Munkel Trogg: Der kleinste Riese der Welt und der große Drachenflug - Janet Foxley - E-Book

Munkel Trogg: Der kleinste Riese der Welt und der große Drachenflug E-Book

Janet Foxley

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Beschreibung

Munkel Trogg, der kleinste Riese der Welt, kommt ganz groß raus! Dank Munkel Trogg gelingt den Riesen im letzten Moment die Flucht aus dem explodierenden Rumpelberg. Gegen Norden sollen sie auf ihren Drachen fliegen, ans Ende der Welt. Als Munkel auf seinem Drachen Snarg etwas später nachkommt, traut er seinen Augen nicht: Die Riesen sind nicht dem Nordstern gefolgt, sondern haben sich in der Nähe von silbernen Drachen niedergelassen. Und sie wollen auf keinen Fall weiterfliegen ... Ein neues spannendes Abenteuer um den kleinsten Riesen der Welt mit dem Herz aus Gold

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Seitenzahl: 162

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Ähnliche


Janet Foxley

Munkel Trogg

Der kleinste Riese der Welt und der große Drachenflug

Aus dem Englischen von Sigrid Ruschmeier

Mit Bildern von Steve Wells

FISCHER E-Books

Inhalt

WidmungMunkel Trogg und seine Familie1. Kapitel1. Kapitel2. Kapitel3. Kapitel4. Kapitel5. Kapitel6. Kapitel7. Kapitel8. Kapitel9. Kapitel10. Kapitel11. Kapitel12. Kapitel13. Kapitel14. Kapitel15. Kapitel16. Kapitel17. Kapitel18. Kapitel19. Kapitel20. Kapitel21. Kapitel22. Kapitel

Zum Andenken an meinen Vater Joseph Hardy (1906–2004)

1. Kapitel

»Tut mir leid, Snarg«, sagte Munkel und unterdrückte ein Gähnen. »Aber wir müssen uns jetzt was suchen, wo wir sicher landen können.«

Der Drache fiepte ängstlich, blies zwei Rauchringe in die Luft und flog sogar noch schneller weiter. Munkel setzte die Drachenflöte an die Lippen und blies den Befehlston für »Landen«.

Snarg drehte den Kopf und beäugte ihn misstrauisch.

»Tut mir leid«, sagte Munkel noch einmal. »Aber wenn wir nicht bald landen, schlafe ich hier auf deinem Rücken ein. Und wenn ich auf dir einschlafe, falle ich von dir runter.«

Das war nicht das einzige Problem. Munkel musste nach Norden fliegen, um seine Familie und all die anderen Riesen aus Rumpelberg zu finden, die vor ihm und Snarg zum Ende der Welt aufgebrochen waren. Doch das Sternbild des Großen Wunderesels am Himmel, dessen Nase den Weg nach Norden wies, verschwand immer wieder hinter den aufziehenden dunklen Wolkenbergen. Munkel war in Gefahr, sich zu verirren.

»Landen«, blies er noch einmal und drückte fest auf das Halsband des Drachen. »Landen! Lan- den!«

Endlich wusste Snarg, dass es ernst gemeint war, und tauchte in das tieferliegende Gewölk. Neugierig, wie es am Boden aussah, beugte Munkel sich vor. Sie brauchten eine Stelle, an der sie in Deckung gehen konnten, vielleicht einen Wald, am besten einen, der weit entfernt von Kleinlingshäusern war. Doch während Munkel den Boden immer noch nicht sehen konnte, änderte Snarg so plötzlich die Richtung, dass sein Passagier beinahe wirklich heruntergefallen wäre.

»He, Snarg, was soll das?«

Snargs Ohren und Nase waren viel feiner als Munkels, und bevor Munkel begriff, was der Drache gehört oder gerochen hatte, scherte der noch einmal aus, gerade rechtzeitig, um nicht mit einer ganzen Gruppe Drachen zusammenzustoßen, die ihnen in den Wolken entgegenflog.

»Raubauz!«, schrie Munkel, als er seinen Bruder auf Reks, dem prächtigsten Regenbogenroyal des Königs, erspähte. »Wo zum Kladderabum wollt ihr hin? Ihr sollt nach Norden fliegen.«

»Sind wir immer noch falsch?«, rief Raubauz. »Ich Dödel, jetzt versteh ich, warum wir die anderen verloren haben.«

»Ach, Kladderabum sei Dank, Munkel!«, schrie Munkels Mutter. »Ich hatte schon Angst, wir würden dich nie wiedersehen.« Sie und Pa saßen noch gut festgeschnallt auf den Königsthronen auf Reks’ Rücken, so wie Munkel sie zuletzt gesehen hatte, als ihre Heimat Rumpelberg explodiert und alle Riesen geflüchtet waren.

