch das Schönste. Das tägliche Butterbrote schmieren, damit sie etwas in ihren Schulpausen essen konnten, hatte mir immer das Gefühl gegeben, gebraucht zu werden. Jetzt bedienten sie sich eigenständig an dem Kühlschrank, wenn ihnen danach war. Ja, wir hatten es geschafft sie selbstständig werden zu lassen. Und doch waren Manuel und ich dabei auf der Strecke geblieben. Wir hatten verlernt, uns Zeit füreinander zu nehmen.

Das hatte ich aus der Freundschaft mit Anna gelernt. Mit ihr hatte ich alles nachholen wollen. Zu Anna hatte ich von Anfang an eine enge Bindung. So stark, dass ich den Eindruck hatte, wir hätten uns sterbensnah ineinander verliebt. Doch diese Nähe war auch gefährlich für mich. Als der Verdacht in mir wie der Sprössling einer Schlingpflanze zu keimen anfing, dass sie einen Mord begangen haben könnte, zerbrach unsere intensive Freundschaft. So war es nicht ihre bisexuelle Neigung, die sie zu einer Nachbarin gehabt hatte, obwohl sie, zurzeit immer noch, verheiratet ist. Nein, es war irgendetwas anderes gewesen, dass sie vor mir verheimlicht hatte. Am Ende hatte sich herausgestellt, dass alles anders kam, als ich es befürchtet hatte. Doch trotz mehrfacher Versuche, die Freundschaft zu retten, war das nicht möglich gewesen. Die Briefe und Anrufe waren für uns beide quälend und mit unausgesprochenen Vorwürfen belastet. Was soll´s, ich hatte mit Manuel viel darüber gesprochen und was uns in unserer Ehe gefehlt hatte, hatten wir versucht wieder neu zu erschaffen.

Das Wasser steigt immer höher. Ich fühle, wie die Kälte von unten nach oben in meinen Körper steigt. Das Gefühl für Zeit ist mit der anhaltenden Dunkelheit um mich herum verloren gegangen. Die Hoffnung, dass mich jemand durch die an der Decke installierte Kamera sieht und mir zur Hilfe kommt, habe ich aufgegeben. Entweder es schaut keiner zu, oder die Aufnahmen wurden alle paar Stunden, wie bei unseren Kameras an unserem Haus, gelöscht? Dann würde mein Ertrinken in diesem Raum nicht digital hinterlegt werden. Oder vielleicht würden Wochen später, wenn ich als Leiche aufgedunsen kaum noch zu identifizieren wäre, die Bilder doch ausgewertet werden? Möglicherweise ist es einfach ein Irrer, der mir beim Sterben zusehen will?

Die Schmerzen im Fuß und in meinem aufgerissenen Oberschenkel haben auch etwas Tröstliches. Denn sie erinnern mich daran, dass ich noch lebe. Doch wie lange noch?

Der kleine rot blinkende Lichtpunkt der Cam an der Decke des Raumes macht mich wahnsinnig, ich versuche, da nicht mehr hinzuschauen. Die Vorstellung, dass ein Verrückter an einem anderen Ende dieser Kamera sitzen könnte, und meinem Leiden zusieht, will ich verbannen.

Warum hatte ich ihn nur kennenlernen wollen? Oder war es eher umgekehrt gewesen? Es waren schöne Momente gewesen. So wie mit anderen auch. Warum täuschte ich mich nur so oft in den Menschen? „Hör auf dein Bauchgefühl“ war sogar einmal der Titel einer Fortbildung gewesen. Ja, das hatte ich getan und was war dabei herausgekommen?

Durch den möglicherweise einzigen Fluchtweg, den der Lichtschacht darstellte, kann ich nicht entkommen. Das Wasser läuft ungehindert weiter durch das Ende eines Gartenschlauches in diesen nicht zu öffnenden Schacht des Kellerraumes. Ich bekomme einen Lachanfall, denn der Gedanke, dass es eher ein Wasser- als ein Lichtschacht ist, lässt mich über diese Wortschöpfung lachen. Werde ich unter diesen Umständen hier langsam verrückt, um das Sterben besser ertragen zu können?

