Nachtstille - Ines Buck - E-Book
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Nachtstille E-Book

Ines Buck

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Beschreibung

Welche Abgründe verbergen sich hinter der scheinbaren Idylle? Der Kriminalroman »Nachtstille« von Ines Buck jetzt als eBook bei dotbooks. Ein Traumurlaub, der zum Albtraum wird: Vier Freunde brechen mit dem Campervan Richtung Italien auf. Doch nach einer Übernachtung auf dem Campingplatz »Waldesruh« sind sie nur noch zu dritt. Die junge Medizinstudentin Sophia kehrt von einem Spaziergang nicht zurück. Was ist in jener Nacht passiert? Wieso musste Sophia sterben?   Sophias Freunde und die anderen Camper behaupten, nichts mitbekommen zu haben. Doch Kommissarin Karla Sommerfeld spürt, dass mehr Wahrheit im Schweigen der Befragten liegt als in ihren Worten. Wurde Sophia absichtlich an diesen abgelegenen Ort gebracht, damit niemand ihre Schreie hört? Während Sommerfeld mit Hochdruck versucht, das Netz aus Lügen zu entwirren, erkennt sie viel zu spät, dass sie selbst längst in das Visier des Täters geraten ist. Jetzt als eBook kaufen und genießen: Der packende Thriller »Nachtstille« von Ines Buck ist der erste Band ihrer Spannungsreihe um die Kommissarin Karla Sommerfeld und wird alle Fans von Melanie Raabe und Claire Douglas mit sich reißen. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.

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Seitenzahl: 295

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Über dieses Buch:

Ein Traumurlaub, der zum Albtraum wird: Vier Freunde brechen mit dem Campervan Richtung Italien auf. Doch nach einer Übernachtung auf dem Campingplatz »Waldesruh« sind sie nur noch zu dritt. Die junge Medizinstudentin Sophia kehrt von einem Spaziergang nicht zurück. Was ist in jener Nacht passiert? Wieso musste Sophia sterben?  

Sophias Freunde und die anderen Camper behaupten, nichts mitbekommen zu haben. Doch Kommissarin Karla Sommerfeld spürt, dass mehr Wahrheit im Schweigen der Befragten liegt als in ihren Worten. Wurde Sophia absichtlich an diesen abgelegenen Ort gebracht, damit niemand ihre Schreie hört? Während Sommerfeld mit Hochdruck versucht, das Netz aus Lügen zu entwirren, erkennt sie viel zu spät, dass sie selbst längst in das Visier des Täters geraten ist.

»Nachtstille« erscheint außerdem als Hörbuch und Printausgabe bei SAGA Egmont, www.sagaegmont.com/germany.

Über die Autorin:

Ines Buck lebt mit ihrer Familie im Taunus, vor den Toren der Mainmetropole Frankfurt. Sie arbeitet als Journalistin und schreibt leidenschaftlich gerne, am liebsten spannende Psycho-Thriller.

Bei dotbooks veröffentlichte die Autorin den Psychothriller »Misstrauen – Schatten der Vergangenheit« sowie in ihrer Reihe um die Kommissar Karla Sommerfeld den Kriminalroman »Nachtstille«. Weitere Bände sind in Vorbereitung. Die Bücher sind auch als im Hörbuch und Print bei SAGA Egmont erhältlich.

***

eBook-Ausgabe April 2024

Copyright © der Originalausgabe 2024 Ines Buck und SAGA Egmont

Copyright © der eBook-Ausgabe 2024 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Wildes Blut – Atelier für Gestaltung Stephanie Weischer unter Verwendung mehrerer Bildmotive von © shutterstock

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (lj)

ISBN 978-3-98952-068-4

***

Liebe Leserin, lieber Leser, wir freuen uns, dass Sie sich für dieses eBook entschieden haben. Bitte beachten Sie, dass Sie damit ausschließlich ein Leserecht erworben haben: Sie dürfen dieses eBook – anders als ein gedrucktes Buch – nicht verleihen, verkaufen, in anderer Form weitergeben oder Dritten zugänglich machen. Die unerlaubte Verbreitung von eBooks ist – wie der illegale Download von Musikdateien und Videos – untersagt und kein Freundschaftsdienst oder Bagatelldelikt, sondern Diebstahl geistigen Eigentums, mit dem Sie sich strafbar machen und der Autorin oder dem Autor finanziellen Schaden zufügen. Bei Fragen können Sie sich jederzeit direkt an uns wenden: [email protected]. Mit herzlichem Gruß: das Team des dotbooks-Verlags

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***

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Ines Buck

Nachtstille

Kriminalroman. Karla Sommerfeld ermittelt 1

dotbooks.

ZITAT

Warum die Hölle im Jenseits suchen?

Sie ist schon im Diesseits vorhanden, im Herzen der Bösen.

Jean-Jacques Rousseau

PROLOG

Sophia schreckte auf, als ihr Handy klingelte. Es glitt ihr aus den Fingern und fiel zu Boden, ehe sie den Anruf entgegennehmen konnte.

»Alles okay?«, fragte Mark, der neben ihr am Steuer des Multivans saß. Sein dunkles Haar war kurz geschnitten, er war erst gestern beim Friseur gewesen. Seine Arme waren gebräunt, obwohl er mehr Zeit des Sommers am Schreibtisch als im Freien verbracht hatte.

»Alles okay, ich bin wohl eingenickt.«

Sie schob ihre Sonnenbrille zurück und angelte mit den Händen im Fußraum des Wagens nach ihrem Handy. Das Display zeigte einen Anruf in Abwesenheit. Miriam. Sophia stellte das Radio leiser und klickte auf die Telefonnummer.

»Sorry, das Handy ist mir heruntergefallen«, sagte sie statt einer Begrüßung.

