NEIN - Anja Förster - E-Book

NEIN E-Book

Anja Förster

0,0
11,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
  • Herausgeber: Pantheon
  • Kategorie: Ratgeber
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2016
Beschreibung

Sagen Sie JA zu sich selbst

»Ein Buch wie ein Befreiungsschlag! Ein Mutmacher, ausgetrampelte Wege zu verlassen und persönliche Freiheit zu wagen« schreibt die Presse über den Bestseller von Anja Förster und Peter Kreuz.

»Erfolg folgt Entschiedenheit!« lautet das Credo des Buchs der beiden Managementvordenker (Focus). Ein klares Ja zu dem, was wir gewählt haben, und ein ebenso klares NEIN zu dem, was uns vom Weg abbringt, sind Grundlage eines gelungenen Lebens.

Gleichzeitig ist das aber auch die schwierigste Wahl von allen. Denn wer es in Wirtschaft oder Gesellschaft wagt, entschieden seinen Weg zu gehen, ist oft am Rand unterwegs und läuft Gefahr, mit der Umgebung zu kollidieren. In der Mitte hingegen ist man im Kreis der Ja-Sager stets gut gepuffert. Also füg dich ein und mach, was von dir erwartet wird. In einer Welt voller Mitmacher hat ein selbstbewusstes NEIN nichts verloren.

Förster und Kreuz lenken den Blick auf das Wesentliche und sagen Ja zum NEIN in ihrem neuen Buch. Denn NEIN ist nicht das böse Wort, das man nicht sagen darf – sondern eines der wichtigsten, besten, sinnvollsten Wörter überhaupt!

Wer selbstbestimmt leben und eigenständige Entscheidungen für etwas treffen will, muss sehr oft NEIN sagen – hinter jedem JA stehen viele NEINs.

Und diese Entschiedenheit kann jeder lernen.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 236

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Das Buch

In einer Welt voller Teamplayer hat das Nein nichts verloren: Unkooperative Mitarbeiter, Chefs als Blockierer, Bürger als Querulanten. Wer Nein sagt, gilt schnell als schwierig.

Doch dieses Buch sagt Ja zum Nein! Denn NEIN ist nicht das böse Wort, das man nicht sagen darf – sondern eines der wichtigsten, besten, sinnvollsten Wörter überhaupt! Wer selbstbestimmt leben und eigenständige Entscheidungen für etwas treffen will, muss sehr oft NEIN sagen – hinter jedem JA stehen viele NEINs. Und diese Entschiedenheit kann jeder lernen.

Ein Buch wie ein Befreiungsschlag.

Die Autoren

»Anja Förster und Peter Kreuz nehmen als Managementvordenker in Deutschland eine Schlüsselrolle ein«, schreibt der Focus über die gefragten Berater, Referenten und erfolgreichen Buchautoren. Alles, außer gewöhnlich wurde 2007 Wirtschaftsbuch des Jahres, zuletzt erschienen bei Pantheon der Spiegel-Bestseller Hört auf zu arbeiten! (2013), Nur Tote bleiben liegen (2014) und Macht, was ihr liebt! (2015).

www.foerster-kreuz.com

Anja FörsterPeter Kreuz

NEIN

Was vier mutige Buchstaben im Leben bewirken können

Pantheon

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

Der Verlag weist ausdrücklich darauf hin, dass im Text enthaltene externe Links vom Verlag nur bis zum Zeitpunkt der Buchveröffentlichung eingesehen werden konnten. Auf spätere Veränderungen hat der Verlag keinerlei Einfluss. Eine Haftung des Verlags ist daher ausgeschlossen.

Der Pantheon Verlag ist ein Unternehmen der Verlagsgruppe Random House GmbH.

Copyright © 2016 by Pantheon Verlag, München, in der Verlagsgruppe Random House GmbH, Neumarkter Str. 28, 81673 München

Umschlaggestaltung: Thierry Wijnberg, Berlin

Gestaltung und Satz: Andrea Mogwitz

Verwendete Schrift: Berling Nova

ISBN 978-3-641-19418-5V001

www.pantheon-verlag.de

»Nur wer sich entscheidet, existiert.«

Martin Luther

Inhalt

Ja, okay …

Teil I

Warum Freiheit ein Ladenhüter ist

1—Dir stehen doch alle Türen offen!

2—Zum Ja-Sagen erzogen

3—Nur mal kurz das Leben verpfuscht

4—Die Typologie der Unentschiedenheit

Teil II

Wie Hummer wachsen

5—Die Sache mit der Wahlfreiheit

6—Ein großes Ja, viele Neins

7—Eine Frage der Haltung

8—Mit dem Wissen wächst der Zweifel

9—There is no free lunch

10—Aber es kann doch nicht jeder den Klinsmann machen!

Teil III

Warum wir eine Antwort brauchen

11—Die schlimmste Strafe der Welt

12—Lebt Entschiedenheit!

