Nach dem fernen Westen - Mark Twain - E-Book

Nach dem fernen Westen E-Book

Mark Twain

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Beschreibung

Im zweiten Teil des Buches "Lehr- und Wanderjahre" beschreibt Mark Twain seine Rückkehr an den Fluss nach 21 Jahren, bei der er mit einem Dampfschiff eine Reise von St. Louis nach New Orleans unternahm. Er beschreibt den Wettlauf von Dampfschiffen mit der Eisenbahn, die neuen und großen Städte und seine Beobachtungen über Habgier, Leichtgläubigkeit und Tragödien an den Ufern des Flusses und die vielerorts schlechte Architektur. Auch hier ist die Handlung von zahlreichen Anekdoten und Legenden durchsetzt. (aus wikipedia.de)

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Nach dem fernen Westen

Mark Twain

Inhalt:

Mark Twain – Biografie und Bibliografie

Nach dem fernen Westen

Vorwort

Erstes Kapitel

Zweites Kapitel

Drittes Kapitel

Viertes Kapitel

Fünftes Kapitel.

Sechstes Kapitel.

Siebentes Kapitel.

Achtes Kapitel.

Neuntes Kapitel.

Zehntes Kapitel.

Elftes Kapitel.

Zwölftes Kapitel.

Dreizehntes Kapitel.

Vierzehntes Kapitel.

Fünfzehntes Kapitel.

Sechzehntes Kapitel.

Siebzehntes Kapitel.

Achtzehntes Kapitel.

Neunzehntes Kapitel.

Zwanzigstes Kapitel.

Nach dem fernen Westen, Mark Twain

Jazzybee Verlag Jürgen Beck

Loschberg 9

86450 Altenmünster

ISBN: 9783849624811

www.jazzybee-verlag.de

[email protected]

Mark Twain – Biografie und Bibliografie

Eigentlich Samuel Langhorne Clemens, unter dem Namen Mark Twain bekannter amerikan. Humorist, geb. 30. Nov. 1835 zu Florida in Missouri, verstorben am 21. April 1910 in Redding, Connecticut. Arbeitete in seiner Jugend als Setzer, Lotse auf dem Mississippi, Sekretär des Gouverneurs von Nevada, Gold- und Silbergräber und Journalist. Nachdem er sich ganz der Schriftstellerei gewidmet, war er Redakteur in San Francisco und Zeitungskorrespondent auf den Sandwichinseln. Reisen in Europa riefen die beiden Bände ergötzlicher Skizzen »Innocents abroad« u. »A tramp abroad« (1869) hervor und begründeten seinen Ruf als Humorist, denn obgleich sie kaum auf dauernden literarischen Wert Anspruch erheben, entschädigt des Autors gesunde und natürliche Lebensanschauung für die clownhaften Sprünge seines Witzes. Seine Erfahrungen in westlichen Minen schilderte er in »Roughing it« (Hartford 1872), seine Knabenjahre in »Adventures of Tom Sawyer« (1876), seine Lotsenlaufbahn in »Mississippi sketches« (1883). Zu seinen populärsten Werken gehören »Pudd'nhead Wilson« und »Huckleberry Finn« (1884), und seine literarisch vollendetsten Leistungen sind das mit Charles Dudley Warner zusammen geschriebene Buch »The gilded age« und die kleine Erzählung »The prince and the pauper«. Nachdem er die Schuldenlast, die ihm der Bankrott eines Verlags aufgebürdet, durch öffentliche Vorlesungen und zahllose Zeitungsbeiträge abgetragen, veröffentlichte er noch einen Band Humoresken: »The man from Hadleyburg« (1900), und den Roman »Double-Barreled detective Story« (1902). Seine Schriften erschienen meist in deutschen Übersetzungen, in Auswahl von M. Busch (Leipz. 1876–1877), M. Jacobi (Stuttg. 1893ff.), in Reclams Universal-Bibliothek u. a.