»Du musst dich nicht entschuldigen.«

Sophia wandte sich um. Ben und Miriam fuhren direkt hinter ihnen in einem in die Jahre gekommenen Wohnmobil der Firma Pössl. Sophia ahnte, dass Miriam sie um den brandneuen Multivan beneidete – auch wenn sie nie darüber gesprochen hatten. Sie hatten ihn im vergangenen Monat gekauft, Mark hatte die Farbkombination ausgewählt. Grün-Weiß. Ihr hätte Rot-Weiß besser gefallen, aber sie wollte deshalb keine Auseinandersetzung provozieren.

»In ein paar Kilometern kommt die Abfahrt zu dem Campingplatz, auf dem Ben übernachten will«, sagte Miriam.

Sophia war dagegen gewesen, hier eine Pause einzulegen. Sie war froh rauszukommen und wäre am liebsten bis nach Italien durchgefahren. Aber Ben bestand darauf. Angeblich hatte er hier in der Kindheit seine Ferien verbracht und wollte die Gelegenheit nutzen, alte Erinnerungen aufleben zu lassen. Immerhin lag der Campingplatz fast auf der Strecke.

Ein paar Kilometer weiter setzte Mark den Blinker und bog scharf nach rechts ab. Die Straße war holprig und voller Schlaglöcher. Sie führte durch eine verschlafene Ortschaft namens Birkenweiler, vorbei an Wiesen und Feldern, über einen kleinen Bach und endete schließlich am Eingang des Campingplatzes. Von dort ging lediglich ein Schotterweg weiter in Richtung Wald.

Waldesruh stand an dem großen Bogen aus Metall, der das Eingangstor zum Campingplatz überspannte. Die Buchstaben waren verschnörkelt, auf beiden Seiten des Schriftzugs war der Bogen kunstvoll verziert. Weit und breit war niemand zu sehen. Mark parkte den Multivan auf dem Parkplatz vor dem Tor und stieg aus. Ben stellte das Wohnmobil daneben ab und kurbelte die Scheibe hinunter. Mark ging ein paar Meter auf ihn zu.

»Ich schau mal, ob ich jemanden finde, der hier zuständig ist.«

Ben nahm einen tiefen Schluck aus seiner Wasserflasche.

»Ich komme mit.«

Er öffnete die Fahrertür und sprang hinaus.

Sophia beobachtete, wie die beiden Männer durch das Tor gingen und auf dem Gelände des Campingplatzes verschwanden. Miriam saß mit geschlossenen Augen auf dem Beifahrersitz des Wohnmobils und machte keine Anstalten auszusteigen.

Sophia seufzte. Sie hatte keine Lust, noch länger im Auto zu sitzen, trat auf den Parkplatz hinaus und streckte sich. Die Luft war warm, obwohl es schon früher Abend war. Es roch nach warmer Erde und Sommerflieder. Bienen summten und das wenige Wasser des kleinen Baches plätscherte leise vor sich hin.

Seit ein paar Tagen war das Sommersemester zu Ende und Sophia wäre lieber mit Mark alleine weggefahren. Sie hatten erst vor wenigen Wochen geheiratet und es wäre so etwas wie eine Hochzeitsreise gewesen. Die standesamtliche Hochzeit hatten sie im kleinsten Rahmen vollzogen, nur Ben und Miriam waren als Trauzeugen dabei. Für das nächste Frühjahr planten sie die kirchliche Trauung mit einem großen Fest, an dem alle Freunde und Verwandten teilnehmen sollten. Sophia hatte das Motiv für die Einladungskarten schon ausgesucht, zögerte aber noch, es Mark zu zeigen. Sie wollte eine große Hochzeit, konnte sich aber das Fest ohne ihre Eltern nicht vorstellen. Sie vermisste sie so sehr. Die schrecklichen Ereignisse des letzten Jahres holten sie immer wieder ein und raubten ihr die Luft zum Atmen. Ohne jede Vorwarnung hatte sie beide Eltern verloren. Immer wieder hörte sie das Blaulicht der Sirenen in jener Nacht, obwohl sie nicht am Unfallort gewesen war. Schlimmer jedoch als die Albträume und die Panikattacken, die sie seit diesem Tag verfolgten, war die eisige Einsamkeit, in die sie versunken war. Der einzige Strohhalm in dieser Einsamkeit war Mark.

Sie konnte sich nicht daran erinnern, wie er sie davon überzeugt hatte, dass eine Reise zu viert eine gute Idee war. Vielleicht hatte er sie gar nicht überzeugt, vermutlich hatte sie einfach nicht die Kraft dazu aufgebracht, ihm zu widersprechen. Seit dem letzten Herbst lebte sie in einer Art Dämmerzustand. Mark wich seit dem Tag des Unfalls nicht mehr von ihrer Seite, ohne ihn hätte sie die letzten Monate nicht überstanden. Das war wohl auch der Grund, warum sie Ja gesagt hatte, als er um ihre Hand anhielt. Es hatte sich nicht richtig angefühlt, irgendwie zu früh. Aber das Gefühl, Mark auch noch zu verlieren, war unerträglich.

Sie legte die Hand über die Augen, um in dem grellen Sonnenlicht besser sehen zu können, und ging ein paar Schritte in den Campingplatz hinein. Mark und Ben standen an dem kleinen, dunkel gestrichenen Jägerzaun, der die erste Parzelle umgab, und sprachen mit einem braun gebrannten Mann, von dem sie vermutete, dass er der Platzwart sei. Er trug eine abgeschnittene Jeans und ein schwarzes Muskelshirt. Soweit Sophia das von hier aus erkennen konnte, war er so gut wie überall tätowiert. Eine Schlange wand sich seinen Hals entlang, beinahe bis auf seine rechte Wange.

Jetzt deutete er auf die gegenüberliegende Wiese, woraufhin Mark nickte und die drei Männer auf den Parkplatz zusteuerten.

»Das ist Alex«, sagte Mark.