Ihr Lunchpaket

Quellenverzeichnis

Bildnachweis

Ja, okay …

Nein«, sagen Sie.

Schon beim Frühstück bearbeitet Sie Ihr Sohn und bekniet Sie, ihm den kostenpflichtigen Download eines neuen Computerspiels zu erlauben.

»Komm schon!«, insistiert er, »Das Spiel ist mega angesagt. Und es ist ja kein Ego-Shooter, sondern eigentlich so was wie ein Strategiespiel …«

Sie schauen skeptisch.

»Oh, bitte. Wie steh’ ich denn sonst da? Ich will mit meinen Freunden übers Netz mitspielen können. Die schließen mich sonst aus. Das ist ein echt soziales Spiel, weißt du. Ich brauch’ das, sonst bin ich der Depp. Jetzt sag schon Ja! Bitte!«

Sie atmen aus, Ihre Schultern sinken, Ihr Widerstand bricht zusammen. Es ist einfach zu anstrengend, dagegenzuhalten. Und das Gefühl, ein Rabenvater oder eine Rabenmutter zu sein, wenn Sie weiter hart blieben, wäre sehr, sehr unangenehm. Sie murmeln: »Na gut, von mir aus …«

»Yesss!« – Ihr Sohn macht die Beckerfaust und rennt aus der Küche in sein Zimmer, um den Download noch vor der Schule zu starten.

Dass Sie nachgegeben haben, nervt Sie noch, als Sie sich auf den Weg ins Büro machen. Auf dem Firmenparkplatz angekommen, winkt Ihnen schon der Kollege aus der Buchhaltung freundlich zu. Er erinnert Sie daran, dass Sie letzte Woche bei seinem Geburtstagsumtrunk zugestimmt haben – war das nach dem zweiten oder dritten Gläschen Sekt? – die Organisation des nächsten Sommerfests zu übernehmen.

»Oh, nein!«, denken Sie, »wie komme ich bloß aus der Nummer wieder raus?« Diesen Job haben Sie schon einmal ausgeschlagen und damals zu viel Stress geltend gemacht. Das war eine Ausrede. Aber verderben wollen Sie es sich mit den Kollegen auch nicht. Wie könnten Sie jetzt bloß Nein sagen, ohne wie ein Drückeberger auszusehen?

Sie lächeln gequält und hören sich selbst sagen: »Ja, mach’ dir mal keine Sorgen. Ich geh’ da noch diese Woche ran!«

Ihr Ja, das Sie sich abgequält haben, fühlt sich wie eine Niederlage an und liegt Ihnen noch im Magen, als Ihr Chef beim wöchentlichen Meeting eine Projektidee vorstellt. Gesucht wird ein Projektleiter, der erstmal eine Machbarkeitsstudie durchführt. Sie merken schon, wie der Chef zu Ihnen herüberschaut, während er noch spricht.

»Möge dieser Kelch an mir vorübergehen!«, schießt es Ihnen durch den Kopf, denn Ihnen ist sonnenklar, dass das eine Menge an Extraarbeit mit sich bringen würde.

»Du bist genau der Richtige für diese Aufgabe«, sagt Ihr Chef in Ihre Richtung und nickt Ihnen aufmunternd zu.

»Mist!«, denken Sie. Sie hecheln in Gedanken Ihre To-Do-Liste durch und wissen: Erst das Sommerfest und jetzt noch dieser zusätzliche Job, für den Sie eigentlich gar keine Zeit haben. Von Lust ganz zu schweigen. Aber wie sollen Sie ablehnen? Das würde sicher Ihr Verhältnis zu Ihrem Chef belasten. Vielleicht würde es sogar Ihre Beförderung gefährden.

Also: Sie nicken ihm freundlich zu und nehmen die Aufgabe dankend an.

Als Sie kurz vor Feierabend reichlich erschöpft ihre Sachen zusammenpacken, fragt Ihr Azubi Sie, ob Sie ihm bei einer Präsentation helfen können, die er morgen in der Berufsschule auf Englisch halten muss. Er würde sich freuen, wenn Sie seine Folien lesen und korrigieren könnten. »Sie sprechen doch so gut Englisch und ich wollte Sie schon die ganze Woche ansprechen, aber Sie sind ja immer so beschäftigt …«

Der implizite Vorwurf, den Sie zwischen den Zeilen heraushören, motiviert Sie überhaupt nicht. Sie fühlen sich komplett ausgelaugt und haben nicht die geringste Lust. Aber jetzt den jungen Mitarbeiter hängenlassen?

Sie ringen sich ein Lächeln ab und sagen: »Ja, okay.«

Teil I

Warum Freiheit ein Ladenhüter ist

1

Dir stehen doch alle Türen offen!

Wenn Sie einmal innehalten und die Bedingungen Ihres Lebens aus der Vogelperspektive betrachten: Sie können kaum ermessen, wie frei Sie heute leben! In weiten Teilen der westlichen Welt herrscht eine Abwesenheit von Zwängen, die im historischen Vergleich geradezu spektakulär ist.

