Nanotod - Fran Peterz - E-Book

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Fran Peterz

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Beschreibung

Ein Verschwörungsthriller mit fantastischen Elementen: Nachdem ihr Mann ums Leben gekommen ist, versucht Alexandra Wendin, ihr Leben wieder in den Griff zu bekommen. Sie führt die Organisation ihres Mannes, tätig im Umfeld illegaler Aktivitäten, mit Hilfe eines Partners selbst weiter. Aber einer ihrer Beauftragten stiehlt die Unterlagen und Ergebnisse einer Firma, die sich mit Nanotechnologie beschäftigt. Alexandras Tochter wird von deren Sicherheitsdienst entführt, um Druck auf sie auszuüben. Mit Hilfe ihres Partners nimmt sie die Spur des Untergetauchten auf. Ein Wettlauf gegen die Zeit beginnt...

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Veröffentlichungsjahr: 2014

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Fran Peterz

Nanotod

Thriller

BookRix GmbH & Co. KG81371 München

Nanotod

Fran Peterz

 

 

Nanotod

 

 

(Disintegration)

 

 

Das Buch

 

 

Nachdem ihr Mann ums Leben gekommen ist, versucht Alexandra Wendin, ihr Leben wieder in den Griff zu bekommen. Sie führt die Organisation ihres Mannes, tätig im Umfeld illegaler Aktivitäten, mit Hilfe eines Partners selbst weiter.

 

Aber einer ihrer Beauftragten stiehlt die Unterlagen und Ergebnisse einer Firma, die sich mit Nanotechnologie beschäftigt. Alexandras Tochter wird von deren Sicherheitsdienst entführt, um Druck auf sie auszuüben. Mit Hilfe ihres Partners nimmt sie die Spur des Untergetauchten auf. Ein Wettlauf gegen die Zeit beginnt…

 

 

 

FRAN PETERZ

 

 

NANOTOD

 

 

 

(Disintegration)

 

 

Roman

 

Originalausgabe

 

Copyright © 2007 Fran Peterz

 

Eins - Überlebt

 

 

 

 

Mein Name ist Alexandra Wendin – oder sollte ich sagen, dass ich Vivien Follest heiße? Wahrscheinlich sind letztendlich Namen ja doch Schall und Rauch. Und nur die Person hinter den Namen zählt. Sie wird sich nicht ändern, nur weil Mann oder Frau sich anders bezeichnen. Oder? Vielleicht aber erzähle ich ihnen meine Geschichte und lasse Sie selbst urteilen, lasse Sie bestimmen, wie ich heißen soll – was mein wahres Ich ist.

Jetzt – fast ein Jahr nach den Ereignissen, die ich ihnen kurz skizzieren will - ist mein Leben wieder in den Bahnen, die mir einigermaßen zusagen. Auch wenn dieses Leben anders aussieht, als vor dem Zeitpunkt, bevor all das begann. Zudem könnte ich behaupten, dass der Untergrund, auf dem ich mich bewege, immer noch nass, schlammig, etwas steinig, jedenfalls uneben und voller Pfützen ist. Und – um das Bild zu vervollständigen – ich bewege mich auf High Heels mit Bleistiftabsätzen in einem Sommerkostüm mit langen, weiten Rock durch diese Gegend, versuche, nicht zu versinken, nicht schmutzig zu werden und mir auch die Beine nicht zu brechen. Klingt alles verwirrend, unausgegoren, seltsam?

Sie haben Recht, aber ich kann es nicht besser ausdrücken – Symbolik ist immer vom Betrachter abhängig und mein visuell orientiertes Gedächtnis sagt ihnen bei meinem Bild wahrscheinlich nicht das, was ihres ihnen mitteiltIch spüre jedenfalls jeden Stein unter meinen Sohlen, jeden Schlammspritzer an meinen Beinen, den Wind durch den dünnen Stoff. Aber eigentlich möchte ich damit nur sagen, dass jemand – der dumm genug ist, auf eine Tour über Land so angezogen zu gehen, es sich selbst zu zuschreiben hat, wenn er sich dann doch die Beine bricht und im Schlamm versinkt. Wenn sie dieser Meinung sind, dann haben sie wieder Recht – ich bin selbst denke auch so. Vielleicht glauben Sie mir: hätte ich gewusst, dass es nicht auf eine Party, sondern in einen Sumpf und über steinige Wege geht, dann wäre ich mit Jeans und Gummistiefeln ausgerückt. Letzt endlich bedeutet das alles einfach nur, dass ich ein Leben geführt hatte, dessen Konsequenzen mir nicht klar waren. Ich wusste nicht einmal, worauf ich mich einließ.