Nach dem fernen Westen

Vorwort

Das vorliegende Buch ist lediglich eine Erzählung persönlicher Erlebnisse und erhebt keinen Anspruch auf geschichtlichen Wert oder philosophische Tiefe. Dasselbe enthält die Schilderung eines mehrjährigen bunten Nomadenlebens. Trotzdem bietet das Bändchen einige Belehrung und zwar Belehrung über einen interessanten Abschnitt in der Geschichte des fernen Westens, über welchen bis jetzt noch niemand auf Grund eigener Anschauungen und Erlebnisse Bericht erstattet hat. Ich meine damit Entstehung, Wachstum und Höhepunkt des Silberfiebers in Nevada. Es ist dies eine in mancher Beziehung merkwürdige Erscheinung, die bis jetzt die einzige ihrer Art in jenem Lande geblieben ist und dies voraussichtlich auch für alle Zukunft bleiben wird.

Ja, alles in allem, enthält das Buch sogar recht viel Belehrendes. Es thut mir dies herzlich leid, allein es läßt sich wirklich nicht ändern; die Belehrung dringt mir eben, wie es scheint, zu allen Poren heraus. Ich hätte oft gerne alles darum gegeben, meine Kenntnisse für mich behalten zu können, aber es geht nun einmal nicht. Je mehr ich die Quellen verstopfe, desto mehr Belehrung sickert durch. Deshalb kann ich vom Leser nur Nachsicht, keine Verzeihung erwarten.

Erstes Kapitel

Mein Bruder war soeben zum ›Sekretär‹ des Territoriums Nevada ernannt worden – einem Amt von solcher Erhabenheit, daß es die Obliegenheiten und Würden eines Schatzmeisters, obersten Rechnungsbeamten, Staatssekretärs und im Fall der Abwesenheit des wirklichen Gouverneurs auch die dieses letzteren in sich vereinigte. Eine Jahresbesoldung von 1800 Dollars und der Titel ›Mr. Secretary‹ verliehen dieser hohen Stellung eine gewisse Großartigkeit. Jung und unerfahren, wie ich war, beneidete ich meinen Bruder. Seine hervorragende und finanziell glänzende Stellung stach mir in die Augen, ganz besonders aber die lange, eigenartige Reise, die er machen, und die wunderbare neue Welt, die er kennen lernen sollte. Er durfte reisen! Ich war niemals – abgesehen von meinen Fahrten auf dem Mississippi – von Hause weg gewesen, und das Wort ›reisen‹ hatte einen verführerischen Reiz für mich. Gar nicht mehr lange sollte es anstehen, und er wäre hundert und aber hundert Meilen weit fort auf den großen Prairieen und Wüsteneien inmitten der Gebirge des fernen Westens, bekäme Büffel, Indianer, Prairiehunde und Antilopen zu sehen und allerlei Abenteuer zu bestehen, würde vielleicht sogar gefangen oder skalpiert; und dieses herrliche Leben nähme niemals ein Ende, er würde alles nach Hause berichten und ein berühmter Mann werden. Weiter würde er die Gold- und Silberminen sehen und vielleicht am Abend nach vollbrachtem Tagewerk zwei oder drei Körbe voll glänzender gold- und silberhaltiger Klumpen draußen am Bergeshang auflesen. Und mit der Zeit würde er gewaltig reich werden, würde auf dem Seewege heimkehren und imstande sein, so ruhig über San Francisko, den Ozean und den Isthmus zu sprechen, als wäre gar nichts dabei, diese Wunderdinge mit eigenen Augen geschaut zu haben. Die Qualen, die ich litt, wenn ich mir sein Glück ausmalte, kann keine Feder schildern. Wie er mir nun auf einmal in aller Seelenruhe die herrliche Stellung als Privatsekretär unter ihm antrug, war es mir, als schwinde Himmel und Erde dahin, und das Firmament rollte sich vor meinen Augen auf wie ein Pergament! Ich hatte keinen Wunsch mehr. Ich war vollkommen zufrieden. Binnen einer oder zwei Stunden war ich reisefertig. Viel einzupacken brauchte ich nicht, indem wir von der Grenze von Missouri aus mit der Überlandpost nach Nevada fuhren und jeder Passagier nur ganz wenig Gepäck mitnehmen durfte. Eine Pacificbahn gab es zu dieser schönen Zeit noch nicht – noch keine Schwelle dazu war gelegt.

