Nathan der Weise - Gotthold Ephraim Lessing - E-Book

Nathan der Weise E-Book

Gotthold Ephraim Lessing

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Beschreibung

Für RUTHeBooks Klassiker lassen wir alte oder gar schon vergriffene Werke als eBooks wieder auferstehen. Wir möchten Ihnen diese Bücher nahebringen, Sie in eine andere Welt entführen. Manchmal geht das einher mit einer für unsere Ohren seltsam klingenden Sprache oder einer anderen Sicht auf die Dinge, so wie das eben zum Zeitpunkt des Verfassens vor 100 oder mehr Jahren "normal" war. Mit einer gehörigen Portion Neugier und einem gewissen Entdeckergeist werden Sie beim Stöbern in unseren RUTHeBooks Klassikern wunderbare Kleinode entdecken. Tauchen Sie mit uns ein in die spannende Welt vergangener Zeiten!

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Gotthold Ephraim Lessing

NATHAN DER WEISE

Ein dramatisches Gedicht in fünf Aufzügen

Impressum

Klassiker als ebook herausgegeben bei RUTHeBooks, 2016
ISBN: 978-3-944869-31-5
Für Fragen und Anregungen: [email protected]
RUTHeBooks
Am Kirchplatz 7
D 82340 Feldafing
Tel. +49 (0) 8157 9266 280

Inhalt

Erster Aufzug

Erster Auftritt
Zweiter Auftritt
Dritter Auftritt
Vierter Auftritt
Fünfter Auftritt
Sechster Auftritt

Zweiter Aufzug

Erster Auftritt
Zweiter Auftritt
Dritter Auftritt
Vierter Auftritt
Fünfter Auftritt
Sechster Auftritt
Siebenter Auftritt
Achter Auftritt
Neunter Auftritt

Dritter Aufzug

Erster Auftritt
Zweiter Auftritt
Dritter Auftritt
Vierter Auftritt
Fünfter Auftritt
Sechster Auftritt
Siebenter Auftritt
Achter Auftritt
Neunter Auftritt
Zehnter Auftritt

Vierter Aufzug

Erster Auftritt
Zweiter Auftritt
Dritter Auftritt
Vierter Auftritt
Fünfter Auftritt
Sechster Auftritt
Siebenter Auftritt
Achter Auftritt

Fünfter Aufzug

Erster Auftritt
Zweiter Auftritt
Dritter Auftritt
Vierter Auftritt
Fünfter Auftritt
Sechster Auftritt
Siebenter Auftritt
Letzter Auftritt

Introite, nam et heic Dii sunt!

Apud Gellium

Personen

Sultan Saladin

Sittah, dessen Schwester

Nathan, ein reicher Jude in Jerusalem

Recha, dessen angenommene Tochter

Daja, eine Christin, aber in dem Hause des Juden,als Gesellschafterin der Recha

Ein junger Tempelherr

Ein Derwisch

Der Patriarch von Jerusalem

Ein Klosterbruder

Ein Emirnebst verschiednen Mamelucken des Saladin

Die Szene ist in Jerusalem

Erster Aufzug

Erster Auftritt

Szene: Flur in Nathans Hause

Nathan von der Reise kommend, Daja ihm entgegen

Daja:

Er ist es! Nathan! – Gott sei ewig Dank, Daß Ihr doch endlich einmal wiederkommt.

Nathan:

Ja, Daja; Gott sei Dank! Doch warum endlich? Hab ich denn eher wiederkommen wollen? Und wiederkommen können? Babylon Ist von Jerusalem, wie ich den Weg, Seitab bald rechts, bald links, zu nehmen bin Genötigt worden, gut zweihundert Meilen; Und Schulden einkassieren, ist gewiß Auch kein Geschäft, das merklich födert, das So von der Hand sich schlagen läßt.

Daja:

O Nathan, Wie elend, elend hättet Ihr indes Hier werden können! Euer Haus ...

Nathan:

Das brannte. So hab ich schon vernommen. – Gebe Gott, Daß ich nur alles schon vernommen habe!

