Mutterglück auf Raten - Gert Rothberg - E-Book

Mutterglück auf Raten E-Book

Gert Rothberg

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Beschreibung

In diesen warmherzigen Romanen der beliebten, erfolgreichen Sophienlust-Serie ist Denise überall im Einsatz. Denise hat inzwischen aus Sophienlust einen fast paradiesischen Ort der Idylle geformt, aber immer wieder wird diese Heimat schenkende Einrichtung auf eine Zerreißprobe gestellt. Doch auf Denise ist Verlass. In der Reihe Sophienlust Extra werden die schönsten Romane dieser wundervollen Erfolgsserie veröffentlicht. Warmherzig, zu Tränen rührend erzählt von der großen Schriftstellerin Patricia Vandenberg. »Ja, so könnte es gehen«, murmelte Gerd Dieffenbach befriedigt und beugte den Kopf wieder über das Reißbrett. Endlich war ihm eine zündende Idee gekommen. So löste er sich nur widerwillig von seiner Arbeit, als er unten die Türglocke anschlagen hörte und gleich darauf Frau Krause, seine Haushälterin, nach kurzem Anklopfen, das Arbeitszimmer betrat. »Ein Telegramm für Sie, Herr Dieffenbach. Hoffentlich nichts Schlimmes.« »Sicher nur geschäftlich«, winkte der junge Innenarchitekt ab und riss den Umschlag auf. »Es scheint aber doch eine schlechte Nachricht zu sein?«, fragte Frau Krause mitfühlend, da er fassungslos auf das Blatt Papier starrte. Gerd Dieffenbach nickte mechanisch. »Das kann man wohl sagen! Meine Cousine und ihr Mann sind heute Nacht tödlich verunglückt. Sie hinterlassen drei Kinder!« »Ach du lieber Himmel die armen Würmchen!«, stieß Frau Krause erschüttert hervor. Haben Sie denn jemanden, der sich um sie kümmert?« Gerd. Dieffenbach zuckte die Achseln und betrachtete das Telegramm genauer. »Ich weiß es nicht.

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Seitenzahl: 155

Veröffentlichungsjahr: 2022

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Sophienlust Extra – 69 –Mutterglück auf Raten

… und bringt eine junge Frau ungewollt in Schwierigkeiten!

Gert Rothberg

»Ja, so könnte es gehen«, murmelte Gerd Dieffenbach befriedigt und beugte den Kopf wieder über das Reißbrett. Endlich war ihm eine zündende Idee gekommen. So löste er sich nur widerwillig von seiner Arbeit, als er unten die Türglocke anschlagen hörte und gleich darauf Frau Krause, seine Haushälterin, nach kurzem Anklopfen, das Arbeitszimmer betrat. »Ein Telegramm für Sie, Herr Dieffenbach. Hoffentlich nichts Schlimmes.«

»Sicher nur geschäftlich«, winkte der junge Innenarchitekt ab und riss den Umschlag auf.

»Es scheint aber doch eine schlechte Nachricht zu sein?«, fragte Frau Krause mitfühlend, da er fassungslos auf das Blatt Papier starrte. Gerd Dieffenbach nickte mechanisch. »Das kann man wohl sagen! Meine Cousine und ihr Mann sind heute Nacht tödlich verunglückt. Sie hinterlassen drei Kinder!«

»Ach du lieber Himmel die armen Würmchen!«, stieß Frau Krause erschüttert hervor. Haben Sie denn jemanden, der sich um sie kümmert?«

Gerd. Dieffenbach zuckte die Achseln und betrachtete das Telegramm genauer. »Ich weiß es nicht. Die Person, die es abschickte, ist mir völlig unbekannt. Hier steht nur, dass ich sofort zurückrufen soll. Da werde ich wohl zur Post müssen, denn das Telefon ist ja nach dem Sturm in der letzten Nacht immer noch gestört. Ich fahre am besten sofort los. Sollte meine Verlobte inzwischen kommen, dann bitten Sie sie, zu warten, ja?« Er nickte der grauhaarigen älteren Dame herzlich zu und sprintete mit langen Sätzen die Treppe hinunter. Und schon heulte der Motor seines schnellen Sportwagens auf.