Hätte ich es wissen müssen? Es hatte keinen Hinweis darauf gegeben, dass er ein Mörder hätte sein können. Vielleicht war er es ja auch gar nicht, sondern jemand anderes? Wie sieht ein Mörder aus? Allein das Aussehen lässt doch keinen Rückschluss darauf zu, dass ein Mensch ein Mörder ist? Auch sein Beruf oder seine Ausdrucksweise waren nicht typisch für einen Mörder. Doch er hat sicher bald nicht nur mich auf dem Gewissen. Das Wasser steigt mir inzwischen bis zur Brust. Der dünne Türspalt lässt kein Licht und vermutlich kaum noch Wasser durch. Vielleicht liegt von der anderen Seite jetzt etwas davor?

Wie lange würde es dauern? Sollte ich jetzt einfach untertauchen und mir den Rest geben? Wäre es ein Atemzug unter Wasser oder müsste ich mehrmals das Wasser in meine Lungen saugen? Würde es schmerzen oder könnte es eher die Panik sein, die mich umbringt? Vielleicht findet mich hier doch noch jemand rechtzeitig? Jedenfalls kann es sich nur noch um eine kurze Zeitspanne handeln, bis das Wasser über mir zusammenlaufen wird.

1. Kapitel

„Irgendwann treibst du es so weit, dass es böse für uns endet,“ hatte sie einmal zu mir gesagt.

„Wann war das?“, fragte ich

„Ja… mal überlegen, ungefähr vor einem Jahr. Meine Ex hatte, während sie das gesagt hatte, das Abendessen für uns gekocht. Es gab Steaks und Salat, mein Lieblingsessen.“

„Und warum? Ich meine, warum hat sie das gesagt?“

„Ich habe wie immer in mein Handy geguckt.“

„Warum?,…“ bohre ich weiter.

„Sonja,… du willst auch alles wissen… ja, wie immer halt, hab´ so geschaut, welche Nachrichten für mich da sind und ne´n bisschen, was so andere geschrieben haben. Gedanken halt, die man so hat. Getwittert eben, weißt doch, wie das so ist.“

„Ja… weiß ich, guten Morgen und guten Abend oder will Einer Sex mit mir? Auch wenn das Wort oft umschrieben wird und doch hinter allem steht, oder? Aber wie meinte sie das denn? Es könnte böse für euch enden?“

„Na ja, weiß ich jetzt auch nicht, hab´ mir damals nichts dabei gedacht. Und heute, siehst´e ja, mein Scheidungstermin ist schon nächste Woche.“

„Meinte sie die Scheidung damit oder etwas anderes?

„Och, keine Ahnung, was sie damals damit gemeint hat! Mensch Sonja… woher soll ich das wissen? Hab´ ja gar nicht richtig zugehört, wegen dieser ganzen Tipperei auf meinem Handy. Ist mir nur so eingefallen. Vielleicht hatte sie schon an eine Trennung dabei gedacht. Mensch du fragst aber auch immer!“

„Weißt du doch! Bin eben so! Ich bin nicht neugierig, sondern will nur alles wissen. Dennoch, deine Ehe war doch schon vorher zu Ende.“

„Wie meinst du das?“

„Na ja,… wenn es zwischen euch gestimmt hätte, dann hättest du dich nicht in eine andere Welt getwittert, um mit anderen Frauen zu flirten und dann auch noch fremd zu gehen!“

„Das kann sein, Sonja. Aber das war mir ja gar nicht bewusst.“

Sonja musste lachen und strich Daniel über seine Haare.

„Ich finde es schön, dass du auf einen Kaffee vorbeigekommen bist. Darüber freu´ ich mich sehr.

Ich bin ja erst seit ein paar Wochen in den Netzwerken unterwegs, ein Küken also. Seit der Frankfurter Buchmesse, als mir ein Autor sagte, dass ich den Verkauf meines Buches „sterbensNAH“ durchs Netzwerken vorantreiben müsse, bin ich bei Twitter oder Insta unterwegs. Ich schreibe da unter Pseudonym, denn so ganz geheuer ist mir das nicht. Schließlich ist da ja jeder drin. Aber man muss sich zeigen und etwas über sich verraten, wenn man seine Bücher anpreisen möchte. Vorher kannte ich nur das Whatsappen mit Bekannten, Freunden oder der Familie.“

Sie spürte, wie ihre Wangen leicht erröteten, und drehte sich deswegen ein wenig von ihm ab.

