MordsSpaß - Veronika Wetzig - E-Book

MordsSpaß E-Book

Veronika Wetzig

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Beschreibung

Sie leben in einer langjährigen Partnerschaft, fahren täglich mit der Bahn oder fühlen sich unliebsamen Nachbarn hilflos ausgeliefert? Da kann man schon mal auf mörderische Gedanken kommen. MordsSpaß ist unser Rezept für einen entspannten und kurz-weiligen Sonntagnachmittag. Man nehme eine kleine Auswahl der vermeintlich gewöhnlichsten Alltagssituationen, gebe einen Spritzer Sarkasmus hinzu, verfeinere das Ganze mit einem Hauch Ironie und vermische alles mit einer großzügigen Portion Raffinesse. Angereichert mit einer Prise schwarzem Humor erhalten Sie eine Lektüre, die durch schaurig-schöne Überraschungen besticht und bei der Ihrer Phantasie keine Grenzen gesetzt sind. MordsSpaß besteht aus: Mord auf Raten, Mordsplan, Nächste Station: Mord, Irren ist mörderisch, Metamor(d)phose. Lehnen Sie sich zurück und genießen Sie. Wir wünschen humorvolle und spannende Unterhaltung.

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Seitenzahl: 138

Veröffentlichungsjahr: 2015

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Mordsspaß

Über dieses Buch

Sie leben in einer langjährigen Partnerschaft, fahren täglich mit der Bahn oder fühlen sich unliebsamen Nachbarn hilflos ausgeliefert? Da kann man schon mal auf mörderische Gedanken kommen.

MordsSpaß ist unser Rezept für einen entspannten und kurzweiligen Sonntagnachmittag. Man nehme eine kleine Auswahl der vermeintlich gewöhnlichsten Alltagssituationen, gebe einen Spritzer Sarkasmus hinzu, verfeinere das Ganze mit einem Hauch Ironie und vermische alles mit einer großzügigen Portion Raffinesse. Angereichert mit einer Prise schwarzem Humor erhalten Sie eine Lektüre, die durch schaurig-schöne Überraschungen besticht und bei der Ihrer Phantasie keine Grenzen gesetzt sind.

MordsSpaß besteht aus: Mord auf Raten, Mordsplan, Nächste Station: Mord, Irren ist mörderisch, Metamor(d)phose.

Inhalt

Mord auf Raten

Mordsplan

Nächste Station: Mord

Irren ist mörderisch

Metamor(d)phose

I

Der Konflikt ist die Grundlage jeder Dramatik. Deshalb ist Komik so wichtig. Komik lässt die Würde verschwinden, lässt das Normale verschwinden, sie ist das Anormale.

Mord auf Raten

„Na, dann schießen Sie mal los: Wie sind denn so die Gewohnheiten Ihres Gatten?“

Mit vorgebeugtem Körper sitzt Mr. Q mir gegenüber, bereit sich jede einzelne Kleinigkeit einzuprägen. Erwartungsvoll blickt er mich an und wartet darauf, die gewünschten Informationen von mir zu erhalten. Ohne mich zu drängen, lässt er mir Zeit, meine Antwort sorgfältig zu überdenken. Ich bin mir nicht sicher, was ich ihm sagen soll. Ich fühle mich überfordert. Überfordert und unwohl. Überfordert mit den Dingen, die er von mir zu hören erwartet, unwohl mit der gesamten Situation.

Wir sitzen in der hintersten Ecke eines kleinen antik eingerichteten Cafés. Die Lichtverhältnisse sind bescheiden, so dass ich mir nicht sicher bin, den Gesichtsausdruck meines Gegenübers richtig zu deuten. Sehe ich da ein Lächeln auf seinen Lippen oder ist es eher der Blick eines erfahrenen Geschäftsmannes, der es nicht abwarten kann, schnellstmöglich alles Notwendige in die Wege zu leiten?

