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Ein augenscheinlich langweiliger Verstoß gegen das Familiengesetz Zirkulums führt Bell auf die Spur einer Gruppe Schmuggler. Bei seinen Nachforschungen findet Bell zwei Leichen und den Hinweis auf eine Gefahr von außerhalb der Stadt. Eine Gefahr, die nicht existieren darf. Als nacheinander Bells einziger noch lebender Zeuge und der Neffe seines Chefs verschwinden, muss er seinen Stolz überwinden und zusammen mit einer Gruppe von Helfern die Außenwelt betreten, um die beiden Kinder zu retten.
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Neshka
Zirkulum 2
Roman
Sarah Sander
Independently published
Impressum
Text und Verlag
Sarah Sander
Gräbenstraße 6
65604 Elz
Erstauflage, August 2022
Alle Rechte beim Autor
Copyright © 2024
by S. Sander (Autor)
© Covergestaltung 2022 Jenny Zalfen
Donnerstag, 14. Juni: Ein neuer Fall
Freitag, 15. Juni: Familie Kalinin
Samstag, 16. Juni: Erast
Sonntag, 17. Juni: Bill Hillary
Montag, 18. Juni: Verlassener Bahnhof
Dienstag, 19. Juni: Das Phantom
Mittwoch, 20. Juni: Stromausfall
Donnerstag, 21. Juni: Sonnenwende
Freitag, 22. Juni: Abschlussbericht
Nichts an diesem Morgen hatte Edward Gregory Bell auf die Katastrophe vorbereitet, die ihn im Pausenraum der Sicherheit erwartete. Er hatte Jacke und Mütze seiner Uniform in seinem Büro zurückgelassen und betrat den Raum mit aufgekrempelten Ärmeln. Selbst so früh am Morgen war es schon zu heiß, um die ausgeschaltete Klimaanlage zu rechtfertigen. Der Raum war warm, stickig und roch nach einem schlecht zubereiteten Frühstück. Konnten seine Kollegen nicht zuhause essen, wie normale Menschen?
Bell grüßte knapp Alexander Romanow, einen jüngeren Sicherheitsinspektor aus der Abteilung für Cyberverbrechen, der an einem der beiden kleinen Tische saß. Ohne ein Wort mit zu wechseln, wandte er sich der Kaffeemaschine auf der Anrichte neben dem kleinen Herd zu.
»Ich an Ihrer Stelle würde die Finger von dem Ding lassen, Agent Bell.«
»Wieso?« Er sah sich um.
Der junge Kollege am Tisch stand auf und hielt ihm eine halbvolle Tasse teerigen Kaffees ins Gesicht. Der saure Geruch überdeckte selbst den Gestank von angebranntem Shrimp-Protein. »Das Ding hat heute Morgen den Geist aufgegeben.«
»Ist die Technik informiert?«
»Noch nicht. Ich warte sowieso auf Mister Reynolds, wollte ihn dann darauf aufmerksam machen.«
»Mh«, machte Bell. Er wandte sich von Romanow ab. Wenn er keinen Kaffee haben konnte, musste er sich mit einem Müsliriegel aus dem Automaten neben der Tür begnügen. Er hatte die Wahl zwischen Shrimp und Apfel, Shrimp und Apfel oder Shrimp und Apfel. Stellte die Firma nur eine Sorte her oder hatte Miller einen Sonderrabatt für diese eine Sorte erhalten? Er sollte besser eine oder zwei Stunden abwarten und dann außerhalb der Zentrale etwas Richtiges essen. Wenn er ohne Kaffee und ohne Fall bis dahin durchhielt. »Wann wird Hugo hier sein?«
»Fünf Minuten oder so. Ähm, kann ich Sie um Rat bei etwas fragen, Agent Bell?«
»Sicher.« Bell setzte sich neben Romanow an den Tisch. Der Linoleumbezug war warm und klebte unangenehm an seinen Unterarmen. »Worum geht es?«
»Direktor Miller hat mir heute Morgen einen Fall zukommen lassen. Eine Familie in Ring Sieben wird offenbar von ihrem Haushaltsroboter gefangen gehalten. Glauben Sie, dass es Nachwirkungen von der Custo-Sache sind?«
»Ich weiß nicht genug, um es auszuschließen.« Bell zuckte mit den Schultern. Wenn es Nachwehen des Androidenkomplotts waren, warum hatte Miller dann nicht ihn darauf angesetzt? Wenn er darüber nachdachte, warum hatte Miller einen Inspektor darauf angesetzt und keinen Agenten? »Aber ich kann es mir nicht vorstellen, wenn ich ehrlich bin. Das System wurde komplett bereinigt. Mehrmals. Wenn der Roboter nicht ein halbes Jahr vor sich hingerostet ist und dann wieder eingeschaltet wurde, sollte er auch keinen Fehlercode mehr besitzen. Wie kommt es, dass Sie an einem Fall in Ring Sieben arbeiten?«
»Oh, ich bin nicht völlig sicher. Aber es scheint, als hätte das System meinen Status dem meiner Frau angeglichen. Weniger Papierkram für den Sicherheitsgeneral.«
Bells Augenlid zuckte. Er konnte nicht sagen, was ihn an dieser Aussage mehr aufregte: Romanow, der beiläufig zugab fast zehn Jahre vor dem Ablauf seiner Junggesellenzeit geheiratet zu haben, oder Miller, der nicht einmal mehr Arbeitsstatus vergeben wollte.
Romanow unterbrach seine Gedanken. »Wenn ich mit dem Roboter zu tun habe, wie soll ich vorgehen? Sie haben das schonmal gemacht, nicht wahr?«
»Ja. Nein. Eigentlich nicht. Das war eine völlig andere Situation. Androiden haben keine Schalter, mit denen man sie ausstellen kann. Aber ich bin sicher, Hugo hat ein paar gute Tipps für Sie. Und ich würde es begrüßen, wenn Sie mich auf dem Laufenden halten könnten. Nur, falls ich unrecht haben sollte.« Bell stand auf. Auf Hugo oder einen der anderen Techniker zu warten, hatte wenig Sinn. Die Kaffeemaschine würde nicht auf wundersame Weise wieder funktionieren, nur weil jemand den Raum betrat.
Romanow winkte ihm hinterher. »Ich werde an Sie denken. Ehren Sie Custo!«
Bell stapfte in sein neues Büro auf dem Agentengang in der obersten Etage zurück. Hatte Romanow den Wink nicht verstanden oder wollte er nicht? Das war kein Fall für einen zu früh verheirateten Grünschnabel vom unteren Außendienst. Nur, weil es einmal mit Glück und Durchhaltevermögen funktioniert hatte. Er seufzte tief, ehe er seinen Holo-Computer startete. Der Raum war riesig und für holografische Darstellungen viel zu hell.
Elsas hypersymmetrisches Gesicht verblasste selbst im schwachen Licht, das an den Hochhäusern des Ringes vorbei auf seinen Schreibtisch sickerte. »Guten Morgen, Agent Bell. Wie kann ich Ihnen heute helfen?«
Bell presste die Lippen zusammen. »Gab es in der Nacht irgendwelche Vorfälle, die meine Aufmerksamkeit erfordern?«
»Negativ. Mir liegt kein Auftrag für Sie vor.«
»Danke, Elsa. Ist Miller schon im Haus?«
Elsas ohnehin schon blasses Hologramm verschwand nun völlig, nur ein leises Surren verriet, dass der Computer noch arbeitete. Es vergingen einige Sekunden, ehe sie wieder sichtbar wurde. »Direktor Miller ist vor einer halben Stunde angekommen. Soll ich ihm eine Nachricht zukommen lassen?«
»Gib ihm Bescheid, dass ich mit ihm reden möchte. Ich bin schon auf dem Weg.«
»Jawohl.«
Bell stand von seinem ledernen Drehstuhl auf. Er warf einen kurzen Blick aus dem Fenster auf den dritten Ring Zirkulums. Mittlerweile war es spät genug, dass Menschen und Roboter hektisch über die Gehwege waberten. Einige Motorräder und ganze zwei Autos krochen durch die Straßen. Die Stadt wirkte von hier oben so alltäglich und friedlich, dass Bell für einen Moment am Nutzen seiner eigenen Position zweifelte, ehe der Gedanke an Romanows Fall zurückkam. Warum bei allen Schaltkreisen Custos ausgerechnet Romanow? Er wandte sich von der Fensterfront ab, zog die Uniformjacke an, klemmte sich die Mütze unter den Arm und verließ das Büro.
Er schritt den Flur entlang bis zu Millers Tür am hinteren Ende. Sein Blick fiel auf das alberne Messingschild mit dem Namen des Sicherheitsgenerals. Irgendwann würde es sein albernes Messingschild sein, und dann würde er es gegen etwas Besseres als billiges Messing austauschen lassen. Aber zuerst benötigte er vernünftige Fälle, die er bearbeiten konnte. Oder überhaupt irgendwelche. Er presste seine Hand auf den Abdruckscanner neben der Tür, die kurz darauf aufsprang. Er trat in den riesigen Raum, welcher bis auf den übergroßen Schreibtisch und einen kleinen Büro-Golfkurs am Fenster leer war.