Eigentlich begann meine Geschichte schon mit dem Zeitpunkt, an den mein Leben geregelt langweilig zu werden schien, nämlich während ich das Collage absolvierte. Ich hatte einen freiwilligen, wenig frequentierten Kurs in Kriminalistik besucht und dort den Vortragenden – heute scheint mir, als einziger aktiver Teilnehmer – immer wieder mit Fragen bombardiert. Ich muss dort jemandem aufgefallen sein. Ich weiß bis heute nicht, wer es war.

Auf jeden Fall bekam ich bald ein Paket in die Schule. Es tauchte in meinem Spind auf, an mich adressiert. Ich hielt es zuerst für einen Scherz einer meiner Freundinnen, die mit mir den Kurs besucht hatten und im Gegensatz zu mir davon gelangweilt gewesen waren. Ich hatte den Kurs genossen – gewiefte und raffinierte Mörder und obskure Morde hatten mich schon immer fasziniert, Sir Arthur Conan Doyle war mir näher gewesen als romantische Geschichten, die von den meisten Mädchen am Collage gelesen wurden – wenn sie überhaupt lasen. Er ist es immer noch.

Der Inhalt des Pakets überraschte und faszinierte mich wie nie etwas zuvor, was an seinem Inhalt lag: ein wunderschönes und freizügiges Seidenkleid von Gucci, Nylonstrümpfe, hochhackige Stilettos und ein String, ein Brief, eine Droge, ein dicker Packen Geld, ein Ausweis. Ich wurde in dem Schreiben beauftragt, einen Mann zu betäuben. Ich überlegte, kam dann zum Schluss, dass das meine Chance sein würde, Geld zu haben und in eine spannende Geschichte eintauchen zu können. Ich wollte den Nervenkitzel. Und die Geldscheine waren echt gewesen.

Ich ging – getarnt als Angestellte eines Escortservice - zum genannten Hotelzimmer, betäubte den Mann, indem ich mit ihm Verkehr hatte. Erst viel später kam ich drauf, dass das so genannte Betäubungsmittel ein Gift war, mit dem ich ihn umgebracht hatte. Aber es war mir egal, es bedeutete mir nichts. Ich schlief trotzdem gut. Die einzige Nachwirkung, die ich spürte und die mich immer noch begleitet, ist meine Leidenschaft, ja fast schon Besessenheit, Röcke, Kleider, Nylons, Dessous, Miniröcke und vor allem High Heels mit möglichst hohen Absätzen zu besitzen und so oft wie möglich auch zu tragen. Hosen und flache Schuhe sind mir ein Gräuel.

In den nächsten Jahren verübte ich mehrere Morde, Täuschungsaktionen, Spionage, Botendienste, einige Einbrüche und Überfälle, mit denen mich immer die anonyme, geheimnisvolle Organisation beauftragte. Ich kannte keine Gewissensbisse, war mir sicher, dass die Betroffenen das bekamen, was sie auch verdienten. Was ich da auf Botendiensten transportierte, war mir egal. Offiziell arbeitete ich nach meiner Schulausbildung in einer Anwaltskanzlei. Dort lernte ich meinen Mann kennen und lieben, bald waren wir zu dritt – nach außen eine perfekte Familie.

Bis zu jenem verhängnisvollen Tag Anfangs Februar vor mehr als eineinhalb Jahren. Ich hatte im Auftrag der Organisation einen geheimnisvollen Koffer am Flughafen Boston aus einem Schließfach in ein Fahrzeug in der Parkgarage überstellt. Einen Tag später war das gleiche Fahrzeug in der Parkgarage der Chestnut Hill Mall mitten in Boston explodiert, hatte meinen Mann, meine Tochter und viele andere Einkaufswillige getötet. Ich war in einem der wenigen Shops, die intakt geblieben waren, gewesen.

In der Vergangenheit hatte ich selbst bei meinen Taten nicht viel Bedenken gehabt, aber der Verlust meiner eigenen Familie hatte mich schwer getroffen. Durch Zufall war ich auf den Verdacht gekommen, dass die Organisation hinter dem Attentat mit vielen Toten stand. Der Versuch, die Wahrheit zu finden, brachte mich nicht nur fast um, sondern führte mich quer durch die USA. Ich hinterließ eine Spur des Todes, musste wieder einige Male morden, lügen, betrügen, meinen Körper zur Täuschung einsetzen. In einem einsamen Haus in den Bergen Connecticut endlich erfuhr ich die Wahrheit. Ich wurde ich unvermittelt mit dem Wissen konfrontiert, dass mein Mann noch am Leben war.

Er war untergetaucht, hatte seinen und Cindys – unserer Tochter - Tod vorgetäuscht. Er war durch einen unwahrscheinlichen Zufall Teilhaber an der Organisation geworden, hatte erfahren, dass ich in dieser tätig war. Er war der Meinung gewesen, dass ich ihm gefährlich werden würde. Außerdem hatte er einen seiner beiden Geschäftspartner geheiratet, eine Frau, die durch einen genauso unglaublichen Zufall mir sehr stark ähnlich gesehen hatte.