Mr. Q – geschrieben tatsächlich wie der Buchstabe, nicht wie das Rindvieh – scheint meine Nervosität zu spüren und wirft mir ein aufmunterndes Lächeln zu, was wohl so viel heißen soll wie: „Nur Mut. Aller Anfang ist schwer. Wenn ich erst einmal alle notwendigen Informationen zusammen habe, läuft der Rest von ganz allein.“

Vor lauter Unsicherheit fange ich an, mit meinen Fingern an meinen Haaren im Nacken zu spielen. Eine kleine Locke hat sich aus meinem Kopftuch gelöst, was ich mir vorsichtshalber umgebunden hatte, um meine Identität ein wenig zu verschleiern. „Je weniger wir voneinander wissen, desto besser für alle Beteiligten“, hatte mir Mr. Q bei unserem ersten und einzigen Telefonat mitgeteilt. Das war vor zwei Wochen gewesen. Mr. Q gab mir Gelegenheit, noch einmal alles zu überdenken. Schadenersatzansprüche würde ich später nicht geltend machen können. Mr. Q wäre für mich nicht mehr erreichbar. Erfahrungswerte hatte er am Telefon nur trocken bemerkt.

Ich hatte hin- und herüberlegt, nächtelang nicht geschlafen. Wir hatten uns für den heutigen Nachmittag verabredet, sollte ich es mir bis dahin nicht anders überlegt haben. Hatte ich nicht. Jetzt sitze ich hier, mir gegenüber ein mir mehr oder weniger unbekannter Mann, der mir helfen würde, sämtliche meiner Probleme zu lösen.

„Nun ja. Ich weiß ja nicht genau, welche Gewohnheiten Sie benötigen. Aber Herbert sieht jeden Samstagnachmittag die Bundesliga. Außerdem trifft er sich dienstags mit ein paar Freunden zum Skat.“ Mir fällt auf, dass ich die ganze Zeit auf das Usambaraveilchen starre, das in einem alten Kaffeepott auf unserem Tisch steht.

Ich nehme all meinen Mut zusammen und sehe Mr. Q in die Augen. „Meinen Sie diese Art von Gewohnheiten?“

„Ganz genau diese Art sogar. Damit kann ich arbeiten.“ Geschäftig kramt er in der Innentasche seines Trenchcoats und fördert schließlich einen Notizblock nebst Kuli zutage.

„Lassen Sie uns doch zunächst den Skatabend etwas genauer unter die Lupe nehmen. Sie sagten dienstags? Um wie viel Uhr und wo?“

Wieder schrillt eine Alarmglocke in meinem Kopf: Wenn ich jetzt weitermache, gibt es kein Zurück mehr!

Hastig nehme ich noch einen Schluck von meinem Cappuccino. Ich wünschte, ich hätte etwas Stärkeres bestellt – ein Cognac wäre nicht schlecht. Automatisch halte ich nach dem Kellner Ausschau. Das Klicken des gezückten Kugelschreibers bringt mich von dieser Idee jedoch wieder ab.

„In einer Eckkneipe, Zum goldenen Elch, etwa zweihundert Meter von unserer Wohnung entfernt“, bringe ich schließlich zaghaft hervor. „Sie treffen sich dort immer um 19:00 Uhr.“

Krampfhaft halte ich meine Handtasche mit beiden Händen fest umschlungen und drücke sie noch ein wenig fester an meine Brust. Ich darf sie nicht verlieren. Darin befindet sich sozusagen meine Lebensversicherung. Ein Schreiben, das mir dieses Treffen mit Mr. Q erst ermöglicht hat. Unsicher blicke ich mich noch einmal in dem kleinen Café um. Ein paar Tische weiter sitzt ein junger Mann, die Kapuze seines Sweatshirts tief ins Gesicht gezogen. Bilde ich es mir nur ein oder beobachtet er mich tatsächlich die ganze Zeit? War es nicht derselbe Kerl, der mich schon auf der Herfahrt im Bus die ganze Zeit angestarrt hatte? Nicht auszudenken, wenn er plötzlich aufspringen und mir meine Handtasche entreißen würde. Dann wäre alles verloren.