Miller stand neben dem Schreibtisch und redete leise mit einem blonden Teenager, der eine zu große, schwarze Sicherheitsuniform trug. Die Tür schloss sich surrend hinter Bell und sein Chef sah auf. Ein breites Lächeln huschte über dessen viereckiges Gesicht. Er nickte in Richtung des Jungen. »Ah, Sie sind schon da, Bell. Das trifft sich gut. Ich wollte Ihnen jemanden vorstellen. Und ich habe eine Aufgabe für Sie.«
»Haben Sie?« Bell schluckte. Schüler in der Sicherheit bedeuteten nichts Gutes. Schon gar nicht in den Wochen vor den Sommerferien. Und das dieser Junge so dicht bei Miller stand, erst recht nicht. Trotzdem spannte er sich und salutierte. »Worum geht es?«
Miller winkte ab. »Sie können dieses Gehabe wohl nie fallen lassen, was? Ist auch egal.« Er deutete auf den Teenager an seiner Seite. »Das ist Viktor Lenin, der Sohn meiner Schwester. Er möchte sich im Rahmen seines ersten Berufspraktikums die Arbeit der Sicherheit ansehen.«
Bells musterte Viktor. Ein Schüler. Nicht einmal ein Oberschüler. Ein Junge, von dem Custo noch nicht wusste, in welchen Status er ihn stecken sollte. Er presste die Lippen zusammen, sein Gesicht versteinerte. Er streckte dem Jungen die Hand entgegen, mechanisch, wie ein rostiger Roboter. »Freut mich, Sie kennenzulernen, Mister Lenin. Mein Name lautet Edward Gregory Bell, Agent der Sicherheit.«
Viktor nahm Bells Hand. Er strahlte über das ganze Gesicht, sein Händedruck war fest und ehrlich. Kein gutes Zeichen. »Freut mich ebenso. Es ist eine Ehre, vom Helden Zirkulums lernen zu dürfen!«
Bell sah den Jungen eisig an. Er drückte seine Hand für einige Sekunden, dann ließ er sie los und sah seinen Chef wieder an. Er zögerte einen winzigen Moment, ehe er sich entschloss, Miller nicht auf Viktor anzusprechen. Hoffentlich blieb der Junge nicht allzu lange. »Ich möchte nur sehr ungern so direkt sein, Mister Miller, aber ich bin aus persönlichen Gründen hergekommen. Es geht um Romanows Fall.«
»Romanows Fall? Ah, ja, den Roboter, nicht wahr?«
»Warum haben Sie ihn mit der Sache beauftragt?«
»Ich hatte an Sie gedacht, Agent Bell.« Miller kehrte hinter seinen Schreibtisch zurück. »Aber es ist wichtiger, dass sich ein erfahrener Mitarbeiter um meinen Neffen kümmert. Und dieser Fall scheint mir zu gefährlich zu sein, um einen Praktikanten daraus lernen zu lassen.«
Bells Kiefer verkrampfte sich, um Millers Entscheidung, ihm einen Praktikanten an die Seite zu geben, nicht in Frage zu stellen. Der Junge gehörte in die Büros, nicht in den Außendienst. Er setzte vier- oder fünfmal dazu an, etwas zu sagen, und gab es wieder auf. Alles, was ihm durch den Kopf ging, war unpassend.
Miller schien sich nicht weiter daran zu stören. Er griff in eine Schublade seines Schreibtischs und zog ein Blatt Papier hervor. Einen altertümlichen, handgeschriebenen Zettel. »Ich habe eine andere Aufgabe für Sie. Ich bin sicher, sie werden Sie gut erfüllen.«
»Ich werde sie nicht enttäuschen«, presste Bell durch die Zähne. Er nahm den Zettel entgegen, schenkte ihm allerdings keine Aufmerksamkeit. »Worum genau geht es?«
»Wir haben eine anonyme Anzeige erhalten; ein Doktor Rudolf Kalinin aus Ring Sieben soll einen Jungen adoptiert haben. Allerdings wissen wir nicht, aus welchem Waisenhaus. Oder wann genau das passiert sein soll. Ich will, dass Sie der Sache nachgehen.«
Bell runzelte die Stirn. Eine Adoption klang nach einer Menge Papierkram und nicht die Spur nach Außeneinsatz. Nicht das Feld eines Agenten. Genau genommen nicht einmal das Feld der Sicherheit. »Und wo liegt das Problem?«
»Es handelt sich um einen Verstoß gegen Paragraph 27, Familiengesetz. Doktor Kalinin ist Junggeselle. Es ist kein gefährlicher Fall. Genau das richtige, um die Arbeit meinem Neffen schmackhaft zu machen, finden Sie nicht auch?«
»Oh«, machte Bell. Er nickte resigniert. Ein wunderbarer, einfacher Fall, ganz eindeutig. Ideal für einen Anfänger. Oder die Schreibtischtrottel vom ersten Stock. Was erwartete er auch, wenn man ihm schon einen Praktikanten an die Seite gab. »Ich werde mich darum kümmern. Ich bin sicher, es ist ein guter Fall, um Ihren Neffen in die Ermittlungsarbeit einzuführen.«
»Nicht wahr? Ich wünsche Ihnen dann viel Erfolg damit. Und streng dich an, Viktor. Nicht, dass du unserem guten Agent Bell Ärger machst!« Miller nickte seinem Neffen noch einmal lächelnd zu, dann stand er auf und widmete sich seinem privaten Golfplatz.
Bell sah ihm hinterher und schüttelte den Kopf, ehe er sich Viktor zuwandte. Er gab sich Mühe, begeistert zu klingen, allerdings konnte er sich nicht einmal selbst damit anlügen. »Gut, dann wollen wir mal ermitteln, was? Zuerst einmal müssen wir mehr über diesen Doktor Kalinin erfahren, Mister Lenin.«
Der Junge hörte ihm aufmerksam zu und nickte. »Oh, nennen Sie mich Viktor, Sir. Bitte.«
»Wie du meinst.« Bell faltete den Zettel auseinander. Millers Notizen waren spärlich, aber nicht nutzlos. Die Adresse von Kalinins Wohnung und sein Arbeitsplatz. Alles, was darüber hinausging, musste Bell selbst herausfinden. Er seufzte. »Sieht ganz so aus, als müssten wir ein paar Recherchen über den guten Doktor anstellen und ihn dann im Botkin besuchen. Polizeiarbeit wie im Fernsehen, was?«
Zurück in seinem Büro deutete Bell auf einen der beiden Konferenzsessel vor seinem Schreibtisch. »Setz dich. Ich hoffe, du magst Schreibarbeit und sinnlose Telefonate.«
»Haben Sie nicht gesagt, wir fahren zu diesem Doktor ins Krankenhaus?«
»Habe ich.« Bell ließ sich auf seinen Schreibtischstuhl fallen, zog Elsas Tastatur zu sich heran und suchte in den Unterlagen der Sicherheit nach einer Stadtkarte. »Aber mit dem Doktor reden ist der letzte Schritt. Wenn wir das Kind zurück zum Waisenhaus bringen.«
»Und was sind die anderen Schritte?«
»Langweilig.« Bell suchte auf der Karte nach dem Standort des Botkin-Krankenhauses und dann dem des nächsten Waisenhauses. Er machte sich eine eilige Notiz auf dem Zettel, den er von Miller erhalten hatte, ehe er die Hand über den Tisch zu Viktor ausstreckte. »Gibt mir deine ID. Ich muss dir den Zugang zu Elsa einrichten. Damit du wenigstens nützlich sein kannst.«
Er schob die Karte in ein Lesegerät und navigierte durch die verschiedenen Freigabemenüs. Zugang zu Elsas Grundprogrammen, freier Zugang zum Aufzug und den wichtigsten Räumlichkeiten der Zentrale. Ein Fortschrittsbalken schleppte sich über Elsas Hologrammschirm. Abschnitt für Abschnitt für Abschnitt. Endlich verkündete ein kurzes Piepen den Erfolg des Prozesses. Bell nahm die Karte wieder aus dem Rechner und gab sie an den Jungen zurück. »Jetzt kannst du alleine den Aufzug und das Büro betreten und Elsa nutzen. Für Recherche und Berichte. Und nur während der Arbeitszeiten.«
Viktor ließ während Bells Erklärung den Blick im Raum herum schweifen. »Ihr Büro sieht ziemlich einfach aus. Ich hatte es mir irgendwie aufregender vorgestellt.«
»Ach ja?« Bell lehnte sich auf dem Schreibtischstuhl zurück. Er starrte an seinem Praktikanten vorbei auf eine Topfpflanze, die zwischen den dekorativen Aktenschränken und der raumhohen Fensterfront stand. »Wie meinst du das?«
»Na ja, irgendwelche Erinnerungen an die Sache mit Custo und den Androiden, zum Beispiel. Ein Zeitungsausschnitt, Blumen, Geschenke. Wenn ich Sie wäre, wäre mir das sehr wichtig!«
»Das ist ein Büro, es sollte zweckmäßig sein, kein Museum. Warte, du wolltest aber nicht wegen des Androiden-Vorfalls hier anfangen? Das war eine einmalige Sache.«
»Ich habe nicht erwartet, dass wir zu Custo gehen.« Viktor schüttelte den Kopf. »Aber ich wollte mit Ihnen zusammenarbeiten. Mein Onkel hat so viel erzählt und ich dachte, wenn ich schon zur Sicherheit soll, dann will ich wenigstens von Ihnen lernen. Sie sind der Beste! Meine Kumpels werden Augen machen, wenn ich davon erzähle.«
Bell hob eine Augenbraue, schwieg jedoch. Viktor war nicht nur Millers Neffe, er schlug auch nach ihm. Aber was hatte er anderes erwartet? Er stand von seinem Schreibtischstuhl auf. »Komm her, ich zeige dir, wie du Elsa bedienst. Und dann suchst du Informationen über diesen Doktor Kalinin, das Krankenhaus und das Waisenhaus Nord. Hast du einen Gedankenchip?«