Langsam ging Frau Krause die Treppe der einstöckigen Villa hinunter, die bis vor Kurzem noch ihr gehört hatte. Nach dem Tod ihres Mannes war sie ihr jedoch viel zu groß geworden. Denn ihr Sohn und dessen Familie, für die das Haus eigentlich gedacht war, lebten im fernen Australien. So war sie sehr froh, als sie in dem erfolgreichen Innenarchitekten Gerd Dieffenbach einen Käufer fand. Der war auch einverstanden, ihr in der Villa ein Wohnrecht einzuräumen und als Junggeselle nahm er das Angebot, ihm den Haushalt zu führen, freudig an. So hatte die ältere Dame wieder eine Aufgabe und jemandem, dem sie ihre Fürsorge angedeihen lassen konnte. Aber wahrscheinlich nicht mehr lange, denn in Kürze würde er die reizende Renate Thorwald heiraten, die dann sicher den Haushalt und ihren Mann selber versorgen wollte. Dafür hatte Frau Krause natürlich vollstes Verständnis. Sie mochte die junge Frau sehr gern und fand, dass die schöne Tochter eines reichen Hoteliers genau die richtige Partie für Gerd Dieffenbach war.

*

Draußen erklang jetzt die melodische Dreiklanghupe, mit der Renate ihre Ankunft stets zu melden pflegte, und gleich darauf kam sie mit raschen Schritten den kiesbestreuten Weg herauf. Sie trug einen flott geschnittenen Hosenanzug aus heller Rohseide und sah mit ihren langen, fast blauschwarzen Haaren, die sie an den Schläfen mit zwei Elfenbeinkämmen zurückgesteckt hatte, bezaubernd aus. »Hallo, Frau Krause, ist Gerd etwa fortgefahren?«, erkundigte sie sich enttäuscht, als sie sah, dass die Garage leer war.

»Er kommt gleich wieder und bittet Sie, zu warten«, richtete die alte Dame aus. »Er musste nur zur Post, unser Telefon ist ja immer noch gestört. Kein Wunder nach diesem entsetzlichen Unwetter letzte Nacht«, setzte sie hinzu.

»Ja, das war ein schrecklicher Sturm. Wir haben am Hotel auch schwere Schäden zu verzeichnen«, stimmte Renate zu und hob lachend den Kopf, weil sie Gerds Wagen in der Auffahrt hörte.

Gleich darauf war er bei ihr und begrüßte sie mit einem zärtlichen Kuss. »Entschuldige, dass ich dich warten ließ, aber Frau Krause hat dir sicher schon gesagt, was passiert ist?«

»Nur, dass du dringend zur Post musstest«, erwiderte Renate und fuhr lebhaft fort, während sie die Treppe hinaufgingen: »Ich komme übrigens, um dich zu einer Wochenendfahrt zu überreden. Meine beste Freundin möchte endlich meinen zukünftigen Mann kennenlernen und hat uns zu sich eingeladen. Sie selbst ist schon seit Jahren glückliche Ehefrau und Mutter und hat mich wohl im Geist schon als alte Jungfer enden sehen, weil ich mir gar so viel Zeit ließ.« Sie lachte hell auf. »Wenn sie dich jetzt kennenlernt, wird sie hoffentlich einsehen, dass sich das Warten auf den Richtigen gelohnt hat.« Ihr Blick ruhte mit zärtlichem Besitzerstolz auf dem gut aussehenden und hochgewachsenen Mann mit der durchtrainierten sportlichen Figur.

Aus Gerds grauen Augen blitzte ein amüsiertes Lächeln, als er erwiderte: »Ich hoffe, dass ich einen guten Eindruck auf deine Freundin mache, auch wenn ich sie zunächst einmal enttäuschen muss, denn ich werde keine Zeit für den Wochenendbesuch haben.«

»Dann hoffe ich nur, dass du eine sehr gute Ausrede hast«, schmollte Renate und warf das dunkle Haar mit einer ungeduldigen Kopfbewegung in den Nacken.

»Ich wünschte, es wäre nur eine Ausrede, aber leider gibt es einen sehr tragischen Anlass dafür«, erwiderte Gerd ernst und zog das Telegramm aus der Tasche. »Meine Cousine Marina und ihr Mann sind vergangene Nacht tödlich verunglückt.«

»Wie entsetzlich! Und die Kinder? Es sind doch drei, nicht wahr? Du hast mir einmal davon erzählt«, sagte Renate erschüttert.

