Nachts ist unser Blut schwarz - David Diop - E-Book

Nachts ist unser Blut schwarz E-Book

David Diop

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Beschreibung

Gewinner des "International Booker Prize 2021".

Alfa Ndiaye kämpft im Ersten Weltkrieg an der Seite der Franzosen gegen die Deutschen - ein "Schokosoldat" wie die Kameraden ihn nennen.Als Alfas geliebter Kindheitsfreund in seinen Armen verblutet, wird er von Wut und Rache gepackt. Wie ein Wahnsinniger zieht er mit seiner Machete über das Schlachtfeld und kehrt jeden Abend mit einem Gewehr des Feindes samt abgetrennter Hand zurück. Erst bewundern ihn die anderen, dann fürchten sie den Wilden und wenden sich ab.
David Diop hinterfragt die Menschlichkeit in unmenschlichen Zeiten und verlagert das Grauen des Krieges ins tiefste Innere. Die Stimme von Alfa Ndiaye betört und verstört. Ein archaischer Roman von unvergleichlicher literarischer Kraft.

"Wie ein Tornado nimmt uns dieser kraftvolle, hypnotische Text mit. Atemberaubend!" L'Humanité.

"David Diop ruft uns mit archaischer Wucht die Vergessenen eines grausamen Krieges ins Gedächtnis. Ein großes Buch, das lange nachwirkt." Julia Schoch.

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Über David Diop

David Diop wurde 1966 in Paris geboren und ist im Senegal aufgewachsen. Er unterrichtet heute französischsprachige afrikanische Literatur an der Universität Pau. »Nachts ist unser Blut schwarz« ist sein zweiter Roman, der in Frankreich als literarische Sensation gefeiert und in kürzester Zeit zum Presse- und Publikumsliebling wurde. David Diop erhielt dafür unter anderem den Prix Goncourt des lycéens 2018.

Andreas Jandl, geboren 1975, studierte Theaterwissenschaften, Anglistik und Romanistik in Berlin, London und Montréal. Er ist Übersetzer aus dem Französischen und Englischen, u. a. von J. A. Baker, Nicolas Dickner, Mike Kenney, Marie-Renée Lavoie, Robert Macfarlane, Maaza Mengiste, Gaétan Soucy und Elisa Shua Dusapin.

Informationen zum Buch

»Wie ein Tornado nimmt uns dieser kraftvolle, hypnotische Text mit. Atemberaubend!« L'Humanité

Alfa Ndiaye kämpft im Ersten Weltkrieg an der Seite der Franzosen gegen die Deutschen – ein »Schokosoldat« wie die Kameraden ihn nennen. Als Alfas geliebter Kindheitsfreund in seinen Armen verblutet, wird er von Wut und Rache gepackt. Wie ein Wahnsinniger zieht er mit seiner Machete über das Schlachtfeld und kehrt jeden Abend mit einem Gewehr des Feindes samt abgetrennter Hand zurück. Erst bewundern ihn die anderen, dann fürchten sie den Wilden und wenden sich ab. David Diop hinterfragt die Menschlichkeit in unmenschlichen Zeiten und verlagert das Grauen des Krieges ins tiefste Innere. Die Stimme von Alfa Ndiaye betört und verstört. Ein archaischer Roman von unvergleichlicher literarischer Kraft.

»David Diop ruft uns mit archaischer Wucht die Vergessenen eines grausamen Krieges ins Gedächtnis. Ein großes Buch, das lange nachwirkt.« Julia Schoc

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David Diop

Nachts ist unser Blut schwarz

Roman

Aus dem Französischen von Andreas Jandl

Inhaltsübersicht

Über David Diop

Informationen zum Buch

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Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kurze historische Anmerkung

Fußnoten

Impressum

Meiner ersten Leserin, meiner Frau,

mit dem schlauen Schimmer in den Augen;

drei schwarze Pünktchen lächeln in deiner Iris.

Meinen Kindern, den Fingern einer Hand.