Noch vor wenigen Generationen war dieses Maß an persönlicher Freiheit undenkbar. Menschen bewegten sich in einem engen Korsett aus Zwängen und Abhängigkeiten. Persönliche Entscheidungen wurden im Einklang mit dem getroffen, was sich gehörte und geboten war. Wer es wagte, dagegen zu verstoßen, wurde ruckzuck aus Familie, Gemeinschaft oder Gesellschaft ausgegrenzt. Nicht einmal die herausragendsten Persönlichkeiten früherer Zeiten hatten auch nur annähernd so viele Freiheiten, Optionen und Perspektiven wie Frau oder Herr Maier, Schuster, Müller im 21. Jahrhundert.

Natürlich, es ist eine Frage der Perspektive. Durch den Fokus des Alltags bemerken wir häufig gar nicht, wie unnormal das alles ist, was wir für normal halten, was aber durch das große, zeitlich-geografische Weitwinkelobjektiv besehen klare Privilegien sind.

Wie groß der Zuwachs von Freiheit auf der individuellen Ebene in nur einem Jahrhundert war, lässt sich am Beispiel von Marie Curie nachvollziehen. Curie war eine legendäre Forscherin des 20. Jahrhunderts, die als erste Frau überhaupt den Nobelpreis gewann. Und das gleich zweimal – 1903 für Physik und 1911 für Chemie. Sie erfand das Wort »radioaktiv« und entdeckte die Elemente Polonium und Radium. Wie herausragend ihre Leistungen sind, zeigt sich allein schon darin, dass bis heute nur gut fünf Prozent aller Nobelpreisträger weiblich sind und dass außer Marie Curie nur drei Menschen zweimal vom Nobelkomitee ausgezeichnet worden sind.

Sie war damals, vor etwa hundert Jahren, in der Öffentlichkeit sehr bekannt. Doch sie wäre es nie geworden, hätte sie nicht einen unbedingten Willen und ein eisernes Rückgrat gehabt. Denn die gesellschaftlichen Beschränkungen und Widerstände, mit denen sie konfrontiert war, sind aus heutiger Sicht beinahe unbegreiflich.

Drei Geschichten von Madame Curie erzählen wir Ihnen. Alle drei handeln von verschlossenen Türen.

Ein Traum wird wahrgekämpft

Als sich die erste Geschichte ereignete, war Marie noch ein Teenager. Sie war in Warschau geboren, bei sehr gebildeten Eltern aufgewachsen und zeigte schon früh eine erstaunliche Intelligenz, genauso wie ihre große Schwester Bronia. Die beiden wollten studieren. Doch Frauen waren damals in Polen generell nicht zum Studium zugelassen. So einfach war das. Und alle klugen und begabten Mädchen hatten sich zu fügen. Man arrangierte sich.

Doch Marie fügte und arrangierte sich nicht. Dann wollte sie eben im Ausland studieren, in einem Land, wo Frauen bereits zugelassen waren! Doch sie fand in der Verwandtschaft niemanden, der ihr das Studium bezahlen konnte. Ihr Vater, ein pensionierter Lehrer und Witwer, konnte seine fünf Kinder jedenfalls gerade so über Wasser halten, ein Studium war zu teuer.

Doch Marie fügte und arrangierte sich nicht.

Marie gab nicht auf. Mit 17 begann sie Privatunterricht zu geben. Und nebenher bildete sie sich autodidaktisch weiter. Zusammen mit ihrer Schwester besuchte sie geheime Treffen einer illegalen »Fliegenden Universität«, wo sie Wissen auf akademischem Niveau aufschnappen konnte. Mit 18 fand sie eine Anstellung als Hauslehrerin bei einer vermögenden Familie auf dem Land. Sie arbeitete, sparte und lernte immer weiter, um sich darauf vorzubereiten, irgendwann einmal studieren zu können. Jeden Tag unterrichtete sie zusätzlich ein Dutzend Bauernkinder in Lesen und Schreiben. Mit anderen Worten: Sie ackerte und büffelte und gab alles für ihren Traum vom Studieren. Dass sie den ältesten Sohn des Hauses, in den sie sich verliebt hatte, nicht heiraten durfte, weil sie dem Hausherren nicht als gute Partie für seinen Stammhalter erschien, sei hier nur als Randnotiz angemerkt.

