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Die zwei in ‘Zwei’ enthaltenen Storys haben eines gemeinsam: In beiden spielt das Verbrechen eine große Rolle. In ‚Die Erkenntnis des Mörders‘ ist der Jäger dem Gejagten näher als er selbst ahnt. Die Idee ist mir gekommen, als ich mich gefragt hatte, wie sehr ein Mensch sich selbst verlieren kann. In ‚Jack and Jenny‘ ist die Geschichte viel lichter, freundlicher, heller – eine Reminiszenz an alle Gängsterpärchen der Weltgeschichte.
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Veröffentlichungsjahr: 2015
Fran Peterz
Zwei
Storys
© 2010 Fran Peterz (http://www.fran-peterz.com)
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Die Erkenntnis des Mörders
Jake und Jenny
Er hatte schon wieder zugeschlagen. Ich denke daran. Als ich auf dem Weg zum Fundort der Leiche gehe. Der Anruf hatte mich aus meinem unruhigen Schlaf gerissen. Wieder er, den die Medien ohne viel Fantasie den Namen Bowieschlitzer gegeben hatten. Dies war möglicherweise sein siebtes Opfer. Sie waren immer vom gleichen Typ: Blonde langbeinige junge Frauen, mit einem Hang zu kurzen Röcken und hohen Absätzen. Und zu One Night Stands.
Soweit wir wussten, lief es immer gleich ab: Der Mann machte die Bekanntschaft der Opfer in Bars oder Cafes. Überredete sie, mitzukommen. Hatte mit ihnen Verkehr. Dann schien er sie zu überreden, noch einmal weg zu gehen. Er schlitzte ihnen danach die Kehle durch. Ließ sie in einer der engen Sackgassen in der Stadt liegen. Zudem schlitzte er ihnen allen noch eine Nummer auf ihre flachen Bauchdecken. Nummerierte sie durch. Opfer Eins bis Sechs hatten wir schon gefunden.
Ein Rätsel blieb mir, aber auch der gesamten Kommission, die gebildet worden war, warum. Wieso hatte er mit ihnen Sex und brachte sie dann um? Keine der Frauen war vergewaltigt worden. Keine Gewaltanzeichen. Aber all sie hatten unmittelbar vor ihrem Tod Sex gehabt. Mit dem Mörder. Wir hatten in einigen Fällen Zeugen gefunden. Sie hatten bestätigt, dass das jeweilige Opfer mit einem Mann mit langen schwarzen Haaren und einem Schnurbart weg gegangen war.
Als ich jetzt vor dem Fundort um die Ecke biege, sehe ich schon Polizeiautos, eine Absperrung, Lichter. Höre Sirenen. Ich quetsche mich durch die gaffende Menschenmenge. Zeige meinen Ausweis vor. Der Polizist an der Absperrung lässt mich durch. Wieder liegt das Opfer in einer dunklen Sackgasse. Hinter einer Mülltonne.
Ein Fotograf ist mit Aufnahmen beschäftigt. Sein grelles Blitzlicht wirft ein grausames Licht auf die Szene. Die – wieder blonde, langhaarige – Frau liegt mit seltsam gebogenen Gliedern am schmutzigen Boden. Ihr kurzer Rock ist weit über ihre mit Strümpfen bedeckten Schenkeln gerutscht. Ihre Füße in den High Heels scheinen sich noch zu bewegen. Als würde sie versuchen, zu laufen. Alle Opfer wurden so gefunden. Auch in diesem Fall geht ein sehr präziser Schnitt über ihren sonst makellosen Hals.
Sie liegt in einer riesigen Blutlache. Ihr schönes Gesicht ist ohne Verletzung. Aber ihr Gesichtsausdruck ist von Grauen verzogen. Mir fröstelt, als ich sie im Scheinwerfer, der aufgebaut wurde, betrachte. Ich ziehe das kurze Top, das sie trägt, nach oben. Ihre Haut ist noch warm. Es kann noch nicht lange her sein. Auf ihrer Bauchdecke prangt die Zahl Sieben, in Blut. Er war es – wieder!
Ich muss mich abwenden, mir wird übel. Ich schließe meine Augen, aber die Zahl Sieben – ich kann sie nicht ausblenden. Seit nunmehr über zehn Jahren bin ich bei der Mordkommission. Aber seit dem ersten Mord des Bowieschlitzers wird mir regelmäßig übel. Weil meine eigene Freundin das erste Opfer war. Sie, Karen, die Frau, die ich heiraten wollte. Ich verstehe immer noch nicht, wieso sie überhaupt mit ihm mitging. Mit ihm Sex hatte.
Damals war es Zufall, dass ich zuerst am Fundort war. Und die Zahl Eins auf ihrer Bauchdecke sah. Das Grauen in ihrem mir so gut bekannten Gesicht sah. Meine Vorgesetzten wollten, dass jemand anderer den Fall übernehmen sollte. Aber ich schaffte es, sie zu überreden. Blieb dran. Einmal hatte ich ihn fast gehabt. Aber er entkam mir. Hinterließ keine Spuren. Mordete weiter.