Der Junge schüttelte den Kopf. »Ich hatte gehofft, meine Mutter würde mir für das -«
»Schon gut.« Bell winkte ab. »Setz dich hier her, wir machen es auf die altmodische Art.«
Viktor setzte sich auf Bells Schreibtischstuhl. Er zog die Tastatur näher zu sich heran und klickte sich in die Archive der Sicherheit. Unter Bells Anleitung fand er rasch den Zugang zu den Akten und den alten Zeitungsartikeln. Außerdem arbeitete er gewissenhaft und organisiert. Erstaunlich, für einen Jungen, der sich offenbar mehr für die Anerkennung seiner Klassenkameraden als die Arbeit der Sicherheit interessierte. Trotzdem, ein Kind bei den Agenten ein Praktikum absolvieren zu lassen, war eine dumme Idee. Selbst bei den Inspektoren. Schüler gehörten in die Büros, nicht in den Außendienst. Und dieser Fall ebenso. Bell schüttelte den Kopf. Er trat vom Schreibtisch zurück in eine andere Ecke des Raumes und nutzte die Zeit, um im Botkin anzurufen, und nach den Arbeitszeiten des Doktors zu fragen. Er sah auf die Uhr über den Aktenschränken. »Also bis um sieben? In Ordnung. Ich werde mit der nächsten Verbindung zu Ihnen kommen. Lassen Sie Doktor Kalinin wissen, dass ich ihn sprechen will. Nein, es muss Sie nichts angehen. Ich versichere Ihnen, dass die Sache nichts mit dem Krankenhaus zu tun hat. Ehren Sie Custo!« Er steckte das Holofon in seine Hosentasche, dann sah er wieder auf den Praktikanten. »Hast du schon etwas herausgefunden?«
Viktor kopierte Text von einem Dokument in ein anderes. Er schüttelte den Kopf. »Noch nicht. Ich habe gerade erst die Custo-Daten des Doktors aufgerufen. Aber wenn ich das richtig sehe, war er nicht im Waisenhaus.«
»Wie meinst du das?«
»In den letzten Tagen wurde kein Kind aus dem Waisenhaus Nord adoptiert. Jedenfalls steht da nichts.«
Bell zuckte mit den Schultern. »Wir sollten später die anderen Waisenhäuser überprüfen. Aber wenn Kalinin das Kind aus einem Waisenhaus hat, kann ich mir nicht vorstellen, dass sie das in die Akten eintragen. Also fahren wir jetzt erst ins Krankenhaus, vielleicht kooperiert der gute Doktor ja.«
Der Weg zum Botkin-Krankenhaus kostete Bell und Viktor eine Stunde. Bis er den jungen Pförtner überzeugen konnte, Sie zu Kalinin vorzulassen, vergingen weitere dreißig Minuten. Unter diesen Umständen hätte er sich den Anruf vom Büro aus sparen können. Weshalb waren alle Dinge in dieser Stadt eigentlich so bürokratisiert? Wenigstens führte sie jetzt eine Schwester zur Immunologie. Am Eingang der Station wartete eine Desinfektionsduche auf Bell und seinen Praktikanten, ehe sie die weiße Schutzkleidung über die Uniform zogen. Danach mussten sie sich ein weiteres Mal abduschen, ehe sie schließlich den Flur betreten durften. Handelte es sich wirklich um eine Notwendigkeit? Oder um Schikane? Endlich erreichten sie das Stationszimmer, den Raum direkt hinter der Schleuse. Das ganze Zimmer stank nach demselben scharfen Desinfektionsmittel. Die Schwester ging, ohne sich zu verabschieden.
Ein junger Arzt in einem Schutzoverall saß auf einem Metallstuhl an einem kleinen viereckigen Metalltisch und stand behäbig auf, als Bell das Zimmer betrat. Er verzichtete darauf, ihm die Hand zu reichen. »Sie müssen der Beamte sein, vor dem der Pförtner mich gewarnt hat?«
»Sicherheitsagent Edward Gregory Bell. Das ist mein Praktikant, Viktor Lenin. Ich nehme an, Sie sind Doktor Rudolf Kalinin?« Bell lehnte sich neben das schmale Fenster an die gekachelten Wand und beobachtete Doktor Kalinin über die Nase hinweg.
Kalinin ließ sich wieder auf den Stuhl sinken und nickte. »Weshalb halten Sie mich von der Arbeit ab, Agent Bell?«
»Der Sicherheit wurde angetragen, dass Sie einen Jungen adoptiert haben sollen. Was haben Sie dazu zu sagen?«
»Wer verbreitet diesen Schwachsinn?« Doktor Kalinin schüttelte den Kopf, ohne Bell oder Viktor anzusehen. »Ich bin Junggeselle, wie sollte ich ein Kind adoptieren? Und warum?«
Viktor stand neben der Tür, die Arme vor der Brust verschränkt, und sah aus wie ein Türsteher aus einem der schlechten Kriminalfilme des vergangenen Jahrhunderts. Sein Blick ruhte fest auf dem Doktor. »Um das herauszufinden sind wir hier, Doktor. Haben Sie eines der Waisenhäuser bestochen?«
Bell stieß sich von der Wand ab. Er trat auf Viktor zu, warf ihm einen tadelnden Blick zu und setzte sich auf den zweiten Stuhl Kalinin gegenüber. Selbst der Tisch roch nach Desinfektionsmittel. Der Ort war kein Krankenhaus, sondern eine Schnapsfabrik. »Ich halte diese Anschuldigung für ebenso weit hergeholt wie Sie. Weshalb sollte ein junger Arzt aus den Inneren Ringen ein Kind aus Ring Null adoptieren? Noch dazu, wo Sie nicht einmal Kinderarzt sind. Das ist lächerlich.«
»Und warum sind sie dann gekommen?«
»Wie ich sagte, irgendjemand hat Sie angezeigt. Sie mit einem Kind gesehen. Wissen Sie, ich kann verstehen, dass Sie das Kind nicht hergeben wollen. Aber die Gesetze verlangen eine ordentliche Adoption. Sie müssen eine Partnerschaft eingehen, bevor Sie das Recht dazu haben. Sie sind Arzt, Sie sollten die Gesetze kennen.«
»Ich habe kein Kind adoptiert, Agent Bell. Ich habe einen verletzten Jungen in dieses Krankenhaus gebracht, um ihn zu behandeln. Custo sollte diesen feinen Unterschied erkennen. Ich habe nicht vor, das Kind zu behalten und aufzuziehen.«
Viktor schlenderte auf den Doktor zu. »Und warum zeigen Sie uns den Jungen dann nicht? Sie sollten vor der Sicherheit keine Geheimnisse haben, das macht sie verdächtig.«
»Halt dich daraus, Junge«, blaffte Bell den Schüler an.
Viktor zuckte zusammen. Er trottete an seinen Platz neben der Tür zurück und begnügte sich damit, den Arzt zu beobachten.
Bell seufzte leise. Er rieb sich über die Augen, schüttelte den Kopf. Je schneller er die Sache hinter sich brachte, desto schneller würde er Viktor wieder loswerden. »Ich gebe dem Jungen nur ungern recht, aber es stimmt. Sie machen sich verdächtig, wenn Sie nicht mitarbeiten. Sie sagten, das Kind sei in diesem Krankenhaus? Können wir es sehen?«
Doktor Kalinin sah Bell fest in die Augen. »Der Junge ist verletzt und braucht Ruhe. Er hatte einen schlimmen Unfall mit dieser vermaledeiten überalterten U-Bahn in Ring Drei. Dass diese verfluchten Scheißdinger überhaupt noch existieren. Das Kind ist völlig verstört. Wenn jetzt noch die Sicherheit auftaucht, könnte er einen Zusammenbruch erleiden. Warten Sie ein paar Tage, vielleicht auch eine oder zwei Wochen. Dann können wir noch einmal darüber reden.«
»Damit Sie Beweise vernichten können?«
»Viktor!« Bell spannte sich. »Nochmal, du beobachtest und hältst den Mund!«
»Ja, Sir.« Viktor senkte kleinlaut den Kopf.
Hätte man diesen Jungen nicht auch Romanow anvertrauen können? Immerhin hatte er schon mit einem Haushaltsroboter zu tun, einem mechanischen Babysitter. Bell schüttelte den Kopf und sah Kalinin wieder an. »Hören Sie, ich habe kein Interesse, diesen Fall vor mir herzuschieben. Lassen Sie mich mit dem Kind reden und wir können dann alle wieder an unsere Arbeit gehen. Und wenn er dann auf den Beinen ist, können Sie mich anrufen und ich werde ihn dann ins Waisenhaus zurückbringen.« Bell seufzte tief und hielt dem Arzt sein Holofon entgegen. »Haben Sie wenigstens eine Ahnung, warum jemand Ihnen das anhängen will?«
Doktor Kalinin scannte Bells Telefonnummer in sein eigenes Gerät und zuckte anschließend mit den Schultern. »Nicht die Geringste. Es sei denn, jemand anderes würde das Kind adoptieren wollen und hat Angst, es jetzt nicht zugeteilt zu bekommen. Vielleicht stören sich meine Kollegen auf der Kinderstation daran, dass ich ihnen in den Füßen rumstehe. Keine Ahnung.« Er stand auf. »Ich werde bei Ihrem Gespräch mit dem Jungen anwesend sein, zu seiner Sicherheit. Und halten Sie sich kurz, ich habe noch zu arbeiten.«
»Wir alle haben zu arbeiten, Doktor.« Bell stand ebenfalls auf und winkte Viktor zu. Er folgte Kalinin auf den Flur des Krankenhauses. Der Geruch nach steriler Sauberkeit erschlug ihn hier draußen und allein der Gedanke an die Desinfektionsdusche am Ausgang des Traktes ließ ihn schaudern. Den Geruch nach Desinfektionsmittel würde er nie wieder aus seiner Uniform bekommen. Er stank bereits jetzt wie eine wandelnde Zahnarztpraxis.