Alex verlagerte sein Gewicht von einem Bein auf das andere und bleckte die Zähne. Sophia vermutete, dass es so etwas wie ein Lächeln sein sollte.

»Alex ist hier der Platzwart. Wir können dort drüben übernachten.«

Wie Alex eben deutete jetzt Mark auf die Wiese links neben dem Eingangstor. Umgeben von Buchen und Haselsträuchern erstreckte sie sich weitläufig neben dem geschotterten Hauptweg. Sie bot Platz für mindestens fünfzehn Zelte, war aber vollkommen verwaist. Ganz hinten entdeckte Sophia zwei alte, hochgewachsene Eichen. Weiter vorne lag eine Feuerstelle, die von vier Baumstämmen eingerahmt wurde.

Die Freunde stellten ihre Vans auf der großen Campingwiese ab, legten sich eine Stunde aufs Ohr und machten anschließend Feuer auf der Grillstelle am Ende der Wiese. Ein idyllischer Abend. Trotzdem gelang es Sophia nicht, sich zu entspannen. Die Geister der letzten Monate verfolgten sie, und sie fragte sich, ob sie jemals wieder zur Ruhe finden würde.

Sie hätte sich auf diese Reise zu viert nicht einlassen sollen. Was sie brauchte, war Ruhe, um den Tod ihrer Eltern zu verarbeiten und wieder zu Kräften zu kommen. Sie fragte sich, ob Mark das nicht erkannte oder ob es ihm schlicht egal war. Selbst jetzt, nach ihrer Hochzeit, wurde sie das Gefühl nicht los, hinter Ben und Miriam an zweiter Stelle zu stehen.

Sie hatte Mark vor zwei Jahren kennengelernt. Damals hatten er, Ben und Miriam in einer WG gewohnt. Sie waren eine eingeschworene Gemeinschaft, zu der sie nie wirklich Zugang gefunden hatte. Bis heute. Nach dem Tod ihrer Eltern war Mark zu ihr in ihr Elternhaus an den Stadtrand von Würzburg gezogen. Sie hatte das als großes Zugeständnis empfunden und er tat nichts, ihr dieses Gefühl zu nehmen.

Sophia erhob sich.

»Ich gehe ein Stück spazieren.«

Mark unterbrach das Gespräch mit Ben.

»Soll ich mitkommen?«, fragte er.

»Nein, nicht nötig. Ich möchte lieber eine Weile alleine sein.«

Er ging nicht weiter darauf ein und wandte sich wieder Ben zu. In den letzten Monaten ging sie oft allein spazieren. Sie brauchte die Zeit, um nachzudenken, zu sich zu finden und das Geschehene zu verarbeiten.

Sophia ging über die Wiese hinaus auf den ausgetretenen Weg, der durch die Anlage führte.

Es war schon spät, dennoch kühlte es kaum ab. Sie legte den Kopf in den Nacken und sah hinauf in den klaren Sternenhimmel. Der Blick nach oben machte sie wehmütig. Das Bewusstsein darüber, wie sehr sich ihr Leben in den letzten Monaten verändert hatte, traf sie wieder einmal wie ein Schock und trieb ihr die Tränen in die Augen. Sie ging an den Sanitäranlagen vorbei zu der kleinen Treppe, die über die Terrassen nach oben führte. Ein Spaziergang war in jedem Fall besser, als sich von Ängsten geplagt hin und her zu wälzen.

Auf dem Campingplatz herrschte Dunkelheit. Eine Beleuchtung gab es nicht. Lediglich von den wenigen bewohnten Parzellen fiel ab und an ein fahles Licht auf den Weg.

Zu spät, um einfach umzudrehen, ohne dass es unhöflich gewirkt hätte, bemerkte sie die Glut einer Zigarette, die rot aufleuchtete, als sie sich der Treppe näherte.

»Hallo Sophia.« Obwohl es dunkel war, erkannte sie ihn sofort.

Es war Alex.

Wie angewurzelt blieb sie stehen.

»Hallo.«

Das Lächeln, das sich in der Dunkelheit auf seinem Gesicht abzeichnete, ließ ihn freundlicher wirken als bei ihrer Begegnung am Nachmittag. Geradezu sympathisch.

Sie zögerte. Vielleicht war es die laue Sommernacht, vielleicht war es aber auch einfach das Bedürfnis, noch etwas draußen zu bleiben, bevor sie sich wieder schlaflos von einer Seite auf die andere drehte, während Mark neben ihr schnarchte.

»Was machst du hier?«

»Ich kann nicht schlafen.«

»Ich auch nicht.«

Sophia setzte sich neben Alex auf die Stufen und betrachtete ihn verstohlen in dem wenigen Licht, das der helle Mond über den nächtlichen Campingplatz warf. Es war ihr nicht entgangen, wie Alex sie heute Nachmittag angesehen hatte, als sie aus dem Multivan auf die Campingwiese hinausgetreten war. Eine Mischung aus Bewunderung und …? So hatte Mark sie noch nie angeschaut.

»Was machst du auf dem Campingplatz Waldesruh?«, fragte Sophia.

Es war echtes Interesse, aus dem sie die Frage stellte. Sie fand es merkwürdig, dass ein junger Mann sein Leben an einem Platz verbrachte, der so verlassen und verwahrlost wirkte. Am Waldesrand, in der Nähe nur ein kleines Dorf, weiter nichts.

»Ich suche nach Ruhe«, antwortete Alex.

Sie warf ihm einen fragenden Blick zu, aber er starrte nur auf den Boden zu seinen Füßen. Er kam ihr merkwürdig vertraut vor. Sie überlegte, an wen er sie erinnerte, kam aber nicht darauf. Es waren seine Augen, die Art, wie ernsthaft er wirkte, als er nach der richtigen Antwort suchte. Irgendetwas daran berührte eine Saite in ihrem Innersten, die sie schon lange nicht mehr gespürt hatte.