Gerd nickte und zündete seine kurze englische Pfeife an: Dann antwortete er langsam. »Ja, sie hinterlassen drei Kinder. Susanne, die älteste, ist zehn Jahre alt, Oliver ist sieben, und die kleine Tina wird vier. Ich habe vorhin mit Marinas Freundin telefoniert, die mir das Telegramm schickte und die nun auch bei den Kindern ist. Sie erzählte mir, dass Marina und ihr Mann gestern Abend zu einem Betriebsfest der Bank fuhren, bei der Georg als Filialleiter angestellt war. Da das Vergnügen bis in die frühen Morgenstunden dauern sollte, hatte sich die Freundin erboten, bei den Kindern zu übernachten. Auf der Heimfahrt passierte dann der Unfall. Ein durch den Sturm entwurzelter Baum krachte auf das Auto. Georg war sofort tot, und Marina starb kurz darauf im Krankenhaus.« Gerd schwieg einen Augenblick, weil ihm die Stimme nicht mehr gehorchen wollte. »Natürlich muss ich mich jetzt um die Kinder kümmern, zumindest bis nach der Beerdigung. Marinas Freundin ist Schauspielerin und tritt morgen in Frankfurt ein neues Engagement an. Also bleibe ich wohl ein paar Tage bei ihnen, bis sich eine Lösung findet. Jemand wird die Vormundschaft für die Kinder übernehmen müssen. Zum Glück sind sie finanziell gesichert. Marina und ich haben ja von unserer gemeinsamen Großmutter ein kleines Vermögen geerbt, das Georg in sicheren Wertpapieren anlegte, und dann ist da ja auch noch das hübsche Reihenhaus, in dem sie wohnen.«

Er brach ab, denn es klopfte und Frau Krause trat ein, beladen mit einem Tablett, auf dem eine Kaffeekanne und ein lecker aussehender Napfkuchen standen.

»Ich dachte, Sie könnten jetzt vielleicht eine kleine Stärkung vertragen«, erklärte sie entschuldigend.

Renate sprang auf und nahm ihr das Tablett ab. »Da haben Sie völlig recht, Frau Krause, eine Tasse Kaffee wird uns sicher gut tun, und für Ihren Napfkuchen schwärme ich geradezu. Sie müssen mir unbedingt einmal das Rezept verraten.« Sie schenkte sich und ihrem Verlobten Kaffee ein und fragte dann, als Frau Krause den Raum wieder verlassen hatte: »Was wird denn nun aus den Kindern? Müssen sie in ein Waisenhaus oder gibt es eventuell noch andere Verwandte, die sich kümmern können?«

Gerd zuckte die Achseln und klopfte seine Pfeife aus. »Von unserer Seite aus nicht. Marinas Eltern waren geschieden, ihre Mutter ist tot, aber ich glaube, Georg hat noch Verwandte. Vielleicht nehmen die sich der Kinder an, sodass ihnen das Waisenhaus erspart bleibt.«

Renate trank ihren Kaffee aus und erhob sich. »So, mein Schatz, ich muss dich jetzt verlassen, wir haben heute Gäste und Mama legt großen Wert darauf, dass ich dabei bin. Ich finde mich also damit ab, das ganze Wochenende ohne dich zu verbringen. Hoffentlich ist die Freundin deiner Cousine nicht zu hübsch, du weißt, ich bin schrecklich eifersüchtig!« Ihre großen, dunkelbewimperten blauen Augen, die in reizvollem Kontrast zu dem schwarzen Haar standen, blinzelten ihm vergnügt zu.

Gerd legte den Arm um ihre Schulter und küsste sie. »Du weißt genau, dass mir keine andere Frau gefährlich werden kann. Ein Juwel wie dich gebe ich freiwillig nicht mehr her.«