Als hätte er meinen Blick auf sich gespürt, sieht der Mann plötzlich auf. Schnell senke ich den Blick, nicht schnell genug jedoch, um nicht das kleine Lächeln auf seinem Gesicht zu bemerken.

„Aus wie vielen Leuten besteht die Skatrunde?“

„Was?“ Erschrocken blicke ich auf. „Verzeihung. Ich bin ziemlich nervös“, lächle ich unsicher.

„Verständlich.“ Mr. Q scheint mit seiner Geduld jedoch langsam am Ende.

„Naja, der Typ da drüben“, ich nicke kurz in Richtung Kapuzenmann. „Ich glaube, der verfolgt mich. Nicht, dass Sie denken, ich leide unter Verfolgungswahn“, entschuldige ich mich sofort. „Also, normalerweise jedenfalls nicht.“ Nervös kichere ich.

Mr. Q hebt wortlos eine Augenbraue.

„Tschuldigung.“ Ich räuspere mich. Wenn ich nervös bin, fange ich an zu plappern. Ich weiß das, kann jedoch nichts dagegen tun.

„Das ist schon in Ordnung“, versichert mir Mr. Q, inzwischen jedoch nicht mehr ganz so überzeugend wie zu Beginn unseres Gesprächs. Beinahe unauffällig wirft er einen raschen Blick auf seine Armbanduhr. Aber ich habe es dennoch bemerkt. Ebenso die vielen kleinen glänzenden Steinchen auf seiner Uhr. Wenn ich mir vorstelle, dass mein Herbert so eine Uhr tragen würde. Oder ich. Unvorstellbar. Nein, Herberts Uhr ist ein ganz schlichtes Modell. Ebenso wie meines. Beide von Woolworth, aber immerhin von der Theke, nicht einfach nur vom Grabbeltisch. So richtig mit Beratung. Ich kann mich noch genau daran erinnern, was für ein Tohuwabohu Herbert darum gemacht hat. Ich war ganz aufgeregt, bis wir dann doch nur wieder auf dem Woolworth-Parkplatz gelandet sind. Oh dieser ewige Geiz! Doch Herbert tat weiter gönnerhaft. Schließlich feiere man ja nur einmal im Leben seinen vierzigsten Hochzeitstag. Die Wahrscheinlichkeit dürfte ziemlich hoch sein, dass er damit ausnahmsweise einmal Recht behalten sollte.

„Soweit ich weiß sind sie zu viert.“ Unsicher ruht mein Blick auf Mr. Qs rot-schwarz gestreifter Krawatte, während ich meine Antwort noch einmal überdenke. „Spielt man Skat zu viert? Jetzt wo ich darüber nachdenke, muss ich gestehen, dass ich mir noch nie wirklich Gedanken darüber gemacht habe, wie viele Leute man für ein Skatspiel benötigt. Sie wissen es nicht zufällig?“

Mr. Q sieht mich ungläubig an. „Sie wissen also nicht, mit wem sich Ihr Mann jeden Dienstag trifft?“

So, wie er das sagt, klingt es gleich irgendwie verdächtig. „Nun ja, ich überwache meinen Herbert doch nicht. Er hat seine Kumpel und ich kenne sie natürlich alle. Aber wer da nun regelmäßig dienstags anwesend ist, kann ich ehrlich nicht sagen.“

„Aber Sie sind sich sicher, dass er im Goldenen Elch ist?“

„Natürlich! Wir kennen den Wirt schon seit Jahren und halten ihm die Treue.“ Wieder dieser skeptische Blick von Mr. Q.