»Ihr hättet mich auch nicht wiedergesehen, wenn ihr weiter nach Süden geflogen wärt. Denn ich wäre weiter nach Norden geflogen«, sagte Munkel, und dann ein wenig beunruhigt: »Raubauz, warum hast du gesagt: ›Sind wir immer noch falsch?‹«

Während die Drachen schwebend in der Luft verharrten, Snarg beschnüffelten und ihn mit Willkommensrauchringen begrüßten, verschaffte sich Munkel rasch einen Überblick. Mehr als vierhundert Riesen waren zum Ende der Welt aufgebrochen, und zwar zu zweit, zu dritt oder noch mehr auf einem Drachen, doch jetzt sah er nur etwa zwanzig Tiere.

»Zuerst konnten wir vor lauter Qualm und Staub nichts sehen und wussten nicht, welche Richtung wir einschlagen sollten«, erzählte Raubauz. »Doch als wir aus dem Qualm rauskamen, hat Pa uns den Nasenstern des Wunderesels gezeigt. Nach einer Weile haben wir Biblos und Titan auf Titans Drachen getroffen, und da meinte Biblos, wir sollten in Richtung des Wundereselschwanzes fliegen, und wir haben kehrtgemacht.«

»Schnickschnax nochmal!«, sagte Munkel. »Ich weiß, Biblos ist in letzter Zeit ein bisschen tüddelig geworden, aber dass er so was Wichtiges verwechselt, hätte ich nicht gedacht. Hattet ihr den Eindruck, er war verwirrt?«

»Nein, er sah aus, als ob er schliefe«, knurrte Pa. »Titan hat behauptet, Biblos hätte ihm gesagt, in Richtung des Schwanzes zu fliegen.« Er schüttelte den Kopf. »Ich war mir ja eigentlich sicher, dass es die Nase war, aber genau wusste ich es natürlich nicht. Beim Jagen im Rumpelberger Wald habe ich mich immer an Erkennungszeichen auf dem Boden orientiert, nicht an Sternen. Ich hätte wissen müssen, dass man Titan Strotz nicht trauen darf.«

Plötzlich entstand Bewegung am Ende der Drachengruppe, ein zweiter Regenbogenroyal stieß aus den Wolken, prallte fast mit den anderen Drachen zusammen und drängte sich nach vorn. »Warum hängt ihr hier rum, ihr Labertaschen?«, rief Prinzessin Rotzmops. »In den Wolken anzuhalten ist gefährlich. Majesto hätte sich den Hals brechen können.«

Majesto war der zweitbeste Drache des Königs, und er sah im Moment bei weitem königlicher aus als seine Passagiere, die Prinzessin und ihre Eltern, König Gedankenarm und Königin Dickmadam. Die hatten nämlich ihre Kronen verloren, und ihre Kleidung war zerknautscht und zerrissen. Als Rotzmops Munkel erblickte, riss sie die Augen auf.

»Ach, du bist es, Weiser Knirps«, sagte sie. »Wo ist der Wunderesel? Sollte er uns nicht den Weg zum Ende der Welt zeigen?«

»Er hatte anderes zu erledigen«, erwiderte Munkel rasch. »Aber er hat mir gesagt, wir sollten immer dem Nasenstern nach fliegen, dann würden wir dort ankommen.«

»Dem Schwanzstern nach«, korrigierte Rotzmops ihn. »Biblos hat uns gesagt, dem Schwanzstern nach.«

»Wirklich? Oder war es sein Drachenführer, Titan Strotz?«

Rotzmops zuckte die Achseln. »Ist doch Jacke wie Hose.«

Nein, ist es nicht, dachte Munkel, noch beunruhigter. Titan Strotz war dafür bekannt, dass er anderen Riesen gern Scherereien bereitete. Munkel zum Beispiel ärgerte er, wo er konnte, und tat alles, damit dieser immer als der Dumme dastand. Eigentlich war Titan selbst strohdumm, aber bisweilen gefährlich durchtrieben. Munkel traute ihm keinen Fingerbreit über den Weg.