„Ja… ist schön, dich mal näher kennen zu lernen.“

„Machst du das denn öfter, Daniel?“

„Was?“

„Ja, wenn du so Frauen im Netz schreibst, wie mir, dass du sie dann auch im realen Leben triffst?“

„Ja nee, eigentlich nicht, ist ja nicht mit allen so wie mit dir. Ein paar Frauen habe ich schon getroffen, um so dem Ganzen eine gewisse Realität zu verleihen. Ich habe mich schon immer mit Frauen am besten verstanden. Aber ja nee,… ich hatte mir dich auch anders vorgestellt.“

„Ja, wie jetzt, dazu gehören ja vielleicht zwei, ich habe mir dich auch anders vorgestellt und mehr muss ja auch nicht daraus werden.“

„Ja, äh… das mein´ ich nicht, also na ja… ich mein´ halt, so… Aber gut, wie du meinst, ich glaub´ du hast mich falsch verstanden. Du siehst auf jeden Fall besser als auf den Fotos aus, die du eingestellt hast.“

„Nein, ich hab´ dich schon richtig verstanden, und ist ja auch kein Problem, ich bin ja verheiratet und du auch noch, wenn ich daran erinnern darf. Du hast sicher keine Lust dazu, dich in ein neues Abenteuer zu stürzen.“

„Äh ja, das stimmt, aber ich glaub´, du schätzt mich falsch ein, Sonja. Na ja, anderes Thema, wie schmeckt dein Kaffee?“

„Ja… danke gut, es ist eine Rösterei hier mit drin, da muss der Kaffee ja gut schmecken. Die Dinge müssen für mich so schmecken wie sie aussehen. So muss ein Kaffee für mich nach seinem guten Aroma und nicht nach verbrannten Kaffeebohnen aussehen und schmecken. Ich war mit meinem Mann früher schon öfter hier. Er heißt Manuel, wir sind fast 25 Jahre verheiratet.“

Bilder von den gemeinsamen Kaffeestunden in dem Café kamen in ihr hoch. Endlich mal zwei Stunden allein, nur Manuel und sie. Es war immer wie ein kleiner Miniurlaub. Am besten schmeckte der Kaffee morgens, wenn sie auf dem Segelboot im Urlaub saßen, dem Sonnenaufgang zusahen und die Kinder noch schliefen. Ansonsten hechteten sie beide nach dem Aufstehen zu ihren Jobs. Er zur Polizei und sie früher in die Schule und jetzt in die Agentur. Auch an den Wochenenden brummten ihre Handys, um an die Termine zu erinnern. Es blieb immer der Blick auf die Uhr: Wann bringt wer die Kinder zum Sport, zu Verabredungen oder zur Musikschule? Die Tage waren immer durchgetaktet. Die Zeit war viel zu kurz.

„Was ist los?“

„Ach nichts, wenn du deinen Kaffee gleich ausgetrunken hast, dann können wir ja noch ein wenig hier rumlaufen und uns die Geschäfte in der Fußgängerzone angucken?“

„Ja gern, ich verschwinde nur mal eben zur Toilette, dann können wir los.“

„Wenn ich gezahlt habe, warte ich dann draußen auf dich, ist das okay?“ Gespannt auf seine Reaktion, schaute sie ihn an, aber es schien für ihn normal zu sein, dass sie zahlte.

Er nickte ihr zu und griff schon mal seine Lederjacke. Sie beobachtete ihn und überlegte, warum er es als selbstverständlich ansah, dass sie bezahlt hatte. Aber gut, sie hatte ja auch auf seine Frage geschrieben, dass sie sich mit ihm treffen wolle und dieses Café vorgeschlagen. Das war ja irgendwie als Einladung zu verstehen. Es war weit genug von ihrem zu Hause entfernt gewesen. Für das erste Treffen wollte sie sicher gehen, dass er ihrem Wohnort und ihrer Familie vorerst fernbleibt. Sie hatte schon viel gelesen. Selbst wenn man sich gegenseitig nett schrieb, hieß das noch lange nicht, dass diese Menschen hinter den Accounts auch wirklich so sind, wie sie sich in den Netzwerken geben. Da konnte sich jeder hinter irgendwelchen Accounts verstecken. Das Spektrum reicht vom Gefängnisinsassen, der eigentlich kein Handy haben darf, bis hin zum amerikanischen Präsidenten. Auch Schauspieler sind darin vertreten. Jonny Depp folgt Sonja auf 13 verschiedenen Accounts, so dass davon auszugehen ist, dass das auf jeden Fall Fake-Accounts sind.