Meinen Eltern, Überbringern vielfarbigen Lebens.

»Wir umarmen uns mit unseren Namen.«

Montaigne, »Über die Freundschaft«,

Essays, Band 1

»Wer denkt, verrät.«

Pascal Quignard,

Mourir de penser

»Ich bin zwei Stimmen zugleich.

Die eine entfernt sich, die andere naht.«

Cheikh Hamidou Kane,

Der Zwiespalt des Samba Diallo

1

Ich weiß, ich habe verstanden, ich hätte es nicht tun sollen. Ich, Alfa Ndiaye, Sohn des sehr alten Mannes, habe verstanden, ich hätte es nicht tun sollen. Bei der Wahrheit Gottes, jetzt weiß ich es. Meine Gedanken gehören nur mir, ich kann denken, was ich will. Ich werde aber nichts sagen. Alle die, denen ich meine geheimen Gedanken hätte sagen können, meine Waffenbrüder, werden schon zurückgekehrt sein, so entstellt, verkrüppelt, aufgeschlitzt, dass Gott sich schämen wird, sie ins Paradies eintreten zu sehen oder der Teufel sich freuen, sie in der Hölle zu empfangen. Sie alle werden nicht gewusst haben, wer ich wirklich bin. Die Überlebenden werden es nicht wissen, mein alter Vater nicht, und meine Mutter, falls sie noch unter uns ist, würde es nicht ahnen. Keine Scham wird meinen Tod zusätzlich belasten. Sie haben keine Vorstellung davon, was ich gedacht, was ich getan habe, wozu der Krieg mich gebracht hat. Bei der Wahrheit Gottes, die Ehre der Familie ist gerettet, zumindest die Ehre des Anscheins.

Ich weiß, ich habe verstanden, ich hätte es nicht tun sollen. In der Welt vorher hätte ich es nicht gewagt, doch in der Welt heute habe ich mir, bei der Wahrheit Gottes, das Undenkbare erlaubt. Keine Stimme in meinem Kopf, die es mir verboten hat: Die Stimmen der Ahnen, die meiner Eltern, sie blieben stumm, als ich daran dachte, zu tun, was ich schließlich tat. Jetzt weiß ich es, das schwöre ich, ich habe verstanden, als ich dachte, ich dürfe alles denken. Das kam ohne Vorwarnung, schlug ein in meinen Kopf wie ein großer Kriegshagel aus dem metallenen Himmel, am Tag, als Mademba Diop starb.

Ach, Mademba Diop, mein Seelenbruder, er brauchte zum Sterben zu lange. So, so schwierig war es, es hörte nicht auf, von der Morgenröte bis zum Abend, das Gedärm hing ihm heraus, das Innere war außen, wie bei einem zerlegten Opferschaf. Mademba war noch nicht tot, doch sein Inneres schon draußen. Während die anderen in die klaffenden Wunden der Erde flohen, die wir Gräben nennen, blieb ich liegen, oben bei Mademba, drückte mich an ihn, meine Rechte in seiner Linken, schaute in den metallzerfurchten kalten blauen Himmel. Dreimal bat er mich, sein Leiden zu beenden, dreimal verwehrte ich ihm diesen Dienst. Das war vorher, bevor ich mir erlaubte, alles zu denken. Wäre ich schon gewesen, der ich heute bin, hätte ich ihn sofort getötet, als er das erste Mal darum bat, den Kopf zu mir gewandt und seine Linke in meiner Rechten.

Bei der Wahrheit Gottes, wäre ich schon gewesen, der ich heute bin, hätte ich ihm die Kehle durchgeschnitten wie einem Opferschaf, aus Freundschaft. Aber ich dachte an meinen alten Vater, an meine Mutter, an die innere Stimme, die mir befiehlt, und konnte den Stacheldrahtstrang seiner Leiden nicht durchtrennen. Ich war nicht menschlich mit Mademba, meinem Seelenbruder, meinem Kindheitsfreund. Ich hielt mich an meine Pflicht. Ich sagte ihm nur die falschen Dinge, was die Gesetze der Menschlichkeit mir vorgaben und die Stimme der Pflicht, und war nicht menschlich.