„Also gut“, lenkt er schließlich ein. „Haben Sie das Foto dabei?“

„Ja“, sage ich, erleichtert scheinbar doch noch etwas Brauchbares beisteuern zu können. Ich ziehe es aus meinem Portemonnaie und schiebe es, nach einem kurzen Blick auf die Fotografie, über den Tisch. Mr. Q nimmt es auf und studiert es eingehend.

„Ich denke, das dürfte fürs Erste reichen.“ Geschäftsmäßig sammelt Mr. Q all seine Utensilien zusammen und erhebt sich galant. „Wenn Sie mir dann bitte noch die Anzahlung aushändigen würden?“

Ich bin ein wenig verwirrt. Sollte das etwa schon alles gewesen sein? Ich hatte viel mehr Zeit für das Treffen mit Mr. Q eingeplant. Enttäuscht krame ich in meiner Handtasche herum, um nach dem Kuvert zu suchen, während Mr. Q bereits erwartungsvoll und mit ausgestreckter Hand vor mir steht. Endlich habe ich es gefunden.

„Tschuldigung“, nervös überreiche ich ihm den braunen Umschlag. „In meiner Handtasche herrscht immer so ein Chaos, da ...“

„Ist schon in Ordnung“, unterbricht mich Mr. Q unwirsch, wobei er mir den Umschlag förmlich aus der Hand reißt. Ich bin ein wenig empört angesichts seiner schlechten Manieren. Schließlich habe ich ihm gerade meine gesamten Ersparnisse überreicht. 10.000 Euro. Jahrelang mühsam vom Haushaltsgeld beiseite geschafft. Versteckt am unteren Boden des Wäschepuffs in einer extra für diesen Zweck zusammengenähten Unterhose von Herbert. Bei dem Gedanken daran muss ich wieder kichern. Es gibt Orte, da kann sich Frau sicher sein, dass kein Ehemann der Welt dafür gesteigertes Interesse aufbringt. Und dreckige Wäsche gehört mit Abstand zu den sichersten Orten. Für so viel Raffinesse kann man doch wirklich etwas mehr Respekt erwarten.

Noch bevor ich Gelegenheit habe, Mr. Q auf sein unangemessenes Benehmen anzusprechen, geht er schon zum letzten Punkt der Tagesordnung über.

„Sobald nächste Woche das restliche Geld in meinem Postfach liegt, werde ich wie besprochen mit meiner Arbeit beginnen.“ Mr. Q steht jetzt direkt vor mir, um nicht zu sagen über mir, weil ich ja noch sitze. Den Kopf weit zurückgelegt, blicke ich angestrengt zu ihm nach oben. Hoffentlich verrutscht das Kopftuch nicht.

„Für Sie bedeutet das dann Abwarten und Tee trinken“, weist Mr. Q mich an und nickt in Richtung meiner Schwarzwälder Kirschtorte, die noch immer unangetastet vor mir steht.

Mein Halswirbel knackt, als ich ihm zur Bestätigung zunicke.

„Wenn alles wie geplant läuft, werden wir uns nicht noch einmal begegnen.“

Wieder ein Knacken im Nacken. Ein leises Kichern entweicht meiner Kehle angesichts des unbeabsichtigten Reims.

Und dann ist er weg. Einfach verschwunden. Ohne sich zu verabschieden. Wie versteinert sitze ich da, bis ich schließlich registriere, dass er wohl nicht wieder zurückkommen wird.

Ungläubig schüttele ich den Kopf. Zu schade, dass wir uns nicht wiedersehen. Mr. Q hätte es wirklich dringend nötig, dass ich ihn einmal über gute Umgangsformen aufkläre. So geht man doch schließlich nicht mit seinen Mitmenschen um. Ich ziehe die Schultern zurück und lasse meinen Kopf auf den Schultern kreisen, um die unangenehme Starre in meinem Nacken zu lösen.

Schwarzwälder Kirschtorte. Wie war ich nur auf den Gedanken gekommen, ich könnte bei solch einer Begegnung etwas essen? Während ich noch überlege, ob ich eigentlich Appetit habe, lässt mich ein Griff auf meine Schulter zusammenfahren.

