Nachhaltigkeit für Deutschland? Frag doch einfach! - Michael von Hauff - E-Book

Nachhaltigkeit für Deutschland? Frag doch einfach! E-Book

Michael von Hauff

0,0
13,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Die utb-Reihe "Frag doch einfach!" beantwortet Fragen, die sich nicht nur Studierende stellen. Im Frage-Antwort-Stil geben Expert*innen kundig Auskunft und verraten alles Wissenswerte rund um ein Thema. In diesem Band werden unter anderem Antworten auf diese Fragen zu lesen sein: Warum hat die erste Euphorie von der Rio Konferenz 1992 nachgelassen? Was bringt uns die Agenda 2030 und die deutsche Nachhaltigkeitsstrategie? Gibt es öffentliche Einrichtungen, die Verantwortung für das Nachhaltigkeitsziel übernehmen? Gibt es positive Beispiele zu nachhaltigem Konsum? Die wichtigsten Fachbegriffe werden zudem prägnant vorgestellt und es wird verraten, welche Websites, YouTube-Videos und Bücher das Wissen aus diesem Band vertiefen können.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB

Seitenzahl: 188

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Michael von Hauff

Nachhaltigkeit für Deutschland? Frag doch einfach!

Klare Antworten aus erster Hand

UVK Verlag · München

Prof. Dr. Michael von Hauff ist seit 1991 Inhaber des Lehrstuhls für Volkswirtschaftslehre, insbesondere Wirtschaftspolitik und internationale Wirtschaftsbeziehungen an der TU Kaiserslautern. Seine Forschungsschwerpunkte liegen in der Umwelt- und Entwicklungsökonomie. Er hat eine Vielzahl von Arbeiten über den Zusammenhang von Ökologie und Ökonomie und über die ökonomische und ökologische Entwicklung von Entwicklungsländern wie Indien, Vietnam und Myanmar publiziert. In den letzten Jahren hat er sich besonders dem Leitbild Nachhaltiger Entwicklung im Rahmen von Publikationen und Forschungsprojekten zugewandt. Der Studiengang „Nachhaltige Entwicklungszusammenarbeit“ am Fernstudienzentrum der TU Kaiserslautern geht auf seine Initiative zurück.

Umschlagabbildung und Kapiteleinstiegsseiten: © bgblue – iStock

Abbildungen im Innenteil: Figur, Lupe, Glühbirne: © Die Illustrationsagentur

Autorenfoto: privat

 

utb-Nr. 5435

 

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

 

ISBN 978-3-8252-5435-3 (Print)

ISBN 978-3-8463-5435-3 (ePub)

