Neuburg an der Donau - Thomas Götz - E-Book

Neuburg an der Donau E-Book

Thomas Götz

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Beschreibung

Neuburg an der Donau zählt zu den ältesten Siedlungsräumen Süddeutschlands und kann auf eine facettenreiche Geschichte zurückblicken. Altsteinzeitlichen, neolithischen und bronzezeitlichen Siedlern folgten Kelten, Römer und Germanen. Heute zeigt sich das geschichtsträchtige Neuburg als lebendige und attraktive Stadt.

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Thomas Götz / Markus Nadler / Marcus Prell / Barbara Zeitelhack

Neuburg an der Donau

Kleine Stadtgeschichte

UMSCHLAGMOTIVE

Vorderseite: Blick von der Insel auf die 1827 errichtete Donaubrücke und das Ostplateau des Neuburger Stadtberges mit Schloss, ehemaligem Jesuitengymnasium und Hofkirche. –

Postkarte, gelaufen am 14. Juli 1905. Privatbesitz.

Rückseite: Blick auf die Flaniermeile am Donaukai. – Adobe (Sina Ettmer).

BIBLIOGRAFISCHE INFORMATION DER DEUTSCHEN NATIONALBIBLIOTHEK

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Angaben sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

2., aktualisierte Auflage 2022

© 2022 Verlag Friedrich Pustet, Regensburg

Gutenbergstraße 8 | 93051 Regensburg

Tel. 0941/920220 | [email protected]

ISBN 978-3-7917-3379-1

Reihen-/Umschlaggestaltung und Layout: www.martinveicht.de

Satz: Vollnhals Fotosatz, Neustadt a. d. Donau

Druck und Bindung: Friedrich Pustet, Regensburg

Printed in Germany 2022

eISBN 978-3-7917-6228-9 (epub)

Unser gesamtes Programm finden Sie unter www.verlag-pustet.de

Inhalt

Vorwort

Von der Frühzeit bis zur Spätantike (Marcus Prell)

Am Anfang war das Meer / Antoniberg / Altsteinzeit / Mittelsteinzeit / Jungsteinzeit / Bronzezeit und Hallstattzeit / Latènezeit / Archäologische Heimatforschung / Archäologie aus der Luft / Römer / Venaxamodurum

Neuburg im Mittelalter (Marcus Prell)

Frühes Mittelalter / Nivuinburcg / Bistum und Bischofssitz Neuburg / Herzog Heinrich IV. und die Benediktinerinnen / Romanik in Bergen / Ruine Alte Burg / Ludwig der Gebartete: Gefangennahme in Neuburg / Obere und Untere Stadt

Haupt- und Residenzstadt der »Jungen Pfalz« (1505–1808) (Markus Nadler)

Gründung des Fürstentums Pfalz-Neuburg / Verheißungsvoller Beginn unter Pfalzgraf Ottheinrich (1502–1559) / Das Residenzschloss / Jagdschloss Grünau / Gestüt Rohrenfeld / Die fürstliche Residenzstadt / Die Bürgerstadt / »Die Stadt selbst ist freundlich …« / Die Donau und die Stadt / Die jüngere Linie des Hauses Pfalz-Neuburg / Pfalzgraf Wolfgang Wilhelm (1614–1653): Rückkehr zum katholischen Glauben / Hofkirche »Unserer Lieben Frau« / Die Schweden in Neuburg / Auf dem Zenit: Philipp Wilhelm, der »Schwiegervater Europas« / Viele Anlässe für Festlichkeiten / Die große und letzte Generation des Fürstenhauses: Neuburg als Nebenresidenz (1690–1742) / Kurfürst Karl Theodor (1742–1799): »Herr der sieben Länder« / Das Donaumoos wird besiedelt / Die letzte Hofhaltung in Neuburg: Ende des Fürstentums

Der lange Weg in die Kleinstadt-Moderne: Neuburg im Jahrhundert des Bürgertums (1800–1914) (Thomas Götz)

Ohnmacht statt Aufbruch: Das Stadt-Bürgertum im Ausgang des Ancien Régime / »Alles wurde so durcheinander geworfen«: Krieg und Umbruchkrise um 1800 / Verbürgerlichung durch Provinzialisierung? Biedermeier und Vormärz / »Stadt II. Classe« im Rahmen der bayerischen Gemeindeverfassung / 1848: Keine Revolution – und die Folgen / Lebensverhältnisse nach der Jahrhundertmitte / Gefährdeter Stadtfriede: Reichsgründung, Kulturkampf, »zweite Weltwirtschaftskrise« / Ein drittes ›goldenes Zeitalter‹: Wachstum, Modernisierung und Stadtausbau um 1900 / Gemeindefinanzen im Umbruch / Kleinstadtgesellschaft vor der Demokratie / Das bürgerliche Neuburg: Opfer seiner Fürsten?