»Das will ich aber auch hoffen«, lächelte Renate, sich ihres Wertes durchaus bewusst, und verließ nach einem letzten Kuss die Wohnung ihres Verlobten. Langsam und nachdenklich ging sie zum Auto. Hoffentlich fanden sich recht bald Verwandte, die sich der Kinder von Gerds Cousine annahmen, damit er diese Verpflichtung los war. Zwar taten ihr die armen Kinder, die auf so tragische Weise die Eltern verloren hatten, von ganzem Herzen leid, doch ihre eigenen Zukunftspläne wollte sie sich dadurch, nicht durcheinanderbringen lassen. Schon damals, als Gerd Dieffenbach hierher in den ruhigen Villenvorort Stuttgarts gezogen war und sie sich zum ersten Mal begegneten, war sie von ihm fasziniert gewesen. Dieser schlanke, aber breitschultrige Mann mit dem markanten Gesicht, den humorvollen grauen Augen und dem ungebärdigen dunkelblonden Haar hatte ihr sofort gefallen. Da er, wie sie ein Pferdenarr war und sofort dem örtlichen Reiterclub beitrat, kam man sich rasch näher. Besonders, als Renates Vater auch noch geschäftliche Verbindung mit dem jungen Innenarchitekten aufnahm und sich von ihm Pläne für die Ausstattung des Hotelneubaus ausarbeiten ließ. Die Eltern waren von ihrer Wahl begeistert, nicht nur, weil es für die immerhin schon achtundzwanzigjährige Renate allmählich Zeit wurde, an eine feste Bindung zu denken, sondern da sie in dem ruhigen zuverlässigen Gerd Dieffenbach auch den richtigen Partner für ihre temperamentvolle, eigenwillige Tochter sahen.

Renate umfasste vom Auto aus das Haus, in dem Gerd lebte, noch einmal mit liebevollem Blick. Hier würde sie bald, in zwei Monaten schon, als seine Frau einziehen, und sicher würden sie auch Kinder haben. Aber eigene und keine fremden, dachte sie mit einem Aufatmen.

*

Gerd fuhr am nächsten Morgen sehr früh in die Stadt. Zuerst zum Büro, das er mit einem tüchtigen Teilhaber zusammenführte. Dort gab er die Entwürfe, an denen er noch bis spät in die Nacht gearbeitet hatte, ab. Dann musste er noch zur Redaktion einer Wohnzeitschrift, deren ständiger Mitarbeiter er war, ehe er endlich nach Kornwestheim, einem weit außerhalb Stuttgarts liegenden Vorort, starten konnte. Dort hatten Marina und Georg Seek vor einigen Jahren ein hübsches geräumiges Reihenhaus bezogen. Bedrückt dachte Gerd daran, dass er seine Cousine und deren Familie schon lange nicht mehr besucht hatte, obwohl die kleine Tina sein Patenkind war. Außer gelegentlichen Telefonaten pflegten sie kaum noch Kontakt miteinander, obwohl sie als Kinder unzertrennlich gewesen waren. Nun war es zu spät. Marina war tot, und er fragte sich, ob die Kinder schon wussten, dass ihre Eltern nicht mehr zurückkehren würden.

Als er an einem Kaufhaus vorüberkam, hielt er an, um ein Mitbringsel für sie zu kaufen. Er dachte an Spielzeug oder Süßigkeiten, doch als er an der Zooabteilung vorbeiging, fiel sein Blick auf einen Korb mit jungen Kätzchen. Spontan winkte er einer Verkäuferin und ließ sich eines der winzigen Dinger samt allem, was zur Pflege und Haltung erforderlich war, einpacken. Sicher freuten sich die Kinder über etwas Lebendiges mehr als über Spielzeug, überlegte er. Der Summer reagierte sofort, als er an der Gartentür des schmucken Häuschens klingelte. Die junge Frau im modisch-bunten Folklorekleid, die an der Haustür erschien, erwartete ihn bereits ungeduldig.

»Herr Dieffenbach, nicht wahr? Ich bin froh, dass Sie endlich kommen, ich muss pünktlich in Frankfurt sein und hätte die Kinder nur ungern allein gelassen«, sprudelte sie hervor.

»Ist denn sonst niemand da, der sich um die Kinder kümmern könnte?«, erkundigte sich Gerd, während er ihr in das behaglich eingerichtete Wohnzimmer folgte. Die junge Schauspielerin bot ihm Platz an.

»Hier in Stuttgart nicht, darum bat mich Marina ja auch, für die eine Nacht bei den Kindern zu bleiben. Sie und Georg hatten sich so sehr auf das Betriebsfest gefreut. Sie gingen ja sonst fast nie aus, sondern lebten nur für die Kinder. Niemand konnte ahnen, dass es so entsetzlich enden würde.« Sie brach mit einem unterdrückten Schluchzen ab und suchte nach ihrem Taschentuch.