»Zwischen dem, was Titan sagt, und dem, was Biblos sagt, besteht ein himmelweiter Unterschied«, sagte er. »Alle kehrtmachen!«

Aus allen Drachenflöten ertönten die Befehle »Rechts um« und »Links um«, und kurze Zeit herrschte ein einziges Tohuwabohu.

Ma fragte ängstlich: »Woran erkennen wir denn, ob wir jetzt in die richtige Richtung fliegen? Es ist so wolkig, dass ich keinen einzigen Stern sehe.«

»Ich schon!«, rief Rotzmops und sauste mit Majesto los.

Munkel flog mit Snarg eiligst hinter ihr her. »Das ist kein Stern«, rief er. »Das Licht ist zu nah und zu rot und geht außerdem immer an und aus.«

»Du hast recht, Knirps. Es ist das Auge eines Drachen, und es blinzelt. Wir haben einen von den anderen Drachen gefunden.«

»Er geht in den Sinkflug«, sagte Raubauz, der sie eingeholt hatte. »Offenbar will er landen. Vielleicht wollen sie eine Pause machen und jagen. Ich habe übrigens einen Mordshunger.«

»Ich auch«, sagte Rotzmops. »Seit wir von zu Hause aufgebrochen sind, haben wir nichts gegessen. Aber wie sollen wir ohne Waffen auf die Jagd gehen? Wir haben alles in Rumpelberg gelas- sen.«

»Pa denkt sich schon was aus«, sagte Raubauz. »Stimmt’s, Pa?«

»Klar, ich kann mit bloßen Händen jagen«, protzte Pa. »Los geht’s.«

»Nur, wenn keine Gefahr besteht«, sagte Munkel, während sie dem rotblinkenden Auge tiefer nach unten in die Wolken folgten. »Ich fliege mal vor und schau mir alles genau an.«

Snarg schaffte es spielend, sich an die Spitze seiner Drachenkollegen zu setzen, denn seine früher gestutzten Flügel waren schon lange verheilt, und er hatte viel mehr Flugpraxis gehabt als sie. Die anderen Drachen hatten gerade erst fliegen gelernt, weil man ihnen bis dahin immer die Flügel durchgeschnitten hatte, damit sie nicht wegfliegen konnten. Nun waren sie darauf angewiesen, dass die Heftpflaster und Klebestreifen hielten, mit denen man ihnen die Flügel zusammengeklebt hatte.

»Das gibt’s doch nicht!«, rief Munkel, als er mit Snarg durch die Wolke stieß und zum ersten Mal klar den Boden unter sich sah. »Anhalten und schweben!«, blies er in die Drachenflöte, und das musste er Snarg nicht zweimal befehlen. Sofort schlossen die anderen Drachen zu ihnen auf, und von der einen Seite krachte die Königliche Familie in Snarg, von der anderen Familie Trogg.

»Ein silberner Drache«, stieß Raubauz aus, als auch er sah, wem sie gefolgt waren. »Ein riesiger silberner Drache!«

»Silberne Drachen?«, schrie der König. »Die sind noch edler als Regenbogenroyals. Hier muss das Ende der Welt sein.«

»Jawohl«, rief Ma. »Schaut doch, wie groß die Häuser sind – das sind Häuser für Riesen!«

Munkel sah es auch. Die Häuser waren wirklich groß genug für Riesen. Aber sie interessierten ihn weniger. »Seht mal die Drachen an«, sagte er voller Sorge.

Der silberne war neben einer Reihe anderer gelandet, doch solche Drachen hatte Munkel noch nie gesehen. Sie bestanden praktisch nur aus Rumpf und hatten weder Hals noch Schwanz. Der, der gerade gelandet war, rumpelte auch nicht auf stämmigen Beinen unbeholfen über den Boden, sondern rollte elegant aus, als hätte er … Räder? Seine Flügel waren weit und starr ausgebreitet und nicht nach innen geklappt wie die eines Drachen bei der Landung.

»Hoch! Hoch!«, Munkel blies hektisch in seine Drachenflöte. »Hoch!«

»Was machst du?«, schrie Raubauz.

»Alle zurück in die Wolken, schnell!«, brüllte Munkel.

»Warum denn?«, fragte Pa. »Wir wollten doch jagen.«

»Hier nicht, das geht nicht! Schau den silbernen Drachen an, Pa.«

»Oh, Kladderabummdiwumm!« Ma verschlug es den Atem. »Er hat Türen an den Seiten und Treppen, die rausgucken, und … und …«

»… heraus kommen Kleinlinge«, sagte Munkel grimmig.