»Hier gibt es niemanden, der mir auf die Nerven geht, und es gibt eine Menge zu tun. Da drüben …«, Alex deutete in Richtung des Dickichts, »… ist alles verwildert. Das sah hier beinahe überall so aus. War eine Menge Arbeit, den Campingplatz wieder so weit herzurichten.« Ein zufriedenes Lächeln glitt über sein Gesicht. »Und es liegt noch eine Menge Arbeit vor uns. In der Wildnis dahinten liegt sogar ein altes Schwimmbecken. Vollkommen verwuchert, ist inzwischen das reinste Biotop. Willst du mal sehen?«

Warum nicht? Sie hatte ohnehin vorgehabt, noch ein Stück zu gehen. Alex erschien ihr nicht bedrohlich. Ganz im Gegenteil. Sie fühlte sich sicherer mit dem Platzwart gemeinsam noch ein paar Schritte über den Campingplatz zu laufen als alleine. Bei ihrem ersten kurzen Spaziergang nach ihrer Ankunft hatte sie sich plötzlich vor dem Wohnwagen eines Typen wiedergefunden, der alles andere als vertrauenerweckend gewirkt hatte.

»Ja, gerne«, sagte sie deshalb und folgte Alex die Stufen hinauf bis zur ersten Terrassenebene. Er bog nach links ab und ging zielstrebig in Richtung des Dickichts am Ende des Campingplatzes. Sie durchquerten die Hecken, die an manchen Stellen licht genug waren, um problemlos hindurchzugleiten. Vorbei an alten Wohnwagen, aus deren Fenstern fahles Licht fiel, und verlassenen Parzellen, für die sich schon lange niemand mehr interessierte. In dieser Ecke des Campingplatzes standen keine hübschen Tiny Houses wie unten in der Nähe der Sanitäranlagen. Die Tiny-House-Besitzer hatten sich für ihre kleinen Eigenheime die schönsten Parzellen am Fluss oder auf der obersten Terrasse mit Blick über das Tal ausgesucht. Hier hatte niemand Blumen gepflanzt oder Wäsche aufgehängt. Hier gab es nur reinen Verfall. Während Sophia versuchte, Schritt zu halten, um Alex in der Dunkelheit nicht zu verlieren, fiel ihr auf, wie durchtrainiert er war. Er bewegte sich schnell und behände wie eine Katze. Als sich die letzten Parzellen im Dickicht auflösten, hielt er inne und streckte ihr die Hand entgegen. »Komm.«

Sie zögerte kurz, dann ergriff sie seine Hand und folgte ihm in die Dunkelheit. Dichtes Gebüsch am Boden machte jedes Vorankommen schwierig, Dornen zerrten an ihren Beinen. Alex trat das Dickicht vor ihr zu Boden, um ihr den Weg zu erleichtern. An der Art, wie er sich bewegte, erkannte sie, dass er schon unzählige Male hier gewesen sein musste. Seine Hand war warm und sein fester Griff gab ihr Sicherheit. Ab und zu hielt er an und deutete auf alte Wohnwagen, zerfallen und kaum sichtbar unter Efeu und Gestrüpp.

»Die meisten Wohnwagen wurden irgendwann weggebracht, aber manche wurden einfach stehen gelassen.« Er sprach so leise, dass er die Stille kaum störte, und dennoch verstand sie jedes Wort. Dann lichtete sich das Dickicht. Alte Spielgeräte aus Metall schimmerten im Mondlicht, am Rande der Lichtung glänzte Wasser.

»Schau dir das an.« Seine Stimme klang beinahe andächtig.

Der Blick auf die Relikte einer längst vergangenen Zeit verschlug Sophia die Sprache. Hier hatten Kinder gelacht und getobt, Familien hatten hier die schönste Zeit des Jahres verbracht. Neben dem Spielplatz stand eine kleine Ruine. Ein verrostetes Schild mit der Aufschrift Eis deutete auf ihre einstige Bestimmung hin. In dem alten Pool am Ende der Lichtung schwammen Seerosen, Frösche quakten und das Licht des Mondes spiegelte sich im Wasser.

Das Quaken der Frösche drang durch die nächtliche Stille und vermischte sich mit dem Zirpen der Grillen, das von den Wiesen unten im Tal zu ihnen hinauf drang. Zweige knackten, vermutlich ein Tier, das durchs Gebüsch streunte. Eine Katze vielleicht? Wieder ein Knacken und Rascheln, dieses Mal näher. Sophia ignorierte das Geräusch, Alex schien es nicht einmal bemerkt zu haben. Plötzlich hörten die Frösche auf zu quaken, als hätte sie etwas erschreckt. Sogar das Zirpen der Grillen schien leiser geworden zu sein. Sophia hielt einen Moment die Luft an, dann setzten das Quaken der Frösche wieder ein. Das Knacken und Rascheln entfernte sich rasch und mit einem Mal wurde Sophia klar, dass es sich dabei nicht um ein Tier handelte. Jemand schlich da draußen durchs Gebüsch.

Es war leichtsinnig gewesen, einem Fremden mitten in der Nacht auf dunklen Pfaden über diesen unheimlichen, halb verfallenen Campingplatz zu folgen. Langsam kroch eine Gänsehaut Sophias Arme hinauf und breitete sich über ihren ganzen Körper aus. Ein Windstoß fuhr durch die Zweige, sie begann zu zittern. Im fahlen Mondlicht wirkte die schwarze Schlange, die sich an Alex Hals hinaufwand, unheimlich. Sophia trat einen Schritt zurück.

KAPITEL 1

»Gibt es irgendetwas, was ich wissen muss?« Karla Sommerfeld ließ sich auf den Drehstuhl vor ihrem Computer fallen. Sie drückte den Startknopf und nahm einen Bissen von dem halb aufgegessenen Frikadellenbrötchen mit zwei großen Blättern Salat, ein paar Zwiebelscheiben und viel Ketchup. Seit die Metzgerei in Birkenweiler vor ein paar Jahren schließen musste, so wie die meisten Geschäfte in dem kleinen Ort, hatte die Bäckerei Albrecht die Frikadellenbrötchen in ihr Sortiment aufgenommen. Sie schmeckten noch ganz genauso gut wie früher.