Gerd wartete, bis sie sich beruhigt hatte, und fragte dann leise: »Wissen es die Kinder schon?«

»Ja, ich habe versucht, es ihnen zu erklären, aber begriffen hat es wohl nur Susanne. Sie ist sehr verständig für ihre zehn Jahre und achtet rührend auf ihre kleineren Geschwister. Im Augenblick sind sie im Park und führen den Hund spazieren, sie werden aber sicher bald wieder hier sein. Inzwischen können wir noch über einige notwendige Dinge sprechen. Die Beerdigung findet am Montag statt, wenn Sie Ihr Einverständnis geben. Ich habe alles einem Institut übergeben. Leider konnte ich Ihre Anschrift nur sehr mühsam ausfindig machen, und dann streikte ja auch Ihr Telefon, sonst hätte ich Sie schneller benachrichtigt. Mit den Verwandten von Georg habe ich mich ebenfalls in Verbindung gesetzt, es handelt sich um einen Bruder seines Vaters und dessen Frau, die in der Nähe von Freudenstadt leben. Sie wollten ebenfalls heute im Laufe des Tages kommen. Falls Sie hier übernachten wollen, können Sie das Gästezimmer nehmen, und das Ehepaar Seek das Schlafzimmer, die Betten sind schon bezogen.«

»Sie haben wirklich an alles gedacht«, sagte Gerd anerkennend und fuhr fort: »Was wird denn nun aus den Kindern werden? Irgendeine Lösung wird man schließlich für sie finden müssen.«

Die junge Frau zündete sich eine Zigarette an und seufzte tief auf. »Ich habe mir auch schon den Kopf darüber zerbrochen. Leider ist es mir wegen meines Berufes unmöglich, mich weiter um sie zu kümmern. Am besten wäre es natürlich, wenn sie hier in ihrer gewohnten Umgebung blieben, mit einer verlässlichen Person, die sie betreut. Hoffen wir, dass Georgs Verwandte sich ihrer annehmen, sonst müssen sie in ein Waisenhaus, außer Sie nehmen sie zu sich oder ziehen hierher.«

Gerd wich ihrem fragenden Blick aus. »Das ließe sich mit meinem Beruf und meinen Lebensgewohnheiten nur schlecht vereinbaren, fürchte ich«, meinte er unbehaglich und war, froh, als in diesem Augenblick die Türglocke anschlug. »Das werden die Kinder sein«, vermutete Marinas Freundin und eilte zur Tür. Gleich darauf trat sie mit den beiden Kleineren ein, während Susanne mit einer schlanken Boxerhündin an der Leine folgte.

Gerd war überrascht, wie sehr das schmale Mädchen mit den braunen Haaren und den dunklen Augen Marina glich. Fast genau so hatte diese als Kind ausgesehen. Oliver war blond und blauäugig wie sein Vater, während die knapp vierjährige Tina mit ihren haselnussbraunen Zöpfchen, die wie kleine Hörner vom Kopf abstanden, eine Miniaturausgabe ihrer großen Schwester war.

*

Die Kinder blieben befangen bei der Tür stehen, als sie den Besucher gewahrten.

Gerd ging ihnen entgegen und reichte Susanne die Hand. »Ich bin Onkel Gerd, aber ich weiß nicht, ob ihr euch überhaupt noch an mich erinnert. Wir haben uns sehr lange nicht gesehen. Du warst damals gerade erst zur Schule gekommen, Susi, und Oliver lernte Laufen, er war fast noch ein Baby«, sagte er und strich dem Jungen über den blonden Pagenkopf.

»Und ich? Wie groß war ich?«, wollte Tina wissen und baute sich mit schief gelegtem Köpfchen vor ihm auf. In ihren Latzhosen, zu denen sie einen himbeerfarbenen Pulli trug, sah sie allerliebst aus. Gerd beugte sich zu ihr hinunter und nahm sie auf den Arm.

»Du warst noch winzig klein und wurdest gerade getauft. Ich habe dich in die Kirche getragen, und du warst sehr brav«, gab er Auskunft. Tina kicherte vergnügt und fühlte sich auf seinem Arm sichtlich wohl. Nur widerstrebend ließ sie sich wieder auf den Boden zurückstellen.