»Das ist ja grauenhaft!«, schrie Rotzmops. »Diese hundsgemeinen Kleinlinge haben dem Drachen den Bauch aufgeschlitzt, damit sie in ihm fliegen können.«

Ma brach in Tränen aus und drückte Drachi, das Regenbogenroyal-Baby, das sie in ihrer Obhut hatte, fest an die Brust. »Schnell, flieg uns zurück in die Wolken, Raubauz«, schluchzte sie, »bevor die Kleinlinge uns sehen und unsere Drachen fangen!«

2. Kapitel

»Bitte, Ma, wein nicht«, sagte Munkel, als alle schleunigst in Deckung flogen. »Ich glaube nicht, dass das echte Drachen sind. Es muss etwas sein, das die Kleinlinge mit ihren Zauberkräften gebaut haben, so wie die Karren, die von allein fahren.«

»Ich habe keinen Atemzug lang gedacht, dies sei das Ende der Welt«, sagte die Königin. »Die Häuser waren viel zu schlicht – gut genug für Zwelfen, würde ich sagen, aber keinesfalls gut genug für Riesen, und schon gar nicht prächtig genug für eine königliche Familie.«

In den alten Geschichten über das Ende der Welt hatten die Riesen dort nicht allein gelebt, sondern die mit ihnen zusammenwohnenden Zwelfen als Sklaven gehalten. Irgendwann vor uralten Zeiten hatten sich ihre Wege getrennt. Die Riesen verließen das Ende der Welt, um die ganze Welt zu erobern, und schafften es. Dann wendete sich das Blatt, denn die Kleinlinge tauchten auf – kleinere, schwächere Leute, die aber die Riesen mit ihren Zauberstöcken töten konnten. Von da an mussten die Riesen sich immer neue, geheime Verstecke suchen, und Munkels Vorfahren landeten schließlich im Rumpelberg, wo sie jahrhundertelang in den Stollen eines alten Bergwerks lebten, aber nicht begriffen, dass der Rumpelberg ein Vulkan war. Nun war er ausgebrochen, seine Bewohner waren mit nichts als ihren Drachen geflohen und wollten sich am sagenhaften Ende der Welt in Sicherheit bringen.

Jetzt allerdings wurden die Drachen müde. Sie ernährten sich von Sonnenlicht und hatten, seit die große schwarze Qualmwolke den Himmel verdunkelt hatte, keine Sonne mehr gesehen.

»Irgendwo müssen wir jagen, Munkel«, jammerte Raubauz, als sie in den Wolken weiterflogen, ohne etwas erkennen zu können. »Ich bin am Verhungern.« Wie zur Bestätigung knurrte ihm laut und vernehmlich der Magen.

»Wir alle haben Hunger«, sagte Munkel. »Sobald wir weit genug von diesem Kleinlingsdrachenplatz entfernt sind, suchen wir uns eine Stelle, wo wir gefahrlos jagen können.« Munkel führte die Gruppe der Riesen und Drachen in die untersten Wolkenschichten, wo sie gut verborgen waren, aber von Zeit zu Zeit auch einen Blick auf die Erde werfen konnten.

Plötzlich rief Raubauz: »He, Munkel, warte auf uns!«

Munkel schaute zurück. Er hatte nicht gemerkt, dass Snarg weit vorausgeflogen war. Die anderen Drachen flogen nur noch mit letzter Kraft, und Munkel sah, dass sich auch die Klebestreifen und Pflaster auf ihren Flügeln allmählich lockerten. Ob gefährlich oder nicht, sie mussten bald landen, sonst würden sie abstürzen.

»Flieg noch ein bisschen tiefer, Snarg«, sagte Munkel zu seinem Drachen und drückte leicht auf das Halsband. »Ich brauche einen besseren Blick auf den Boden.«

Den bekam er auch, und zwar einen geradezu phantastischen, denn unter ihnen erstreckte sich eine riesige weite Fläche, und von Horizont zu Horizont war kein einziges Kleinlingslicht zu sehen. Noch besser: Das ganze Gebiet war von einem kilometerlangen Drahtzaun umgeben, der stark und hoch genug war, um Kleinlinge fernzuhalten.

Munkel drehte sich um und hielt Ausschau nach den Drachen und ihren Reitern. Als Raubauz in Sicht kam, winkte er ihn zu sich. Snarg blieb in der Luft stehen, bis Reks da war.