Ich hatte von all dem zuerst keine Ahnung gehabt und hatte sie entführt, um dem mutmaßlichen Mörder meiner Familie habhaft zu werden. Es war die schlimmste Überraschung meines Lebens gewesen. In einem Kampf und einem Schusswechsel in dem Haus war Alexandra Wendin ums Leben gekommen, erschossen durch ihren, eigentlich aber meinen, Mann. Ich hatte um mein Leben gekämpft, er hatte sich, weil er blind im Handgemenge abdrückte, selbst erschossen.

Nach dem Verhallen des letzten Schusses war ich ratlos zurückgeblieben, saß in einem Eck eines Kellerraums, der zwei Leichen in riesigen Blutlachen beherbergte. Ich konnte mich nicht stellen, war die einzige Überlebende von insgesamt neun in die Sache verwickelten Personen und der FBI war hinter mir her gewesen. Ich muss Sie fragen, ob Sie bereit gewesen wären, die Chance eines wieder ruhigen und friedlichen Lebens mit der eigenen Tochter gegen eine Giftspritze oder gegen eine lebenslange Haft in einem der Horrorgefängnisse der USA zu tauschen. Ich war es jedenfalls nicht. Würde ich fliehen, wäre ich zwar in Freiheit, aber meine Flucht würde möglicherweise bald enden. Im besten Fall müsste ich meine Tochter, auf die ich nicht zu verzichten bereit war, auf eine lebenslange Flucht mitnehmen. Im schlimmsten Fall würde ich sie nie wieder sehen. Ein Weg, den ich nicht bereit war zu gehen.

Ich werde niemals vergessen, wie ich in der Ecke saß und dachte, dass der Seidenrock und das Korsett, die ich trug und die ich Alexandra Wendin gestohlen hatte, die selbe Farbe hatten, wie das Blut unter Alexandra in mehreren Stunden – wenn es trocken sein würde. Ich werde aber auch nicht vergessen, dass ich irgendwann doch einen Ausweg aus meinem Dilemma gefunden hatte.

Ich täuschte meinen eigenen Tod vor. Vivien Follest war ums Leben gekommen. Doch Alexandra Wendin würde weiter leben. Ich fesselte mich selbst auf eine ziemlich schmerzhafte Weise und rief den Polizeinotruf an. Ich lag in einem Keller mitten in einem einsamen Haus in den Bergen, hatte durch meine Handlungen zwei weitere Personen am Gewissen. Auch wenn ich nicht der direkte Täter war. Ich hatte mich selbst handlungsunfähig gemacht, mich eng und hart verschnürt. Meine Beine hatte ich mittels einer Spreizstange, wie sie die Killerin, der das Haus gehört hatte, für die Folterung ihrer früheren Opfer verwendet hatte, gefesselt. Meine Hände waren hinter meinem Rücken mit Handschellen über die Stange angebunden. Ich konnte mich praktisch nicht mehr rühren. Und nicht fliehen.

Ich musste den Notruf mit meiner Nase wählen, war froh, dass das Mobiltelefon ein altertümliches Gerät mit großen Tasten war. Ich gab der Beamtin meine Daten, meinen Namen, meine Adresse, sagte ihr, dass es hier vermutlich zwei Tote gegeben hat. Dann teilte ich ihr, wo ich mich ungefähr befinden musste – ohne ihr eine genaue Adresse zu nennen. Als ich nach mehreren Minuten endlich auflegte, kam mir erst zu Bewusstsein, wie meine Lage wirklich aussah. Meine Nerven begannen zu flattern. Meine Gedanken schrieen durch meinen Kopf: Du hast die einzige Chance, dich selbst zu retten, verpfuscht. Jetzt kommen sie, du wirst ihnen nicht glaubhaft machen können, was du ihnen erzählen wirst. Panik überfiel mich. Ich versuchte, meine Fesseln loszuwerden, mich zu befreien. Aber es war sinnlos, ich brachte nur meinen Armen und Beinen Wunden bei.

So lag ich, blickte zur Türe, meine Nerven flatterten. Ich begann zu schreien, zu weinen, verfluchte meine Taten und meine Reaktion auf das Paket neun Jahre zuvor. Die Angst tobte immer noch durch meine Gedanken, als ich sie mehrere Stunden später kommen hörte. Offensichtlich hatten sie die Eingangstüre eingetreten. Es mussten mehrere Personen sein, die die Kellerstiegen herunter kamen. Nachdem die Türe des Raums, in dem ich lag, einen Spalt offen war, konnte ich sehen, dass die äußere Türe, die das Kellerabteil abschloss, aufgestoßen wurde, gegen die Mauer krachte. Der Lauf einer Waffe wurde um die Kante der Mauer sichtbar. Dann folgte ein Spiegel, der um die Ecke gehalten wurde.

