Multiprofessionelle Teams stärken (E-Book) - Silvia Pool Maag - E-Book

Multiprofessionelle Teams stärken (E-Book) E-Book

Silvia Pool Maag

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Beschreibung

Dieses E-Book enthält Bildbeschreibungen zu allen Grafiken. Es wird empfohlen, einen E-Reader zu verwenden, auf dem die Bilder vergrössert werden können. Inklusion ist elementar für eine zeitgemässe Pädagogik. Kollektive Partizipation von Schüler*innen und von Lehr- und weiteren Fachpersonen verlangt von den Schulen einen gezielten Entwicklungsprozess und die Überführung von Auftrag und Haltungsfragen in eine sich bewährende Handlungspraxis. Das geschieht bevorzugt und traditionell durch die Zusammenarbeit spezialisierter Berufsgruppen in multiprofessionellen Teams, verantwortet durch Schulleiter*innen. Die Publikation soll ihnen ein Kompass sein für diese komplexe Führungsaufgabe. Praxisbeispiele, konkrete Handlungsimpulse und Anhaltspunkte aus dem wissenschaftlichen Fachdiskurs bündeln die multiprofessionellen Perspektiven und bringen die Schulleitung auf Kurs.

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Seitenzahl: 129

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Dieses Werk wird von der Pädagogischen Hochschule Zürich und der Pädagogischen Hochschule Luzern gemeinsam herausgegeben. Die Urheberrechte am vorliegenden Werk liegen bei den beteiligten Hochschulen (gemeinsames Eigentum). Die Nutzungsrechte liegen beim hep Verlag.

Silvia Pool Maag, Patrik Widmer-Wolf

Multiprofessionelle Teams stärken

Impulse für Schulleitungen inklusiver Schulen

ISBN Print: 978-3-0355-2734-6

ISBN E-Book: 978-3-0355-2735-3

Illustrationen: Nicolas d’Aujourd’hui, Basel

1. Auflage 2025

Alle Rechte vorbehalten

© 2025 hep Verlag AG, Bern

hep Verlag AG

Gutenbergstrasse 31 | Postfach | CH-3001 Bern

[email protected] | hep-verlag.ch

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Einleitung

1 Entwicklungsanlässe als Gestaltungsimpulse verstehen und die multiprofessionelle Praxis weiterentwickeln

1.1 Spuren aus der Praxis

1.2 Anhaltspunkte aus Forschung und Fachdiskurs

1.2.1 Inklusion und Multiprofessionalität sind keine Erfindungen von Schulen, sondern Antworten auf gesellschaftliche Veränderungen

1.2.2 Schule schafft für jeden Anspruch Bildungsangebote und dadurch vom Kerngeschäft entkoppelte Parallelstrukturen

1.2.3 An inklusiven Schulen zählen nicht nur Qualitätsbausteine, sondern auch ihr Zusammenspiel

1.2.4 Schulleitungen beeinflussen mit ihrem Führungsstil das Kooperations- und Arbeitsklima

1.2.5 Teamorientierte Schulführung bedeutet, Teamarbeit als personalen und kollektiven Lernprozess zu verstehen

Zusammenfassung

1.3 Handlungsimpulse für die Praxis

Zusammenfassung

2 Werthaltungen entwickeln und Vertrauen schaffen

2.1 Spuren aus der Praxis

2.2 Anhaltspunkte aus Forschung und Fachdiskurs

2.2.1 Werthaltungen können durch neues Wissen und einleuchtende Handlungsalternativen verändert werden

2.2.2 Kommunikation über Werthaltungen heisst, diese durch Praktiken der Zusammenarbeit zu konkretisieren

2.2.3 Unterschiedliche Sichtweisen erfordern einen gezielten Fokus auf gemeinsam verantwortete Aufgaben

2.2.4 Die gemeinsame Augenhöhe ist in der multiprofessionellen Zusammenarbeit prinzipiell nicht einfach gegeben, sie muss hergestellt werden

2.2.5 Psychologische Sicherheit lässt sich innerhalb eines verbindlichen Rahmens mit gezielten Strategien herstellen

Zusammenfassung

2.3 Handlungsimpulse für die Praxis

Zusammenfassung

3 Multiprofessionalität strukturieren und soziale Architekturen schaffen

3.1 Spuren aus der Praxis

3.2 Anhaltspunkte aus Wissenschaft und Fachdiskurs

3.2.1 Funktionierende Kooperationsstrukturen für multiprofessionelle Teamarbeit sind das Fundament der inklusiven Schule und sichern die Schulqualität