Daja:

Und wäre leicht von Grund aus abgebrannt.

Nathan:

Dann, Daja, hätten wir ein neues uns Gebaut; und ein bequemeres.

Daja:

Schon wahr! – Doch Recha wär' bei einem Haare mit Verbrannt.

Nathan:

Verbrannt? Wer? meine Recha? sie? – Das hab ich nicht gehört. – Nun dann! So hätte Ich keines Hauses mehr bedurft. – Verbrannt Bei einem Haare! – Ha! sie ist es wohl! Ist wirklich wohl verbrannt! – Sag nur heraus! Heraus nur! – Töte mich: und martre mich Nicht länger. – ja, sie ist verbrannt.

Daja:

Wenn sie Es wäre, würdet Ihr von mir es hören?

Nathan: Warum erschreckest du mich denn? – O Recha! O meine Recha!

Daja:

Eure? Eure Recha?

Nathan: Wenn ich mich wieder je entwöhnen müßte, Dies Kind mein Kind zu nennen!

Daja:

Nennt Ihr alles, Was Ihr besitzt, mit ebensoviel Rechte Das Eure?

Nathan:

Nichts mit größerm! Alles, was Ich sonst besitze, hat Natur und Glück Mir zugeteilt. Dies Eigentum allein Dank ich der Tugend.

Daja:

O wie teuer laßt Ihr Eure Güte, Nathan, mich bezahlen! Wenn Güt', in solcher Absicht ausgeübt, Noch Güte heißen kann!

Nathan:

In solcher Absicht? In welcher?

Daja:

Mein Gewissen ...

Nathan:

Daja, laß Vor allen Dingen dir erzählen ...

Daja:

Mein Gewissen, sag ich ...

Nathan:

Was in Babylon Für einen schönen Stoff ich dir gekauft. So reich, und mit Geschmack so reich! Ich bringe Für Recha selbst kaum einen schönern mit.

Daja:

Was hilft's? Denn mein Gewissen, muß ich Euch Nur sagen, läßt sich länger nicht betäuben.

Nathan:

Und wie die Spangen, wie die Ohrgehenke, Wie Ring und Kette dir gefallen werden, Die in Damaskus ich dir ausgesucht: Verlanget mich zu sehn.

Daja:

So seid Ihr nun! Wenn Ihr nur schenken könnt! nur schenken könnt!

Nathan:

Nimm du so gern, als ich dir geb: – und schweig!

Daja:

Und schweig! Wer zweifelt, Nathan, daß Ihr nicht Die Ehrlichkeit, die Großmut selber seid? Und doch ...

Nathan:

Doch bin ich nur ein Jude. – Gelt, Das willst du sagen?

Daja:

Was ich sagen will, Das wißt Ihr besser.

Nathan:

Nun so schweig!

Daja:

Ich schweige. Was Sträfliches vor Gott hierbei geschieht, Und ich nicht hindern kann, nicht ändern kann, – Nicht kann, – komm' über Euch!

Nathan:

Komm' über mich! – Wo aber ist sie denn? wo bleibt sie? – Daja, Wenn du mich hintergehst! – Weiß sie es denn, Daß ich gekommen bin?

Daja:

Das frag ich Euch! Noch zittert ihr der Schreck durch jede Nerve. Noch malet Feuer ihre Phantasie Zu allem, was sie malt. Im Schlafe wacht, Im Wachen schläft ihr Geist: bald weniger Als Tier, bald mehr als Engel.

Nathan:

Armes Kind! Was sind wir Menschen!

Daja:

Diesen Morgen lag Sie lange mit verschloßnem Aug', und war Wie tot. Schnell fuhr sie auf, und rief: »Horch! horch! Da kommen die Kamele meines Vaters! Horch! seine sanfte Stimme selbst!« – Indem Brach sich ihr Auge wieder: und ihr Haupt, Dem seines Armes Stütze sich entzog, Stürzt auf das Kissen. – Ich, zur Pfort' hinaus! Und sieh: da kommt Ihr wahrlich! kommt Ihr wahrlich! – Was Wunder! ihre ganze Seele war Die Zeit her nur bei Euch – und ihm. –

Nathan:

Bei ihm? Bei welchem Ihm?