Meine Absicht war, nur drei Monate in Nevada zu bleiben – mich länger daselbst aufzuhalten, kam mir nicht in den Sinn. Ich gedachte innerhalb dieser Zeit soviel Neues und Seltsames zu sehen, als nur möglich; und dann schleunigst wieder an meine Geschäfte nach Hause zurückzukehren. Ich ahnte nicht, daß ich das Ende dieses auf drei Monate berechneten Vergnügungsausfluges erst nach sechs oder sieben ungewöhnlich langen Jahren erleben sollte!

Die ganze Nacht träumte ich von Indianern, Wüsten und Silberbarren und am folgenden Tage schifften wir uns rechtzeitig an der Werfte von St. Louis auf einem den Missouri hinauffahrenden Dampfer ein. Wir brauchten sechs Tage von St. Louis nach St. Joseph – eine Fahrt, so träge, so schläfrig und ereignislos, daß dieselbe nicht mehr Eindruck in meinem Gedächtnis hinterlassen hat, als hätte sie sechs Minuten gedauert anstatt ebenso viel Tage. Keine andere Erinnerung ist mir davon geblieben, als an einen verworrenen Knäuel wildgestalteter Baumwurzeln, über welche wir geflissentlich mit dem einen oder andern Rade hinfuhren; an Riffe, auf welche wir immer und immer wieder aufstießen, um uns dann von denselben zurückzuziehen und besseres Fahrwasser aufzusuchen; endlich an Sandbänke, auf denen wir gelegentlich sitzen blieben und eine unfreiwillige Rast hielten, worauf wir dann unsere Krücken hervorholten und darüber hinweg humpelten. Wahrhaftig, das Boot hätte fast ebenso gut zu Land nach St. Joseph fahren können, machte es doch nahezu die ganze Zeit seinen Weg auf dem Trockenen – indem es mit ebenso viel Geduld als Emsigkeit den ganzen Tag über Riffe kletterte und über Baumstümpfe hinrutschte. Der Kapitän meinte, es sei "das reinste Renommierboot", es fehle ihm nur mehr Schneid und ein größeres Rad. Mir kam es vor, als hätte dasselbe ein paar Stelzen brauchen können, ich war jedoch weise genug, diesen Gedanken nicht laut werden zu lassen.