Doktor Kalinin führte Bell und Viktor nach dem Kleidungswechsel in einen höher gelegenen Trakt des Botkin. Das Zimmer des Kindes befand sich in der Mitte des bunten Ganges, der erstaunlich wenig nach Desinfektionsmittel roch. Der Junge war alleine in dem Raum, obwohl die drei leeren Betten anzeigten, dass es sich nicht um ein Einzelzimmer handelte. Als das Kind den Doktor sah, wollte es aufspringen, verkroch sich aber beim Anblick von Bell und Viktor unter der Decke.
Doktor Kalinin ging auf das Bett zu. Er schlug die Decke zurück und lächelte den Jungen an. »Du musst keine Angst haben, Erast. Sicherheitsagent Bell und sein Praktikant sind Freunde von mir. Sie wollen dir ein paar Fragen stellen. Glaubst du, du kannst mit ihnen reden?«
Erast starrte Bell an. Er nickte verhalten.
Bell schritt auf das Bett neben dem des Jungen zu, nahm seine Uniformmütze ab und setzte sich. Er legte das Holofon mit eingeschalteter Aufnahmefunktion neben sich auf die Bettdecke. »Guten Morgen, Erast. Mein Name ist Bell, ich komme von der Sicherheit. Weißt du, was die Sicherheit tut?«
Erast schüttelte den Kopf.
»Wir suchen nach bösen Menschen. Uns wurde gesagt, dass der Doktor etwas falsch gemacht hat, deswegen sind wir hier.«
»Der Doktor ist kein böser Mensch!«, protestierte der Junge. »Er hat mich vor der Krankheit und dem Wurm gerettet!«
Bell lächelte flüchtig. »Ich sage nicht, dass er böse ist. Aber vielleicht hat er etwas falsch gemacht. Du kannst uns helfen, das herauszufinden. Dafür muss ich wissen, wo du herkommst.«
Das Kind sah den Doktor an, dieser zuckte mit den Schultern. »Beantworte ihm am besten alle seine Fragen.«
Erast nickte. »Ich komme von draußen.«
»Wo ist draußen?«
»Ich bin durch einen Tunnel in die Stadt gekommen.«
Viktor trat ebenfalls näher. Er blieb neben dem Bett stehen, auf dem Bell saß und blinzelte. »Durch einen Tunnel von draußen?«
»Mhm. Ich habe in einem Haus gewohnt, mit ganz vielen Erwachsenen. Und der Doktor ist gekommen, um die Kinder gesund zu machen und hat mich mitgenommen. Damit ich hier gesund werde. Er hat gesagt, das Haus macht mich gesund. Mama hat das auch gesagt. Aber Neshka hat gesagt, ich muss zu Hause bleiben.«
Bell runzelte die Stirn. Der Junge war zu alt, um mit seinen Eltern in Ring Null zu leben, eigentlich. Allem Anschein nach war dieser Fall vor allem ein Versagen seiner Kollegen von der Geburtenkontrolle. Er sah Doktor Kalinin an. »Sie haben das Kind von Ring Null ins Krankenhaus geholt? Alleine?«
Kalinin schüttelte den Kopf. »Nicht von Ring Null. Von Außerhalb.«
Bell schnaubte. Von außerhalb. Sicher. Er sah wieder auf Erast. »Der Doktor hat gesagt, du hattest einen Unfall. Kannst du dich an den Unfall erinnern?«
»Wir waren in einer tiefen Höhle, das war wie ein Haus, aber unter der Erde. Da waren lange Tunnel mit großen, schnellen Würmern drin. Der Doktor hat gesagt, dass es U-Bahn heißt. Ich bin in einen ihrer Tunnel gefallen. Aber der Doktor hat mich raus geholt, bevor der Wurm mich gefressen hat. Ich habe mir am Bein wehgetan.« Erast deutete auf sein linkes Knie.
»Warum bist du auf die Gleise gefallen?«
Erast sah Bell einen Moment verständnislos an, ehe er die Frage begriff. Er nickte heftig. »Sascha und Mischa sind uns gefolgt. Ich habe sie gesehen. Sie wollten mich fangen, also bin ich weggelaufen. Dabei bin ich runtergefallen, zu dem Wurm. Und seitdem ist Mama verschwunden.«
Bell sah auf Doktor Kalinin. »Was genau meint er damit?«
Kalinin seufzte tief. Er setzte sich zu Erast auf das Bett, senkte den Blick. »Dass sind andere Kinder aus der Gegend Ich habe von der Krankheit der Kinder da draußen erfahren und wollte helfen, deswegen habe ich Erast mit in die Stadt genommen. Er scheint als einziges Kind gesund zu sein.«
»Neshka sagt, sie brauchen mein Blut, um die Kinder gesund zu machen.« Erast senkte den Blick. »Aber der Doktor hat gesagt, dass das nicht stimmt.«
»Menschen von außerhalb? Ein Blutkult? Doktor Kalinin, Sie verstehen schon, dass die Geschichte, die Sie mir hier auftischen wollen, für Se gefährlicher sein kann, als eine illegale Adoption? Und lächerlich ist es noch dazu. Es gibt außerhalb keine Menschen. Hatten Sie eine Affäre mit der Mutter des Jungen?«
»Wieso sollte ich? Ich meine, für was halten Sie mich, Agent Bell?« Doktor Kalinin schnaubte. »Und da haben Sie Ihre Antworten. Wenn Sie jetzt gehen würden. Ich melde mich bei Ihnen, sobald Erast das Krankenhaus verlassen kann. Ehren Sie Custo!«
Bell schüttelte den Kopf und schaltete sein Holofon aus. Dann stand er auf und ging zur Tür. Fürs Erste hatte er genug gehört. »Ehren Sie Custo.« Er verließ das Zimmer, wartete auf dem Gang auf Viktor und schüttelte dort noch einmal den Kopf. »Was für eine verrückte Geschichte. Ein Kind von außerhalb und blutdurstige Idioten.«
»Glauben Sie ihm, Sir?«
»Kein Wort.«
»Was werden Sie jetzt tun?«
Bell zuckte die Schultern. »Ersteinmal machen wir Feierabend. Ich habe heute Abend noch Termine, und dieser Fall ist zu lächerlich für Überstunden. Morgen sehen wir weiter.«
Bell lieferte Viktor in der Zentrale der Sicherheit in Ring Drei ab, damit Miller sich um seinen Neffen kümmern konnte, ehe er nach Hause ging. Er setzte sich an den kleinen Tisch gegenüber von seinem Bett an der kurzen Wand des rundlichen Bungalows und fuhr seinen privaten Laptop hoch. Während der alte Rechner vor sich hin ratterte, ging Bell in das kleine Badezimmer des Hauses, um sich zu duschen und die Kleidung zu wechseln. Nicht, dass es viel zu wechseln gab. Außer einigen Sets an Uniformen besaß er nur eine Handvoll T-Shirts aus dem Vergnügungspark in Ring Acht. Er zog eine der schwarzen, schweren Stoffhosen der Sicherheit und ein buntes T-Shirt mit der Aufschrift ›Kreml – Spaß für jedes Alter‹ an, ehe er an seinen Computer zurückkehrte.
Auf dem Bildschirm prangte auf schwarzem Hintergrund das silberne Logo der Sicherheit, die wenigen Symbole auf dem Desktop waren fein säuberlich in einer Spalte auf der linken Seite angeordnet. Trotzdem benötigte Bell einige Sekunden, um das Gedankenchip-Icon zu finden. Er navigierte mithilfe des Chips durch den Cyberspace auf der Suche nach einer Fahrschule. Vielleicht hatte er diesen langweiligen Fall als Wink des Schicksals zu werten. Als ein Zeichen von Custo, endlich seinen Motorradführerschein zu erneuern. Er konnte nicht sein ganzes Leben lang vor der Erinnerung an den Unfall davonlaufen. Oder sich auf die U-Bahn verlassen. Außerdem vergrößerte sich mit jedem Tag die Gefahr, dass jemand anderes die tiefblaue, beinahe nachtviolette Ural Boloto von Boromir’s Bikes sein eigen nennen würde.
Andererseits konnte er auch erst den Fall abschließen und Millers Neffen endlich loswerden. Wie waren die Namen, die das Kind im Krankenhaus ihm genannt hatte? Bell griff nach seinem Holofon und ließ die Aufnahme von dem Gespräch abspielen. Sascha und Mischa und Neshka. Nichts davon klang nach einem richtigen Namen. Spitznamen, aber nichts, womit er das Einwohnerregister durchsuchen konnte. Er machte eine Notiz, Doktor Kalinin gegebenenfalls noch einmal darauf anzusprechen. Was für eine alberne Räuberpistole, nur, um den Status nicht zu verlieren.
Bell seufzte.
Die Seite der nächsten Fahrschule in Ring Drei flimmerte auf dem Bildschirm und pries mit viel zu bunter Schrift die besten Preise und schnellsten Erfolge an. Er brauchte keine Erfolge. Er wusste, wie man ein Motorrad lenkte. Er brauchte nur Übung und einen Wisch, der dies auch bescheinigte.