Inhalt

VorwortWas die verwendeten Symbole bedeutenKapitelNachhaltigkeit in ZahlenWas sind die wichtigsten Zahlen und Fakten zum Thema Nachhaltigkeit?Nachhaltigkeit: Der Status quoWofür steht Nachhaltigkeit?Woher kommt der Begriff?Hat sich der Begriff in seiner Bedeutung verändert?Worauf zielt nachhaltige Entwicklung heute ab?Sind mit diesen drei Dimensionen alle Aspekte der Nachhaltigkeit abgedeckt?Gibt es Unterschiede zwischen der wissenschaftlichen und der alltäglichen Verwendung des Begriffs?Gibt es ein anschauliches Beispiel von Natur- durch Sachkapital?Wie lautet dazu die Erläuterung der Handlungsregeln?Gibt es Schwächen bei den beiden Ansätzen?Wie wird die ausgewogene Nachhaltigkeit begründet?Gibt es Beispiele für übernutzte Ökosysteme?Warum muss der Begriff nachhaltige Entwicklung inhaltlich konkretisiert werden?Weshalb ist der Begriff heute in aller Munde?Gibt es bereits Vorreiter für auf Nachhaltigkeit ausgerichtete Branchen?Welche Rolle spielen bei der Nachhaltigkeit die Medien?Wie sieht es mit weiteren Branchen aus?Werden die Beispiele der Branchen die Konsumenten erreichen können?Gibt es Umfragen oder Studien zum Entwicklungsstand oder wie die Bevölkerung zu Nachhaltigkeit steht?Wurden die Nachhaltigkeitsziele noch konkretisiert?Warum kam es zu nachhaltiger Entwicklung und wo stehen wir heute?Gibt es weitere wichtige Schritte zur nachhaltigen Entwicklung?Nachhaltigkeit internationalWo können wir Nachhaltigkeit international finden?Wie steht es um die Industrieländer?Was hat die UNO mit Nachhaltigkeit zu tun?Wird die Agenda 21 „gelebt“?Was hat es mit dem Rio-Prozess auf sich?Was waren die wichtigsten Etappen im Rio-Prozess?Können Sie die wesentlichen Etappen kurz vorstellen?Wurden die Beschlüsse der Konferenzen nach 2002 konkreter?Gab es bei der Konferenz von 2012 gemeinsame Ziele?Warum hat die erste Euphorie der Rio Konferenz 1992 nachgelassen?Wie kommt es hinsichtlich der Umsetzung von nachhaltiger Entwicklung zu Verunsicherungen?Gibt es konkrete Anhaltspunkte für die nachlassende Euphorie?Können verantwortliche Akteure zum Thema Plastikmüll genannt werden?Kann auch der Energiesektor mit aufgezählt werden?Die Agenda 2030 mit den 17 Nachhaltigkeitszielen ist für alle Länder weltweit auf eine politische Verbindlichkeit angelegt. Stimmt das wirklich?Sind manche Volkswirtschaften mit der Verfolgung von Nachhaltigkeitsstrategien überfordert?Wie wird das Thema in den einzelnen Ländern umgesetzt?Gibt es unter den 17 Nachhaltigkeitszielen eine Priorisierung?Umfasst die Präambel der Agenda nur diese Kernbotschaften?Gibt es bei den Zielen auch einzelne, die untereinander in Konflikt geraten können?Sind die 17 SDGs und die Unterziele entsprechend den drei Nachhaltigkeitsdimensionen ausgewogen gewichtet?Alle Länder sollen bis 2030 die Ziele erreichen. Aber wer kann es wirklich schaffen?Steht Nachhaltigkeit auf der Ebene der EU auf der politischen Agenda?Gibt es für die Nachhaltigkeitsstrategie von 2016 konkrete Rechtsgrundlagen?Wie wird die Agenda 2030 konkret umgesetzt?Wie sieht es um die politische Steuerung der EU-Nachhaltigkeitsstrategie aus und welche Defizite sind festzustellen?Gibt es weitere Kritikpunkte an der Nachhaltigkeitsstrategie?Nachhaltigkeit in DeutschlandWie sieht es mit der Nachhaltigkeit in Deutschland aus?Hatten Länder sehr unterschiedliche Strategieansätze?Wie kam es in Deutschland zu einer nationalen Nachhaltigkeitsstrategie?Kam es zu dem geforderten neuen Politikstil und zu einer umfassenden Transformation?Wie wurde die erste nationale Nachhaltigkeitsstrategie bewertet?Welches Fazit würden Sie nach der Nachhaltigkeitsstrategie ziehen?Was bringt uns die Agenda 2030 und die neue deutsche Nachhaltigkeitsstrategie?Wie werden die einzelnen Nachhaltigkeitsziele inhaltlich konkretisiert?Was wurde bei der Umsetzung der Ziele bisher erreicht und wo gibt es noch Potenzial der Verbesserung?Welche Verbesserungsmöglichkeiten können genannt werden?Gibt es bestimmte Ziele, über die häufiger diskutiert wird als über andere?Ist nicht auch die Frage des Zugangs zu Wasser äußerst wichtig?Wie wird Wasserstress gemessen?Wie sehr wird die Frage von Recht und Gerechtigkeit behandelt?Gibt es einen Vorteil, wenn ein (volks-)wirtschaftlicher Indikator herangezogen wird?Welches Fazit ziehen Sie aus den unterschiedlichen Indikatoren?Was wurde in Deutschland hinsichtlich der Nachhaltigkeitsstrategie