Daja:

Bei ihm, der aus dem Feuer Sie rettete.

Nathan:

Wer war das? wer? – Wo ist er? Wer rettete mir meine Recha? wer?

Daja:

Ein junger Tempelherr, den, wenig Tage Zuvor, man hier gefangen eingebracht, Und Saladin begnadigt hatte.

Nathan:

Wie? Ein Tempelherr, dem Sultan Saladin Das Leben ließ? Durch ein geringres Wunder War Recha nicht zu retten? Gott!

Daja:

Ohn' ihn, Der seinen unvermuteten Gewinst Frisch wieder wagte, war es aus mit ihr.

Nathan:

Wo ist er, Daja, dieser edle Mann? – Wo ist er? Führe mich zu seinen Füßen.

Ihr gabt ihm doch vors erste, was an Schätzen Ich euch gelassen hatte? gabt ihm alles? Verspracht ihm mehr? weit mehr?

Daja:

Wie konnten wir?

Nathan:

Nicht? nicht?

Daja:

Er kam, und niemand weiß woher. Er ging, und niemand weiß wohin. – Ohn' alle Des Hauses Kundschaft, nur von seinem Ohr Geleitet, drang, mit vorgespreiztem Mantel, Er kühn durch Flamm' und Rauch der Stimme nach, Die uns um Hilfe rief. Schon hielten wir Ihn für verloren, als aus Rauch und Flamme Mit eins er vor uns stand, im starken Arm Empor sie tragend. Kalt und ungerührt Vom Jauchzen unsers Danks, setzt seine Beute Er nieder, drängt sich unters Volk und ist Verschwunden!

Nathan:

Nicht auf immer, will ich hoffen.

Daja:

Nachher die ersten Tage sahen wir Ihn untern Palmen auf und nieder wandeln, Die dort des Auferstandnen Grab umschatten. Ich nahte mich ihm mit Entzücken, dankte, Erhob, entbot, beschwor, – nur einmal noch Die fromme Kreatur zu sehen, die Nicht ruhen könne, bis sie ihren Dank Zu seinen Füßen ausgeweinet.

Nathan:

Nun?

Daja:

Umsonst! Er war zu unsrer Bitte taub; Und goß so bittern Spott auf mich besonders ...

Nathan:

Bis dadurch abgeschreckt ...

Daja:

Nichts weniger! Ich trat ihn je den Tag von neuem an; Ließ jeden Tag von neuem mich verhöhnen. Was litt ich nicht von ihm! Was hätt' ich nicht Noch gern ertragen! – Aber lange schon Kommt er nicht mehr, die Palmen zu besuchen, Die unsers Auferstandnen Grab umschatten; Und niemand weiß, wo er geblieben ist. Ihr staunt? Ihr sinnt?

Nathan:

Ich überdenke mir, Was das auf einen Geist, wie Rechas, wohl Für Eindruck machen muß. Sich so verschmäht Von dem zu finden, den man hochzuschätzen Sich so gezwungen fühlt; so weggestoßen, Und doch so angezogen werden; – Traun, Da müssen Herz und Kopf sich lange zanken, Ob Menschenhaß, ob Schwermut siegen soll. Oft siegt auch keines; und die Phantasie, Die in den Streit sich mengt, macht Schwärmer, Bei welchen bald der Kopf das Herz, und bald Das Herz den Kopf muß spielen. – Schlimmer Tausch! – Das letztere, verkenn ich Recha nicht, Ist Rechas Fall: sie schwärmt.

Daja:

Allein so fromm, So liebenswürdig!

Nathan:

Ist doch auch geschwärmt!