Bell navigierte zum Angebot der Fahrschule. Anfängerkurse. Autofahrkurse. Kurse für das Führen von Triebwagen. Wieso bot diese Fahrschule die Ausbildung von U-Bahn-Führern an, wenn die U-Bahn schon längst hätte geschlossen sein sollen? Busführerscheine. Noch so ein überflüssiges Ding. Ob es Menschen in der Stadt gab, die Führerscheine sammelten? Oder Kinder? Sicher gab es Menschen, die Affären sammelten.
Bell rieb sich über die Schläfen. Wenn Kalinin die Wahrheit gesagt hatte und auch keine Affäre mit der Mutter des Kindes hatte, warum hatte er es dann in Ring Sieben geholt? Er hätte nach der Mutter fragen sollen, als er im Krankenhaus war. Jetzt war es dafür zu spät. Er würde diese Frage wohl auf ein nächstes Treffen mit dem Doktor verschieben müssen. Ein Treffen, dass traurigerweise stattfinden würde. Ob Kalinin das Kind vielleicht für irgendwelche Immunexperimente missbrauchte? Der Junge hatte immerhin von irgendeiner Krankheit geredet. Aber weshalb nutzte er keine Zellkulturen, wie andere Ärzte? Was genau tat ein Immunologe überhaupt?
Die Seite der Fahrschule verblasste, stattdessen öffnete sich eine Seite, die Mittelschülern bei der Berufswahl helfen sollte. Sie zeigte den Eintrag über die Arbeit der Immunologie. Erforschung und Bekämpfung von ansteckenden Krankheiten in Mensch und Tier. Der Text war in viel zu großer Schrift geschrieben und wurde immer wieder von Mikroskopbildern und Fotos lächelnder Patienten im Krankenhaus unterbrochen.
Vielleicht würde eine gute Idee sein, Kalinins Kollegen zu befragen, insbesondere die auf der Kinderstation. Selbst wenn niemand von ihnen die Sicherheit informiert hatte, Kollegen hatten immer zu tratschen. Bell seufzte. Eigentlich sollte er sich jetzt nicht mit dem Fall beschäftigen, aber ehe er nicht mehr über Doktor Kalinin und dieses Kind herausgefunden hatte, konnte er sich nicht auf die Suche nach einer Fahrschule konzentrieren. Oder den Fall abschließen. Millers Notizen waren viel zu spärlich gewesen.
Er navigierte mit dem Gedankenchip aus dem öffentlichen Cyberspace in die Archive des Bürgerregisters und suchte Zugriff auf die Akte von Rudolf Kalinin. Die Laufbahn des Doktors war geradlinig und lückenlos. Custo stufte ihn als ehrgeizig ein. Außerdem war er unverheiratet und zu jung, um von Custo zwangsverpartnert zu werden. Er hatte auch von sich aus keinen Kontakt zu möglichen Partnern gesucht, oder zu einem der Waisenhäuser der Stadt.
Bell presste die Lippen zusammen. Er musste die Mutter des Kindes ausfindig machen. Alles deutete darauf hin, dass es sich um eine geheime Affäre des Doktors handelte. Vielleicht war der Junge das Ergebnis dieser Verbindung und Kalinin hatte Angst um seinen Status. Wenn ja, wäre das Problem mit einer Partnerschaft schnell gelöst.
Bells Holofon piepste.
Er loggte sich aus und gähnte. Ein Blick auf das kleine Gerät, das neben dem Laptop auf dem Tisch lag, verriet ihm, dass es bereits halb neun war. Höchste Zeit, zu seinem Treffen mit Hugo aufzubrechen. Er konnte seine Nachforschungen morgen im Büro fortsetzen. Wenn Miller ihm schon einen Praktikanten aufzwang, konnte er ihm auch beweisen, dass er ein guter Lehrer war. Oder wenigstens ein engagierter. Immerhin schien es kein Verstoß gegen Paragraph 27 des Familiengesetzes zu sein, eher ein Fall von Statusbetrug. Nicht, dass es viel interessanter war. Er fuhr sich mehrmals mit den Händen durch das Haar, bis es ordentlich lag und ihm keine Strähnen mehr ins Gesicht fielen. Ein letzter Griff nach dem Holofon und der ID-Karte, dann verließ Bell das Haus und begab sich in den vierten Ring.
Er traf einige Minuten zu spät im Rusty Table ein. Er kämpfte sich seinen Weg durch das Halbdunkel und die eng beieinanderstehenden Tische, voll besetzt mit Grüppchen verschiedenster Leute. Endlich erreichte er Hugo, der in der Nähe des Tresens saß und auf den kleinen Bildschirm schielte, der über der Bar hing. Anstatt der üblichen Sportveranstaltungen unterhielt sich ein Moderator mit drei Männern auf einem beigefarbenen Sofa. Zwei von ihnen kamen Bell bekannt vor, waren aber nicht lange genug im Bild, dass er ihre Gesichter zuordnen konnte.
Er setzte sich auf den Stuhl neben Hugo und schob ein kleines viereckiges Paket zu ihm, das halbherzig in buntes Papier eingewickelt war. »Herzlichen Glückwunsch und alles Gute für dein letztes Jahr in Freiheit!«
Hugo grinste ihn an, nahm das Päckchen entgegen, widmete dann seine Aufmerksamkeit wieder der Sendung.
Bell sah ebenfalls auf den Fernseher. »Um was geht es? Warum ist Miller im Fernsehen? Und ist das daneben der erste Cheftechniker?«
»Miller, Linford und Beauchamp vom Wahrheitsministerium.« Hugo nickte. »Heute ist das Jubiläum der Unabhängigkeit, schon vergessen?«
»Das Jubiläum schon. Ist es nicht traurig, an einem Gedenktag Geburtstag zu haben?«
»Besser als an einem richtigen Feiertag. Gleich fängt der Bericht an.«
Bell schüttelte den Kopf. Er zückte sein Holofon und betrachtete die Getränkekarte des Rusty Table. Er war zu selten in dieser Art Absteige, um mit den ganzen irischen und schottischen Namen auf der Karte etwas anfangen zu können, also bestellte er das erstbeste Bier, das er finden konnte. Er folgte mit den Augen einem der Gäste, der sich durch das Gewühl zu einer altertümlichen Jukebox kämpfte, die selbst in Bells Augen nicht in das Ambiente passen wollte.
»Kannst du den Fernseher kurz lauter machen?«, rief Hugo über das Stimmengewirr und die Jukebox dem Wirt zu.
Aus den eingebauten Lautsprechern des Bildschirms krächzte der Bericht über die Unabhängigkeit Zirkulums gerade so bis zu ihrem Tisch. Und gerade laut genug, das Bell ihn nicht ignorieren konnte. Er sah auf. Der Einspieler zeigte historische Bilder aus einer Zeit vor dem Bau der Außenmauer. Die Stimme des Off-Sprechers faselte irgendetwas von der Sicherung der Stadt gegen Krankheiten und andere negative Einflüsse von außen. Wie die Errichtung von Ring Null die Bürger schützt und Verbrechen dauerhaft unterbunden habe. Bell gähnte. Wieso hatte eigentlich der ganze Tag nur mit Krankheiten und Ärzten und der Außenwelt zu tun?
Hugo sah ihn an. »Was ist los? Hat dich dein neuer Fall so müde gemacht?«
»Nicht der Fall, die Sendung. Ich wusste nicht, dass du dir Geschichtstalkshows ansiehst. Schon gar keine, wo Miller oder das Wahrheitsministerium mitspielen.«
»Tue ich auch nicht. Normalerweise jedenfalls. Aber den Bericht hat mein Schwager geschrieben. Apropos. Weißt du, wer mir heute Morgen als erster gratuliert hat?«
Bell schüttelte den Kopf, obwohl er sich die Antwort denken konnte. Gleichzeitig griff er nach einem Pint-Glas, welches ein Kellnerroboter auf einem Tablett heranrollte. Er hielt dem Roboter sein Holofon entgegen. »Wer?«
»Der Briefträger. Also, dieser Android, der in meinem Viertel quasi den Hausmeister macht, eigentlich. Erst gratuliert er mir und dann drückt er mir den Custo-Drohbrief in die Hand.« Hugo lachte. »Jetzt muss ich mir wohl wirklich einen Partner suchen.«
»Sieht so aus.« Bell nahm einen Schluck von dem rötlichen Bier und schüttelte den Kopf. Vielleicht hätte er sich genauer informieren sollen. Er deutete auf das Geschenk, welches noch immer vor Hugo auf dem Tisch lag. »Da ich dir mein eigentliches Geschenk nicht machen konnte, habe ich dir eine Jagdanleitung gekauft. Mach auf!«
»Dein eigentliches Geschenk?«
»Romanow von dir wegholen. Aber Miller hat mir seinen Neffen und einen Verstoß gegen Paragraph 27 aufgedrückt.«
»Das Familiengesetz?« Hugo nahm das Paket und befreite es von dem bunten Papier. Er schob das Buch, das sich darin befand, etwas näher an die elektrische Kerze auf dem Tisch. »›101 narrensichere Methoden, eine Partnerin zu finden‹. Bist du sicher, dass du das nicht lieber lesen solltest?«
»Ich habe noch ein Jahr mehr Zeit.«
»Ein Jahr bedeutet nichts.« Hugo leerte sein Glas und winkte nach dem Roboter, der ihn jedoch nicht bemerkte. »Oder hast du jemanden im Auge? Lucas vielleicht?«
Bell schnaubte. »Mit Sicherheit nicht. Aber ich verlasse mich auf die gute Dame von der Wäscherei. Wo auch immer sie ständig ihre weibliche Verwandtschaft herzaubert.«
»Du solltest die Partnersuche ernster nehmen. Irgendwann wirst du eine Familie haben wollen. Oder müssen.«
»Müssen wohl eher. Warum kann Custo einen zufriedenen Junggesellen eigentlich nicht in Ruhe lassen? Außerdem bist du der Richtige, um dich darüber lustig zu machen.«
»Ich habe kein Problem damit, mich anderen Menschen anzuvertrauen. Insbesondere nicht deiner Schwester. Eigentlich hatte ich gehofft, du bringst sie mit.«
Bell schüttelte den Kopf. »Und weil du so gut mit Menschen kannst, sitzt du den ganzen Tag in dieser Abstellkammer voller Elektronik und schaffst es nicht einmal, das Ganglicht zu reparieren.«
»Ich bin Sicherheitstechniker, nicht der Hausmeister.« Hugo zuckte mit den Schultern.