3.2.2 Die Qualität von Kooperation wird von Schulleitungen entscheidend geprägt und mit förderlichen Rahmenbedingungen unterstützt

3.2.3 Die Zusammensetzung multiprofessioneller Teams sollte an Bildungszielen und am Bildungsbedarf der Lernenden orientiert sein

3.2.4 Kooperation in sozialen Architekturen ist vielfältig, sie fördert die Unterrichtsqualität, das Wohlbefinden von Lehrpersonen und ihre professionelle Entwicklung

3.2.5 Sich beruflich autonom zu erleben heisst, sich mit der eigenen Expertise wirksam in die Teamarbeit und den gemeinsam verantworteten Unterricht einzubringen

Zusammenfassung

3.3 Handlungsimpulse für die Praxis

Zusammenfassung

4 Multiprofessionelle Teams entwicklungsorientiert begleiten

4.1 Spuren aus der Praxis

4.2 Anhaltspunkte aus Wissenschaft und Fachdiskurs

4.2.1 Das Erkennen typischer Muster der Zusammenarbeit hilft, mit Teams Qualitätsfragen zu besprechen

4.2.2 Konflikte gehören zur Entwicklung eines leistungsfähigen Teams und erfordern eine gezielte Moderation

4.2.3 Durch organisatorische Verbindlichkeit werden multiprofessionelle Teams in der notwendigen Entwicklungsarbeit unterstützt

4.2.4 Statt orthodoxe Bekenntnisse braucht es eine pragmatische Haltung gegenüber konkreten Herausforderungen einer inklusiven Pädagogik

4.2.5 Ein fürsorglicher Führungsstil ist insbesondere dann angezeigt, wenn sich das Personal als wenig selbstwirksam erlebt

4.2.6 Professionelle Lerngemeinschaften sind wirksam, wenn die Transformation von Schulanliegen in vertraute Abläufe und eine teamspezifische Sprache gelingt

Zusammenfassung

4.3 Handlungsimpulse für die Praxis

Zusammenfassung

Literatur

Anhang Kapitel 3

Anhang Kapitel 4

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Vorwort

Die Gestaltung inklusiver Schulen gehört zu den grossen Herausforderungen in der Bildungslandschaft. Hört und sieht man sich heute an Schulen um, dann wird schnell klar, dass der Job der Klassenlehrperson und derjenige der Schulleitung alles andere als eine einsame Führungsaufgabe ist.

Kaum sitzt man sich mit einer Tasse Kaffee am Teamtisch gegenüber, beginnen – auch abseits der regulären gemeinsamen Termine – die Absprachen, das Organisieren oder der Austausch über gemeinsame Tätigkeiten, Schülerinnen und Schüler. Die Verantwortung für die Schule wird gemeinsam getragen und die Last auf mehrere Schultern verteilt.

Als Konsequenz daraus werden das Führen, Fördern und Verstehen einer Klasse immer mehr zur Teamarbeit. Weil dazu unterschiedliches Fachwissen gehört, werden die Lehrerinnen und Lehrer zu multiprofessionellen Teams. Und so, wie die Lehrpersonen die Prozessverantwortung für das Lernen im Unterricht haben, verantworten Schulleitungen das organisationale Lernen. In dieser Rolle schaffen sie Rahmenbedingungen, die wirkungsvolles Lernen und Arbeiten ermöglichen – Kooperation wird zur Ressource.

Die vorliegende Publikation präsentiert inspirierende und wertvolle Handlungsimpulse für Schulleitungen und Lehrpersonenteams an inklusiven Schulen. Sie spannt einen Bogen von Spuren aus der Praxis über Fixpunkte aus Forschung und Fachdiskurs bis hin zu konkreten «Rezepten» für eine gelingende multiprofessionelle Entwicklung und Struktur in einer Schule.

Wir wünschen Ihnen eine anregende Lektüre und viel Erfolg bei der Stärkung der multiprofessionellen Teams an Ihrer Schule!