bisher erreicht und wo gibt es noch Handlungsbedarf?Welche Ziele der Nachhaltigkeitsstrategie werden in Deutschland erreicht?Wo geht die Entwicklung in die richtige Richtung, aber es verbleibt eine Zielverfehlung zwischen 5 und 20 Prozent?Wo geht die Entwicklung in die richtige Richtung, aber es verbleibt eine Lücke von mehr als 20 Prozent?Und wo geht die Entwicklung in die falsche Richtung?Wie lassen sich die vier Bewertungskategorien quantitativ aufteilen?Was tut die Bundesregierung bzw. wo gibt es noch Handlungsbedarf?Wie zeichnet sich die Kategorie „Entwicklung in die falsche Richtung“ aus?Ist die Komplexität bzw. die Vernetzung der Ziele in der strategischen Umsetzung hilfreich?Welche Zuständigkeiten haben die Bundesländer für die SDGs?Haben sich einzelne Bundesländer den 17 Nachhaltigkeitszielen verschrieben?Was wird auf kommunaler Ebene hinsichtlich der Nachhaltigkeitsziele vorgenommen?Welches Ziel wird dabei auf kommunaler Ebene verfolgt?Können auch Unternehmen im Rahmen der Nachhaltigkeitsstrategie einen Beitrag leisten?Worum geht es bei CSR?Was ist demnach das wichtigste Ziel von CSR?Gibt es eine CSR-Strategie in Deutschland?Gibt es weitere Unterstützungen für CSR?Was sind die zentralen Kritikpunkte am Konzept CSR?Wie können Bürger Nachhaltigkeitsziele verfolgen?Welche Formen bürgerlichen Engagements gibt es?Gibt es zur Konkretisierung der Aktionstage Nachhaltigkeit Fallbeispiele?Nachhaltigkeit in der GesellschaftWie kann man die einzelnen gesellschaftlichen Bereiche bzw. Sektoren im Rahmen von Nachhaltigkeit konkretisieren und ausgestalten?Können alle gesellschaftlichen Bereiche beleuchtet werden?Wie kommt es zu nachhaltiger Bildung?Wie verfolgen weiterführende Bildungseinrichtungen das nachhaltige Bildungsziel?Wie darf man sich die Umsetzung strategischer Nachhaltigkeitsziele durch Hochschulen vorstellen?Wie kommt es zu nachhaltigem Konsum?Warum spielt der Konsum eine so entscheidende Rolle?Welche Bevölkerungsgruppen neigen besonders zu nicht nachhaltigem Konsum?Welche Ziele werden im Allgemeinen mit Konsum verfolgt?Wie kann man sich über nachhaltigen Konsum informieren?Welche Bereiche bieten sich für nachhaltigen Konsum noch an?Mit welchen Auswirkungen müssen wir rechnen, wenn wir uns dem nachhaltigen Konsum verweigern?Wie kommt es zu nachhaltigen Innovationen?Welche Theorie liegt den Überlegungen zu nachhaltigen Innovationen zugrunde?Wie lassen sich nachhaltige Innovationen an dem Beispiel der Digitalisierung verdeutlichen?Ist die Digitalisierung also schon heute ein Vorteil für die Nachhaltigkeit?Gibt es für nachhaltige Digitalisierungsinnovationen Beispiele?Gibt es Lösungsstrategien zur Verringerung der potenziellen Probleme der Digitalisierung?Und wie wirkt sich die Digitalisierung auf den Arbeitsmarkt aus?Und welche der beiden konträren Wirkungen des Digitalisierungstrends auf den Arbeitsmarkt gewinnt die Oberhand?Gibt es aufgrund des Arbeitsmarktrisikos politischen Handlungsbedarf?Wie kommt es zu nachhaltigem Wachstum?Wie wirkt sich ein Null-Wachstum und Degrowth auf die wirtschaftliche Entwicklung aus?Wer sind die Befürworter von Green Growth?Und was ist das Ziel der Inklusion?Wie kommt es zu einem nachhaltigen Gewerbegebiet?Wodurch zeichnet sich ein nachhaltiges Gewerbegebiet aus?Gibt es zu nachhaltigen Gewerbegebieten ein konkretes Beispiel?Wie kommt es zu nachhaltigem Handel?Gibt es Bestrebungen, der Tendenz zunehmender Einkommensdisparitäten entgegenzuwirken?Welche Anstrengungen nahmen die Entwicklungsländer selbst vor?Gibt es seitens Deutschlands weitere Bemühungen zur Förderung nachhaltigen Handels?Welche Barrieren für einen nachhaltigen Handel bestehen noch?Gibt es ein weiteres Beispiel aus dem Bereich internationaler Handel?Wie kommt es zu einer nachhaltigen Biodiversität?Wie lässt sich Biodiversität bewerten?Gibt es für Biodiversitätsprobleme ein Beispiel?Was sind die Ursachen der Problematik der Biodiversität?Nachhaltigkeit in der ZukunftWorin liegen die Hemmnisse und Probleme, die zu einer mangelnden Dynamik bei der Umsetzung einer nachhaltigen Entwicklung führen?Könnten Sie zum Thema Lobbyisten ein Beispiel nennen?Wie kann man aus aktueller Sicht ein Fazit aus den bestehenden Entwicklungen einerseits und den zukünftigen Herausforderungen andererseits ziehen?Glossar – Wichtige Begriffe kurz erklärtVerwendete LiteraturWo sich welches Stichwort befindet