Sie dachte vor der Tür des Cafés darüber nach und ging dabei auf und ab. Es nieselte leicht. Wie kam sie nur auf die Idee das Treffen noch weiter durch einen Spaziergang durch diese Fußgängerzone in die Länge zu ziehen? Wahrscheinlich war Manuel schon wieder auf dem Heimweg oder wartete sogar zu Hause auf sie, und sie hatte sich hier mit einem fremden Mann verabredet. Ein Mann, der vor einer Scheidung stand, weil er sich aus der Welt getwittert hatte und offenbar fremd gegangen war.

Manuel und ich hatten manchmal über eine Trennung gesprochen, aber einen Scheidungstermin hatten wir nie. Im Moment war es eher wie in einer gut funktionierenden Wohngemeinschaft zwischen uns. Heute fühle ich das Leben in mir stärker als sonst. Denn so aufgeregt wie heute vor dem Treffen mit Daniel, war ich lange nicht mehr gewesen.

Dann kam er endlich durch die Tür und zog sich dabei die Lederjacke über seine breiten Schultern. Er spannte einen schwarzen Schirm auf, reichte ihr seinen rechten Arm und nickte ihr zu. Sie merkte, wie sie ihn anlächelte und schaute ihrer Hand dabei zu, wie sie sich auf seinen Arm langsam wie eine Schlange wand.

„Okay mit hohen Absätzen würde es mit uns beiden vielleicht noch besser gehen, was meinst du Daniel?“

„Nächstes Mal, ich bin halt mit 1,95 sehr groß. Die meisten Frauen sind für mich zu klein.“

Die Wörter „nächstes Mal“ ließen sie lächeln. Doch dann funkten die Begriffe „zu klein“ in ihr auf. Nein, das ist bestimmt nicht negativ gemeint, und sie versuchte, diesen Gedanken, aus ihrem Kopf zu verbannen. Sie schaute auf ihre Füße. Manchmal fand sie sogar sehr schöne Schuhe in ihrer Größe in der Kinderschuhabteilung. Für die restliche Kleidung hatte das bisher leider nicht funktioniert, denn die beiden Jungs, die sie zur Welt gebracht hatte, hatten sie körperlich viel gekostet. Ihre Konfektionsgröße war nicht mehr 34, sondern 38 und ihre Füße waren von Größe 36 auf 37 angewachsen. Klar sind hohe Schuhe schön und verwandeln den Gang einer Frau in eine wiegende Bewegung, doch sind Highheels für ältere Frauen heutzutage gar nicht mehr so modern.

Dennoch führt der Anblick von hohen Schuhen bei Männern oft im Kopf zu einem Klick, und ihre Hirnleistung rutscht in die Körpermitte. Vielleicht gehörte Daniel ja nicht zu dieser Sorte? Wir gingen die Fußgängerzone rauf. Keiner von uns beiden sagte etwas.

Sie schauten sich die Geschäfte und Menschen an. Manchmal blieben sie stehen und versuchten durch die verdreckten Schaufensterscheiben zu sehen, ob sich darin noch ein Ladengeschäft verbarg oder nicht. Eine Bäckerei reihte sich an die andere. Viele Geschäfte wirkten dunkelgrau oder hatten weiß gekalkte Fensterscheiben, die sie wie trostlose Augen anschauten. Die 1. Corona Krise hatte zu zusätzlichen Geschäftsschließungen geführt. In vielen Ruhrgebietsstädten sah es so ähnlich aus. Irgendwo ein großes Center am Ende einer Fußgängerzone, bestenfalls mit einem Supermarkt und teurem Parkhaus darin und endlos vielen Schnäppchenläden und Bäckereien.

Diese Fußgängerzone mochte im Frühling vielleicht anders wirken, aber jetzt im Februar trugen die wenigen Bäume kein Grün. Die Pflasterplatten waren rissig und ein wenig Grün kämpfte sich durch die Ritzen im Beton. Die Menschen gingen alle ihrer Wege, als hätten sie jeweils ein Ziel, nur wir beide nicht.

Sie überlegte, was sie wohl dazu getrieben haben könnte, diesen Vorschlag zu machen und mit Daniel, einem, ihr eigentlich fremden Mann, durch diese unansehnliche Fußgängerzone zu laufen. War sie ihm zu langweilig? Wenn ja, dann würde er sich jetzt vielleicht gar nicht mehr mit ihr treffen wollen?