Der Spiegel wurde zurückgezogen und ich sah vor mir mehrere Paare schwere Stiefel. Jemand beugte sich über mich, eine weibliche Stimme sagte: „Bleiben sie ruhig, wir befreien sie gleich.“ Zu jemanden anderen gewandt, sagte sie: „Holen sie Werkzeug, wir werden die Fesseln auseinander schneiden müssen. Vielleicht finden sich auch in einem der anderen Räume Schlüssel.“

Plötzlich war ich wieder viel ruhiger, versuchte, so gut es ging, zu nicken. Ich konnte meinen Kopf so drehen, sodass ich sah, dass es die kleine, zierliche Agentin mit den langen, dichten Wimpern und dem exotischen Gesicht war, die mich anblickte, über mir kniete. Ich fragte mich, wie viel sie von dem wusste, was ich als Todesspur quer durch die USA hinterlassen hatte. Aber ich mir war bewusst, dass ich Recht gehabt hatte – damals, als ich das Haus der Wendins beobachtete. Sie und ihr Partner waren es gewesen. Sie waren dort aufgetaucht, als ich mit dem Fernglas gegenüber hinter einer Hecke gestanden war.

Sie musterte mich intensiv, genau, ich hatte schon das Gefühl, dass sie mich durchschaut hatte. Ich wusste ja nicht einmal, wie genau der FBI über mein Aussehen, über meine Maskeraden Bescheid wusste. Die Agentin wurde weg gerufen, sie ging dorthin, wo Alexandra Wendin in einer Blutlache lag. Ich konnte nur leise das Gespräch zwischen ihr und ihrem Partner hören, nur Bruchstücke verstehen: „… Vivien Follest … tot … oder glaubst du? … Kann er zuerst sie erschossen haben und war er … schon stark verwundet? …“ Ich konnte mir vorstellen, worüber sie redeten. Es war schon seltsam, wenn zwei Personen, die sich gegenüber stehen, mit der gleichen Waffe erschossen werden. Ich hatte damit gerechnet, dass sich daraus einige Erklärungsnotwendigkeiten ergeben würden.

Jemand berührte mich an der Schulter, sagte mir, dass er mich jetzt befreien wird. Ich bewegte meinen Kopf nur leicht, sah, dass es ein dunkelhaariger, gut aussehender, junger Polizist in Uniform war. Ich sagte: „Danke“, musste zuerst den Kloß in meinem Hals lockern, um es überhaupt von mir geben zu können.

Der Mann begann, offensichtlich mit einer Eisensäge, die Stange zwischen meinen Beinen durchzusägen. Jede Bewegung der Säge schmerzte, die Bügel der Schellen um meine Hand und Fußgelenke rieben an meiner Haut. Ich stöhnte auf. Der Polizist, der die Säge betätigte, musste es gehört haben. Alles, was er nun tat, machte er langsamer, vorsichtiger. Die meisten Personen hatten den Raum wieder verlassen, ich hörte zwischen den Sägegeräuschen nur die beiden FBI Agenten und den Fotografen, der außerhalb meines Sichtkreises damit beschäftigt war, Fotos zu machen. Endlich war die Stange durchgesägt, vier starke Hände zogen mich vorsichtig hoch.

Durch die langen Stunden hatte ich kein Gefühl in den Beinen, knickte sofort ein. Einer der Polizisten musste mich halten, während der andere begann, die Kette der Handschellen mit einem Bolzenschneider zu bearbeiten. Während der Mann mit dem Material kämpfte, kam die Agentin, deren Namen ich immer noch wusste, zu mir, blickte mich an. Ich fragte mich voller Angst, was jetzt kommen würde, versuchte, äußerlich ruhig zu bleiben – aber meine Unruhe brachte mich zum Zittern. Die Frau fragte mich: „Wie geht es ihnen? Sind sie in Ordnung?“

Ich schüttelte den Kopf, erwiderte, schaute ihr dabei tief in die Augen: „Sie können mir glauben, dass ich mich schon besser gefühlt habe. Ich war viel zu lange mit zwei Toten alleine!“

Sie schien einen Moment zu überlegen. „Es tut mir wirklich leid, dass sie ihren Mann verloren haben und was sie mit ansehen mussten. Sehen sie sich trotzdem in der Lage, mir kurz zu schildern, was passiert ist?“

Endlich hatten die Polizisten die Kette durchgeschnitten, ich konnte meine Arme und Hände nach vorne bringen. Die Ketten schwangen an meinen Armen, über meine Hände, als ich sie bewegte, um wieder Blut in meine Adern zu bringen. Ich beschloss, die zornige, aber immer noch liebende Ehefrau zu spielen. So nickte ich: „Mein Mann war offensichtlich ein Lügner und wahrscheinlich auch ein Mörder. Er war mit ihr verheiratet, hat durch eine Bombe seinen eigenen Tod vorgetäuscht. Er hat mir gegenüber behauptet, dass er verwitwet ist. Ich habe ihn geliebt, aber er hat mich offensichtlich nur gebraucht, damit ich die Rolle seiner Frau übernehme.“ Dabei ließ ich die Tränen, die ich schon die ganze Zeit in meinen Augenwinkeln spürte, laufen. Mir war tatsächlich zum Heulen zumute, ich hatte ihn schließlich auch wirklich geliebt, würde ihn immer noch lieben.