Dagmar Rösler

Präsidentin LCH

Thomas Minder

Präsident VSLCH

Einleitung

Die Qualität der Zusammenarbeit in multiprofessionellen Teams bestimmt die Entwicklung einer inklusionsorientierten Schul- und Unterrichtspraxis. Schulische Inklusion fördert die gleichberechtigte Teilhabe von Schüler:innen unabhängig von ihren Lernvoraussetzungen, macht auf Ein- und Ausschlussprozesse aufmerksam und bindet Behörden, Schulleitungen sowie Lehr- und Fachpersonen ein. An Schulen sind Entwicklungsprozesse erforderlich, die diese Haltung und damit verbundene Werte in eine zielführende Handlungspraxis überführen. Inklusion ist heute nicht mehr nice to have, sondern ein gesellschaftlicher und institutioneller Auftrag und für eine moderne Pädagogik und Didaktik elementar. Die seit Jahrzehnten vorliegenden Erkenntnisse aus Schul- und Unterrichtsforschung sind praktisch umsetzbar und bieten somit die Grundlage, Kindern und Jugendlichen faire, potenzialorientierte und ressourcenstärkende Lernerfahrungen zu ermöglichen. Schulleitungen können viel zu einer inklusionsorientierten Schul- und Teamentwicklung beitragen und mehr bewirken als häufig angenommen, denn ihnen kommt bei der Teamentwicklung eine Schlüsselrolle zu. Deshalb ist entscheidend, welchen Wert Sie der Zusammenarbeit in multiprofessionellen Teams beimessen.

Die Publikation adressiert Schulleitungen in Ihrem Gestaltungsauftrag, die Zusammenarbeit in Richtung einer gemeinsam verantworteten Aufgabe für alle Beteiligten weiterzuentwickeln. Im Mittelpunkt steht die Frage, wie Entwicklungs- und Veränderungsprozesse in multiprofessionellen Teams angestossen werden können, um eine bereichernde Zusammenarbeit zu fördern, die letztlich das Lernen und die Entwicklung der Schüler:innen unterstützt. Es wird angenommen, dass Reformvorgaben von multiprofessionell strukturierten Teams in eine nachvollziehbare, sinnstiftende Schul- und Unterrichtspraxis überführt werden können und dass Selbstwirksamkeit und Identifikation im Kollegium darüber gestärkt werden. Das erfordert, dass Schulleitungen ihr Führungsverständnis in Richtung vermehrter Teamführung und -begleitung erweitern. Die Publikation ist ein Kompass für diese komplexe und vielschichtige Führungsaufgabe. Es werden typische Themenfelder aufgegriffen und Handlungsimpulse für Veränderungen geboten. Multiprofessionelle Teams zeichnen sich durch die Zusammenarbeit von spezialisierten Berufsgruppen aus, die ihre Handlungen aufeinander abstimmen und sich fachlich austauschen. Sie sind der Motor zur Umsetzung einer Pädagogik und Didaktik für alle an Ihrer Schule.

Damit Sie mit Ihren Mitarbeitenden in einen weiterführenden, fachlich fundierten Dialog einsteigen können, haben wir in vier Kapiteln einen Grundstock an Erfahrungen und konkreten Handlungsimpulsen sowie Anhaltspunkte aus wissenschaftlichen Fachdiskursen entlang von Kernfragen zusammengestellt:

1.Entwicklungsanlässe als Gestaltungsimpulse verstehen und multiprofessionelle Teamarbeit weiterentwickeln: Wie können anstehende Veränderungen im multiprofessionellen Team proaktiv angegangen werden?

2.Werthaltungen entwickeln und Vertrauen schaffen: Wie können Werthaltungen thematisiert und das Vertrauen in die multiprofessionelle Teamarbeit gestärkt werden?

3.Multiprofessionalität strukturieren und soziale Architekturen schaffen: Welche Strukturen fördern die Zusammenarbeit in multiprofessionellen Teams?

4.Multiprofessionelle Teams entwicklungsorientiert begleiten: Wie gelingt es in der Begleitung von multiprofessionellen Teams, Verbindlichkeiten einzufordern und Schwierigkeiten anzusprechen?

Die vier Hauptkapitel weisen alle dieselbe Struktur auf und sind in jeweils drei Unterkapitel gegliedert:

▶ Spuren aus der Praxis. In diesem Unterkapitel sind Führungssituationen beschrieben, die Schulleitungen aus der Praxis kennen. Es geht darum, was sie erleben, welche Themen an sie herangetragen werden und was an Schulen wichtig ist.