Henning Meyer räusperte sich. Karla warf ihm einen ungeduldigen Blick zu. Sie wusste, dass er in den zwei Jahren, die er noch bis zur Rente auf dem Polizeirevier verbringen würde, nicht vorhatte, sich zu verausgaben. Ständig klagte er über seinen schmerzenden Rücken. Trotzdem wäre ein Mindestmaß an Zusammenarbeit wünschenswert, dachte sie, während sie einen weiteren Bissen von ihrem Brötchen nahm und kaute. Sie hatte keine Ahnung, wie es hier weitergehen sollte, wenn er in den Ruhestand ging. Es würde schwer werden, einen Nachfolger für ihn zu finden. Wer wollte schon in so einem gottverlassenen Nest wie Birkenweiler arbeiten? Sie wäre auch lieber in München geblieben. Nun ja, manchmal waren die Dinge eben, wie sie waren. Aber es war ja noch Zeit, bis sie einen Nachfolger für Meyer brauchen würde, und notfalls würde sie auch ein paar Monate alleine über die Runden kommen.

Zu ihrem Erstaunen gab Meyer auf ihre Frage hin ein Geräusch von sich, dass sich wie Hmhm anhörte. Sie deutet das als Ja und war augenblicklich hellwach.

Schwungvoll stieß sie sich vom Boden ab, machte mit dem Schreibtischstuhl eine halbe Drehung und rollte auf ihn zu.

»Was denn?«, fragte sie neugierig.

Sie konnte sich nicht daran erinnern, dass hier überhaupt einmal etwas passiert war, seit sie aus München in die kleine Polizeidienststelle in Birkenweiler gewechselt hatte. Das einzige Mal, dass in diesem Ort etwas geschehen war, das war … Sie zwang sich, nicht darüber nachzudenken. Sie war hier aufgewachsen und froh gewesen, endlich von hier wegzukommen. Ihre Vergangenheit hatte sie nie losgelassen, aber weit weg, in München, war ihr alles erträglicher erschienen. Doch dann war ihre Mutter krank geworden. Zuerst hatte sie es gar nicht wirklich bemerkt. Wie auch, ihre Mutter selbst hatte die Symptome immer abgetan. Jeder vergaß einmal etwas, wenn er schlecht geschlafen hatte, und mit dem Alter lässt die Gedächtnisleistung ohnehin nach, oder nicht? Erst als schwerwiegendere Gedächtnislücken aufgetaucht waren, hatte Karla darauf bestanden, dass sich ihre Mutter untersuchen ließ. Die Diagnose war ein Schock: Demenz. Sie beschloss, nach Birkenweiler zurückzukehren, um sich um sie zu kümmern. Zumindest, solange das möglich war. In der letzten Zeit wurde es immer schwieriger, und sie würde sich in absehbarer Zeit doch nach einem Platz in einem Pflegeheim umsehen müssen. Vielleicht in München. Dann hätte sie eine Chance, wieder in ihr altes Leben zurückzukehren.

Bis dahin bewohnte sie in der Lilienstraße eine Dreizimmerwohnung, die für sie alleine eigentlich viel zu groß war. Die Wohnung lag nur ein paar Straßen von ihrem Elternhaus entfernt. Es war wirklich ein glücklicher Zufall, dass sie gerade in der Zeit frei wurde, als Karla beschloss, nach Birkenweiler zurückzukehren. Natürlich hatte sie die Enttäuschung ihrer Mutter bemerkt, als sie ihr vorsichtig erklärte, dass sie in eine eigene Wohnung ziehen würde und nicht in ihr altes Kinderzimmer. Ihre Mutter hatte versucht, ihre Enttäuschung zu verbergen, aber die verräterischen Tränen, die in ihren Augenwinkeln schimmerten, und auch das leichte Zucken um ihre Mundwinkel hatte sie nicht aufhalten können. Karla war froh, dass sie sich trotzdem für die Wohnung entschieden hatte. Auch wenn es ihr schwergefallen war, ihre Mutter zu enttäuschen. Sie wusste, dass sie es unter einem Dach mit ihrer Mutter in ihrem Elternhaus nicht so lange ausgehalten hätte. Sie brauchte ihren Rückzugsraum und eine Möglichkeit, den Erinnerungen zu entfliehen, die in ihrem Elternhaus in jedem Raum, an jeder Wand und an jedem Möbelstück klebten.

In den letzten Jahrzehnten hatte sich hier kaum etwas verändert. Ihr ehemaliges Kinderzimmer war noch beinahe vollständig eingerichtet. Über der Tapete mit dem rosafarbenen Blumenmuster hingen Poster aus der Bravo, der Teppichboden war durch den Lichteinfall des Fensters an einigen Stellen völlig ausgeblichen. Nur im Erdgeschoss, wo sich Küche und Wohnzimmer befanden, hatte ihre Mutter vor wenigen Jahren den alten Bodenbelag durch ein hochwertiges Parkett austauschen und die Wände neu streichen lassen.

Meyer suchte umständlich und unerträglich langsam einen handgeschriebenen Zettel aus dem Papierstapel auf seinem Schreibtisch hervor.

»Ein Herr Bergmann hat angerufen und seine Frau als vermisst gemeldet«, verkündete er.

»Wann war das?« Karla legte ihr Brötchen beiseite und sah ihn aufmerksam an.