2. Kapitel

„Warum triffst du dich denn mit so einem Typen?“

„Was meinst du damit? Ich twittere, instagramme und facebooke seit der Buchmesse letztes Jahr, um mein Buch zu vermarkten. Das weißt du doch Manuel, du warst mit dabei, als wir den Autor getroffen haben, der mir dazu geraten hatte. Da ist doch klar, dass man auch mal die Menschen kennenlernen möchte, mit denen man sich fast täglich schreibt. Deswegen habe ich mich mit ihm getroffen. Du musst nicht eifersüchtig sein. Wir wollen uns nicht trennen, oder? Aber du musst mir doch die Freiheit geben, mich mit anderen Menschen treffen zu dürfen.“

„Ja und was will der?“

„Das Gleiche wie ich! Er will auch gucken, was das für Menschen hinter den Accounts sind, mit denen man fast täglich schreibt.“

„Aha, wahrscheinlich… sind das nicht alles eher kostenlose Dating Plattformen?“

„Du musst mir schon vertrauen. Ich gehe dir nicht fremd. Das war auch mit Anna nicht so, das weißt du. Ich könnte ja oft, wenn du nicht da bist oder ich auf Fortbildungen bin und du auch! Ich hab’s bis jetzt noch nicht getan, und du?“

„Weißt du doch! Ich verstehe trotzdem nicht, warum du dich mit so einem aus dem Netz triffst. Du kennst doch so viele andere Leute.“

„Ja… kenne ich, und wo sind sie? Die Freunde? Warum melden sie sich nicht, wenn es mir schlecht geht, oder erkundigen sich nach mir, und fragen mal, wie es mir geht? Zu vielen Menschen in meinem Leben habe ich gar keine freundschaftlichen Verbindungen mehr. Sie sind eigentlich nur noch schöne Erinnerungen an eine Freundschaft geworden, die vielleicht mal zwischen uns bestand. Im Internet kann ich meinen Worten und Gefühlen freien Lauf lassen. Da gibt es Menschen, die mir sofort ihre Hilfe anbieten, obwohl sie mich noch nie gesehen haben. Sie fragen, wie es mir geht. Auch wenn sie mich nicht kennen, lesen sie meinen Text und verstehen mich. Ich bekomme Ratschläge für kniffelige Lebenssituationen von ihnen. So begrüßen mich diese fremden Menschen jeden Morgen und geben mir das Gefühl, nicht allein zu sein. Warum das meine Freunde nicht tun, weiß ich nicht. Und wer weiß das, vielleicht treffe ich sie ja auch mal alle persönlich bei einem großen Treffen? So wie ich Daniel jetzt bei einer kleinen Verabredung kennengelernt habe. Ich möchte darauf nicht mehr verzichten.“

„Okay, wenn du meinst. Meine Freunde begrüßen mich auch nicht jeden Tag. Das wäre mir viel zu anstrengend. Und jeden Tag, dieses „schönen Tag“ wünschen, ist so etwas von überflüssig. Sonja, du musst es wissen. Wenn du das brauchst, dann musst du das wohl machen. Ich vertraue dir ja, aber bitte pass gut auf dich auf. Manchmal gibt es Menschen im Netz, die dir einfach Böses wollen.“

„Ja das kann sein, auch wenn ich mir nicht vorstellen kann, was das sein könnte. Ich hoffe, dass du Daniel mal kennen lernst. Dann bist du sicherlich nicht mehr so eifersüchtig. Ich liebe dich immer noch, trotz allem, was geschehen ist. Was sollte ich in meinem Leben ohne dich machen? Wen sollte ich anrufen und fragen, welche Bahn ich nehmen soll, oder wo ich bin, wenn ich mich verfahren habe? Du bist doch mein bester, einziger Freund und Ehemann. Du bist alles in einem.“

Ein Lächeln huschte durch sein Gesicht. Sie gingen weiter im Wald nebeneinander. Jeder schien den Worten des anderen in Gedanken hinterher zu hinken und Satzfetzen wiederholten sich dabei in ihrem Kopf. Die Sonne strahlte durch die Äste und ein kleiner Ansatz vom Grün der Blätter vermischte sich mit den Farben des Mooses der Baumstämme. Es war eine gute Idee von Manuel gewesen, zum Reden einfach in den Wald zu gehen.

Sie spürte seine Hand an ihrer. Er umfasste sie mit seiner und schaute sie an. In seinen Augen spiegelte sich die Liebe der letzten Jahre wie ein flackerndes Kerzenlicht wider.