Vorwort

Nachhaltige Entwicklung gilt unter Experten als zukunftsorientiertes Leitbild bzw. Paradigma. Diesem Leitbild hat die Völkergemeinschaft erstmals 1992 auf der Konferenz in Rio de Janeiro als dem Leitbild des 21sten Jahrhunderts zugestimmt. Die Neuorientierung, die durch dieses Leitbild vorgegeben wurde und den global vorherrschenden Mainstream des Neoliberalismus ablösen sollte, führte zunächst zu einer großen Euphorie. Sie basierte auf der Hoffnung, dass nachhaltige Entwicklung bei konsequenter Umsetzung einen wichtigen Beitrag zur Lösung oder zumindest zur Verringerung der drängenden Probleme wie Klimawandel, Rückgang der Biodiversität, Armut, Hunger, ungleiche Verteilung, Gendergerechtigkeit aber auch militärische Konflikt beitragen könnte.

Zwischen Hoffnung und der konkreten Entwicklung kam es jedoch zu einer Kluft: vielfach beließ man es dabei die Probleme zu beklagen oder zu verdrängen. Viele Verantwortungsträger gingen überwiegend auf den vertrauten Pfaden einer nicht nachhaltigen Entwicklung weiter, oder beschränkten sich auf einige wenige Reformen. Eine umfassende Transformation, wie sie in dem Leitbild angelegt und gefordert wird, bleibt bisher aus. Dabei steht gerade jetzt in der aktuellen Krise die verbreitete Forderung: „so können wir nicht weiter wirtschaften“, verstärkt im Raum und wird in zunehmendem Maße von Politikern, Wissenschaftlern, Vertretern der Kirche aber auch von Vertretern aus der Wirtschaft vorgetragen.

Nachhaltigkeit wurde bisher begrifflich in verschiedene Bereiche der Gesellschaft in unterschiedlicher Intensität und Intention eingeführt. In der Wirtschaft wird bei der Produktion und den Produkten vieles schon als nachhaltig ausgewiesen. Besonders in der Werbung wird der Begriff häufig genutzt, ohne dass Experten oder auch allgemein den Konsumenten immer klar wird, warum eine Produktion oder ein Produkt als nachhaltig ausgezeichnet und beworben wird. Für viele Unternehmen gehört es in diesem Kontext heute zur Imagepflege sich im Internet in Hochglanzbroschüren als nachhaltiges Unternehmen und damit als progressiv und verantwortungsvoll zu generieren. Dabei gibt es durchaus Unternehmen, die sich dem Leitbild ernsthaft verpflichtet fühlen und bei der Umsetzung auf einem guten Weg sind.