»Gegen Mittag.« Meyer studierte eingehend seine handschriftlichen Notizen. »Um zehn Uhr fünfundfünfzig, um genau zu sein.«

Sie ignorierte den missfallenden Blick, den er auf das angegessene Brötchen warf, das sie auf seinem Schreibtisch abgelegt hatte. Ohne Serviette oder Teller. Sie wusste, dass er, gleich nachdem sie sich umgedreht hatte, mit einem Taschentuch über den beinahe unsichtbaren Fleck wischen würde, den ihr Brötchen auf seinem Schreibtisch hinterließ.

»Und wie lange war sie da schon verschwunden?«, fragte sie.

»Kurz nach elf Uhr abends hat er sie zum letzten Mal gesehen.« Er kratzte sich hinter dem Ohr und konsultierte abermals seine Notizen. »Herr und Frau Bergmann haben die Nacht auf dem Campingplatz Waldesruh verbracht. Sie sind mit einem befreundeten Paar auf dem Weg nach Italien. Dort wollen sie gemeinsam Urlaub machen. Bis spät in die Nacht saßen sie gemeinsam an der Grillstelle auf dem Campingplatz. Frau Bergmann ist dann in Richtung der Sanitäranlagen aufgebrochen und nicht wieder zurückgekommen. Herr Bergmann dachte, sie mache einen Spaziergang. Er hat sich ins Bett gelegt und ist eingeschlafen. Als er am nächsten Morgen aufwachte, war sie immer noch nicht da.«

Karla Sommerfeld legte die Stirn in Falten.

»Er dachte, sie macht einen Spaziergang? Mitten in der Nacht?«

»Nach Aussage von Herrn Bergmann ist das schon öfter vorgekommen.«

»Kennen Sie viele Leute, die mitten in der Nacht spazieren gehen?«

»Natürlich nicht. Aber die Leute machen alle möglichen seltsamen Dinge.«

Das war ein Punkt. Karla dachte darüber nach.

»Jedenfalls ist Frau Bergmann nicht von ihrem Spaziergang zurückgekehrt«, resümierte sie.

»Kommen Sie schon, Frau Hauptkommissarin, was soll ihr denn passiert sein? Hier bei uns … Hier ist noch nie irgendetwas passiert.«

»Nennen Sie mich doch nicht immer Frau Hauptkommissarin, mein Name ist Karla.«

Meyer hob die Schultern. Sie wusste, dass es sinnlos war. Er würde sie nie mit ihrem Vornamen ansprechen. Inzwischen kannte sie ihn gut genug, um zu wissen, dass es nichts mit ihr zu tun hatte. Dienst war Dienst, und da wurden Kollegen mit ihrem Titel angesprochen. Zumindest in Meyers Welt. Aus Respekt siezte sie ihn auch. Allerdings wäre ihr ein freundschaftlicher Ton, wie sie ihn mit den Kollegen in München gepflegt hatte, lieber gewesen.

Sie sah auf ihre Armbanduhr. Eine Smartwatch für Läufer. Sie hatte sie erst vor ein paar Wochen erstanden, weil ihre bisherige Lauf-Uhr die Streckenmessung nicht mehr zuverlässig angegeben hatte.

»Es ist jetzt kurz nach zwei«, sagte sie nachdenklich.

Sie war eben erst ins Polizeirevier gekommen, da sie sich den Vormittag über freigenommen hatte, um mit ihrer Mutter in die Klinik zu fahren. Wie immer hatte sich der Termin nach hinten verschoben, und sie waren erst um halb zwei wieder in Birkenweiler gewesen. Nach einer langen Phase der Stabilität hatte sich der Zustand ihrer Mutter in den letzten Wochen verschlechtert, und sie wurde zunehmend ängstlicher. Sie verlor immer mehr Erinnerungen, ihr Misstrauen gegenüber anderen wuchs. Termine wie dieser waren nur mit viel Geduld und gutem Zureden zu bewältigen. Karla hoffte inständig, dass die nächsten Tage und Wochen leichter werden würden als die zurückliegenden.

»Sie ist noch keine vierundzwanzig Stunden verschwunden«, bemerkte Meyer.

»Ich fahre trotzdem mal rüber.« Karla erhob sich schwungvoll, griff nach ihrem Handy und steckte es in die hintere Hosentasche. Das angebissene Brötchen ließ sie liegen. »Kommen Sie mit?«

»Ich habe noch zu tun.«

Henning Meyer deutete auf den Bildschirm seines Computers. Der Bildschirmschoner hatte sich eingeschaltet, wechselnde Landschaften zogen über das Display. Die Hauptkommissarin verkniff sich eine bissige Bemerkung.

»Alles klar«, sagte sie stattdessen, stand auf und ließ die Tür geräuschvoll hinter sich ins Schloss fallen. Sie konnte beinahe spüren, wie Henning Meyer hinter ihr erleichtert aufatmete und hoffte, dass die nächsten drei Stunden bis zum Feierabend ohne weitere Vorkommnisse vergehen würden.

Karla hatte den Campingplatz Waldesruh seit Jahrzehnten nicht mehr betreten. Als Kind war sie im Sommer mit ihren Eltern hier regelmäßig zum Baden gewesen. In der näheren Umgebung gab es damals kein Freibad, aber der Campingplatz besaß einen Swimmingpool. Später, als Jugendliche, hatte sie hier mit der Clique aus Birkenweiler in den Ferien oder am Wochenende gezeltet. Das war lange her, inzwischen waren die meisten von hier weggezogen. Sie erinnerte sich an lange unbeschwerte Nächte unter einem funkelnden samtblauen Sternenhimmel. Unberührt von den grellen Neonlichtern der Großstadt, die ihr in München diesen Anblick stets verwehrt hatten. In den ersten Nächten, die sie nach ihrer Rückkehr in Birkenweiler verbracht hatte, hatte sie oft auf der Terrasse gesessen und stundenlang in die unendliche Weite des Nachthimmels gesehen.