Zweites Kapitel

Das erste, was wir an dem Abend unserer glücklichen Ankunft in St. Joseph thaten, war, im Sturmschritt nach dem Postamt zu laufen und uns zwei Karten, jede für 150 Dollars, zur Fahrt mit der Überlandkutsche nach Carson City in Nevada zu nehmen. In der Frühe des nächsten Morgens nahmen wir zunächst hastig ein Frühstück ein und eilten dann nach dem Abfahrtsplatze. Nun zeigte sich eine Widerwärtigkeit, die wir vorher nicht gebührend bedacht hatten, nämlich, daß ein schwerer Reisekoffer nicht für fünfundzwanzig Pfund Gepäck mitgehen kann, weil er eben viel schwerer ist. Aber es half nichts – mehr als fünfundzwanzig Pfund auf die Person war nicht zulässig. So mußten wir unsere Koffer aufschnallen und in gehöriger Schnelligkeit eine Auswahl treffen. Wir packten unsere vorschriftsmäßigen fünfundzwanzig Pfund in einen Mantelsack zusammen und schickten die Koffer zu Schiffe nach St. Louis zurück. Es war ein trauriger Abschied, denn nun hatten wir ja keine Fräcke und weißen Glacéhandschuhe mehr für die Abendgesellschaften bei den Pawnees im Felsengebirge, keine Angströhren und Glanzlederstiefel und was sonst dergleichen für die Ruhe und den Frieden des irdischen Daseins unentbehrliche Dinge sind. Wir waren auf Feldration gesetzt. Wir legten jeder einen schweren, groben Anzug an, dazu ein wollenes Soldatenhemd und Aufschlagstiefel, in den Mantelsack stopfen wir einige weiße Hemden, etwas Unterzeug und dergleichen. Mein Bruder, der Sekretär, nahm ungefähr vier Pfund Regierungsverordnungen und ein sechspfündiges Wörterbuch mit, wir wußten ja nicht, wir armen, grünen Jungen – daß man das alles in San Francisco bestellen und in wenigen Tagen in Carson City haben konnte. Meine Bewaffnung bestand in einem elenden, kleinen, siebenläufigen Revolver von Smith & Wesson mit Kugeln von der Größe homöopathischer Pillen, die alle sieben nötig waren, um einem Erwachsenen genug zu geben. Trotzdem hielt ich denselben für etwas Großartiges und meinte, es sei eine ganz gefährliche Waffe. Er hatte nur einen Fehler – man traf schlechterdings nichts damit. Einer unserer Kondukteure zielte eine zeitlang mit demselben auf eine Kuh, und so lange dieselbe still stand und sich ruhig verhielt, blieb sie unversehrt; sobald sie jedoch anfing sich herumzubewegen und er nach anderen Zielen schoß, kam sie zu Schaden. Der Sekretär hatte zum Schutz gegen die Indianer einen Colt-Revolver umgeschnallt, den er zur Verhütung von Unfällen ohne aufgesetzte Zündhütchen trug. Herr Georg Bemis aber – dies war der Name unseres Reisegeführten, den wir zuvor noch nie gesehen hatten, – war furchtbar gewappnet. Er trug im Gürtel einen Allen-Revolver von jenem ursprünglichen Bau, welcher von respektlosen Menschen gerne als ›Pfefferbüchse‹ bezeichnet wird. Sobald man den Drücker zurückzog, krachte die Pistole los. Beim Zurückziehen des Drückers fing nämlich der Hammer an, sich zu heben und die Trommel sich zu drehen, dann fiel der Hammer sogleich wieder herunter und die Kugel war draußen. Daß man hätte zielen können, während die Trommel herum ging, und das Ziel getroffen hätte, das war bei einem Allenn-Revolver vermutlich auf der ganzen Welt überhaupt noch nicht vorgekommen. Trotzdem war der unseres Georg eine ganz vertrauenswürdige Waffe, indem derselbe, wie einer unserer Postillone später einmal meinte "in jedem Falle irgend etwas traf," wenn er auch das nicht bekam, worauf er zielte. Und so war es auch. Einmal zielte sein Besitzer mit demselben auf ein an einen Baum genageltes Pique-Aß und traf einen Maulesel, der etwa dreißig Ellen links davon stand. Bemis brauchte den Maulesel nicht, allein der Eigentümer erschien mit einer Doppelbüchse und überredete ihn, denselben trotzdem zu kaufen. Ja, es war eine herrliche Waffe, der ›Allen‹. Manchmal gingen alle sechs Läufe auf einmal los, und dann war man in der ganzen Umgegend nirgends seines Lebens sicher, außer in einiger Entfernung hinter demselben.

Zum Schutz gegen Frostwetter im Gebirge nahmen wir zwei oder drei Wolldecken mit. Was Luxusgegenstände betraf, so waren wir bescheiden; außer ein paar Pfeifen und fünf Pfund Rauchtabak nahmen wir keine solchen mit. Dagegen hatten wir zwei große Lederflaschen bei uns, um darin zwischen den Stationen auf der großen Ebene Wasser mitzuführen, außerdem nahmen wir noch ein Säckchen mit Silbergeld mit für die täglichen Ausgaben beim Frühstück und Mittagessen. Um acht Uhr befand sich alles reisefertig auf der anderen Seite des Flusses. Wir hüpften in den Wagen, ein Peitschenknall des Kutschers, und wir rasselten dahin und ließen die ›Staaten‹ hinter uns.