Von hinten wurde ein Sessel untergeschoben, ich ließ mich auf die Sitzfläche fallen, schrie es fast: „Auch sie hat ihn geliebt und er hat versucht, sie umzubringen, zu beseitigen, weil sie von seiner Vergangenheit wusste! Sie hat mir erzählt, was sie mitmachen musste – wie sie seinen Killern entkommen ist.“

Ich rieb über meine Wangen, trocknete meine Tränen, während die Agentin wartete, bis ich weiter erzählen würde. Die Ketten baumelten von meinen Armen, meine langen Haare fielen mir ins Gesicht. Ich musste schrecklich aussehen. Aber darauf kam es jetzt nicht an.

Dann erzählte ich ruhiger, in gefasstem Ton: „Ich kam nach Hause, habe sie dabei ertappt, wie sie in unser Haus eingebrochen ist. Sie hat mich entführt, hat gesagt, dass sie mich nicht gehen lassen kann – sonst würde ich sie verraten. Sie hat mich hier her gebracht, mich an ihren Wagen gefesselt, geknebelt, hat behauptet, dass sie mich als Lockvogel verwenden würde. Ich habe zuerst nicht gewusst, was sie von meinem Mann wollte. Aber dann hat sie mir es erzählt. Jemand ist hinter ihr her gewesen, hat versucht, sie umzubringen. Sie hat mir erzählt, dass sie zuerst nicht einmal wusste, wieso.

Heute – oder war es gestern? Sie wollte sich mit meinem Mann treffen, wollte von ihm wissen, was dahinter steckt. Sie hat geglaubt, dass er es war, der sie ermorden lassen wollte. Sie kamen, nachdem sie mehrere Stunden weg gewesen war, gemeinsam nach unten. Er hatte die Pistole auf sie gerichtet. Obwohl er bewaffnet war, hat sie ihn zur Rede gestellt und sich dann plötzlich auf ihn geworfen. Ich bin mir sicher, dass er sie erschießen wollte. Sie kam ihm zuvor, es kam zu einem Handgemenge.

Ich konnte es nicht gut sehen, aber ich glaube, im Handgemenge haben sich mehrere Schüsse gelöst. Er ist zusammengebrochen, nicht mehr aufgestanden. Sie ist noch hoch gekommen, aber dann habe ich gesehen, dass sich auf ihrem Shirt Blutflecken gebildet hatten. Sie ist von ihm weggegangen “ – ich deutete in die Richtung, in der Erics Körper immer noch befand – „ und ist dann da, wo sie immer noch liegt, zusammengebrochen. Ich musste zusehen, wie sich unter ihr das Blut ausgebreitet hat. Ich konnte nichts tun, bis ich bemerkte, dass er im Handgemenge sein Telefon verloren hatte.“

Ahnt sie oder weiß sie, dass ich Vivien Follest bin? Spielt sie mit mir wie eine Katze mit einer Maus, bevor sie sie frisst? Aber ich bemerkte keine Anzeichen, die mir verraten würden, woran ich war. So blieb ich sitzen, blickte zu Boden, während sie immer noch vor mir stand.

Die Agentin legte mir eine Hand auf meine Schulter, ich spürte ihre Wärme durch das Nylon des durchsichtigen Stringbodys, den ich immer noch trug. „Kommen sie, wir werden sie zuerst davon befreien.“ Sie deutete auf die Schellen, die sich immer noch um meine Hand und Fußgelenke spannten.

„Und dann bringe ich sie nach Hause. Wir holen sie morgen vormittags ab – ich benötige ihre Aussage.“

Sie mussten die Schlösser meiner Fesseln aufbohren und mich so befreien, weil keine Schlüssel gefunden werden konnten. Als das letzte Metall endlich am Boden lag, konnte ich kaum mehr die Augen offen halten. Aber plötzlich fiel mir das kleine schwarze Notizbuch mit den Mitgliedern der Organisation Erics ein. Es musste bei den Sachen im Wohnzimmer liegen. Ich sagte: „Ich muss noch meine Sachen, meine Handtasche und meine Schlüssel finden. Sie müssen oben im Haus sein. Ich kann sonst mein eigenes Haus nicht aufsperren. Jetzt möchte ich nicht auf der Straße schlafen müssen.“

Die Frau nickte, sagte: „Ich komme mit ihnen.“

Sie ging hinüber zur Leiche Erics, sprach mit dem FBI-Agenten, der ihr Partner sein musste. Dann kam sie zurück, während ich aufstand. Ich zermarterte mein Gedächtnis, fragte mich, wo ich das kleine schwarze Buch gelassen hatte. Dann erinnerte ich mich, dass ich es – damit es nicht offen zu sehen sein würde – unter die Polsterung der Couch geschoben hatte. Als Eric mich überrascht hatte, hatte ich es unter meinem Gesäß gespürt.