Zusammen mit ihrer älteren Schwester Bronia heckte sie dann einen Plan aus, um die geschlossenen Türen der Gesellschaft zu umgehen und doch noch studieren zu können. Marie gab all ihr mühsam verdientes Geld ihrer Schwester. Gemeinsam schafften sie es, Bronia einen Studienaufenthalt in Paris zu ermöglichen. 1891 schließlich hatte Bronia es geschafft, sich in Paris zu etablieren. Sie war verheiratet und finanziell abgesichert. Nun konnte der zweite Teil des Plans in Kraft treten: Bronia holte Marie zu sich nach Paris, ließ sie in ihrer Wohnung wohnen und bezahlte ihre Studiengebühren und ihren Lebensunterhalt. Als sich Marie endlich an der Sorbonne für ein Studium der Physik und der Mathematik einschrieb, lagen sechs lange Jahre des Kämpfens hinter ihr. Sie hatte unter großen Opfern geschafft, was heute ein selbstverständliches Privileg für viele Menschen ist: Sie durfte studieren!

Ehre, wem Ehre gebührt

Die zweite Geschichte spielt nach ihrem Studium, das außerordentlich erfolgreich verlief. Von den 1825 Studenten der Naturwissenschaften an der Pariser Universität waren nur 23 Frauen, aber sie setzte sich durch: In Mathematik schaffte sie den zweitbesten Abschluss, in Physik wurde sie Jahrgangsbeste. Sie ergatterte ein begehrtes Stipendium und durfte anschließend mit einigen der besten Physiker der Welt arbeiten. Professor Antoine-Henri Becquerel wurde ihr Doktorvater, der Laborleiter Pierre Curie wurde nicht nur ihr Forschungs-, sondern auch ihr Lebenspartner. Die beiden heirateten, was Marie auch die französische Staatsbürgerschaft bescherte.

Frauen waren in der Akademie der Wissenschaften nicht zugelassen.

Um die Jahrhundertwende wurde das Forschen und Experimentieren von Marie Curie und ihrem Ehemann immer zielstrebiger und erfolgreicher. Sie gewann einen Preis der Akademie der Wissenschaften für ihre Arbeiten über Magnetismus, Metalle und Radioaktivität. Allerdings mussten ihre Forschungsergebnisse von Pierre Curie und Professor Becquerel vorgetragen werden, denn Frauen waren in der Akademie der Wissenschaften nicht zugelassen.

Die Curies korrespondierten mit den bedeutendsten Physikern der Welt über Radioaktivität und publizierten gemeinsam. Schließlich fasste Marie alles, was sie über Radioaktivität herausgefunden hatte, in ihrer Dissertation zusammen, die sie 1903 verteidigte und veröffentlichte. Und die war ein wissenschaftlicher Bestseller, wurde sofort in fünf Sprachen übersetzt und in angesehenen akademischen Journalen abgedruckt. Die Forschungen über das Phänomen der Radioaktivität, das die Zusammenarbeit von Antoine-Henri Becquerel und dem Forscherpaar Pierre und Marie Curie hervorgebracht hatte, waren eine anerkannte wissenschaftliche Großtat. Noch im selben Jahr sollten deshalb Pierre Curie und Antoine-Henri Becquerel den Nobelpreis erhalten. Genau. Die beiden Männer sollten den Nobelpreis erhalten. Nur die beiden. Denn eine Frau als Nobelpreisträgerin? Das hatte es noch nie gegeben und war schlicht nicht vorgesehen!

Als Pierre davon erfuhr, setzte er ein Schreiben an das Nobelkomitee auf und formulierte: »Wenn es stimmt, dass man tatsächlich ernsthaft an mich denkt, so wünsche ich sehr, aufgrund unserer Forschungen (…) gemeinsam mit Madame Curie in Betracht gezogen zu werden.«

Ganz offensichtlich war die Anerkennung für Marie Curie unter den Wissenschaftlern zu diesem Zeitpunkt bereits so groß, dass nun auch die Nobelkomitee-Mitglieder über ihren Schatten springen mussten: Marie Curie erhielt zu gleichen Teilen gemeinsam mit ihrem Ehemann und ihrem Mentor die begehrte Auszeichnung. Hätte ihr Ehemann Pierre damals nicht interveniert, dann wäre sie leer ausgegangen – weil eine Frau im Jahre 1903 nicht die Freiheit hatte, einen Nobelpreis zu gewinnen.

Skandal!

Die dritte Geschichte schließlich brach die stolze Frau und zeigte ihr dann doch noch ihre Grenzen auf. Es begann mit dem Verlust ihres Ehemannes, der bei einem Verkehrsunfall im Jahr 1906 ums Leben kam. Marie Curie trug schwer an Pierres Tod und litt in der Folge an Depressionen. Kurioserweise führten diese tragischen Umstände dazu, dass Madame Curie die erste Frau wurde, die an der Sorbonne lehrte, denn sie wurde zur Nachfolgerin ihres verstorbenen Ehemanns auf dem Lehrstuhl für Physik ernannt, und zwar deshalb, weil sie die beste Physikerin an der Universität war.

Auch die Leitung des Labors wurde neu besetzt, und zwar mit Professor Paul Langevin, der ebenfalls ein herausragender Wissenschaftler war. Er war es auch, der den frei gewordenen Platz im Herzen von Marie eroberte. Paul und Marie wurden ein Paar.