In der Wissenschaft gibt es einige Disziplinen, wie z. B. die Architektur oder das (Bau-)Ingenieurwesen, aber auch die Sozialwissenschaften, die Nachhaltigkeit zunehmend entdecken. Die Ingenieurwissenschaften wenden sich bisher primär der ökologischen Nachhaltigkeit zu. Es geht also darum umweltschonendere Produktionsanlagen bzw. Maschinen und Produkte zu entwickeln und herzustellen. Dabei geht es dann um eine höhere Energieeffizienz oder um eine ressourcensparende Produktion. Hier gibt es teilweise vielversprechende Entwicklungen. Aber auch in den Sozialwissenschaften wenden sich einige Vertreter der verschiedenen Disziplinen der nachhaltigen Entwicklung teilweise systematisch zu. So entstand beispielsweise die Nachhaltigkeitsökonomie, die sich von der noch dominierenden Mainstream Ökonomie deutlich unterscheidet.

Der Bildungssektor, der sich besonders der nachhaltigen Entwicklung zuwenden sollte, da Schüler und Studierende in ihrem zukünftigen Arbeitsleben mit dem Thema vertraut sein sollten, geht das Thema noch eher zurückhaltend bzw. partiell an. Fragt man Schüler oder Studierende über ihre Kenntnisse zur nachhaltigen Entwicklung, so haben sie zu dem Thema meistens – wenn überhaupt – nur rudimentäre Vorstellungen bzw. Kenntnisse. Es gibt jedoch einige Schulen und Hochschulen, die eine Vorreiterrolle einnehmen. Zu nennen sind beispielsweise die Universität Lübeck oder die Hochschule für Nachhaltigkeit Eberswalde. Aber sie sind bisher in Deutschland noch die Ausnahme.

In der Politik kann man eine gewisse Ambivalenz feststellen: Einerseits hat Deutschland eine ambitionierte nationale Nachhaltigkeitsstrategie und auch Bundesländer haben auf Landesebene oft eigene Nachhaltigkeitsstrategien, die im Vorwort als wichtige Grundlage für die Politikgestaltung ausgewiesen werden. In politischen Statements oder Diskussionen wird von Politikern jedoch darauf kaum Bezug genommen. Auch die Politikstile, die z. B. auf mehr Partizipation ausgerichtet sein sollten, haben sich noch nicht konsequent in Richtung Nachhaltigkeit weiterentwickelt. Eine häufige Begründung ist: mit Nachhaltigkeit kann man keine Wahl gewinnen. Daher ist eine nachhaltigkeitsorientierte Politik (noch) nicht opportun. Dabei mangelt es nicht an Literatur zur Gestaltung bzw. Umsetzung einer nachhaltigen Politik. (vgl. u. a. v. Hauff, Nguyen 2013)

Die Medien nehmen das Thema bisher auch noch nicht in ausreichendem Maße wahr. Die Vielzahl der Talkshows beschränkt sich in kaum zu überbietenden Wiederholungen auf „Tagesereignisse“. Natürlich werden einige Themen, die der nachhaltigen Entwicklung zuzuordnen sind, diskutiert. Dabei steht der Klimawandel im Mittelpunkt, wobei z. B. der dramatische Rückgang der Biodiversität und seine Folgen auch in den Medien viel mehr Beachtung verdient. Klimawandel wird jedoch häufig unzureichend bzw. verengt wahrgenommen und diskutiert.

So wurde z. B. bisher die Beziehung zwischen Klimawandel und Wirtschaftswachstum, ein sehr komplexes Thema, weitgehend verdrängt. Dabei ist die Kausalität klar: ein steigendes Wirtschaftswachstum trägt tendenziell zur Verschärfung des Klimawandels bei und ein fortschreitender Klimawandel wirkt sich tendenziell negativ auf die wirtschaftliche Entwicklung bzw. das Wachstum aus. Dabei ist Wachstum in unserem Wirtschaftssystem eine wichtige Voraussetzung für eine positive Entwicklung am Arbeitsmarkt, die Stabilisierung der sozialen Sicherungssysteme und für das Staatsbudget, das für die wachsenden Aufgaben des Staates u. a. für Gesellschaft, Wirtschaft, Kultur und Wissenschaft von großer Bedeutung ist. Dennoch gilt auch hier: Einige Medien beschäftigen sich mit nachhaltiger Entwicklung immer wieder im Rahmen von fundierten Beiträgen, die den ganzheitlichen Ansatz behandeln und Möglichkeiten zur Umsetzung aufzeigen.