»Dann lass einen deiner Mitarbeiter das Ding auswechseln.«
»Wenn die die nötigen Kompetenzen hätten, wäre das schon lange erledigt.« Hugo seufzte. »Aber die reden sich ständig mit irgendwelchen Systemkontrollen raus, auch nur ein wenig vernünftige Arbeit zu leisten. Vielleicht sollte ich die Technik anrufen, damit sie jemanden vorbeischicken?«
»Und wir Lucas im Haus haben? Vergiss es.«
Der Kellnerroboter drängte sich durch das Gewühl an ihren Tisch. Hugo gab seine Bestellung auf. »Aber jetzt wirklich. Was macht deine Schwester so? Ist sie immer noch Single?«
»Elena ist nicht dein Typ. Sie mag Leute mit einem Händchen für lebendige Dinge, Katzen und Blumen. Nicht für Computer.«
»Wo du von Blumen redest, hast du mein Geschenk zur Beförderung bekommen?«
»Das alberne Grünzeug? Es macht sich gut neben den Aktenschränken, ja. Aber hättest du nicht irgendwas vernünftiges kaufen können? Einen Kleiderständer oder ein schönes Foto?«
»Um dich an deine Familie oder deine Angst vor Fahrstunden zu erinnern?«
»Ich habe eine Fahrschule gefunden. Ich muss mich nur noch anmelden. Der Fall kam mit dazwischen.«
Hugo seufzte und schüttelte den Kopf. »Ich bin gespannt, wann du die U-Bahn aufgibst. Ausgerechnet du.«
»Die Züge sind beleuchtet.« Bell zuckte mit den Schultern. »Was ist mit Romanows Fall? Weiß er schon, wie die Familie an den verrückten Roboter gekommen ist?«
»Ein Mitarbeiter der Müllabfuhr hat wohl auf eigene Faust alte Platinen gesammelt und verkauft. Das hat ihm jedenfalls die Familie erzählt.« Hugo zuckte mit den Schultern. »Ich bin sicher, dein Freund Lucas würde sich sehr dafür interessieren.«
Bell schob sein Bier ein wenig mehr in die Mitte des Tisches. Das Zeug war überhaupt nicht sein Geschmack und er würde heute Abend nicht genug trinken können, um etwas daran zu ändern. »Sei froh, dass er nichts davon weiß. Aber immerhin klingt die Sache aufregender, als auf Millers Neffen aufzupassen und mich mit Fällen rumzuschlagen, von denen ich nicht mal sicher bin, ob sie Verbrechen sind oder nicht. Ist es ein Verbrechen, eine Partnerschaft geheimzuhalten, wenn man mit der Person nicht verpartnert ist?«
»Keine Ahnung. Frag einen Richter.« Hugo griff über den Tisch nach Bells Glas. »Du trinkst das nicht mehr, nehme ich an?«
»Du bist geizig.« Bell machte eine wegwerfende Geste.
»Ich genieße den Abend und das solltest du auch tun.«
»Du bist das Geburtstagskind. Du solltest mich dazu einladen.«
»Vielleicht hast du Recht. Mit der nächsten Runde. Wenn die anderen Jungs da sind.«
Bell und Viktor standen am nächsten Vormittag an der Pforte des Botkin-Krankenhauses. Der junge Mann, der die neuen Patienten und die Besucher in der Datenbank registrierte, wischte gelangweilt durch eine Website auf seinem Holofon und schenkte ihnen keine Beachtung.
Bell räusperte sich zum vierten Mal, ehe er dem Pförtner seine Dienst-ID buchstäblich unter die Nase hielt. »Agent Bell, Sicherheit. Ich muss mit Doktor Kalinin reden.«
»Schon wieder?« Der Kerl besaß die Frechheit, selbst jetzt nicht aufzusehen. »Aber ich muss Sie enttäuschen, Agent Bell. Es ist Freitag, Doktor Kalinin ist nicht im Haus. Er hat über das Wochenende für gewöhnlich frei. Wenn Sie mich also wieder meine Arbeit machen lassen würden.«
»Kann ich stattdessen mit einem seiner Kollegen sprechen?«
»Welchen Kollegen würden Sie denn sprechen wollen?« Immerhin legte der Pförtner sein Holofon zur Seite und widmete seine Aufmerksamkeit dem altertümlichen Dienstcomputer ohne Hologrammausgabe.
Bell schüttelte den Kopf. »Ist mir egal. Jemand von seiner Station oder noch besser ein Kinderarzt.«
»Ohne einen Namen kann ich Sie nicht anmelden, tut mir leid. Außerdem sollten Sie schon wissen, wer für Ihren Fall von Bedeutung ist und wer nicht. Auch die Sicherheit kann nicht einfach Ärzte von ihrer Arbeit abhalten.«
»Es werden ja wohl nicht alle im Operationssaal sein.« Bell seufzte. Diese Stadt und ihre Behörden konnten ein Albtraum sein, insbesondere in den inneren Ringen. Die äußeren mochten zwar gefährlicher sein, aber wenigstens hatten die meisten Leute dort Respekt vor seiner Uniform. Außer denen, die ihn deswegen umbringen wollten. »Ich brauche nicht mehr als eine halbe Stunde.«
»Kein Name, kein Termin. Tut mir Leid, Agent Bell. Wenn Sie eine Dienstanweisung oder wenigstens eine Ahnung haben, wonach Sie suchen, können Sie ja wieder kommen. Oder Sie versuchen, Doktor Kalinin zuhause zu besuchen.«
»Hören Sie, ich bin jetzt hier und ich werde so oder so mit einem der anderen Ärzte sprechen müssen. Also warum machen wir es uns nicht beiden einfacher und Sie rufen einfach jemanden her?« Was war es eigentlich, dass alle Pförtner in dieser Stadt beschlossen hatten, ihn in den Wahnsinn zu treiben? Damals der Alte im Kraftwerk und jetzt dieser junge Kerl im Botkin.
Der Pförtner ignorierte Bell vollständig. Er stand auf, holte ein kleines Gerät aus einem Schrank auf der anderen Seite des kleinen Empfangsräumchens und winkte damit jemandem zu. »Doktor Wladimirsona! Sie haben schon wieder Ihren Pieper vergessen!«
Bell runzelte die Stirn. Dieses Krankenhaus war noch altmodischer ausgestattet als die Sicherheit. Pieper und diese Computer mit ihren Bildschirmen. Hoffentlich waren wenigstens die Behandlungsmethoden modern. Nicht, dass er vorhatte, demnächst die Kompetenz der Ärzte hier auszuprobieren.
Eine Ärztin in Bells Alter schob sich an ihm vorbei an den Tresen und nahm dem Pförtner den Pieper aus der Hand. »Danke.«
»Es wäre eine Schande, wenn Sie nicht ins Labor kommen könnten.« Der junge Kerl grinste.