»Wo sind die anderen?«, fragte Munkel.

»Ein bisschen weiter hinten, aber bald da. Können wir hier jagen gehen? Mir hängt der Magen in den Kniekehlen.«

Zu ihrer Linken wurde der Himmel blasser. Irgendwo hinter den düsteren Wolkenbänken ging wahrscheinlich die Sonne auf, und der schwarze Grund unter ihnen nahm allmählich verschiedene Grautöne an. Dann verwandelte sich das dunkelste Grau in einen Wald, das hellste in Wasser und das Mittelgrau in Wiesen.

»Ja, hier können wir jagen!«, rief Pa aufgeregt. »Schaut euch die Kuhherde an. Lasst uns ein Rindvieh fangen, solange es noch nicht richtig wach ist.«

Munkel wusste, dass Pa kein Meister im Kühefangen war. Wenn sie überhaupt zu einem Frühstück kommen wollten, war wohl ein noch halb schlafendes Tier ihre einzige Chance. Sie flogen niedriger.

»Das sind keine Kühe, Pa«, sagte Munkel beim Näherkommen. »Jedenfalls sehen sie nicht wie die Kühe auf dem Kleinlingsbauernhof aus, auf dem wir mal mit dir jagen waren.«

Als alle Drachen im Tiefflug daherschwebten, kriegten die Tiere auf den großen Wiesen Angst und begannen wegzurennen. Die Riesen sahen sie jetzt deutlicher. Manche waren grau und dick wie sie, hatten große lappige Ohren und erstaunlich lange Nasen, die über den Boden schlappten, andere waren braungelbgefleckt, hatten lange Beine, noch längere Hälse und waren so groß wie Riesen.

»Ich wusste gar nicht, dass Kühe so aussehen«, sagte der König, als Rotzmops Majesto neben Reks in der Luft zum Schweben brachte.

»So sehen sie auch nicht aus«, sagte Pa. »Solange ich Jäger bin, und ich bin es schon eine ganze Weile, habe ich noch nie solche Tiere gesehen.«

»Na, wie heißen sie, Weiser Knirps?«, fragte der König.

»Das weiß ich nicht«, sagte Munkel. »Aber offenbar sind wir in einem fremden Land, wo es fremde Tiere gibt.«

»Riesentiere«, sagte Rotzmops. »Könnten das die Wun–?«

»Nein«, sagte Munkel rasch. »Das glaube ich nicht.«

Die anderen Riesen dicht hinter sich, umflog er mit Snarg die Tiere in immer größeren Kreisen.

»Ach, seht mal«, rief Ma. »Seht mal dort!«

Munkel, der den Boden zu seiner Linken abgesucht hatte, schaute jetzt nach rechts, wo Ma hinzeigte. Bis zum Ufer eines Sees erstreckte sich ein Wald. Am einen Ende des Sees war eine Insel und auf der Insel ein prächtiges Schloss. Es hatte vier Stockwerke und runde, mit Zinnen bewehrte Türme, die sogar noch höher waren, und Dutzende Fenster, die funkelten, als das Morgenlicht durch die dunkle Wolke brach. Das Schloss war in allen Regenbogenfarben angestrichen.

»Ein Regenbogenschloss!«, rief die Königin. »Von so einem habe ich immer geträumt. Wir sind da. Hier ist das Ende der Welt.«

»Nein, Dero Königliche Kolossalität«, sagte Munkel. »Ich glaube zwar, wir können hier haltmachen, uns ausruhen und jagen, ohne dass uns etwas passiert, aber es ist nicht das Ende der Welt.«

»Selbstredend ist es das Ende der Welt«, sagte der König. »Und von genau diesem Schloss hat meine Gemahlin immer geträumt.«

Ma überlegte. »Warum, meinst du, ist es nicht das Ende der Welt?«, fragte sie Munkel.

»Weil wir noch längst nicht weit genug geflogen sind. Und weil wir das Meer noch nicht überquert haben«, erwiderte er.

Alle fingen an zu lachen, nur Munkels Familie schaute ihn besorgt an.