▶ Anhaltspunkte aus Forschung und Fachdiskurs. In diesem Unterkapitel werden aus einer distanzierteren Perspektive auf das Schulfeld fachwissenschaftliche Zusammenhänge beleuchtet. Sie sind zusammenfassend, aber gleichwohl differenziert und prägnant dargelegt. Das Kapitel soll Schulleitungen das geistige und emotionale Zurücktreten gegenüber der Praxis ermöglichen, Ansatzpunkte für eine differenziertere Analyse oder andere Sichtweisen aufzeigen und das Verständnis für die Situation fördern. Der Rückgriff auf den Fachdiskurs ist ein Kunstgriff, um den gedanklichen Lösungsraum zu erweitern, Vorgehensweisen neu auszurichten oder produktive Entwicklungsprozesse zu erkennen und aufrechtzuerhalten.

▶ Handlungsimpulse für die Praxis. In diesem Unterkapitel werden durch Handlungsimpulse Ihre Vorstellungskraft und Kreativität für die nächsten Prozessschritte angeregt.

Die Publikation versteht sich als Leitfaden zur Stärkung von Führungshandeln rund um die Zusammenarbeit in multiprofessionellen Teams. Sie soll dazu verhelfen, dass Sie Teamdynamiken an der Schule erkennen und verstehen sowie dazu ermutigen, dass Sie diese passioniert weiterentwickeln und gestalten. Sie können im Buch an der Stelle einsteigen, die Sie interessiert.

Die Publikation basiert auf einschlägigen Arbeiten und langjährigen Erfahrungen der Autorenschaft in Forschung und Entwicklung an Universitäten und Hochschulen sowie in der Aus- und Weiterbildung von Lehrpersonen und Schulleitungen. Unter Mitwirkung von Ernst Eichmüller und Jörg Berger, zwei erfahrenen und innovativen Schulleitern, sind in mehreren Sitzungen an der Pädagogischen Hochschule Zürich «Spuren aus der Praxis» und «Handlungsimpulse für die Praxis» entstanden. Die aus den Praxiserfahrungen erarbeiteten Vignetten wurden anschliessend mit rund 30 Leitungspersonen aus verschiedenen Schultypen an der Pädagogischen Hochschule Luzern diskutiert, validiert und auf ihre Praxisrelevanz hin geprüft. Ein Dankeschön gilt Meinrad Leffin und seiner Kursgruppe.

Möge unser aller Engagement in der Praxis Früchte tragen.

Silvia Pool Maag und Patrik Widmer-Wolf

Zürich und Luzern im März 2025

1 Entwicklungsanlässe als Gestaltungsimpulse verstehen und die multiprofessionelle Praxis weiterentwickeln

Schule ist von Veränderung betroffen, und damit sind es auch Schulleitungen und Kollegien. Anlässe für Veränderungen sind vielfältig. Zunehmende Schüler:innen-Zahlen oder ein neues kantonales Finanzierungsmodell bedingen Restrukturierungen, die Stärkung von Nachhaltigkeitsthemen führt zur Erweiterung des Schulprofils mit neuen Leitsätzen, kantonale Vorgaben zu Kompetenzorientierung oder Sonderpädagogik erfordern die Weiterentwicklung von Didaktik, Unterricht und Schulorganisation.

Schulentwicklung geht einher mit Mehrarbeit, da Gewohnheiten und ritualisierte Handlungsabläufe verändert werden müssen. Grundsätzlich gut funktionierende, eingespielte Verfahren werden neu aufgesetzt, was das Verlassen der Komfortzone erfordert. Darauf reagieren Teams sensibel, oft mit Unverständnis und in Einzelfällen mit Widerstand. Wir lieben das, was wir kennen, da wir eine Vorstellung davon haben, was sein wird. Diese Gewissheiten geben wir ungerne auf, denn sie schaffen Sicherheit und wirken vertrauensfördernd und emotional entlastend. Daher werden Entwicklungsanlässe, ob von aussen an die Schule herangetragen oder aus dem Alltagsgeschäft resultierend, meist kritisch geprüft; es werden Sinnhaftigkeit und Stellenwert abgewogen. Schulleitungen brauchen also gute Gründe für Veränderungsvorhaben, eine Vorstellung von Aufwand und Ertrag sowie vom Ergebnis, wenn Sie Lehr- und Fachpersonen oder ganze Kollegien in Veränderungsprozesse einbeziehen.