Aber natürlich wurden sie das nur heimlich. Denn die Voraussetzungen für diese Liebe waren unmöglich: Er 39 Jahre alt, sie fünf Jahre älter. Er Christ, sie Jüdin. Er verheiratet und Familienvater, sie Witwe. Von einer Witwe wurde damals erwartet, dass sie sich entweder nach einer Trauerfrist erneut heiraten ließ, aber bitte gemäß den gesellschaftlichen Konventionen, oder sie musste den Rest ihres Lebens diskret alleine fristen, als asexuelles, zurückgezogenes Wesen. Marie Curie aber stand mitten im Leben. Sie und Paul trafen sich regelmäßig heimlich in einer extra dafür angemieteten Wohnung. Es kam wie es kommen musste: Pauls Ehefrau bekam Wind von der Affäre, sie ließ ihrem Ehemann nachspionieren, die Wohnung wurde ausgespäht, sie ließ zum Zwecke der Beweissicherung einbrechen und Liebesbriefe der beiden stehlen. Marie Curie drohte sie mit Mord.

Ehebruch! Skandal!

Heute wäre es ein klarer Fall, welche der Beteiligten das Gesetz übertreten hatte: Diebstahl, Einbruch, Bedrohung – glasklare Straftatbestände aus heutiger Sicht. Ein Vorzeigen der Briefe wäre der Beweis für eine Straftat der Ehefrau, nicht für ein Verbrechen der Geliebten. Aber damals waren die Grenzlinien anders gezogen: Ehebruch! Skandal! Paul Langevin wurde von seiner eifersüchtigen Frau und deren Bruder erpresst: Entweder er beendete die Affäre sofort, oder sie würden alles in die Zeitung bringen. Immerhin war Madame Curie eine Berühmtheit, der Boulevard würde sich um diese Geschichte reißen. Paul musste an seinen Schwager sogar Schweigegeld zahlen. Doch es half alles nichts, seine Frau war rasend vor Eifersucht, reichte die Scheidung ein, verklagte ihren Mann wegen »Verkehrs mit einer Konkubine« und hinterbrachte die Geschichte samt den erbeuteten Liebesbriefen einem Journalisten.

Der Skandal war losgetreten und die Zeitungen machten sich darüber her wie Geier über einen Kadaver. Freunde aus Wissenschaftskreisen, darunter Albert Einstein, versuchten, Madame Curie zu verteidigen. Doch der Geist war aus der Flasche, sogar die New York Times berichtete ganzseitig und mit Auszügen aus den Briefen. Der Journalist, der wider jeglichen journalistischen Ethos gehandelt und die privaten Briefe veröffentlicht hatte, beleidigte Paul als »Rüpel« und »Feigling« und Marie als »Fremde«. Dann setzte er eins drauf und nannte sie abwertend eine »Intellektuelle«. Um ihr schließlich verbal den Todesstoß zu versetzen, steigerte er sich noch einmal: »Emanze!« – Was folgte, waren fünf Duelle, darunter eines zwischen ebendiesem Journalisten und Paul Langevin, der versuchte, seine Ehre zu verteidigen. Kurz: Das Chaos war über Marie Curie hereingebrochen, weil sie erneut die Grenzen der gesellschaftlichen Konvention missachtet hatte.

Mittendrin im Schlamassel wurde bekannt, dass das Nobelkomitee Marie Curie zum zweiten Mal den Nobelpreis verleihen wollte, diesmal für Chemie. Doch angesichts des Skandals waren die Juroren in Stockholm in Aufruhr. Das Nobelkomitee schrieb ihr, dass sie sich nicht für sie entschieden hätten, wenn sie früher von der Affäre erfahren hätten. Sie forderten von ihr, den Preis nicht anzunehmen, bevor sie nicht gerichtlich freigesprochen sei.

Marie Curie aber drückte ihr Kreuz durch und antwortete, dass ihr Privatleben und ihre Leistungen nichts miteinander zu tun hätten, dass der Preis laut Aussage des Komitees für wissenschaftliche Errungenschaften, nicht für Personen vergeben würde – und dass sie selbstverständlich nach Stockholm reisen und den Preis annehmen werde! Und genau das tat sie. Zum ersten Mal wurde ein zweiter Nobelpreis an ein und dieselbe Person verliehen.

Doch Marie Curie war die ganze Affäre so nahegegangen, dass sie nach ihrer Rückkehr aus Stockholm einen Schwächeanfall erlitt und ins Krankenhaus musste. Es war alles zu viel für sie gewesen. Gesundheitlich kam sie danach nie wieder richtig auf die Beine. Sicherlich war sie außerdem durch ihren jahrelangen ungeschützten Kontakt mit radioaktiven Elementen auch chronisch strahlenkrank. Die Liaison mit Paul Langevin war zerstört und überdauerte den Skandal nicht. Es war die letzte Liebesbeziehung in ihrem Leben. Gesellschaftlich war Maire Curie nicht mehr gerne gesehen. Sie musste aus ihrem Haus ausziehen, wo sie von Nachbarn beschimpft wurde. Wenn sie reiste, dann unter falschem Namen. Die Universität musste sie verlassen. Ihre wissenschaftliche Karriere war an den verschlossenen Türen des Jahres 1911 doch noch zerschellt.