Susanne hatte inzwischen den Hund von der Leine losgemacht und wandte ihm ein blasses, verweintes Gesicht zu. »Tante Nora hat uns erzählt, dass du kommen würdest, Onkel Gerd, aber an früher kann ich mich nicht mehr so richtig erinnern«, sagte sie ernst und rief dann den Hund zurück, der argwöhnisch knurrend das Paket beschnüffelte, das Gerd neben der Couch abgestellt hatte.

»Pfui, Rieke, das tut man nicht«, schalt sie, als der Hund mit der Pfote an der Verpackung zu kratzen begann.

»Lass nur, sie riecht, dass etwas Lebendiges drin ist«, erklärte Gerd und fuhr besorgt fort: »Schade, ich wusste nicht, dass ihr einen Hund habt, aber notfalls kann man das Tierchen wohl zurückgeben.«

»Was ist es denn? Dürfen wir es auspacken?«, erkundigte sich Oliver aufgeregt und begann, als Gerd lächelnd nickte, das Packpapier von dem stabilen Katzenkörbchen aus Rohrgeflecht zu reißen. Vorsichtshalber hielt Susanne die immer noch knurrende Hündin am Halsband fest.

»Eine Miezekatze, ach, ist die niedlich«, jubelte Tina entzückt und streichelte zusammen mit Oliver das Tierchen, das sofort wohlig zu schnurren begann. Susanne ließ Rieke los, die das Kätzchen mit ihrer breiten Schnauze interessiert beschnüffelte und ihm dann kurz über das Fell leckte, zum Zeichen, dass sie es akzeptiert hatte.

»Dürfen wir das Kätzchen wirklich behalten?«, fragte Oliver begeistert. Gerd nickte lächelnd.

»Ja natürlich, wenn sich eure Rieke mit ihm verträgt, und das scheint ja fast so«, erwiderte er.

»Da werden Mami und Papi aber staunen, wenn sie wiederkommen«, strahlte Tina ihn unbefangen an.

Während Gerd und die junge Schauspielerin sich über die Köpfe der Kinder einen erschrockenen Blick zuwarfen, erklärte Susanne mit spröder Stimme: »Sie kommen nicht wieder, Tina, sie sind doch jetzt im Himmel beim lieben Gott.« Mit tränenverdunkelten Augen fuhr sie, zu den Erwachsenen gewendet, fort: »Sie versteht das noch nicht, sie ist noch zu klein, um zu begreifen, dass sie nie wiederkommen …« Ihre Stimme brach.

Gerd nahm sie spontan in die Arme und strich ihr über das seidige braune Haar, während sie das Gesicht an seiner Brust vergrub und fassungslos schluchzte.

»Lassen Sie sie weinen«, sagte Nora leise, »es wird ihr guttun, sie war wie erstarrt, seit sie von dem Unglück erfahren hat.« Mit einem Blick auf die Uhr entschuldigte sie sich: »Es tut mir leid, aber ich muss jetzt wirklich gehen, sonst komme ich in Teufels Küche.« Sie verabschiedete sich liebevoll von den Kindern und verließ dann eilig das Haus.

Oliver überließ das Kätzchen seiner kleinen Schwester und kam zu Gerd. »Warum weint die Susi so? Wollen wir das Maunzerle nicht behalten?«, erkundigte er sich unbehaglich.

»Natürlich dürft ihr das Kätzchen behalten«, sagte Gerd beruhigend.

Susanne hob den Kopf und versuchte ein tapferes Lächeln. »Ich weine ja schon gar nicht mehr, Oliver, siehst du, es ist alles gut.« Sie schnaubte kräftig in das Taschentuch, das der Onkel ihr reichte. »Bleibst du jetzt bei uns?«, fragte sie dann hoffnungsvoll.

»Für ein paar Tage schon«, erklärte Gerd zögernd, obwohl er sich insgeheim fragte, was er mit den Kindern anfangen sollte. Hoffentlich kamen die Verwandten Georgs recht bald und nahmen ihm die Verantwortung ab.

In diesem Augenblick klingelte die Türglocke und Tina sprang wie elektrisiert auf. »Das sind bestimmt Papi und Mami, jetzt kommen sie endlich wieder«, jubelte sie und wollte zur Tür rennen.

Susanne hielt sie am Träger ihrer Latzhose fest. »Das sind nicht Papi und Mami, ich habe dir doch gesagt, dass sie beim lieben Gott sind«, sagte sie leise.