Daja:

Vornehmlich eine – Grille, wenn Ihr wollt, Ist ihr sehr wert. Es sei ihr Tempelherr Kein irdischer und keines irdischen; Der Engel einer, deren Schutze sich Ihr kleines Herz, von Kindheit auf, so gern Vertrauet glaubte, sei aus seiner Wolke, In die er sonst verhüllt, auch noch im Feuer, Um sie geschwebt, mit eins als Tempelherr Hervorgetreten. – Lächelt nicht! – Wer weiß? Laßt lächelnd wenigstens ihr einen Wahn, In dem sich Jud' und Christ und Muselmann Vereinigen; – so einen süßen Wahn!

Nathan:

Auch mir so süß! – Geh, wackre Daja, geh; Sieh, was sie macht; ob ich sie sprechen kann. –

Zweiter Auftritt

Recha und die Vorigen
Recha:

So seid Ihr es doch ganz und gar, mein Vater? Ich glaubt', Ihr hättet Eure Stimme nur Vorausgeschickt. Wo bleibt Ihr? Was für Berge, Für Wüsten, was für Ströme trennen uns Denn noch? Ihr atmet Wand an Wand mit ihr, Und eilt nicht, Eure Recha zu umarmen? Die arme Recha, die indes verbrannte! Fast, fast verbrannte! Fast nur. Schaudert nicht! Es ist ein garstiger Tod, verbrennen. Oh!

Nathan:

Mein Kind! mein liebes Kind!

Recha:

Ihr mußtet über Den Euphrat, Tigris, Jordan; über – wer Weiß was für Wasser all? – Wie oft hab ich Um Euch gezittert, eh' das Feuer mir So nahe kam! Denn seit das Feuer mir So nahe kam: dünkt mich im Wasser sterben Erquickung, Labsal, Rettung, – Doch Ihr seid Ja nicht ertrunken: ich, ich bin ja nicht Verbrannt. Wie wollen wir uns freun, und Gott, Gott loben! Er, er trug Euch und den Nachen Auf Flügeln seiner unsichtbaren Engel Die ungetreuen Ström' hinüber. Er, Er winkte meinem Engel, daß er sichtbar Auf seinem weißen Fittiche, mich durch Das Feuer trüge –

Nathan beiseite:

Weißem Fittiche! Ja, ja! der weiße vorgespreizte Mantel Des Tempelherrn.

Recha:

Er sichtbar, sichtbar mich Durchs Feuer trüg', von seinem Fittiche Verweht. – Ich also, ich hab einen Engel Von Angesicht zu Angesicht gesehn; Und meinen Engel.

Nathan:

Recha wär' es wert; Und würd' an ihm nichts Schönres sehn, als er An ihr.

Rechalächelnd:

Wem schmeichelt Ihr, mein Vater? wem? Dem Engel, oder Euch?

Nathan:

Doch hätt' auch nur Ein Mensch – ein Mensch, wie die Natur sie täglich Gewährt, dir diesen Dienst erzeigt: er müßte Für dich ein Engel sein. Er müßt' und würde.

Recha:

Nicht so ein Engel; nein! ein wirklicher; Es war gewiß ein wirklicher! – Habt Ihr, Ihr selbst die Möglichkeit, daß Engel sind, Daß Gott zum Besten derer, die ihn lieben, Auch Wunder könne tun, mich nicht gelehrt? Ich lieb ihn ja.

Nathan:

Und er liebt dich; und tut Für dich, und deinesgleichen, stündlich Wunder; Ja, hat sie schon von aller Ewigkeit Für euch getan.

Recha:

Das hör ich gern.

Nathan:

Wie? weil Es ganz natürlich, ganz alltäglich klänge, Wenn dich ein eigentlicher Tempelherr Gerettet hätte: sollt' es darum weniger Ein Wunder sein? – Der Wunder höchstes ist, Daß uns die wahren, echten Wunder so Alltäglich werden können, werden sollen. Ohn' dieses allgemeine Wunder, hätte Ein Denkender wohl schwerlich Wunder je Genannt, was Kindern bloß so heißen mußte, Die gaffend nur das Ungewöhnlichste, Das Neuste nur verfolgen.

Dajazu Nathan:

Wollt Ihr denn Ihr ohnedem schon überspanntes Hirn Durch solcherlei Subtilitäten ganz Zersprengen?