Hoffentlich wurde das Wohnzimmer noch nicht durchsucht. Als wir die Stiegen hochgingen, ging ich absichtlich in die falsche Richtung, dann blieb ich stehen, drehte um. Die Agentin folgte mir. Ich konnte nicht erkennen, wie genau sie mich beobachtete. Ich sah die Handtasche Alexandras auf dem Tisch liegen, genau dort, wo ich sie hingelegt hatte.

Ich stellte mich mit dem Rücken zur Türe, wo die Agentin stehen geblieben war, wandte mich der großen Handtasche zu, die die tote Frau mit hatte, als ich sie entführt hatte. Ich sah nach, ob ich einen Schlüsselbund finden konnte. Mit der anderen Hand griff ich nach dem Buch, steckte es in die Handtasche. In ihr fand ich neben mehreren Kosmetika auch einen großen Schlüsselbund, dazu einen Autoschlüssel, auch ihre Geldbörse. Ich nahm an, die Dinge zu haben, die ich brauchen würde, drehte mich um, nickte der Agentin zu, sagte: „Ich denke, wir können gehen.“

Dabei vergaß ich den Mantel, den ich Alexandra Wendin gegeben hatte. Die zierliche Agentin deutete auf das Kleidungsstück, das immer noch auf einem der Sessel lag: „Es ist kalt draußen, sie sollten ihren Mantel nehmen. Vorausgesetzt, er gehört ihnen.“

Nickend bestätigte ich, nahm ihn, streifte ihn über. Die Frau hatte immer noch ihre Jacke an, sah damit aus wie eine Angehörige einer paramilitärischen Einheit – wäre da nicht der überdeutliche Schriftzug FBI am Rücken gewesen. Draußen standen nur mehr einige wenige Fahrzeuge, die Spurensicherung war noch nicht da und das Überfallkommando bereits wieder verschwunden.

Ich wusste nicht, was ich erwartet hatte, wovor meine Nerven gezittert hatten, aber jetzt, nachdem der erste schwierige Schritt vorbei war und scheinbar niemand Verdacht schöpfte, kam mir die Situation mehr als nur irreal vor. Ich schlüpfe in eine andere Rolle, werde eine andere, nachdem ich mehrere Menschen auf dem Gewissen habe und nichts, absolut nichts passiert... Ich werde nach Hause gefahren, in ein Zuhause, das ich nicht kenne. Und trotzdem wartet meine eigene Tochter auf mich.

Die Frau ging zu einem der beiden zivilen Limousinen, die vor der Türe geparkt waren. Sie stieg ein, öffnete die Türe auf der Beifahrerseite. Auch ich stieg ein, schnallte mich aus Gewohnheit sogar noch an. Es war immer noch völlig finster, aber ich bildete mir ein, am Horizont die ersten Spuren eines zukünftigen Sonnenaufgangs bemerken zu können.

Sie fuhr vorsichtig, sehr konzentriert. Ich fragte mich, wie lange sie schon wach war, wie viele Stunden ihr Tag bereits lang war. Noch immer wusste ich nicht einmal, wie die Frau hieß. Ich wusste auch nicht, wie ich beginnen sollte, blickte sie von der Seite an. Die Beleuchtung des Armaturenbretts warf ein sanftes Licht auf ihr schmales Gesicht. Jetzt wirkten ihre Wimpern noch exquisiter, noch auffälliger als von vorne und bei hellerem Licht.

Sie bemerkte meinen Blick, musterte mich einen sehr kurzen Moment, dann widmete sie ihre Aufmerksamkeit wieder der Straße mit den engen Kurven. Ich aber sagte: „Ich weiß noch nicht einmal, wie sie heißen. Wem verdanke ich meine Befreiung?“

Das Geräusch, das sie von sich gab, klang wie ein Glucksen: „Entschuldigen Sie, ich hatte mich nicht einmal vorgestellt. Aber ich bin Special Agent Maria Dana, FBI Miami.“

„Miami?“, versuchte ich.

Ich blickte sie wieder an, sie nickte: „Ja.“

„Was bringt sie von Miami hierher? Gibt es in Boston kein FBI Büro?“ hakte ich nach, nach außen hin immer noch verblüfft.