Hier kommen Sie als Führungsperson und mit Ihrer Fähigkeit ins Spiel, Entwicklungsanlässe in Gestaltungsimpulse für die Schul- und Unterrichtspraxis zu transformieren. Die Einbindung Ihres Teams in diesen Prozess erfordert, dass Sie zuerst eine Idee der zukünftigen Schul- und Unterrichtspraxis entwickeln. Damit lenken Sie die Aufmerksamkeit auf das, was Ihnen für die Schule wichtig ist. Dort, wo die Aufmerksamkeit ist, ist bekanntlich auch die Energie. Diese Zielvorstellung zu entwickeln, ist nicht einfach. Aber auch ein vages, vorläufiges Bild der Situation dient bereits der Konkretisierung anstehender Veränderungen; es macht das Vorhaben berechenbarer. Dieses Vorgehen unterstützt die Orientierung im Schulteam, fördert Motivation und Bereitschaft und schafft für das Vorhaben einen sicheren Entwicklungsraum. So wecken Sie die Zuversicht, dass sich der Mehraufwand lohnen könnte.

Der Weg des organisationalen, kollektiven und persönlichen Weiterlernens an Schulen ist in multiprofessionellen Teams auch von widerstrebenden professionellen Motivlagen geprägt. Das Aufgreifen und Ansprechen dieser unterschiedlichen Orientierungen und das Aufzeigen des kollektiven Mehrwerts ist anspruchsvoll, wie die «Spuren aus der Praxis» in Kapitel 1.1 aufzeigen. Die Beiträge aus Wissenschaft und Fachdiskurs in Kapitel 1.2 bestätigen jedoch, dass sich der Aufwand lohnt und Schulleitungen nicht nur Professionalität und Selbstwirksamkeit in Schulteams fördern, sondern auch das Wohlbefinden an Schulen. Handlungsimpulse zum konkreten Vorgehen in Veränderungsprozessen finden Sie in Kapitel 1.3.

1.1 Spuren aus der Praxis

Die folgenden Spuren aus der Praxis in Form von kurzen Vignetten beschreiben Situationen, die Sie als Schulleitung bei Entwicklungsvorhaben allenfalls schon angetroffen oder erlebt haben. Vielleicht kennen Sie die eine oder andere Spur auch vom Hörensagen. Sie können nun dort weiterlesen, wo eine Spur Ihr Interesse weckt.

Vorgaben erzeugen Widerstand

Obwohl wir als Schule gut unterwegs sind und unterschiedliche Entwicklungsvorhaben bewältigt haben, erzeugen Reformvorgaben, ob seitens des Kantons oder der Gemeinde, zunehmend Widerstand. Das ist für mich nachvollziehbar, denn unsere Koffer, also die Ressourcen und Rahmenbedingungen, bleiben meist gleich gross, während immer mehr Kleider eingepackt werden sollten. Ich bemerke, wie die Abwehrhaltung die Entwicklungsbereitschaft im Schulteam hemmt. Wie können wir auch in schwierigen Situationen weiterhin Entwicklungschancen sehen und zu unserer alten Dynamik und Kreativität zurückfinden?

Zwiespältige Veränderungsbereitschaften

Veränderungen erfordern ein Weiterlernen im Team. Ich erlebe jedoch, dass das Kollegium alles beim Alten lassen will. Das beschäftigt mich, denn ich begegne Veränderungen im beruflichen Umfeld ebenfalls mit Respekt und spüre Ambivalenzen. Gleichwohl weiss ich, dass wir als Schule nicht an Ort treten sollten. Es beschäftigt mich, dass ich in solchen Situationen nicht ausreichend Vorbild für Flexibilität und Veränderung bin. Gehört es als Schulleiter:in dazu, Lösungen für Sachen zu suchen, die einem selbst nicht so schmecken? Wie kann mir das gelingen?