Sie parkte ihren Dienstwagen auf dem geschotterten Parkplatz vor dem Eingangstor des Campingplatzes. Der Geruch nach Sommerflieder und das Surren der Insekten erinnerten sie an früher, auch sonst schien sich hier nicht viel verändert zu haben. Es schien so, als sei die Zeit stehen geblieben. Allerdings wirkte all das, was auch schon in Karlas Jugend nicht mehr neu gewesen war, jetzt alt und heruntergekommen. Früher blühten in den großen Kübeln rechts und links des Torbogens Stiefmütterchen und Gerbera in allen Farben, nun hingen nur noch ein paar verblichene Pflanzenreste in der trockenen Erde. Mit einem Mal vermisste sie ihren Vater. Seit er verschwunden war, hatte sich alles zum Schlechten gewendet. Ihre Mutter war erst depressiv und später dement geworden, vielleicht hing auch beides zusammen. Ihre Beziehung war in die Brüche gegangen und sie, die den Sprung in die große weite Welt geschafft hatte, war wieder hier in diesem gottverlassenen Nest gelandet. Ungeduldig wischte sie die düsteren Gedanken beiseite, die sie wie eine träge Fliege in der Hochsommerhitze umschwirrten.

Auf der großen Wiese direkt am Eingang des Campingplatzes entdeckte sie einen grün-weißen Multivan und ein graues Wohnmobil. Karla ging auf die kleine Gruppe zu, die vor den Fahrzeugen auf Campingstühlen in der Sonne saß. Zwei Männer und eine Frau. Die Männer waren vom Typ her sehr unterschiedlich, aber auffallend ähnlich gekleidet. Schlichte, aber elegante blaue Jeans, schwarzes T-Shirt, farbenfrohe Sneakers. Die junge Frau wirkte ernst, ihr Gesicht ließ jegliche mädchenhaften Züge vermissen.

»Hauptkommissarin Karla Sommerfeld«, stellte sie sich vor. »Ich suche Mark Bergmann.«

»Das bin ich.« Mark Bergmann erhob sich und reichte ihr die Hand.

»Und Sie sind?«

»Benjamin Friedrich.« Sein Händedruck war fester, als Karla es bei einem so jungen Mann erwartet hätte.

»Miriam Winkler.« Die Hand der jungen Frau war trotz der Hitze kühl, stellte Karla erstaunt fest. Vielleicht kam die Wasserflasche, die sie eben zur Seite gestellt hatte, direkt aus dem Kühlschrank.

Sie notierte sich die Namen und wandte sich Mark Bergmann zu.

»Sie haben Ihre Frau als vermisst gemeldet, Herr Bergmann. Ist sie inzwischen wieder aufgetaucht?«

»Nein. Wir haben den ganzen Campingplatz nach ihr abgesucht, keine Spur.« Er fuhr sich nervös mit der Hand durchs Haar. Miriam Winkler und Benjamin Friedrich beobachteten ihn aufmerksam.

»Ist so etwas schon öfter vorgekommen? Kann es sein, dass sich Ihre Frau einfach eine Auszeit genommen hat?«

»Eine Auszeit?« Mark Bergmann wirkte erstaunt. »Nein, das kann ich mir nicht vorstellen.«

»Sophia ist in einer schwierigen Phase«, warf Miriam Winkler ein. Karla betrachtete fasziniert ihr makelloses, ernstes Gesicht mit den kühlen grünen Augen. Wie war es möglich, dass die junge Frau keine Gefühlsregung zeigte, obwohl ihre Freundin spurlos verschwunden war. Müsste sie nicht verängstigt sein? Oder zumindest besorgt? Vielleicht waren die beiden Frauen auch gar nicht befreundet, sondern nur zufällig mit Männern liiert, die eine Freundschaft verband.

»Darf ich mich setzen?«

»Bitte.«

Mark Bergmann klappte den vierten Stuhl auf, der unbenutzt am Multivan gelehnt hatte. Karla nahm Platz und legte das Notizbuch auf ihren Knien ab.

»Was heißt, sie war in einer schwierigen Phase?«

»Sophias Eltern sind im letzten Jahr bei einem Autounfall gestorben. Sie hat sich von dem Schock noch nicht erholt. Sie ist labil, hat Panikattacken und Depressionen. Mark weicht seitdem nicht von ihrer Seite.« Miriam warf Mark einen Blick zu, den Karla nicht deuten konnte. »Es ist für alle nicht leicht.«

»Ist es möglich, dass sich Ihre Frau etwas angetan hat?«

Mark starrte auf seine Hände. Er atmete tief durch, dann blickte er auf.

»Ja«, sagte er. »Das halte ich durchaus für möglich.«

Karla klappte das Notizbuch zu, lehnte sich in ihrem Stuhl zurück und dachte nach. Außer dem Surren der Insekten und dem leisen Plätschern des kleinen Baches herrschte völlige Stille. Wer konnte, zog es vor, einen solchen Tag im Schatten zu verbringen und auf die kühlen Abendstunden zu warten.

»Sie wissen, dass in der Regel die ersten vierundzwanzig Stunden nach dem Verschwinden abgewartet werden, bevor wir aktiv werden?«

»Ja, das ist mir bewusst.«

»Trotzdem haben Sie Ihre Frau schon vor ein paar Stunden als vermisst gemeldet.«

»Ich mache mir Sorgen.«

Karla versuchte, die Situation einzuschätzen. Mark Bergmann machte einen gefassten und nüchternen Eindruck, dennoch wirkte er ernsthaft besorgt. Nach all dem, was sie in der Kürze der Zeit über Sophia Bergmann erfahren hatte, war es durchaus angebracht, nach der jungen Frau zu suchen, entschied sie nach kurzem Überlegen.