„Wie habt ihr euch denn im Netz gefunden, du und dieser Daniel? Erzähl doch mal?“

„Na ja, du weißt doch, dass ich gern dichte, und das Spiel mit den Worten mag. Manchmal schreibe ich auch den ein oder anderen erotischen Text und stelle ihn ins Netz. Manche Leser dieser kleinen Texte rasten dann voll aus und onanieren oder wollen sich mit mir treffen. Das will ich aber nicht. Also ich meine, dass ich mich mit diesen Lesern nicht treffen möchte. Trotzdem bin ich auch stolz darauf, wenn meine Worte etwas in einem anderen Menschen bewirken. Ich bin jedes Mal erstaunt darüber, wie Wörter Menschen triggern können. Ich habe in diesem Fall zum Beispiel nur einen Kuss in drei Sätzen beschrieben. Du musst wissen, dass man bei Twitter nicht viel Raum für die Anzahl der Buchstaben hat. Früher waren es 140 Zeichen mittlerweile sind es ja schon 280, die man zur Verfügung hat. Doch trotzdem hat es dafür ausgereicht, dass Daniel kurz darauf reagiert hat. Direkt, aber sympathisch, weißt du, gar nicht aufdringlich wie manch´ andere. Da ist es zu einem kleinen schriftlichen Flirt zwischen uns gekommen. Aber weißt du eher spaßig, nicht wirklich ernsthaft. Dann verlor das Geschriebene bald diese Oberflächlichkeit und der Dialog wurde weniger erotisch und sachlicher.

Ich fragte ihn nach seiner Familie, und da habe ich erfahren, dass er sich gerade von seiner Frau trennt. Der Scheidungstermin ist in ein paar Tagen. Ich habe das alles gelesen, was er mir geschrieben hat. Es war ein langes Geständnis. Er tut mir leid, weil er die Trennung von seiner Frau nicht will, doch sie besteht darauf. Es ist ihm gar nicht bewusst gewesen, dass er nicht so glücklich in seiner Ehe war. Er hat aber nie mit seiner Frau darüber gesprochen. Alles war immer wichtiger z.B. die Verabredungen mit Nachbarn, Tennismatches, Kinder oder die Hausaufgaben der Kinder. Irgendwann fing er an zu twittern. Erst manchmal, wenn ihn keiner sah. Ein Kumpel hatte ihm erzählt, dass man dort nette Frauen kennenlernen kann und auch geile Bilder sieht, wenn man den Jugendschutzfilter rausnimmt. Er hatte bald eine andere Frau im Netz kennen gelernt und mit ihr erst ab und zu und dann täglich und schließlich ständig geschrieben.

Hinzu kam, dass er prüde erzogen worden war und die Bilder, die er in den Netzwerken sah, ihn innerlich von sexuellen Zwängen befreit hatten. Dabei hat er sich irgendwie aus der Ehe getwittert. Eine Zeit hat er in einer Scheinwelt gelebt, die ihn auch begleitet hat, als er sich mit dieser fremden Frau getroffen hatte. Doch jetzt hat er festgestellt, dass er seine Frau eigentlich immer noch liebt. Das Verhältnis hatte er beendet. Sie hätten die Ehe retten können, wenn sie miteinander geredet hätten. Er ist sich sicher, dass sie jetzt noch verheiratet wären und alles sogar hätte schöner sein können als zuvor. Aber es ist zu spät. Sie kann ihm nicht verzeihen und das Vertrauen ist zerstört, … traurig, oder?“

„So wie jetzt mit dir?“

„Wie jetzt? Verstehe ich nicht! Noch einmal, … ich habe nur von ihm erzählt. Was meinst du jetzt? Ja, ich habe mit ihm geschrieben, „Guten Morgen“ und „guten Abend“ „Wie geht es dir?“. Wir haben auch keinen digitalen Sex, wie andere da in den Netzwerken. Er braucht jemanden, der ihm zuhört. Die Freundschaften, die er gemeinsam mit seiner Frau hatte, sind zerbrochen. Das wäre doch bei uns auch so, wenn wir uns getrennt hätten. Wir leben zwar im 21. Jahrhundert und jede 2. Ehe wird mittlerweile geschieden, aber einen Ehebrecher toleriert man immer noch nicht. Ja, vielleicht unterstellst du mir, dass er in mich verliebt ist. Das kann sein, dass er mich etwas mehr als andere Menschen mag. Ja, und möglicherweise liegt es auch daran, dass ich eine Frau bin und er einfach Frauen mag. Dennoch ist das normal, wenn da plötzlich jemand ist, der dir hilft. Ja, und du hast eventuell recht mit deinem Blick, vielleicht ist er deswegen wirklich in mich ein bisschen verliebt. Ich muss gestehen, dass mir das gefällt. Außerdem sehe ich ja auch nicht schlecht aus, oder?“