Ein erstes Resümee ist somit: Nachhaltige Entwicklung fordert einen grundsätzlich neuen Denk- und Politikstil, der ganzheitlich ausgerichtet ist. Es reicht nicht sich auf einige Aspekte nachhaltiger Entwicklung zu beschränken. Es geht vielmehr darum die ökologische, die wirtschaftliche und die soziale, d.h. die gesellschaftliche Dimension zusammen zu denken, was dann auch zu einem ganz neuen Stabilitätsdenken führt. Dabei muss die nachhaltige Stabilitätsformel von den Grenzen der Belastbarkeit der Natur bzw. der ökologischen Systeme ausgehen und diese als unwiderruflich akzeptieren.

Das komplexe Leitbild wird in diesem Buch vorgestellt. Es wird auch exemplarisch aufgezeigt, wie sich nachhaltige Entwicklung umsetzen lässt und welche Hemmnisse zu überwinden sind. Eine wesentliche Forderung dieses Buches primär an die Politik aber auch an andere gesellschaftliche Akteure ist, dass ein kohärentes Nachhaltigkeitskonzept bzw. Nachhaltigkeitsstrategie entwickelt und angestrebt wird. Die zentrale Grundposition dieses Buches, die auch eine Antwort auf die Feststellung gibt „so kann es nicht weiter gehen“ ist:

Es gibt für die Menschheit keine Alternative zur nachhaltigen Entwicklung die erfolgversprechender für eine nationale, aber auch globale Stabilität im Sinne einer ökologischen, ökonomischen und sozialen Ausgewogenheit einschließlich der Gerechtigkeit ist.

In dem Buch werden hierzu wichtige Fragen beantwortet. Dabei können nicht alle relevanten Fragen in der ausreichenden Tiefe beantwortet werden. Eine Vertiefung wird daher durch weiterführende Literaturquellen möglich. Die mehr als zwanzigjährige Forschungsarbeit des Autors zur Nachhaltigkeitsökonomie wurde durch viele Kolleginnen und Kollegen, Mitarbeiter aber auch Studierende bereichert. Allen gilt Dank, ohne sie im Einzelnen nennen zu können. Im Rahmen dieses Buches gilt mein besonderer Dank Herrn Dr. Jürgen Schechler vom UVK Verlag München, der die Konzeption entwickelt hat und mir mit wichtigen Anregungen ganz wesentliche Impulse gab. Dank gilt auch meiner ehemaligen Mitarbeiterin Julie Vesque, die mich bei der Gestaltung stets hilfsbereit unterstützt hat.

 

Stuttgart im August 2020     Michael von Hauff

Was die verwendeten Symbole bedeuten

 

Toni verrät dir spannende Literaturtipps, YouTube-Seiten und Blogs im World Wide Web.

 

Die Glühbirne zeigt eine Schlüsselfrage an. Das ist eine der Fragen zum Thema, deren Antwort du unbedingt lessen solltest.

 

Die Lupe weist dich auf eine Expertenfrage hin. Hier geht die Antwort ziemlich in die Tiefe. Sie richtet sich an alle, die es ganz genau wissen wollen.

 

Wichtige Begriffe sind mit einem Pfeil gekennzeichnet und werden im Glossar erklärt.

Nachhaltigkeit in Zahlen

Dieses Kapitel gibt anhand von einigen Grafiken und Statistiken einen ersten Einblick in das Thema.

Was sind die wichtigsten Zahlen und Fakten zum Thema Nachhaltigkeit?

Das Leitbild nachhaltige Entwicklung wurde 1992 auf der Konferenz in Rio de Janeiro als neues globales Leitbild von der Völkergemeinschaft angenommen. Bisher ist das Leitbild jedoch auch in Deutschland nur bedingt verankert, obwohl eine ambitionierte nationale Nachhaltigkeitsstrategie vorliegt. Dabei steht schon in dem Aktionsprogramm →„Agenda 21“, das auf der Rio Konferenz beschlossen wurde, dass die Bevölkerung jedes Landes, aber auch die verschiedenen gesellschaftlichen Akteure wie Unternehmen, Schulen und Hochschulen, Kirchen und Verbände bei der Ausgestaltung und Umsetzung in einem partizipativen Prozess verantwortlich mitwirken sollen. Daher stellt sich zunächst auch für Deutschland die Frage nach dem Bekanntheitsgrad des Begriffs nachhaltige Entwicklung. Dabei zeigt sich, dass in den vergangenen Jahren zwei Auffälligkeiten festzustellen sind:

Der Begriff Nachhaltigkeit ist etwas mehr als einem Drittel der Bevölkerung gut bekannt. Zwischen 45 und 47 Prozent der Befragten kommt der Begriff bekannt vor. Ob und in welchem Maße ihnen die Anforderungen der nachhaltigen Entwicklung bekannt sind, d.h. was damit wirklich angestrebt und erreicht werden soll, wird aus der Befragung nicht deutlich. Etwa 15 Prozent haben zu dem Begriff keinen Bezug.

Fast 85 Prozent der Befragten ist der Begriff schon „einmal begegnet“. Es lässt sich jedoch eine gewisse Stagnation feststellen. Mit zunehmendem Alter der Befragten bis 50 Jahre nimmt die Bekanntheit zu und sinkt dann wieder ab. Der Bekanntheitsgrad hat sich sowohl geschlechtsspezifisch als auch regional (Ost – West) weitgehend angeglichen.

1 |

Die Bekanntheit des Begriffs Nachhaltigkeit stagniert

Quelle: GfK 2015

In einer neueren Befragung des Umweltbundesamts sieht die Bevölkerung in einer nachhaltigen Entwicklung große Chancen. Etwa 80 Prozent sind der Ansicht, dass nachhaltige Entwicklung ihre Lebensqualität verbessert und mehr Naturverbundenheit ermöglicht. Mehr als 50 Prozent erwartet von einer nachhaltigen Entwicklung, dass sie zu mehr Gemeinschaft unter den Menschen führt und mehr Zeit für selbstbestimmte Lebensgestaltung lässt. Schließlich erhofft sich die Mehrheit, dass sich die Wirtschaft mehr an den Bedürfnissen der Menschen ausrichtet.

Aus der folgenden Abbildung wird deutlich, wie die Befragten die einzelnen Kategorien einschätzen: sie reichen grundsätzlich von sehr wahrscheinlich bis überhaupt nicht wahrscheinlich. Bei der Kategorie „Mehr Gesundheit für die Menschen“ sind die Erwartungen mit „sehr wahrscheinlich“ 38 Prozent und „eher wahrscheinlich“ 46 Prozent am höchsten. Bei der Kategorie „Die Verbreitung von Lebensweisen, in denen EinkommenEinkommen, Konsum und Besitz weniger wichtig sind“ fällt dagegen deutlich ab: 36 Prozent der Befragten schätzen das als „eher nicht wahrscheinlich“ bzw. 9 Prozent als „überhaupt nicht wahrscheinlich“ ein. Fazit: Die Auswirkungen nachhaltiger Entwicklung auf wichtige Lebensbereiche sind bisher noch nicht „überschwänglich“.

2 |

Die Bedeutung einzelner Lebensbereiche im Rahmen nachhaltiger Entwicklung

Quelle: Umweltbundesamt 2019

2015 wurde auf dem UN-Sondergipfel die →Agenda 2030Agenda 2030 mit den 17 Nachhaltigkeitszielen (Sustainable Development GoalsSustainable Development Goals SDGs) von der Völkergemeinschaft angenommen. Durch die SDGs bekam die nachhaltige Entwicklung eine weitere Konkretisierung. Daher konzentriert sich die Frage der Bekanntheit ab 2015 auf die →Agenda 2030. Die Agenda gilt für alle Länder, d.h. für Entwicklungs- und Industrieländer. Dadurch wurde weltweit ein gemeinsames Grundverständnis von nachhaltiger Entwicklung angestrebt und alle Länder haben durch die SDGs die gleiche Ausgangssituation: Alle Länder haben sich dazu verpflichtet auf der Grundlage der 17 Ziele eine nationale NachhaltigkeitsstrategieNachhaltigkeitsstrategienationale zu entwickeln.