Jetzt war sie überrascht, lachte kurz auf, sagte: „Sicher, aber ich und mein Partner wurden schon eingeschalten, weil in Miami eine Frau erschossen wurde, die mit Vivien Follest Kontakt hatte.“

Monique! Ich sah wieder vor mir, wie auf ihrem weißen Kleid der rote Fleck immer größer wurde. Ihr schönes Gesicht Überraschung zeigte. Aber auch unsere einzige Liebesnacht kam mir wieder zu Bewusstsein – ihr wunderschöner Körper, die Zärtlichkeiten, die wir ausgetauscht hatten. Ich hielt mich gerade noch zurück, um nicht aufzuheulen oder sonst etwas zu tun, was mich verraten könnte. Stattdessen fragte ich nach kurzer Pause: „Hat sie sie getötet?“

Maria Dana schüttelte ihren Kopf: „Nein. Es war ein Killer, den wahrscheinlich – aber wir wissen es nicht genau – dann Vivien Follest erschossen hat.“

„Ein Killer? Vivien Follest hat einen Killer erschossen?“ fragte ich, scheinbar ahnungslos.

„Ja, vermutlich. Aber es kamen in der ganzen Sache außer Timothy Wendin und Vivien Follest, dem Killer und der Frau in Miami noch mindestens drei weitere Personen ums Leben.“

„Vivien Follest hat Tim Eric genannt. Also muss er Eric Follest gewesen sein. Die Frau hat behauptet, dass er seinen Tod mittels einer Bombenexplosion vorgetäuscht hat. Sie hat ihm vorgeworfen, dass er untergetaucht ist und auch sie im Glauben gelassen hat, tot zu sein. Ich weiß nicht einmal, wieso eigentlich.“

Damit begebe ich mich auf gefährliches Glatteis – der FBI wird nach Gründen für die vielen Toten suchen. Ich bekam sofort eine Bestätigung für meine Befürchtung – Agent Dana sagte: „Wir werden nach dem Motiv suchen müssen. Aber dazu kommen wir morgen.“

Wir waren schon einige Zeit durch Boston und seine Vororte gefahren. Die Agentin lenkte das Auto in die Nancy Road, die ich wieder erkannte. Sie blieb direkt vor dem Haus der Wendins stehen. Ich schüttelte Maria Dana die Hand. Sie hatte einen erstaunlich festen Handdruck. Ich fragte sie noch: „Sie lassen mich Vormittag abholen?“

Sie sah kurz auf die Uhr am Armaturenbrett. Ich sah, dass die Zeiger knapp vor vier Uhr anzeigten. Sie überlegte, schüttelte den Kopf: „Ich glaube, ich lasse sie erst um 02:00 PM abholen, sonst bleibt Ihnen und mir überhaupt nichts von der Nacht…“

Ich nickte, sagte: „Danke.“, schloss die Türe des Wagens, wandte mich dem Haus zu. Ich sah, dass sie das Fahrzeug wendete und wegfuhr. Und ich dachte: Jetzt hättest du noch die Chance, abzuhauen – in neun Stunden vielleicht schon nicht mehr. Was ist, wenn sie Daten wie Blutgruppe oder andere Merkmale prüfen? Haben sie überhaupt derartige Daten von mir und von Alexandra Wendin?

Ich schüttelte meinen Kopf, verärgert über mich selbst. Schon, als ich begann, nach den Auftraggebern für das Bombenattentat zu suchen, wusste ich nicht, wo das alles enden würde, ob ich nicht dafür mit dem Leben bezahlen würde. Aber eigentlich gab es schon nach meinem ersten Auftrag kein Zurück, alles führte konsequent hierher. Hierher und zu all den Toten zuvor... Ich stand vor der Eingangstüre des Hauses, den Schlüssel in der Hand, von dem ich vermutete, dass er passen würde. Und ich fühlte mich plötzlich sehr einsam.

Ich hatte überlebt, kann in einigen Tagen wieder meine Tochter in die Arme schließen. Aber ich habe die einzige Person, mit der ich in der letzten Zeit eine sehr intensive Liebesnacht hatte, verloren. Da waren außerdem noch Katherine und ihre Familie in San Francisco, die mir geholfen hatten. Ich fühlte mich ihr verbunden. Ich hatte sie sogar auf meine Farm nach Colorado eingeladen, eine Einladung, die ich nicht einmal weiter verfolgen konnte – sie wurde von Vivien Follest ausgesprochen. Vivien Follest war tot. Wie würde sie auf die Nachricht, die in den Zeitungen kommen musste, reagieren?Kann ich Katherine und Norman noch weiter hineinziehen, als ich es schon tat? Nicht einmal meinen Wagen – der immer noch in Las Vegas steht – werde ich zurückbekommen.

Ich schloss auf, betrat das einsame Haus. Von dieser Seite kam es mir völlig unbekannt vor. Das letzte Mal hatte ich es durch die Terrassentüre betreten. Auf dieser Seite gab es eine relativ große, fast quadratische Diele, dahinter eine große Wohnküche mit dem Herdblock in der Mitte. Darüber hing ein großer, von der Decke nach unten führender Kamin, dessen Oberfläche beim Einschalten des Lichts dieses hell reflektierte.