»In Ordnung. Wenn bei Ihrer Frau der begründete Verdacht auf einen Suizid besteht, können wir die Suche sofort einleiten. Würden Sie sagen, dieser begründete Verdacht ist hier gegeben?«

»Ich denke ja.«

»Herr Bergmann, dann brauche ich jetzt von Ihnen so viele Informationen über Ihre Frau wie möglich.«

Mark Bergmanns Augen weiteten sich so, als würde er erst jetzt begreifen, welche Tragweite die Geschehnisse der Nacht hatten. Er vergrub den Kopf in den Händen, Benjamin Friedrich legte ihm die Hand auf die Schulter. Als Mark Bergmann wieder aufsah, waren seine Augen gerötet, sein Blick ging der Hauptkommissarin bis unter die Haut. Er schien direkt in ihr Innerstes zu sehen.

»Was möchten Sie wissen?«

»Zunächst einmal brauche ich eine detaillierte Beschreibung Ihrer Frau, damit die Kollegen die größtmögliche Chance haben, sie zu finden.«

Er schluckte hart. Miriam Winkler sah sie abschätzend an.

»Sie meinen, sie lebt?«

»Wäre das nicht eine Möglichkeit?«

»Wie gesagt, Sophia war seit dem Tag, an dem ihre Eltern ums Leben kamen, schwer depressiv …«

Mit einer unauffälligen Geste unterbrach Benjamin Friedrich ihren Redefluss. Sie zuckte mit den Schultern. Karla wandte ihre Aufmerksamkeit wieder Mark Bergmann zu.

»Meine Frau … Sophia … Sie ist etwa einsfünfundsiebzig groß, schlank. Sie hat langes blondes Haar, ein hübsches Gesicht …« Er sah die Hauptkommissarin hilflos an.

»Augenfarbe?«

»Blau.«

»Was trug ihre Frau, als Sie sie zum letzten Mal gesehen haben?«

»Sie trug eine kurze Jeans und ein schwarzes Top, darüber eine dünne Strickjacke. Ebenfalls schwarz.«

»Es war mitten in der Nacht«, warf Karla ein. »Und Ihre Frau trug nur eine kurze Jeans?«

»Es war heiß …«

Stimmt, in der letzten Nacht hatte es sich kaum abgekühlt. Trotz weit geöffneten Fensters hatte sich Karla unruhig im Bett hin und her gewälzt. Die Hitze hatte sie nicht zur Ruhe kommen lassen, kaum ein Windhauch war hereingedrungen, um ihrem erhitzten Körper Kühlung zu verschaffen. Erst gegen Morgen war ein leichter Wind aufgekommen und sie hatte endlich in einen tiefen, traumlosen Schlaf gefunden, den das Klingeln des Weckers kaum drei Stunden später bereits wieder beendet hatte.

»Bitte erzählen sie mir von heute Morgen, als sie bemerkt haben, dass Ihre Frau nicht da ist. War ansonsten irgendetwas anders als sonst? Ist Ihnen etwas Ungewöhnliches aufgefallen?«

Mark Bergmann legte die Stirn in Falten. Es machte den Anschein, als würde er konzentriert nachdenken.

»Sophia lag nicht neben mir im Bett. Ich bin aufgestanden und ins Freie getreten. Vor dem Multivan stand Miriam. Sie hatte Kaffee zum Frühstück besorgt. Ich fragte sie nach Sophia, aber sie hatte Sophia auch nicht gesehen. Da habe ich angefangen, mir Sorgen zu machen.«

»Sie waren also schon länger wach, Frau Winkler?«

»Ja, ich stehe immer früh auf. Ich bin nach Birkenweiler gejoggt und habe Kaffee besorgt.«

»Sie haben beim Joggen Kaffee besorgt?«

Karla hob fragend die Augenbrauen. Sie war selbst Läuferin. Auch wenn sie nicht mehr so weite Strecken lief wie noch vor ein paar Jahren, war das Laufen noch immer ihr Ausgleich zum Berufsalltag und ihre Leidenschaft. Sie konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, wie man während des Joggens mehrere Becher Kaffee transportieren konnte.

»Natürlich nicht. Ich bin bis Birkenweiler gejoggt und mit dem Kaffee zurückgelaufen. Die Verkäuferin hat mir einen dieser Kartons gegeben, in die man mehrere Becher zum Transport stellen kann.«

»Gut, und wann war das?«

»Gegen acht Uhr bin ich hier los. Ich schätze, ich war eine Stunde unterwegs. Vielleicht auch etwas länger.«

Karla notierte die Uhrzeit.

»Und sie sind Frau Bergmann nicht begegnet.«

»Nein, ich dachte, sie liegt im Multivan und schläft.« Miriam Winkler wirkte genervt. »Sie hat immer ewig geschlafen. Wie hätte ich wissen sollen, dass es an diesem Tag anders ist?«

Benjamin Friedrich legte ihr den Arm um die Schulter.

»Schon gut, das konntest du nicht wissen.«

»Herr Friedrich, wann haben Sie bemerkt, dass Sophia Bergmann nicht da ist?«

»Erst als Miriam mit dem Kaffee zurückkam und mich geweckt hat.«

Karla nickte nachdenklich und machte sich ein paar Notizen. Die Grillen zirpten im Gras, das sich in der Sonne bereits gelblich verfärbt hatte. Seit Tagen brannte sie erbarmungslos vom Himmel. In der Ferne hörte Karla das Brummen eines Traktors. Ansonsten herrschte Stille.

KAPITEL 2

Karla ließ den Blick schweifen, sie würde sich den Campingplatz genauer ansehen müssen. Vielleicht fand sie einen Hinweis darauf, was mit Sophia Bergmann geschehen war.

Sie beschloss, einen Rundgang über den Campingplatz zu machen, ehe sie zum Polizeirevier zurückfuhr und verabschiedete sich von Mark Bergmann und seinen Freunden. Vielleicht würde das neue Erkenntnisse bringen. Beinahe genauso stark waren in diesem Moment ihr Wunsch, tiefer in ihre eigene Vergangenheit einzutauchen, und die Neugier, zu sehen, was von dem Campingplatz ihrer Kindheit übrig war.