Es war ein prachtvoller Sommermorgen und die ganze Landschaft erglänzte im Sonnenschein. Dabei war es so frisch und lustig, und wir hatten ein Gefühl der Befreiung von Sorgen und Verantwortlichkeiten aller Art, das uns beinahe die Empfindung gab, als seien all die Jahre, die wir in der heißen Stadt unter Qual und Arbeit verbracht hatten, verloren und weggeworfen. Wir schoben uns weiter durch Kansas und nach Verlauf von anderthalb Stunden waren wir schon ziemlich weit auf der großen Ebene. Hier begann gerade das wellenförmige Gelände – eine großartige Folge regelmäßiger Hebungen und Senkungen, soweit das Auge reichte – ein Wogen und Schwellen, gewaltig, wie auf dem Busen des Ozeans nach dem Sturm. Dazwischen allenthalben Kornfelder, durch ihr tieferes Grün die endlose Grasfläche unterbrechend; dann aber verlor dieses wasserlose Meer plötzlich wieder seine wogende Oberfläche, um sich siebenhundert Meilen weit, flach wie die Dielen eines Stubenbodens, hinzustrecken.

Unsere Kutsche war ein großer schwankender und schaukelnder Kasten mächtigen Kalibers – eine gewaltige Wiege auf Rädern. Sie wurde von sechs hübschen Pferden gezogen, und neben dem Kutscher saß der ›Kondukteur‹, unter dessen Leitung bestimmungsgemäß das Ganze stand, soferne ihm die Besorgung der Briefpost, der Packereien, des Eilguts sowie der Passagiere oblag. Wir drei waren bis jetzt die einzigen. Wir saßen innen auf dem Rücksitz. Fast der ganze übrige Innenraum war von Postsäcken eingenommen, wir nahmen nämlich die liegengebliebene Post von drei Tagen mit. Eine senkrechte Wand von Poststücken, an welche wir fast mit den Knieen anstießen, erhob sich beinahe bis zum Dach des Wagens. Auf dem letzteren war ebenfalls ein großer Haufen davon aufgeschnallt. Die vordere wie die hintere Schoßkelle waren damit angefüllt. Siebenundzwanzighundert Pfund davon hatten wir bei uns, wie der Kutscher sagte – "ein wenig für Brigham,  für Carson und Frisco,  aber das Meiste für die Indianer, die gewaltig eklig werden, wenn sie nicht immer eine Masse Zeug zu lesen haben." Dabei verzog er jedoch sein Gesicht gräßlich, offenbar als Einleitung zu einem markerschütternden Ausbruch seiner Heiterkeit, und daran merkten wir, daß seine Bemerkung spaßhaft gemeint gewesen war, und hatte besagen sollen, wir würden unsere Postsachen zum größten Teile irgendwo auf der Ebene für die Indianer oder anderweitige Liebhaber abladen.

Alle zehn Meilen wechselten wir die Pferde, einen Tag wie den andern, und flogen lustig auf der harten ebenen Straße dahin. So oft der Wagen hielt, sprangen wir hinaus, um unsere Beine zu recken, und so fand uns die Nacht noch frisch und unermüdet.

Nach dem Abendessen stieg eine Frauensperson ein, die ungefähr fünfzig Meilen weiter zu Hause war und wir drei andern mußten nun abwechselnd beim Kutscher und Kondukteur Platz nehmen. Offenbar gehörte sie nicht zu den gesprächigen weiblichen Wesen. Da saß sie in dem immer mehr verblassenden Dämmerlicht und heftete ihre starren Augen auf eine Stechfliege, die sich an ihrem Arm festsog, dann erhob sie langsam die andere Hand, bis sie die Entfernung richtig abgemessen hatte, und versetzte ihr einen Schlag, der eine Kuh hätte zu Boden strecken können; hierauf betrachtete sie den Leichnam mit ruhiger Befriedigung – sie fehlte ihre Fliege niemals und traf ihr Ziel mit todbringender Sicherheit. Die Leiche beseitigte sie nie, ließ sie vielmehr als Köder liegen. Ich saß neben dieser grimmen Sphinx und sah zu, wie sie dreißig bis vierzig Fliegen totschlug – sah zu und wartete auf ein Wort aus ihrem Munde, jedoch vergeblich. So begann ich selbst endlich die Unterhaltung. Ich sagte:

"Die Stechfliegen sind recht schlimm hier herum, Madam."