„Aha… mir bleibt ja nichts anderes übrig als dir zu vertrauen, oder?“

Nachlassen konnte Sonja jetzt nicht. So erzählte sie ihm, was sie alles im Netz fand und von ihren gegensätzlichen Erfahrungen, die sie jeden Tag machte. Sie halten sie gedanklich fit. Dabei freute sie sich darüber, dass Manuel sich nach 4 Monaten endlich dafür interessiert hat, was sie mit ihrem Handy jeden Tag meistens dann macht, wenn er neben ihr Dokumentar- oder Actionfilme guckt. Als sie ihm von den 30 täglichen guten Morgen- und Abendgrüßen, den Non-Mentions, den Gifs, Memes, den Lebensweisheiten, die viele da einstellen, erzählte, lächelte er.

Sie hörte nicht auf und berichtete ihm von der guten Laune, die sie mit ihren Texten und selbsterstellten Fotos verbreitete, und wie dankbar ihr die Menschen darauf antworteten. Klar hätte sie mehr Follower mit Fotos von Katzenbabys, Seelenstriptease oder witzigen Memes bekommen können, aber die inspirierten sie nicht. Auch wenn sie unter einem Pseudonym schrieb, tat ihr die Anerkennung für das, was sie da einstellte, gut. Auch der Austausch über Gedichtformen oder die Natur gefiel ihr sehr.

Sie erklärte ihm, dass sie dort so sein könnte, wie sie wirklich sei. Sie fühlte sich bereichert durch die Kommentare und Posts anderer und ihre Welt schien dadurch größer geworden zu sein.

„Weißt du, da sind Menschen auf anderen Kontinenten, die ich nie persönlich treffen werde. Auch diese Länder werde ich niemals bereisen können. Selbst, wenn ich es wollte, so könnte ich es nie schaffen. Wenn ich manche Beiträge nicht lesen und verstehen kann, weil sie in einer mir unverständlichen Sprache geschrieben sind, dann kann ich sie mir im Handy übersetzen lassen, verstehst du? Ich schaue durch die Welt der Texte und Bilder anderer Menschen in fremde Welten.“

„Achte bitte gut auf dich, Sonja! Jeder ist im Netz und kann sich hinter allem verstecken.“

Sie überlegte, was er wohl damit meinen könnte?

Daniel war echt nett und bisher hatte sie nur schöne Schreibdialoge mit anderen Menschen im Netz gehabt. Klar, waren da mal ein paar seltsame Vögel dabei, die sich vielleicht nicht trauten, jemanden im real life anzusprechen und die Netzwerke nur als dating base benutzten. Auch gab es immer wieder Verschwörer, die die Übernahme der Weltherrschaft befürchteten oder andere wilde Gedanken äußerten. Aber das war alles eher amüsant als beängstigend für sie. Aggressivität schlug ihr selten entgegen. Sie rief es ja auch nicht so ins Netzwerk hinein. Und wenn mal jemand ihr gegenüber grundlos aggressiv gewesen war, dann blockte und meldete sie diese Personen meist sofort. Erst bekamen diese Leute aber immer mindestens eine Chance. Denn schließlich konnte es sich immer um ein Missverständnis handeln. Wenn es zu Beleidigungen kam, und sie sich für ihre missachtenden Wörter nicht entschuldigten, dann waren sie raus. Das Netzwerken soll ja Spaß machen, denn Sonja musste ihre Freizeit nicht mit solchen Menschen belasten.

3. Kapitel

Pling! „Hast du morgen Zeit? LG Daniel.“

„Ja hab´ ich, was sollen wir unternehmen?“ Fragte sie Daniel.

Vor dieser Nachricht hatte sie sich müde gefühlt. Sie hatte die Nacht schlecht geschlafen, vermutlich, weil sie Manuels Schnarchen manchmal nicht überhören konnte, aber genau wusste sie nicht, woran es gelegen hatte.