Bei der Wahrheit Gottes, ich ließ Mademba schreien wie ein kleines Kind, auch als er zum dritten Mal flehte, sein Leiden zu beenden, wobei er sich vollmachte und mit der Rechten die Erde abtastete, um sein verstreutes Gedärm einzusammeln, das schleimig glänzte wie Wassernattern. Er sagte: »Bei Gottes Gnade und bei der unseres Großen Marabou, Alfa, wenn du mein Bruder bist, wenn du wirklich der bist, für den ich dich halte, schneide mir die Kehle durch wie einem Opferschaf, lass nicht den Tod mit seinem Maul meinen Körper zerreißen! Erspare mir diesen Schmutz. Alfa Ndiaye … Alfa … töte mich … ich flehe dich an!«

Doch gerade weil er von unserem Großen Marabou sprach, gerade weil ich die Gesetze der Menschlichkeit einhalten wollte, die Gesetze unserer Ahnen, war ich nicht menschlich und ließ Mademba, meinen Seelenbruder, meinen Kindheitsfreund, mit Tränen in den Augen sterben, mit zitternden Händen, die versuchten, im Schlamm des Schlachtfelds seine Eingeweide zusammenzusuchen und zurück in den aufgeschlitzten Bauch zu tun.

Ach, Mademba Diop! Erst als du gestorben warst, fing ich wirklich an zu denken. Erst nach deinem Tod, als die Nacht aufzog, wusste ich, verstand ich, dass ich auf die Stimme der Pflicht nicht hätte hören sollen, diese befehlende Stimme, die für uns entscheidet. Doch es war zu spät.

Als du tot warst, die Hände endlich ruhig, endlich still, im letzten Atemzug endlich vom schmutzigen Leid erlöst, da dachte ich nur, dass ich nicht hätte warten dürfen. Ich verstand einen Atemzug zu spät, dass ich dir die Kehle hätte durchschneiden sollen, gleich als du zum ersten Mal darum gebeten hast, als deine Augen noch trocken waren und ich deine linke Hand hielt. Ich hätte dich nicht leiden lassen dürfen wie einen alten einsamen Löwen, den die Hyänen lebendig zerreißen, sein Inneres nach außen kehren. Aus den falschen Gründen ließ ich dich weiterflehen, wegen vorgegebener Gedanken, die hinter ihrer Maske nicht gut und ehrlich sind.

Ach, Mademba! Wie sehr ich bereute, dich nicht am Morgen der Schlacht getötet zu haben, als du mich noch freundlich gebeten hast, freundschaftlich, mit einem Lächeln in der Stimme! Hätte ich dir zu diesem Zeitpunkt die Kehle durchgeschnitten, wäre das mein letzter guter Scherz im Leben für dich gewesen – und ich hätte auf ewig dein Freund bleiben können. Statt aber zu tun, worum du mich gebeten hast, ließ ich dich schimpfen über mich, ließ dich heulen, sabbern, brüllen, dich vollmachen wie ein verrückt gewordenes Kind. Im Namen irgendwelcher Gesetze der Menschlichkeit überließ ich dich deinem elenden Ende. Vielleicht um meine Seele zu retten, vielleicht um so zu bleiben, wie die, die mich erzogen haben, es wollten, dass ich vor Gott und vor den Menschen bin. Aber vor dir, Mademba, da konnte ich kein Mensch sein. Ich ließ dich mich verfluchen, dich, meinen Freund, meinen Seelenbruder, ließ dich schreien und über Gott lästern, weil ich noch nicht selbst denken konnte.

Aber sobald du unter Röcheln gestorben warst, inmitten deiner frei liegenden Därme, mein Freund, mein Seelenbruder, sobald du tot warst, wusste ich, verstand ich, dass ich dich nicht hätte im Stich lassen dürfen.