»Ins Labor? Verzeihung, Mein Name ist Bell, ich bin Agent der Sicherheit. Sie sind nicht zufällig von der Immunologie?«
Die Ärztin sah sich irritiert nach Bell um. Sie schien den Agenten vorher nicht bemerkt zu haben. »Ich bin zufällig nicht von der Immunologie. Ich bin Mikrobiologin. Warum fragen Sie?«
»Ich suche einen Kollegen von Doktor Kalinin. Ich habe einige Fragen bezüglich eines Kindes, das er hier behandelt.«
»Dann haben Sie Glück. Ich bin Teil der Forschungsgruppe für blutgebundene Krankheiten. Ebenso wie er. Wie kann ich Ihnen helfen, Agent Bell?«
»Blutgebunden?« Bell schüttelte den Kopf. Hatte das Kind nicht auch etwas von Blut gesagt? Aber jetzt war nicht die Zeit, darüber nachzudenken. Er schaltete die Aufnahmefunktion seines Holofons ein, deutete aber gleichzeitig auf den Wartebereich zwischen Eingang und Empfang. »Warum setzen wir uns nicht einen Moment? Sie haben nichts dagegen, dass mein Praktikant anwesend ist?«
»Nein.« Doktor Wladimirsona ließ sich auf einem der Plastikstühle nieder. »Also, worum geht es?«
»Zunächst wüsste ich gerne Ihren Namen und in welchem Verhältnis Sie zu Doktor Kalinin stehen.«
»Doktor Erlendura Wladimirsona, Mikrobiologin. Ich arbeite gemeinsam mit Doktor Kalinin an der Erforschung blutgebundener Krankheiten.«
Viktor lehnte neben Bells Stuhl an einem leeren Zeitschriftenregal. »Erlendura Wadimirsona? Das ist ein sehr ungewöhnlicher Name.«
»Ich habe eine komplizierte Familiengeschichte. Meine Urgroßeltern sind nach Island ausgewandert, aber mit der Katastrophe kam meine Familie zurück nach Zirkulum. Und bei dem Papierkram der Einwanderung muss etwas mit den Namen schiefgelaufen sein.« Doktor Wladimirsona zuckte mit den Schultern. »Aber ich nehme nicht an, dass dies für Ihren Fall relevant ist?«
»Ignorieren Sie Mister Lenin einfach. Er hat gestern erst in der Sicherheit angefangen und muss noch lernen, dass wir uns nicht in einem Detektivfilm befinden. Sie sagten, Sie erforschen blutgebundene Krankheiten? Was darf ich mir darunter vorstellen?«
»Krankheiten, die durch blutsaugende Parasiten übertragen werden, hauptsächlich. Malaria. Infektiöse Epilepsie. Borelliose. Aber auch bestimmte Formen von Blutkrebs.«
»Mhm. Wissen Sie etwas über das Kind, welches Doktor Kalinin diesem Krankenhaus behandeln lässt? Ist der Junge von einer dieser Krankheiten betroffen?«
»Ich erinnere mich, dass er ein Kind hat einweisen lassen. Aber soweit ich das verstanden habe lag es an einem Verdacht auf ein gebrochenes Bein und eine größer Wunde, die es sich bei einem Sturz zugezogen haben soll. Die Forschungsgruppe und das Kind haben jedenfalls nichts miteinander zu tun.«
»Wissen Sie, in welchem Verhältnis Doktor Kalinin und das Kind zueinander stehen?«
»Nein. Vielleicht ist es sein Neffe oder das Kind eines Nachbarn?«
»Haben Sie je die Eltern des Kindes getroffen?«
»Nein. Aber ich habe auch wenig mit den Patienten direkt zu tun. Vielleicht kann Ihnen jemand von der Kinderstation in dieser Hinsicht besser weiterhelfen als ich.« Doktor Wladimirsona sah auf die große Uhr bei den Fahrstühlen. »Und wenn Sie mich bitte entschuldigen würden, ich muss langsam ins Labor. Ehren Sie Custo.«
»Sicher. Ich will Sie nicht weiter von der Arbeit abhalten. Ehren Sie Custo.«
Bell sah Doktor Wladimirsona hinterher, schüttelte den Kopf und deutete Viktor an, sich zu ihm zu setzen.
»Was werden Sie jetzt tun, Sir?«
»Ich würde gerne mit dem Kind oder einem der Kinderärzte reden, aber ich fürchte dass sich dieser Kerl an der Pforte nicht überzeugen lassen wird. Nicht ohne, dass ich Miller informieren muss, jedenfalls.« Bell beendete die Aufnahmefunktion und verband sich stattdessen mit dem Einwohnerregister Zirkulums. »Vielleicht sollten wir Kalinin einen Besuch abstatten. Oder seiner Schwester.«
»Seiner Schwester?«
»Falls seine Kollegin recht hat, könnte Erast das Kind von ihr sein. Laut dem Register hat sie jedenfalls einen Sohn, der noch nicht zur Schule geht. Und steht da wirklich ein monatlicher Gewinn von etwa elftausend Zirkul?« Bell hielt sein Holofon seinem Praktikanten entgegen. »Für eine Gärtnerei?«
Viktor nickte. »Das sehe ich auch. Das ist eine Menge Geld.«
»So viel verdienen die Cheftechniker, soweit ich weiß. Aber ich glaube nicht im Monat.« Bell schüttelte den Kopf. »Die Blumen, die sie verkauft, sind besser aus Gold. Gut. Lass uns mit ihr reden. Irgendwas stimmt hier nicht und ich glaube nicht, dass es der Familienstatus dieses Kindes ist.«
»Und der Doktor?«
»Dem statten wir später einen Besuch ab. Jetzt will ich zuerst mit seiner Schwester reden. Elftausend im Monat. Ich bin gespannt, ob sie wenigstens genug Angestellte damit durchzufüttern hat.«
Das Ray Rasteniy, die Gärtnerei von Feodora Kalinina, lag in Ring Sechs und Bell und Viktor brauchten mit den Bussen rund zwanzig Minuten, um vom Botkin dorthin zu gelangen. Das riesige Glashaus überragte mit seinen Stahlstreben und dem spitzen Dach die umliegenden Gärtnereien und Geschäfte und Bells Wohnung würde fünf- oder sechsmal auf die Fläche passen. Nur der botanische Garten der Stadt war ein noch größeres Gewächshaus.
Bell betrachtete den gläsernen Giganten abfällig. Was für eine Verschwendung von Platz und Baumaterial. Wenn es wenigstens ein schönes Gebäude wäre. Aber nein, es sah aus wie eine riesige Version der Plastikhäuschen, die seine Eltern und seine Schwester für die Anzucht ihrer Samen und Stecklinge nutzten. Er schüttelte den Kopf, winkte Viktor zu und trat ein. Im Inneren des Gewächshauses schlug ihm der Geruch verschiedener Pflanzen so heftig entgegen, dass selbst er sofort erkannte, dass es sich hier um lebende Wesen handelte, und nicht um gut gemachte Kopien. Äste und Wedel hingen von den Bäumchen in ihren Töpfen herab und versperrten die Sicht auf die Gänge im Inneren der Gärtnerei. Büsche und Stauden, so hoch wie Viktor, säumten die Wege und verwandelten das Glashaus in ein unübersichtliches Labyrinth. Irgendwo zwischen den Pflanzen krächzte ein Vogel aus einem kaputten Lautsprecher.
Bell reckte sich, schob einen Palmwedel zur Seite und trat einige Schritte weiter ins Innere des Gebäudes. »Feodora Kalinina? Sicherheit!«
Eine junge Frau mit blonden Locken, gerade alt genug, um ihre Ausbildung abgeschlossen zu haben, kam durch die Gänge angelaufen. Sie trug eine grüne Schürze mit dem Logo der Gärtnerei, blieb vor Bell stehen und nickte ihm zu. »Guten Morgen, Inspektor. Kann ich Ihnen helfen?«
»Sicherheitsagent Edward Gregory Bell. Sind Sie Feodora Nikanorowa Kalinina?«
Die junge Frau schüttelte den Kopf. Sie deutete mit der Hand den Gang entlang, vorbei an einigen rankenden Blumen mit roten und weißen Blüten. »Der Chef ist hinten im Büro. Bitte, folgen Sie mir.«
Bell trottete hinter ihr her, bemerkte in der Näte aber einen hohen Busch mit großen, roten Blüten. Er blieb vor ihm stehen, sah in einen Blütenkelch hinein. Aus der Mitte der Blüte streckte sich ein langer Stempel empor, wie die Zunge eines frechen Kindes. Er hatte diese Pflanzen noch nie gesehen, nicht einmal auf Bildern in alten Dokumenten. Geschweige denn irgendwo in der Stadt. Wie die meisten der Pflanzen, an denen er vorbeigekommen war. »Wo haben Sie Ihre Waren her?«
»Wir beziehen einen Teil unserer Samen und Setzlinge aus dem botanischen Garten in Ring Sechs. Was wir von dort nicht bekommen können, züchten wir selbst. Das Ray Rasteniy ist der größte Blumenhändler der Stadt. Wir beliefern die Stadtgärtner ebenso wie Privathaushalte und Geschäfte, die auf der Suche nach einer geschmackvollen Dekoration sind. Bei uns finden sie alle typischen Pflanzen sowie schwer zu züchtende und selten gehandelte Exoten.«
Bell runzelte die Stirn. Die Antwort der jungen Frau kam so prompt und sicher, dass sie beinahe wie ein Android klang. Ihre eigentümliche, etwas zu langsame Sprachmelodie half nicht dabei, sie menschlicher erscheinen zu lassen. Aber Bell konnte sich kaum vorstellen, dass Kalinins Schwester Roboter oder Androiden in diesem Klima beschäftigte. Vielleicht war die Seltenheit der Pflanzen ein Grund für den hohen Gewinn der Gärtnerei. Aber wie viele Menschen in Zirkulum gaben ein Vermögen für Blumen aus? Er sah sich nach Viktor um, der ihm dicht folgte.
Die junge Frau blieb vor einem hölzernen Verschlag stehen, der zum Teil mit Moos und anderem Grünzeug bewachsen war. Sie klopfte an. »Mister Kalinin? Hier sind Beamte der Sicherheit, die mit Ihnen sprechen wollen!«
»Mister Kalinin?« Bell blinzelte verwirrt.
Eine klare, etwas zu helle Männerstimme antwortete von der anderen Seite: »Lassen Sie sie reinkommen, Flora!«
Die junge Frau öffnete die Tür in das Büro, nickte Bell auffordernd zu und verschwand anschließend wieder an ihre Arbeit.
Ob sie die einzige Mitarbeiterin hier war? In einer so großen Anlage eher unwahrscheinlich. Allerdings waren sie auf dem ganzen Weg niemandem sonst begegnet. Bell tauschte einen Blick mit Viktor, ehe er eintrat.
Die feuchte Wärme des Gewächshauses verwandelte sich zwischen den Holzwänden rasch in eine drückende Schwüle, in der Bell kaum mehr atmen konnte. Vor ihm stand ein Mann hinter einem Schreibtisch, vielleicht Mitte dreißig, wenn sein Gesicht normal gealtert war. Er trug ein Muskelshirt vom selben Grün wie die Schürze seiner Angestellten mit dem Logo der Gärtnerei auf der linken Brust. Sein kurzes, dunkelblondes Haar war schweißnass und lag eng am Kopf an, aber der Mann selbst zeigte keine Zeichen, dass ihm die Schwüle in irgendeiner Form Probleme bereitete.