»Munkel, das Meer kommt nur in Sagen vor«, sagte Ma leise. »Das Meer gibt es nicht.«

»Sieh einer an, er ist der Weise Knirps und weiß so was nicht«, spottete Rotzmops. »Besonders weise scheint er nicht zu sein.«

»Niemand, der weise ist, glaubt, dass es das Meer gibt«, pflichtete die Königin ihrer Tochter bei. »Wie kann es denn einen Ort geben, der nur aus Wasser besteht?«

Munkel wusste, dass es das Meer gab. Er hatte es gesehen, als er nach dem Ausbruch des Rumpelbergs seine Kleinlingsfreundin Emily mit Snarg zu ihren Eltern in Sicherheit geflogen hatte. Aber das konnte er natürlich nicht sagen, denn nach dem Gesetz mussten sich die Riesen vor den Kleinlingen verborgen halten und seine Freundschaft mit Emily hochgeheim bleiben.

»Ich weiß, dass es das Meer gibt, weil der Wunderesel es mir erzählt hat«, sagte er deshalb.

Alle Riesen glaubten an Wunderesel, weise und Wunder wirkende Wesen, die ihnen in Zeiten von Not und Bedrängnis zu Hilfe kommen würden. Angeblich gab es am Ende der Welt eine ganze Herde dieser Wunderesel, doch im Rumpelberg war noch nie einer gesehen worden. Darum hatte sich Emily auch als Wunderesel verkleiden und so tun können, als sei sie einer. Sie hatte Munkel damit geholfen, die Riesen von der Notwendigkeit zu überzeugen, dass sie sich in Sicherheit brachten.

»Ja«, schrie Prinzessin Rotzmops. »Natürlich, die Wunderesel! Wir hatten sie völlig vergessen, aber jetzt sind sie hier. Es beweist, dass du unrecht hast, Knirps. Das Ende der Welt ist hier und nirgendwo sonst.«

3. Kapitel

»Wo? Wo?« Alle schauten dorthin, wo die Prinzessin hinzeigte.

Und da waren sie. Eine ganze Herde, wie die alten Sagen erzählten. Graue, aufrecht auf zwei Beinen stehende Tiere. Mit den kurzen Armen und großen kräftigen Schwänzen sahen sie eher nicht so aus wie Emily in der Verkleidung als Wunderesel, aber Emily hatte auch nur im Vorderteil eines Esels gesteckt und deshalb gar keinen Schwanz gehabt.

Wie hatte Munkel sich nur so irren können! Verängstigt und ratlos führte er die Riesen zu einem Landeplatz zwischen dem See und einem Wald. Die Drachen ließen sich sofort auf das Gras plumpsen und schliefen schon ein, als ihre Passagiere, steif von dem langen Flug und mit schmerzenden Gliedern, von ihnen heruntertaumelten. Während die Riesen sich reckten und streckten, warfen sie immer wieder sehnsuchtsvolle Blicke zu dem Regenbogenschloss auf der Insel.

»Das ist es«, sagte die Königin. »Das Schloss meiner Träume. Aber wie sieht es bloß aus! Wahrscheinlich ist es seit Jahren nicht mehr saubergemacht worden. Schaut, wie viel Staub darauf liegt.« Sie rümpfte die Nase und schaute nach unten. »Sogar auf dem Gras hier liegt Staub.«

»Meine Liebe, unsere Vorfahren sind vor Jahrhunderten fortgegangen«, sagte der König. »Da ist es doch nicht verwunderlich, wenn es ein bisschen schmutzig geworden ist.«

Munkel bückte sich und nahm eine Handvoll Staub von dem Gras. Es war eher Pulver als Staub und aschgrau.

»Aber die Zwelfen sind doch hier geblieben«, sagte die Königin. »Sie haben sich nicht ordentlich um das Schloss gekümmert. Ich muss ein ernstes Wort mit ihnen reden.« Entschlossen ging sie zum Seeufer, drehte sich aber gleich wieder hilflos um. »Wie kommen wir hinüber, Weiser Knirps?«, rief sie.

Die Riesen mochten kein Wasser – sie wuschen sich nie, und in Rumpelberg konnte man auch nirgendwo schwimmen lernen. Doch jetzt war viel, sehr viel Wasser zwischen der Königin und dem Schloss.

Munkel wollte ebenfalls gerade zum Ufer gehen, als Raubauz ihn festhielt. »Wir müssen zuerst was essen«, sagte er eindringlich. »Mein Magen ist so leer, dass ich mich ganz hohl fühle.«

»Komm zurück, Liebes«, rief König Gedankenarm der Königin zu. »Bevor wir zum Schloss gehen, essen wir. Wo ist das Essen, Weiser Knirps?«