Nathan:

Laß mich! – Meiner Recha wär' Es Wunders nicht genug, daß sie ein Mensch Gerettet, welchen selbst kein kleines Wunder Erst retten müssen? Ja, kein kleines Wunder! Denn wer hat schon gehört, daß Saladin Je eines Tempelherrn verschont? daß je Ein Tempelherr von ihm verschont zu werden Verlangt? gehofft? ihm je für seine Freiheit Mehr als den ledern Gurt geboten, der Sein Eisen schleppt; und höchstens seinen Dolch?

Recha:

Das schließt für mich, mein Vater. – Darum eben War das kein Tempelherr; er schien es nur. – Kömmt kein gefangner Tempelherr je anders Als zum gewissen Tode nach Jerusalem; Geht keiner in Jerusalem so frei Umher: wie hätte mich des Nachts freiwillig Denn einer retten können?

Nathan:

Sieh! wie sinnreich. Jetzt, Daja, nimm das Wort. Ich hab es ja Von dir, daß er gefangen hergeschickt Ist worden. Ohne Zweifel weißt du mehr.

Daja:

Nun ja. – So sagt man freilich; – doch man sagt Zugleich, daß Saladin den Tempelherrn Begnadigt, weil er seiner Brüder einem, Den er besonders lieb gehabt, so ähnlich sehe. Doch da es viele zwanzig Jahre her, Daß dieser Bruder nicht mehr lebt, – er hieß, Ich weiß nicht wie; – er blieb, ich weiß nicht wo: – So klingt das ja so gar – so gar unglaublich, Daß an der ganzen Sache wohl nichts ist.

Nathan:

Ei, Daja! Warum wäre denn das so Unglaublich? Doch wohl nicht – wie's wohl geschieht – Um lieber etwas noch Unglaublichers Zu glauben? – Warum hätte Saladin, Der sein Geschwister insgesamt so liebt, In jüngern Jahren einen Bruder nicht Noch ganz besonders lieben können? – Pflegen Sich zwei Gesichter nicht zu ähneln? – Ist Ein alter Eindruck ein verlorner? – Wirkt Das Nämliche nicht mehr das Nämliche? Seit wenn? – Wo steckt hier das Unglaubliche? Ei freilich, weise Daja, wär's für dich Kein Wunder mehr; und deine Wunder nur Bedürf ... verdienen, will ich sagen, Glauben.

Daja:

Ihr spottet.

Nathan:

Weil du meiner spottest. – Doch Auch so noch, Recha, bleibet deine Rettung Ein Wunder, dem nur möglich, der die strengsten Entschlüsse, die unbändigsten Entwürfe Der Könige, sein Spiel – wenn nicht sein Spott – Gern an den schwächsten Fäden lenkt.

Recha:       Mein Vater! Mein Vater, wenn ich irr, Ihr wißt, ich irre Nicht gern.

Nathan:

Vielmehr, du läßt dich gern belehren. Sieh! eine Stirn, so oder so gewölbt; Der Rücken einer Nase, so vielmehr Als so geführet; Augenbraunen, die Auf einem scharfen oder stumpfen Knochen So oder so sich schlängeln; eine Linie, Ein Bug, ein Winkel, eine Falt', ein Mal, Ein Nichts, auf eines wilden Europäers Gesicht: – und du entkommst dem Feu'r, in Asien! Das wär' kein Wunder, wundersücht'ges Volk? Warum bemüht ihr denn noch einen Engel?

Daja:

Was schadet's – Nathan, wenn ich sprechen darf – Bei alledem, von einem Engel lieber Als einem Menschen sich gerettet denken? Fühlt man der ersten unbegreiflichen Ursache seiner Rettung nicht sich so Viel näher?