Bell wies sich mit seiner ID-Karte anstelle seines Holofons aus, aus Angst, die Elektronik durch das Klima zu beschädigen. »Sicherheitsagent Edward Gregory Bell. Das ist mein Praktikant Viktor Lenin. Sind Sie Feodora Kalinina?«
»Wenn Sie mich so nennen wollen.« Der Mann zuckte mit den Schultern. »Ich bevorzuge es allerdings, Feodor genannt zu werden. Seit ich mit der Ausbildung fertig bin …«
Bell unterbrach Feodor Kalinin mit einer raschen Geste und schüttelte den Kopf. »Ich bin mir sicher, Ihre Lebensgeschichte ist zum richtigen Zeitpunkt sehr interessant anzuhören. Aber wir sind nicht deswegen hier. Sie sind also der – äh – Bruder von Rudolf Kalinin, dem Immunologen?«
»Hat der Kleine etwas angestellt?«
»Vielleicht.« Bell wischte sich über die Stirn. Wie konnte Feodor in dieser Umgebung überhaupt arbeiten? »Wissen Sie etwas über einen Jungen namens Erast, den Ihr Bruder betreut? Oder eine Frau, mit der Ihr Bruder verkehrt?«
»Erast?« Feodor Kalinin ließ sich auf seinen Stuhl sinken. Er rieb sich über Stirn und Schläfe, schließlich schüttelte er den Kopf. »Ich weiß nichts von einem Kind meines Bruders. Rudolf ist noch nicht einmal verheiratet. Er hat immer gesagt, er wartet damit auf Custos Entscheidung. Partnersuche ist ihm zu anstrengend. Lenkt zu sehr von der Arbeit ab. Geht es um seine Arbeit?«
»Ich bin mir nicht sicher, vermutlich auch. Aber hauptsächlich suchen wir nach der Mutter des Kindes. Laut den Daten im Melderegister sind Sie verheiratet und haben einen Sohn?«
»Allerdings. Meine Partnerin und ich haben vor etwa einem Jahr einen Jungen aus Ring Null adoptiert. Aber falls Sie damit andeuten wollen, dass es sich dabei um das Kind handelt, mit dem mein Bruder verkehrt, muss ich Sie enttäuschen. Mein Sohn lebt bei mir zuhause und Rudolf und ich haben nur wenig Kontakt miteinander. Ich kann Ihnen auch sonst nicht helfen, fürchte ich. Allerdings glaube ich kaum, dass er ein illegitimes Kind oder auch nur eine unangemeldete Partnerschaft hat. Er will keinen Ärger mit dem System, das wollte er nie. Es handelt sich sicher nur um einen Patienten. Vielleicht ist es das Kind eines Nachbarn?«
»Wann haben Sie Ihren Bruder zuletzt gesehen?«
»Das ist bereits eine Weile her. Wie Ihnen auffallen dürfte, leben und arbeiten wir in verschiedenen Ringen und Bezirken. Durch die Gärtnerei habe nicht mehr viel Zeit für Familientreffen. Außerdem war Rudi nie vollkommen mit meinem Lebensstil einverstanden. Ich glaube, er hat Angst, dass ich damit irgendeine Regel breche und sich dies negativ auf seine Karriere auswirkt.«
Bell nickte nachdenklich. »Darf ich fragen, warum Sie in Ring Sechs leben? Ihre Familie scheint eine hohe Freigabe zu besitzen.«
»Dann haben Sie Ihre Nachforschungen aber schlecht angestellt.« Feodor lachte. »Meine Familie stammt aus Ring Vier. Sowohl Rudolf als auch ich haben uns hochgearbeitet.«
»Ich verstehe. Kennen Sie jemanden, der Ihrem Bruder etwas anhängen wollen könnte?«
»Nein. Nicht ohne länger darüber nachzudenken, jedenfalls. Aber ich kenne seine Nachbarn und Kollegen nicht. Ich fürchte, ich bin Ihnen keine besonders große Hilfe. Tut mir leid.«
Bell griff sich an den Knoten seiner Krawatte, widerstand aber im letzten Moment der Versuchung, ihn zu lockern. Er hatte noch einige Fragen, die in seinem Kopf herum waberten, aber nicht in diesem Klima. Wenn er das Büro nicht bald verließ, würde er umkippen. »Ich danke Ihnen dennoch für Ihre Kooperation. Sollte ich weitere Fragen haben, werde ich auf Sie zukommen.«
»Tun Sie dass. Sie können mich während unserer Öffnungszeiten hier erreichen. Warten Sie.« Feodor Kalinin öffnete eine Schublade seines Schreibtisches und reichte Bell eine altmodische Visitenkarte. »Damit Sie nicht lange nach der Nummer suchen müssen.«
»Vielen Dank.« Bell steckte die Karte zusammen mit seiner ID in die flache Börse in seiner Tasche. Die dünne Pappe fühlte sich modrig und klebrig an. Außer dem Chefgärtner schien nichts das Klima dieses Büros gut zu vertragen. Vielleicht war das der Grund, weshalb hier nicht einmal ein altertümlicher Rechner stand, nur ein analoges Telefon und Berge von Papier. »Ehren Sie Custo!«
Bell beeilte sich, das Büro und den überdachten Dschungel zu verlassen. Vor dem Gewächshaus atmete er tief durch. Der Sommer hatte zwar ebenfalls eine drückende, warme Feuchtigkeit durch die Stadt geschickt, aber hier draußen staute sie sich wenigstens nicht.
Viktor stand neben ihm. Dem Jungen schien die Schwüle nichts ausgemacht zu haben, er war ebenso aufmerksam und energetisch wie zuvor. »Wie machen wir jetzt weiter?«
»Das ist eine verdammt gute Frage.« Bell zog sein Holofon hervor und warf einen Blick auf die Uhr. »Wir haben fast Mittag. Vielleicht haben wir Glück und Kalinin oder einer seiner Nachbarn ist zum Mittagessen zuhause. Wenn nicht gibt es dort bestimmt ein Café oder dergleichen, wo wir selbst Pause machen können.«
»Aber …«
»Ich habe dir gesagt, dass die Dinge langweilig werden. Mister Miller hat einen sehr uninteressanten Fall ausgewählt.« Bell zuckte mit den Schultern. »Also müssen wir wohl das Beste daraus machen. Immerhin lernst du so die wahre Ermittlungsarbeit kennen.« Ohne auf einen weiteren Protest oder Fragen Viktors einzugehen, stapfte Bell zur nächsten Bushaltestelle.
Das Wohngebiet in Ring Sieben, Bezirk eins war eine große, gepflegte Fußgängerzone. Die doppelstöckigen Häuser beherbergten im Erdgeschoss ein Ladenlokal und darüber eine Wohneinheit. Rudolf Kalinin lebte in 35-A, direkt über einem Geschäft für Damenwäsche. Der Aufgang von der gepflasterten Einkaufsplaza zum umlaufenden Balkon der Wohnungen war nur zwei Häuser entfernt.
Bell führte Viktor zu Kalinins Wohnung. Er stellte sich hoch aufgerichtet seitlich an die Haustür und klopfte.
Keine Reaktion aus dem Inneren des Hauses.
Er klopfte ein weiteres und noch ein drittes Mal, dann seufzte er, spannte erneut die Schultern und machte ein ernstes Gesicht. Sein viertes Klopfen war nachdrücklicher. »Sicherheit! Öffnen Sie die Tür!«
Viktor beobachtete ihn aufmerksam, aber zunehmend skeptisch.
Bell wandte sich von der Tür ab und schüttelte den Kopf. Er warf einen Blick durch das runde Fenster neben der Tür in den Flur des Hauses. Das Licht war aus, im Inneren bewegte sich niemand. Entweder versteckte sich Rudolf Kalinin gezielt vor der Sicherheit oder er war tatsächlich nicht zuhause. Bell wandte sich ab. »Der Doktor scheint nicht da zu sein. Entweder wir versuchen es direkt bei einem Nachbarn, oder wir warten auf ihn und essen zu Mittag.«
»Warten? Wo? Hier auf dem Gang?«
»Wir müssen in der Nähe bleiben. Weiter nichts. Die Wohnung im Blick behalten.« Bell trottete die Galerie entlang, welche die Eingänge zu den Wohneinheiten dieses Blocks miteinander verband und blieb vor der Tür des Nachbarhauses stehen. Er betrachtete die blassgelbe Farbe, die neben dem Türrahmen abblätterte, und das Fenster, welches notdürftig mit einem alten Handtuch abgehängt war. Auf dem Namensschild unter der Nummer der Einheit stand in Schreibschrift der Name Komarow. Der Anblick des Gebäudes erinnerte ihn an seine Zeit in Ring Null. Er schüttelte den Kopf. Dass es soweit im Inneren überhaupt heruntergekommene Wohnungen gab. Wenigstens schimmerte Licht an dem Handtuch vorbei nach draußen. Er klopfte.
Einige Krümel Farbe und Verputz lösten sich vom oberen Rahmen und rieselten auf die Fliesen der Galerie hinab.
»Sicherheit. Öffnen Sie die Tür!«
Zu Bells Erstaunen hörte er im Inneren des Hauses sofort eine Tür gehen. Er trat einen Schritt zurück, hob sein Holofon auf Augenhöhe und legte die freie Hand sicherheitshalber auf seiner Waffe ab.