Selbstverständlichkeiten

Heute wären diese drei Geschichten vollkommen anders verlaufen. Selbstverständlich hätte Marie Curie die Chance gehabt zu studieren. Ein Pakt mit der Schwester wäre nicht nötig gewesen. Und wenn die Finanzen knapp gewesen wären, dann hätte sie die Freiheit gehabt, nebenher zu jobben, so wie es für viele Studenten heute Normalität ist. Sie hätte sicherlich auch gute Chancen auf ein Studiendarlehen, ein Stipendium oder öffentliche Ausbildungsförderung gehabt. Das alles ist heute in der westlichen Welt kein Problem mehr.

Denn sonst wäre Kai Diekmann, der Herausgeber der Bild-Zeitung, heute entweder ein Meisterschütze oder schon längst tot.

Bei der Vergabe von Preisen oder bei der Mitgliedschaft in Clubs und Akademien würden heute weitgehend ihre Leistungen zählen. Kein Jury-Mitglied würde gegen eine Auszeichnung stimmen, nur weil sie kein Mann ist. Ob jemand aus Polen oder Frankreich stammt – kein Problem. Heute wäre jede Uni stolz, einen Starforscher aus einem anderen Land auf einen Lehrstuhl zu locken. Ihr Privatleben hätte in der Öffentlichkeit keine Rolle gespielt. Und auch Duelle gibt es heute nicht mehr. Denn sonst wäre Kai Diekmann, der Herausgeber der Bild-Zeitung, heute entweder ein Meisterschütze oder schon längst tot. Kurz: Wir haben heute gesellschaftliche Freiheiten in einem Umfang, der vor hundert Jahren noch undenkbar war. Wo früher fast unüberwindbare Hürden waren, ist heute geebneter Pfad. Wir können frei entscheiden, was wir wollen. Und dann einfach losmarschieren.

Wir werden kaum mehr an verschlossenen Türen scheitern, sondern alleine an uns selbst.

Will ich studieren oder nicht? Lieber eine Lehre machen? Erstmal eine Weltreise, um noch überlegen zu können? Oder ein freiwilliges soziales Jahr? Oder mal eine Weile in einem anderen Land leben? – Alles okay. Mach, was du willst! Sollen wir heiraten? Oder geht’s auch ohne Trauschein? – Wir können, wie wir wollen, völlig unabhängig von Herkunft, Geschlecht, gesellschaftlicher Schicht. Eine Familie gründen? Wieso nicht …? Andererseits … Okay, das geht auch noch später. Kein Kind oder zwei oder fünf? Das geht alles.

Welchen Beruf will ich wählen? Und welchen Arbeitgeber? Es gibt tausende Möglichkeiten. Auch da müssen wir uns nicht festlegen. Im Gegenteil: Wer heute nicht alle fünf Jahre wechselt, mit dem stimmt ja wohl was nicht! Oder will ich mich selbständig machen? Ein Unternehmen gründen? Mit Partnern? Oder allein? Angestellt sein hat auch was für sich. Teilzeit ginge auch. Wir können heute selbst entscheiden. Die Lebensumstände und so vieles mehr wählen wir selbst, und wir wählen sie für uns passend und nach Vorlieben. Ausprobieren, Testen und Reinschnuppern ist jederzeit erlaubt.

Sollen wir heiraten? Oder geht’s auch ohne Trauschein?

Tanze deinen Tanz!

Es gibt einen roten Faden in dieser unglaublichen Entwicklung des menschlichen Lebens: All diesen rasend schnellen Veränderungen ist gemein, dass sich die Grenzen auflösen. Und damit meinen wir nicht nur geographische Grenzen, sondern vor allem Grenzen zwischen Geschlechtern, Grenzen der Moralvorstellungen, Grenzen zwischen Gesellschaftsschichten, Grenzen zwischen Kulturen, Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit oder Grenzen des Machbaren … alle Grenzen sind durchlässiger geworden, verwischt und manchmal kaum noch zu erkennen.

Übertragen auf die Alltagskultur bedeutet Grenzenlosigkeit in erster Linie die Explosion der Wahlmöglichkeiten. Und das ist wunderbar! Denn die Wahl zu haben, bedeutet eben auch Lebensqualität wählen zu können, Autonomie leben zu können, Selbstbestimmung ausüben zu können, Kontrolle über das eigene Leben zu haben, für Passgenauigkeit zwischen der eigenen Persönlichkeit und den eigenen Lebensumständen sorgen zu können – und individuelle Ausdrucksmöglichkeiten zu haben. Die Wahl zu haben heißt konkret: Sie können Ihr Leben gestalten. Sie können es tun. Ob Sie Ihre Prioritäten so oder so wählen – das prüfen Sie nicht an Konventionen oder Traditionen ab, sondern alleine an Ihren eigenen Wertmaßstäben und Wünschen.