"Ah was!"

"Wie meinten Sie, Madam?"

"Ah was!"

Nun wurde sie munter und sagte, um sich blickend:

"Ich will verdammt sein, wenn ich euch Kerle nicht für Taubstumme gehalten habe. Ja, bei Gott. Da bin ich gesessen und gesessen und habe Fliegen totgeschlagen und mir den Kopf zerbrochen, was euch fehlt. Erst dachte ich, ihr wäret taubstumm, dann, ihr wäret krank oder verrückt oder so 'was, und nach und nach kam ich darauf, ihr müsset ein paar traurige Narren sein, die nichts zu reden wissen. Woher kommt ihr?"

Die Sphinx war keine Sphinx mehr! Die Brunnen der großen Tiefe waren bei ihr aufgegangen und sie ließ alle neun Redeteile vierzig Tage und vierzig Nächte lang auf uns herab regnen, bildlich gesprochen, und übergoß uns mit einer solchen trostlosen Sintflut trivialen Geschwätzes, daß aus der tosenden Wüste von grammatischen Fehlern und schlechter Aussprache nicht einmal eine Felsspitze oder Zacke mehr hervor schaute, an die sich eine Erwiderung hätte knüpfen lassen. Was mußten wir erdulden! Stunde für Stunde machte sie fort, bis es mir leid that, daß ich überhaupt die Moskitofrage eröffnet und ihr damit den Anstoß gegeben hatte. Erst, als sie gegen Tagesanbruch an ihrem Ziele anlangte, hörte sie endlich auf; beim Aussteigen weckte sie uns (wir waren nämlich eben ein wenig eingenickt) und sagte:

"Nun, steiget in Cottenwood aus, ihr Kerle, und bleibet ein paar Tage dort liegen, ich komme dann abends eine Weile hinüber, und wenn es euch recht ist, daß ich hie und da ein Wort dazwischen rede, so bin ich bereit dazu. Die Leute werden euch sagen, daß ich für eine Hinterwäldlerin immer etwas Vornehmes und Besonderes an mir gehabt habe, und so bin ich auch gegen das Lumpenpack und so muß ein Weibsbild auch sein, wenn sie was sein will, aber wenn Leute daherkommen, die meinesgleichen sind, so bin ich, glaub' ich, eigentlich ein ganz zuthuliches Kühlein."

Wir beschlossen, in Cottenwood nicht liegen zu bleiben.

Drittes Kapitel

Etwa anderthalb Stunden vor Tagesanbruch rollten wir sanft dahin – so sanft, daß unsere Wiege nur ganz leise und sachte schaukelte. Dies hatte uns allmählich in Schlaf gelullt und unser Bewußtsein umnebelt, als plötzlich etwas unter uns nachgab! Wir hatten wohl eine undeutliche Empfindung davon, die Sache ließ uns jedoch gleichgültig. Jetzt hielt der Wagen an. Wir hörten Kutscher und Kondukteur draußen mit einander reden; sie suchten nach einer Laterne und fluchten, weil sie dieselbe nicht finden konnten – aber wir nahmen keinen Anteil an dem etwaigen Vorkommnis; der Gedanke an diese Leute, die draußen in der finstern Nacht beschäftigt waren, erhöhte nur unser Gefühl von Behaglichkeit und wir schmiegten uns fest in unser Nest hinter den herabgelassenen Vorhängen. Inzwischen hatten sich die beiden, nach dem Geräusch zu schließen, an eine Untersuchung gemacht und man hörte die Stimme des Kutschers sagen: "Bei Gott, der Schwungriemen ist gebrochen!"