„Gerda! Wusste ich doch, dass du es bist!“ Ohne weitere Umstände lässt Uschi sich auf den mir gegenüberliegenden Platz sinken. Kurz durchzuckt mich die Überlegung, ob der wohl noch warm von Mr. Qs Hintern ist.

„Hallo Uschi!“, bekomme ich gerade noch heraus. Mehr nicht, denn Uschi ist jetzt alarmiert.

„Was machst du denn hier? Und warum um Himmels Willen trägst du dieses furchtbare Kopftuch? Haben wir schon Karneval?“

Ich merke, wie mir das Blut in den Kopf schießt. Uschi registriert mein Erröten und setzt sofort ihr Hab-ich-dich-ertappt-Gesicht auf. „Oh, störe ich vielleicht? Erwartest du etwa jemanden?“ Aufgeregt sieht sie sich um.

„Quatsch!“, falle ich ihr sofort ins Wort und bin froh, dass Mr. Q nichts verzehren wollte. Eine zweite Kaffeetasse hätte ich schwerlich erklären können.

Die Antwort scheint Uschi auszureichen, um es sich auf ihrem Stuhl jetzt so richtig bequem zu machen.

„Und“, führt Uschi die bisher eher einseitige Unterhaltung ohne Umschweife fort, „hast du schon alles für unseren Wohltätigkeitsbasar zusammen?“

Ach herrje, der Wohltätigkeitsbasar. Den hatte ich völlig vergessen. Kein Wunder, bei der ganzen Aufregung in den letzten Tagen. Da hatte ich wahrlich Wichtigeres zu tun.

„Sicher Uschi“, flöte ich ihr ungeniert entgegen und nippe elegant an meinem Kaffee. „Du kennst mich doch, wie könnte ich ein so wichtiges Ereignis vergessen?“

Skeptisch blickt Uschi mich an, als sei sie sich nicht sicher, ob sie meinen Worten trauen kann. Also lege ich noch einen drauf. „Ich habe bereits den halben Keller entrümpelt und bin dabei auf ein paar sehr interessante Dinge gestoßen, die sich sicher gut verkaufen lassen.“

Kein Stück hab´ ich bisher zusammen. Herbert kann sich ja von nichts trennen. Das ist doch noch gut, das kann man doch noch gebrauchen. Nur weil hier und da was abgeblättert ist, muss man doch nicht das ganze Service wegschmeißen. Wie ich das hasse. Dieser ewige Geiz. Und dann diese hässlichen Krüge, die er überall in der Wohnung herumstehen hat. Sowas von hässlich. Nur über meine Leiche, hat er gesagt, der Herbert. Na dann …

„Prima! Ich hab ja, ehrlich gesagt, immer Schwierigkeiten, mich von dem Gerümpel zu trennen.“ Uschi lacht mich jetzt offen an. „Aber wenn du so gut bestückt bist, kann ich ja vielleicht etwas kürzer treten.“

Der Kellner kommt und überreicht Uschi ein eingewickeltes Paket.

„Oh, vielen Dank!“ Uschi schnappt sich das Päckchen und ist schon auf den Beinen. „Ich muss los, Hans-Günther wartet.“

Ein fliegender Handkuss und weg ist sie. Zurück bleibe ich und das elendige Stück Torte.

Zaghaft blicke ich mich noch einmal in alle Richtungen um. Das Café hat sich zwischenzeitlich geleert, selbst der komische Kauz mit der Kapuze, der mich ständig beobachtet hat, ist verschwunden. In geduckter Haltung krame ich geheimnisvoll in meiner viel zu großen Handtasche nach dem Schreiben der Lotteriegesellschaft. So etwas trifft einen ja erst einmal völlig unvorbereitet. 250.000 Euro. Was für ein Glück. Erfüllen Sie sich Ihre langersehnten Träume…

Ich musste mir das Schreiben genau zweimal durchlesen, um zu wissen, woraus meine langersehnten Träume bestehen. Jetzt bedurfte es nur noch der Umsetzung. Aber mit 250.000 Euro dürfte das ja nicht so schwer werden. Und so war es dann auch. Ich musste mich nur an Mr. Q wenden, der würde das Kind schon schaukeln.