Auf diese Weise wird das gestaltete Leben in der äußeren Welt ein Ausdruck der Persönlichkeit im Innern. Die Wahl zu haben heißt: Eine Welt zu gestalten als Ausdruck des Ichs: »Ich mach mir die Welt, wie sie mir gefällt!« – Dieses Phänomen ist etwas völlig Neues! Damit einher geht die enorme Verbesserung der Lebensqualität. Der Opferfaktor »Ich-hätte-so-gern-aber-ich-durfte-ja-nie« fällt weg. Stattdessen können Sie die Bedingungen Ihres Lebens passend zu Ihrer Persönlichkeit, Ihren Wünschen und Zielen gestalten. Ja, wir haben die Wahl. So erstaunlich das ist, so schön ist das auch.

Rüdiger Nehberg hatte auch schon die Wahl. Der 1935 geborene Ostwestfale wuchs in einem Haushalt auf, in dem alles durchstrukturiert, organisiert und – so Nehberg – »bis auf fünf Stellen hinter dem Komma geregelt« war. Doch er hatte den inneren Antrieb, den unbändigen Drang, Grenzen zu überschreiten und auszubrechen. Diese Kraft fand ein Ventil als er siebzehn war: Er radelte kurzerhand von Hamburg nach Marrakesch.

»In der Not frisst der Teufel Fliegen. Ich habe es immer mit dem Teufel gehalten.«

Später im Leben gab er seinem Abenteuerdrang immer weiter nach: Anfang der Siebziger bezwang er den blauen Nil, der bis dato als unbefahrbar gegolten hatte. Anfang der Achtziger wanderte er innerhalb von drei Wochen quer durch Deutschland – ohne Proviant, ohne Geld, ohne Ausrüstung. Um zu überleben aß er Heuschrecken, Blindschleichen und ein eitriges Kaninchen. »In der Not frisst der Teufel Fliegen. Ich habe es immer mit dem Teufel gehalten«, kommentierte er das grinsend. Rüdiger Nehberg wurde zum deutschen Survival-Guru. Er sang sein Lied, er tanzte seinen Tanz, er lebte sein Leben. In seinem Fall war es eben ein nichtbürgerliches Leben. Heute nutzt er seine Popularität, um gegen die Genitalverstümmelung von Mädchen und Frauen in den Ländern Afrikas zu kämpfen. Und das mit bemerkenswertem Erfolg.

Aber bemerkenswert ist auch: Eigentlich macht er ja nichts anderes als Marie Curie! Er lebt sein Leben, er trifft seine eigene Wahl. Nur: Ihm bringt es öffentliche Bewunderung ein, während man auf Marie Curie noch einprügelte.

Achtundsechzig Jahre liegen zwischen den Geburtsdaten der beiden. – Wie haben sich die Zeiten geändert!

Forever young

Und sie ändern sich weiter: Sie wünschen sich ein anderes Geschlecht? Dann lassen Sie sich eben entsprechend operieren. Wenn Sie dann ein Mann geworden sind, aber dennoch schwanger werden wollen, dann geht das auch. So geschehen vor kurzem in Berlin: Ein Mann, der aus der Zeit vor seiner Geschlechtsumwandlung noch eine funktionstüchtige Gebärmutter und Eierstöcke hatte, ließ sich per Samenspende befruchten und brachte sein Kind zur Welt. In der Geburtsurkunde dieses Kindes gibt es keine Mutter.

Eine andere Berlinerin hatte schon 13 Kinder von fünf verschiedenen Männern bekommen, das letzte, als sie 55 Jahre alt war. Mittlerweile ist die alleinerziehende Lehrerin siebenfache Oma. Sie beschloss, nochmal schwanger zu werden, ließ sich sowohl Ei- als auch Samenzelle spenden und brachte im Alter von 65 Jahren Vierlinge zur Welt. Wer dieser Frau kritische Fragen stellt, erhält ein Statement nach dem Muster: »Ich bin der Meinung, dass jeder sein Leben so leben sollte, wie er möchte.«

Sind solche Extrembeispiele nun ein Ausdruck von Freiheit? Oder bereits Egoismus? Oder gar Egozentrik? Das kann jeder selbst bewerten. Jedenfalls stehen solche Fälle für die immer weiter fortschreitende Zertrümmerung von Grenzen. Sie sind ein Zeichen unserer Zeit. Wir sind nun wirklich kreative Geister, aber wir müssen zugeben, dass unsere Fantasie nicht ausreicht um uns vorzustellen, welche Grenzen die Menschheit bis zum Jahr 2050 noch überschreiten und beseitigen wird. Vermutlich ist der Tod die einzige Grenze, die uns bleibt.