Insofern sollte heute also die →Agenda 2030 im Mittelpunkt des Interesses stehen. Bisher wird jedoch in den meisten Ländern vernachlässigt die Bevölkerung in den Prozess der Ausgestaltung und Umsetzung ausreichend mit einzubeziehen. Daher ist es nicht verwunderlich, dass in Deutschland weniger als 10 Prozent der Befragten angaben, dass sie von der Agenda 2030 schon gehört hätten und auch eine Vorstellung haben, was damit angestrebt wird. 23 Prozent haben den Begriff schon einmal gehört, aber wissen nicht, worum es geht. Zwei Drittel haben davon noch nichts gehört. (Gleser, Schneider, Buder 2018, S. 50) Auffällig dabei ist, dass in dem Zeitraum zwischen 2015 und 2017 keine Veränderung hinsichtlich der Bekanntheit stattfand.

Nachhaltigkeit: Der Status quo

Nun geht es richtig los: der Begriff „Nachhaltigkeit“ wird erklärt, seine Bedeutung und Ziele erläutert und der aktuelle Stand in Punkto nachhaltige Entwicklung dargestellt.

Wofür steht Nachhaltigkeit?

Auf der Konferenz in Rio de Janeiro (United Nations Conference on Environment and Development/UNCED) verpflichteten sich 178 Nationen zu dem Leitbild nachhaltiger Entwicklung. Besondere Beachtung verdient das Programm zur Umsetzung des Leitbildes: die →Agenda 21 als Aktionsprogramm für das 21. Jahrhundert. Obwohl das Leitbild zunächst international eine große Popularität erfuhr, ist es – wie schon aufgezeigt wurde – bis heute in der Bevölkerung nur in relativ geringem Maße bekannt. Um die Frage beantworten zu können, wofür steht Nachhaltigkeit, müssen zunächst einige grundlegende Zusammenhänge geklärt werden. Dabei geht es auch um die Fragen, ob sich der Begriff inhaltlich verändert hat, wie er heute inhaltlich verwendet wird und wie es zu diesem neuen Leitbild kam.

Woher kommt der Begriff?

Das Leitbild der nachhaltigen Entwicklung hatte viele Vorläufer. Seinen Ursprung hat der Begriff jedoch in der Wald- bzw. ForstwirtschaftForstwirtschaft. Die damaligen Erkenntnisse haben heute wieder eine große Bedeutung. Es war der Freiberger Oberberghauptmann Hans Carl von Carlowitz der den Begriff nachhaltig prägte (v. Hauff 2014, S. 2). Er fügte ihn in seiner Abhandlung „Sylvicultura Oeconomica“ aus dem Jahr 1713, also vor über 300 Jahren ein. Er forderte in seiner Abhandlung eine „continuierliche und beständig nachhaltende Nutzung“ von Holz. Hierzu ein wörtliches Zitat von ihm:

„Denn je mehr Jahr vergehen, in welchem nichts gepflanzet und gesaet wird, je langsamer hat man den Nutzen zugewarten, und um so viel tausend leidet man von Zeit zu Zeit Schaden, ja um so viel mehr geschickt weitere Verwüstung, daß endlich die annoch vorhandenen Gehöltze angegriffen, vollends consumiret und sich je mehr und mehr vermindern müssen. … Wo Schaden aus unterbliebener Arbeit kommt, da wächst der Menschen Armuth und Dürfftigkeit. Es lässet sich auch der Anbau des Holtzes nicht so schleunig wie der Acker-Bau tractiren (von Carlowitz 1713, S. 105).“

Seine Überlegungen basierten darauf, dass der Bergbau und die Verhüttung einen hohen Holzbedarf verursachten. Dadurch kam es zu einer zunehmenden Entwaldung und das Holz musste über immer größere Entfernungen transportiert werden. Dadurch stieg der Preis für Holz und es wurde eine wachsende Holzknappheit befürchtet. Hinzu kam, dass die Menschen in diesen Regionen befürchteten, dass sie aufgrund des Holzmangels ihre Arbeit verlieren. Das wurde im Prinzip vielfach als Vorläufer des ersten Berichts an den Club of RomeClub of Rome mit dem Titel „Grenzen des Wachstums“ gesehen.