Nathan:

Stolz! und nichts als Stolz! Der Topf Von Eisen will mit einer silbern Zange Gern aus der Glut gehoben sein, um selbst Ein Topf von Silber sich zu dünken. – Pah! – Und was es schadet, fragst du? was es schadet? Was hilft es? dürft' ich nur hinwieder fragen. – Denn dein »Sich Gott um so viel näher fühlen« Ist Unsinn oder Gotteslästerung. – Allein es schadet; ja, es schadet allerdings. – Kommt! hört mir zu. – Nicht wahr? dem Wesen, das Dich rettete, – es sei ein Engel oder Ein Mensch, – dem möchtet ihr, und du besonders, Gern wieder viele große Dienste tun? – Nicht wahr? – Nun, einem Engel, was für Dienste, Für große Dienste könnt ihr dem wohl tun? Ihr könnt ihm danken; zu ihm seufzen, beten; Könnt in Entzückung über ihn zerschmelzen; Könnt an dem Tage seiner Feier fasten, Almosen spenden. – Alles nichts. – Denn mich Deucht immer, daß ihr selbst und euer Nächster Hierbei weit mehr gewinnt, als er. Er wird Nicht fett durch euer Fasten; wird nicht reich Durch eure Spenden; wird nicht herrlicher Durch eu'r Entzücken; wird nicht mächtiger Durch eu'r Vertraun. Nicht wahr? Allein ein Mensch!

Daja:

Ei freilich hätt' ein Mensch, etwas für ihn Zu tun, uns mehr Gelegenheit verschafft. Und Gott weiß, wie bereit wir dazu waren! Allein er wollte ja, bedurfte ja So völlig nichts; war in sich, mit sich so Vergnügsam, als nur Engel sind, nur Engel Sein können.

Recha:

Endlich, als er gar verschwand ...

Nathan:

Verschwand? – Wie denn verschwand? – Sich untern Palmen Nicht ferner sehen ließ? – Wie? oder habt Ihr wirklich schon ihn weiter aufgesucht?

Daja:

Das nun wohl nicht.

Nathan:

Nicht, Daja? nicht? – Da sieh Nun was es schad't! – Grausame Schwärmerinnen! Wenn dieser Engel nun – nun krank geworden! ...

Recha:

Krank!

Daja:

Krank! Er wird doch nicht!

Recha:

Welch kalter Schauer Befällt mich! – Daja! – Meine Stirne, sonst So warm, fühl! ist auf einmal Eis.

Nathan:

Er ist Ein Franke, dieses Klimas ungewohnt; Ist jung; der harten Arbeit seines Standes, Des Hungerns, Wachens ungewohnt.

Recha:

Krank! krank!

Daja:

Das wäre möglich, meint ja Nathan nur.

Nathan:

Nun liegt er da! hat weder Freund, noch Geld Sich Freunde zu besolden.

Recha:

Ah, mein Vater!

Nathan:

Liegt ohne Wartung, ohne Rat und Zusprach', Ein Raub der Schmerzen und des Todes da!

Recha:

Wo? wo?

Nathan:

Er, der für eine, die er nie Gekannt, gesehn – genug, es war ein Mensch Ins Feu'r sich stürzte ...

Daja:

Nathan, schonet ihrer!

Nathan:

Der, was er rettete, nicht näher kennen, Nicht weiter sehen mocht', – um ihm den Dank Zu sparen ...

Daja:

Schonet ihrer, Nathan!

Nathan:

Weiter Auch nicht zu sehn verlangt', – es wäre denn, Daß er zum zweitenmal es retten sollte – Denn g'nug, es ist ein Mensch ...

Daja:

Hört auf, und seht!

Nathan:

Der, der hat sterbend sich zu laben, nichts Als das Bewußtsein dieser Tat!

Daja:

Hört auf! Ihr tötet sie!

Nathan:

Und du hast ihn getötet! – Hättst so ihn töten können. – Recha! Recha! Es ist Arznei, nicht Gift, was ich dir reiche. Er lebt! – komm zu dir! – ist auch wohl nicht krank: Nicht einmal krank!

Recha:

Gewiß? – nicht tot? nicht krank?

Nathan:

Gewiß, nicht tot! Denn Gott lohnt Gutes, hier Getan, auch hier noch. – Geh! – Begreifst du aber, Wieviel