Freiheit? Oder bereits Egoismus? Oder gar Egozentrik?

Obwohl … auch diese Grenze ist nicht in Stein gemeißelt. Bill Maris, der Präsident von GV, der Risikokapital-Firma in der Alphabet-Firmengruppe, die früher Google hieß, ist überzeugt davon, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis seine Firma den Menschen ermöglicht 500 Jahre alt zu werden. Und Alphabet investiert hunderte von Millionen Dollar pro Jahr in diese Idee! Die Biologie des Menschen soll durch verschiedenste Technologien so modifiziert werden, dass dessen Körper nicht schon nach läppischen 100 oder 120 Jahren den Geist aufgibt. Sind Sie bereit dafür? Sind wir als Gesellschaft bereit dafür?

Die innere und die äußere Freiheit

An dieser Stelle müssen wir beginnen zu differenzieren: Bereit wofür? Für die Freiheit, nach unserer Fasson zu leben? – Ja, dafür sind wir bereit. Großartige Bedingungen sind das! Aber dennoch: Wenn das schon alles wäre, dann müssten wir auf der Straße eigentlich überall nur glückliche Gesichter sehen. Wir müssten täglich Menschen treffen, die ihre enormen Möglichkeiten voll ausschöpfen und ein zufriedenes, selbstbestimmtes Leben führen. Aber so ist es nicht!

Es ist vielmehr offensichtlich, dass uns die Freiheit allein gar nicht glücklich macht!

Nur, woran liegt das? Nun, es liegt daran, dass der Grad an Freiheit im Außen noch lange nicht mit der entsprechenden inneren Freiheit korrespondiert.

Die äußere Freiheit, das sind die Wahlmöglichkeiten in Aspekten wie Bildung, Wohlstand und Lebensgestaltung. Die aber haben einen erstaunlich geringen Einfluss auf unsere generelle Lebenszufriedenheit. Glück und Zufriedenheit steigen gerade dann, wenn Menschen ganz unabhängig von den äußeren Bedingungen das Gefühl haben, eigenverantwortlich zu handeln und frei zu entscheiden. Das stellt sich allerdings nur ein, wenn wir Überblick und Orientierung haben.

Nun ist allerdings die Zahl der real existierenden Wahlmöglichkeiten in den letzten Jahrzehnten geradezu explodiert. Gleichzeitig ist auch die Menge der zur Verfügung stehenden Informationen explodiert. Vor einigen Jahrzehnten glaubten die Kommunikationswissenschaftler noch daran, dass Informationen Ungewissheit reduzieren. Aber wir sehen heute, dass das Gegenteil der Fall ist: Wir leiden heute unter einem allgegenwärtigen Information Overload. So viele Daten, so viele Optionen. Statt Überblick und Orientierung zu haben, verlieren wir uns in Details und sehen den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr. Die vielen Wahlmöglichkeiten stürzen uns in komplexe, unübersichtliche Entscheidungssituationen, mit denen wir überhaupt nicht gut zurechtkommen.

Darin sind wir sehr schlecht!

Früher, in weniger komplexen Zeiten, gab es im Prinzip nur die Wahl zwischen gut und schlecht. Das war einfach. Heute aber verzweifeln wir, weil wir nicht wissen, welche Option die bessere ist. Wir verlieren die Übersicht und hadern mit uns und unserer Entscheidung, weil wir gezwungen sind, zwischen gut, weniger gut, etwas besser, anders aber doch gar nicht so schlecht, vielleicht am Ende doch noch besser, total anders und überhaupt zu entscheiden. Darin sind wir sehr schlecht! Das bedeutet, dass wir am Wort Entscheidungskompetenz nicht mehr vorbeikommen, schreibt der Wirtschaftspublizist Wolf Lotter. Und fügt hinzu: »Das ist die zentrale Tugend der Wissensgesellschaft, ungefähr das, was früher Fleiß, Strebsamkeit und Disziplin zusammen waren.«

Die Freiheit zur Gestaltung unseres Lebens ist zunächst wie ein Buch mit unbeschriebenen Seiten. Wir selbst sind es, die die Seiten mit Inhalt füllen müssen. Der österreichische Ökonom und Nobelpreisträger Friedrich August von Hayek hat es weniger prosaisch ausgedrückt: »Die Freiheit wird etwas Positives nur durch den Gebrauch, den wir von ihr machen. Sie sichert uns keinerlei bestimmte Möglichkeiten, sondern überlässt es uns zu entscheiden, was wir aus den Umständen machen, in denen wir uns befinden.« Zu seiner Wolke würden wir ihm gern hinaufrufen: Hayek, alter Junge, besser kann man es nicht auf den Punkt bringen!

Freiheit braucht Menschen, die daraus etwas machen. Die Verantwortung für ihr Handeln und für ihre Entscheidungen übernehmen.