Sich eingespielten Routinen widersetzen

Unsere Schule ist in den letzten Jahren gewachsen. Es gehört zu meinen Führungsaufgaben strukturelle Veränderungen einzuleiten, wenn Abläufe an der Schule nicht mehr funktionieren. Längerfristige, tiefgreifende Veränderungsprozesse sind in meinem Team unbeliebt. Sie stossen vor allem auf Widerstand, wenn «zusätzliche Ressourcen» als einfache Lösung Entlastung bringen. Ich gerate in solchen Situationen unter Druck und muss Position beziehen. Soll ich mithilfe von Ressourcen kurzfristig für verbesserte Arbeitsbedingungen sorgen und mich damit in den Dienst des Kollegiums stellen und oder standhaft bleiben und eine nachhaltige Veränderung anstreben?

Der Mehrwert von Veränderung

Wie gehe ich damit um, dass fast alle Schulen nach dem neuen Schulorganisationsmodell des Kantons arbeiten, aber meine Schule das alte Modell produktiver und effizienter findet? Ich merke, wie ich ebenfalls am alten Modell festhalte, obwohl es durchaus Mängel hat. Verstellt mein Wunsch nach Kontinuität den Blick auf die Schwächen des alten Systems? Wie gelingt es, zusammen den Mehrwert des Neuen in den Blick zu nehmen?

Impulse aus dem Team aufgreifen

Der Entwicklungsprozess an unserer Schule hat eine gute Eigendynamik entwickelt. Lehr- und Fachpersonen bringen laufend Ideen ein. Das ist erfreulich und entfaltet einen willkommenen Teamspirit. Ich greife die Ideen gerne auf, was jedoch dazu führt, dass wir zunehmend von den Entwicklungsschwerpunkten abweichen und den laufenden Entwicklungsprozess schwächen. Wie gewährleiste ich, dass wir auf Kurs bleiben und die Impulse der Mitarbeitenden trotzdem aufgegriffen werden?

Motivation im Team aufrechterhalten

Grundsätzlich läuft es gut an unserer Schule. Kürzlich haben wir die erreichten Meilensteine unseres Entwicklungsprojekts gewürdigt. Das wurde im Team positiv aufgenommen und führte insbesondere bei denjenigen, die der Veränderung skeptisch gegenüberstanden, zu spürbarer Erleichterung. Eigentlich wäre jetzt ein geeigneter Moment, um eine Entwicklungspause einzulegen, die neuen Abläufe zu konsolidieren und Energie zu tanken. Da wir jedoch erst auf halbem Weg sind, sollten wir weitermachen. Wie kann ich die Motivation des Teams für die zweite Phase des Projekts aufrechterhalten?

Laute Bedenken übertönen leise Zustimmung

Im kommenden Schuljahr wechseln zwei Kinder mit Trisomie 21 vom Kindergarten in die erste Klasse, was verschiedene Anpassungen erfordert. Obwohl an unserer Schule bereits Kinder mit Beeinträchtigungen unterrichtet werden, nehme ich bei diesem Entwicklungsvorhaben eine Vielzahl von Bedenken wahr und frage mich, warum unterstützende Stimmen aus dem Kreis der Klassenlehrpersonen kaum hörbar sind. Auffällig ist, dass jüngere Lehrpersonen mit wenig Erfahrung gegenüber einigen langjährigen Kolleg:innen offener eingestellt sind. Da für solche Projekte eine breite Unterstützung im Team erforderlich ist, wirft diese Zurückhaltung für mich Fragen auf.

Handeln unter Druck oder sich Zeit lassen

Der Kanton hat ein neues System zur Erfassung von Bildungsdaten entwickelt. Schulen können neuerdings eigene Kategorien in das Tool einpflegen. Die Übergangsfrist zur Umsetzung beträgt drei Jahre, was mir die Gelegenheit gibt, im Rahmen des Schulprogramms zu überlegen, welche Daten eine evidenzbasierte Schulentwicklung tatsächlich fördern. Kürzlich wiesen mich einige Lehrpersonen auf eine benachbarte Schule hin, die bereits nach dem neuen System arbeitet. Das setzte mich spürbar unter Druck: Sollte ich vorwärtsmachen und allenfalls das System der anderen Schule übernehmen? Eigentlich wollte ich noch zuwarten, um die eigene Entwicklung fundiert voranzubringen. Nun frage ich mich, ob Führung manchmal bedeutet, bewusst zuzuwarten, um Entwicklungen die nötige Zeit zu geben.

Das eigene Schulprofil wird zur Leitlinie