Es konnten auch unruhige Träume gewesen sein. Ihr ging es da so wie den meisten Menschen: Sie wollte versuchen, sich ihre Träume zu merken, aber letztlich waren sie immer schon nach dem Zähneputzen aus ihrem Kopf gelöscht.

Klar, konnte man getrennt schlafen, um nicht den anderen zu wecken, wenn man ihn im Schlaf versehentlich berührt hatte, aber ab und zu suchte sie Manuels Nähe. Diese Nacht war unruhig gewesen, was möglicherweise an den warnenden Worten Manuels beim Spaziergang am Tag zuvor gelegen hatte. Sie hatte sich von links nach rechts gedreht und war phasenweise aufgewacht und wieder in einen leichten Schlaf gesunken.

„Jeder ist im Netz und kann sich hinter allem verstecken,“ hatte er gesagt. Später würde Sonja einsehen müssen, dass sie diese Warnung Manuels hätte ernster nehmen sollen, als sie es getan hatte.

Durch Daniels Frage, ob sie morgen Zeit hätte, fühlte sie sich so wach, als hätte sie gerade einen doppelten Espresso getrunken. Denn diese Frage von ihm hatte nach einer Verabredung geklungen. Doch trotzdem wunderte sie sich über sich selbst. Was wusste sie eigentlich wirklich über ihn, doch nur das, was er ihr erzählt hatte. Konnte sie ihm glauben?

„Wenn du kein Vertrauen schenkst, dann kannst du auch keins ernten,“ hatte ihre liebe verstorbene Oma mal gesagt. Wie ein Geist tauchte sie vor ihr auf, aber Sonja wusste, dass es nur eine Einbildung war. Nach dem Tod ihrer Oma, hatte sie öfter diese scheinbaren Begegnungen mit ihrem Geist.

Also wollte sie sich mit Daniel doch treffen. Sie hatte ihm auch schon geschrieben, da konnte sie jetzt keinen Rückzieher mehr machen. Was hätte er dann von ihr gedacht, wenn sie das getan hätte?

Aufgeregt wie eine Sechszehnjährige fühlte es sich in ihr an, als sie innerlich ihren Kalender durchging. Aber für morgen hatte sie keinen Termin, der mit der Verabredung kollidiert wäre. Als sie noch Lehrerin war, hätte sie das nicht gekonnt, spontan Verabredungen anzunehmen. Die Zeiteinteilung von Lehrern richtet sich nach dem Rhythmus der Unterrichtsvorbereitungen, der Klassenarbeiten, Korrekturen, Nachbereitungen und Zeugnisnoten.

Hatte man zwei schriftliche Fächer, dann hatte man sich mit seinem Körper und seiner Lebenszeit ausschließlich der Schule verschrieben. Die Anzahl der Korrekturen ließ kaum noch Raum, zusammen mit anderen Menschen etwas zu unternehmen. Denn die einzigen Ferien beschränkten sich dann auf die Sommerferien. Ja und da blieb man auch noch besser zu Hause, da man ja an jedem Urlaubsort wieder Kollegen, Schüler oder Eltern traf, sodass dann auch fortwährend schulische Themen gewälzt wurden. In den übrigen Ferien war die Zeit mit Korrekturen belastet. Die steigende Respektlosigkeit, Gewalt an den Schulen, die Eltern, die ihre Kinder nicht erziehen wollten, oder die Helikoptereltern, die ihre Kleinen keine Erfahrungen machen lassen wollten, das tägliche Einerlei der vorgeschriebenen Themen, hatten sie nach den letzten Erlebnissen ins Grübeln gebracht.

Sie wollte schon immer Journalistin werden, hatte aber nach der Schule die Sicherheit gesucht. Doch das Leben war möglicherweise zu kurz, um nicht die Träume zu leben, die man hatte. So hatte sie sich beworben und letzten Endes zwischen 3 Stellenangeboten auswählen können.

Schon das erste Einstellungsgespräch bei der Agentur, bei der sie angestellt wurde, war beeindruckend. Es war ein Gespräch und nicht ein Abarbeiten eines Fragenkataloges. Sie hatte sich gleich im Gespräch mit der Auswahlkommission angenommen und schon in der Agentur willkommen gefühlt. Als Journalistin für eine Frauenzeitschrift konnte sie 3 Tage in der Woche auch von zu Hause ausarbeiten. Ihre Artikel schickte sie dann digital der Agentur zu.