Einige Tage später stehe ich am Schalter meiner Bank, um meinen Scheck abzuholen. 250.000 Euro. Ich bin so aufgeregt wie ein Kind am Heiligen Abend. Zappel nicht so rum, ermahne ich mich selbst, sonst ruinierst du noch alles.

„Einen schönen guten Tag, Frau Schlinger, was kann ich für Sie tun?“, werde ich von einer adrett gekleideten Frau hinter dem viel zu hohen Tresen begrüßt. Um einigermaßen auf Augenhöhe zu kommen, stelle ich mich auf meine Zehenspitzen.

So weit es geht, beuge ich mich über den Tresen und schiebe der Dame meine Losnummer zu. „Ich bin hier, um meinen Gewinn abzuholen“, raune ich ihr entgegen und komme mir dabei vor wie der schlaksige Händler aus der Sesamstraße, der den Leuten mit seinem langen Trenchcoat immer versucht, ein A zu verkaufen. "He, Du!“ – „Wer, ich?“ – „Psssst!“ – „Wer, ich?“ – „Genaaaaau…“

„Einen kleinen Moment bitte, Frau Schlinger.“ Mit meinem Zettel in der Hand verflüchtigt sich die junge Frau in den hinteren Teil der Filiale und verschwindet hinter einer weiteren Tür. Nach einer gefühlten Ewigkeit kommt sie schließlich wieder zurück und überreicht mir freudestrahlend meinen Scheck.

„Herzlichen Glückwunsch, Frau Schlinger!“

Glückselig werfe ich einen Blick auf meinen Scheck. Doch die Freude währt nicht lange.

„Entschuldigen Sie Fräulein, aber ich fürchte, Ihnen ist hier ein klitzekleiner Fehler unterlaufen.“ Mit strafendem Blick sehe ich sie an.

„Wie bitte?“ Ihre eben noch so freundliche Art verwandelt sich abrupt in Unsicherheit.

„Ich fürchte, Sie haben beim Ausstellen des Schecks ein paar Nullen vergessen.“

„Ein paar Nullen vergessen?“, wiederholt sie verunsichert, was die Situation aber auch nicht besser macht. Langsam werde ich nämlich richtig wütend. Noch einmal schiebe ich ihr meine Losnummer mit dem dazugehörigen Anschreiben entgegen.

„Es müssten 250.000 Euro sein und nicht nur 2.500 Euro. Steht hier doch. Können Sie etwa nicht lesen?“ Um meinem Unmut Nachdruck zu verleihen, klopfe ich ein paar Mal mit meinem Finger auf besagtes Dokument.

„Entschuldigung.“ Unsicher blickt sie sich hilfesuchend nach einem Kollegen um, der auch sogleich herbeieilt.

„Gibt es ein Problem?“ Fragend wandert sein Blick zwischen mir und der Dame hinter dem Tresen hin und her. Noch bevor sie etwas erwidern kann, übernehme ich die Führung.

„Allerdings. Ich habe bei Ihnen in der Lotterie gewonnen, aber Ihre Kollegin will mir nur einen Teil des Gewinns auszahlen. Hier bitte schön, sehen Sie selbst.“

Der Herr, der sich mit seinem Schild an seinem Revers als stellvertretender Filialleiter Herr Knaur ausweist, sieht sich die Dokumente noch einmal genau an.

„Entschuldigung Frau Schlinger, aber es hat alles seine Richtigkeit. Sehen Sie, mit Ihrem Los haben Sie sich für eine lebenslange Sofortrente entschieden. Monatlich 2.500 Euro.“