Ich ging weiter, kam in das große Wohnzimmer, durch das ich damals in das Arbeitszimmer gelangte. Das Arbeitszimmer werde ich in den nächsten Tagen genauer durchsuchen müssen. Aber ich hatte schon das letzte Mal nichts gefunden - außer einigen Unterlagen einer Unternehmungsberatungsfirma. Dazu gab es auch eine Büroadresse. Auch dort werde ich nachsehen müssen. Ich werde mich um die Firma kümmern müssen und vor allem versuchen müssen, auch die Unterlagen über die andere, inoffizielle Firma der Wendins und ihres Partners, eben die Organisation, zu finden.

Hoffentlich haben die Partner die Firma gut genug getarnt. Ich habe zwar Alexandra Wendins Namen, ihr Haus und ihre Person gestohlen, aber damit auch ihre Verwicklung in Partnerschaft und Mitarbeit in der Organisation. Sollte der FBI die Organisation aufdecken, so drohte die Gefahr, dass ich für Dinge zur Rechenschaft gezogen werde, die ich nicht getan habe.

Aber jetzt war es mir egal, ich war einfach nur müde. Das Schlafzimmer hatte ich noch nicht gesehen, ging nach oben. Das erste Zimmer, das ich betrat, war aber ein Kinderzimmer. Cindys Sachen waren unverkennbar. Ich erkannte etliche ihrer Spielzeuge, obwohl vieles Neues dazu gekommen war. Er musste ihr einiges ihrer Lieblingssachen nachgekauft haben, nachdem die Originale im Haus in Boston zurück geblieben waren. Ich machte das Licht aus, schloss die Türe. Noch wusste ich nicht, wie ein Mädchen im Alter von fünf Jahren auf mich reagieren würde. Würde ich für sie eine Fremde sein?

Die nächste Türe am Gang war ein zweites, zusätzliches Büro – fast so groß wie das erste im Untergeschoß. Noch ein Thema für heute nachmittags – vielleicht finde ich hier etwas über die Organisation… Eine weitere Türe. Hier fand ich einen Abstellraum mit Regalen, Haushaltsgeräten, Reinigungsmitteln, Wäsche. Ich ging weiter, traf endlich auf das Schlafzimmer.

In der Mitte stand ein riesiges Bett. Es gab einen Zugang zu einer großen begehbaren Garderobe, daneben ein Bad. Ich ging ins Bad, fand Handtücher, zog mich aus. Ich war froh, dass ich die Sachen, in denen ich mich zuerst so erotisch gefühlt hatte – den Body, das Korsett und den Seidenrock - endlich ausziehen zu können. Zwölf Stunden damit töten, lügen und betrügen – das ist zu viel.

Ich ging noch duschen, fühlte mich unglaublich schmutzig, stand einige Zeit unter dem fließenden Wasser. Als ob ich damit meine Schuld abwaschen könnte. Dann suchte ich in der Garderobe nach einem Nachthemd oder einem Pyjama. Stattdessen fand ich ein wunderschönes, langes Seidenneglige, zog es an. Trotz meiner Müdigkeit war ich neugierig auf die weitere Garderobe der toten Alexandra Wendin.

Sie hatte einige sehr schöne Kleider, Röcke, Shirts und Blusen, eine gute Auswahl an Dessous, die mir alle passen müssten. Aber ich stellte mit Bedauern fest, dass sie bei Miniröcken und kurzen Kleidern nicht meine Begeisterung hatte. Ihre Sachen waren alle viel länger – und meine auf meiner Farm und damit für mich verloren. Auch ihre Schuhe waren zwar schön, aber mit zu niedrigen Absätzen - für meinen Geschmack. Als ich noch Erics Sachen hängen sah, konnte ich nicht mehr, musste daran denken, was aus unserer Liebe geworden war. Ich ging zurück ins Schlafzimmer, legte mich auf die rechte Seite des Betts, löschte das Licht, schlief fast sofort ein.

 

Ich sitze im strahlend weißen Brautkleid mit dem riesigen, weiten Rock an einem Teich, sehe, wie sich mein bleiches Gesicht an der ruhigen Oberfläche spiegelt. Ich bemerke fasziniert und zugleich angewidert die langen Zähne, die weit über meine blutroten Lippen ragen. Die Monstrosität meiner Schuld, die ich daran erkenne, zeigt sich auch an den riesigen Blutflecken auf dem eng anliegenden Oberteil des Kleids. Ich möchte am liebsten weg von hier, mir das Kleid vom Leib reißen und die Zähne abbrechen. Aber ich bleibe sitzen, bewege mich nicht, spiele mit meinen angewinkelten, hochgestellten nackten Beinen. Ich warte auf etwas. Doch ich selbst weiß nicht, worauf. Immer wenn ich versuche, es in meinen Gedanken festzuhalten, entgleitet es mir aufs Neue.