Von der »arg bedrängten« Stadt zum Mittelzentrum: Neuburg vom Ersten Weltkrieg bis in die Gegenwart (Barbara Zeitelhack)

Der große Krieg und der Abschied von alten Traditionen / Stadt und Garnison nach 1914 / Revolution? Die Räte in Neuburg / Die Sehnsucht nach der Monarchie / »Bleierne Zeit« und neue Hoffnungen / Neuburgs Gold: die Kieselerde / Karl »Carlos« Schott, der »Odysseus von der Donau« / Visionen: Naturheilbad und Kneippkurort / Aufstieg der NSDAP und »Machtergreifung« / Neuburg im Nationalsozialismus / Stadt und Garnison im »Dritten Reich« / Die Reorganisation kommunaler Strukturen und demokratischer Neubeginn / Kriegsschäden und Wiederaufbau / Wirtschaftlicher Neuanfang / Öffentliches Leben / Neue Heimat: Die Integration der Heimatvertriebenen / Heimatlos: Displaced Persons (DPs), Flüchtlingslager, Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber / Moderne Zeiten: Wirtschaftsaufschwung und Industrieansiedlungen / Von der Stagnation zur Stadterweiterung: Die städtebauliche Entwicklung im 20. Jahrhundert / Altstadtsanierung / Neuburg »mit der Zeyt« / Stadt und Garnison 1954 bis heute

Anhang

Zeittafel / (Ober-)Bürgermeister der Stadt Neuburg / Genealogische Übersichten / Literatur / Ortsregister / Personenregister / Bildnachweis / Autorinnen und Autoren / Stadtplan

Vorwort

Von Donaueschingen sind es 303, bis zum Schwarzen Meer noch 2476 Flusskilometer – Neuburg an der Donau, die alte Herzogstadt und ehemalige Residenz des Fürstentums Pfalz-Neuburg, lag und liegt am Schnittpunkt vieler Einflüsse: Geologisch betrachtet gehört sie als südlichster Ausläufer der Frankenalb noch zum Fränkischen, verwaltungspolitisch seit 1972 zu Oberbayern, vorher zu Bayerisch-Schwaben. Kirchengeschichtlich begegnen sich hier, nach einem Reformationsintermezzo, die Bistümer Augsburg und Eichstätt; mundartlich kreuzt sich hier Bairisches mit Schwäbischem, dem sich Richtung Norden Fränkisches beimischt.

Den Reichtum des Vergangenen erlebt man besonders intensiv an einem ruhigen Sonntagmorgen beim Streifzug durch die Altstadtgassen. Dann befällt den träumend Flanierenden dieses Gefühl von der Tiefe der Zeit, das nur historische Stadtkerne mit originaler Bausubstanz vermitteln. Wie von selbst drängen sich dem Staunenden – zumal am Karlsplatz, dem Herzen der Stadt – die naiv klingenden Fragen eines jeden neugierig Gewordenen auf: Wer lebte hier? Was hat sich ereignet? Und welche Geschichten haben sich überliefert?

Diese »Kleine Neuburger Stadtgeschichte« möchte Einheimischen und Gästen manche Frage in Wort und Bild beantworten, zum (Wieder-)Entdecken der vielfältigen historischen Zeugnisse in Neuburg und Umgebung einladen und vor allem Lust auf mehr Geschichte machen – denn die Geschichtsschreibung ist so wenig abgeschlossen wie die Geschichte selbst, und trotz reichhaltiger Fachliteratur fehlt im historiografischen Bild der Stadt noch so manche wichtige Facette. Das vorliegende Bändchen soll daher auch mehr Aufbruch als Abschluss sein. Dass hierbei gleich vier Autoren einträchtig ans Werk gingen, mag als Zeichen der reichhaltigen Geschichte der Donaustadt wie des in ihr herrschenden guten Einvernehmens gelten.

Unser historischer Parcours setzt früh an: Bereits zur Altsteinzeit suchten Menschen den Stadtberg und Höhlen im nahen Urdonautal auf. Vor 3000 Jahren war der Berg, ein ehemaliges Korallenriff des Jurameeres, schon großflächig besiedelt. Ein römisches Kastell sicherte den Donaulimes gegen die Germanen. Im Mittelalter verkehrten hier Herzöge und Könige. In der Frühen Neuzeit agierte die prächtig ausgebaute Residenzstadt zeitweise auf der Bühne europäischer Politik. Nach dem äußeren Bedeutungsverlust um 1800 wurden in der königlich bayerischen Provinzstadt schließlich die Weichen in Richtung Moderne gestellt und nach den folgenden Katastrophen des frühen 20. Jahrhunderts Schritt für Schritt die Grundlagen für ein prosperierendes Gemeinwesen gelegt – das sich heute, im Bewusstsein dieser Geschichte, zuversichtlich der Zukunft zuwenden kann.

Neuburg an der Donau, Sommer 2012

Thomas Götz, Markus Nadler,Marcus Prell, Barbara Zeitelhack

Dieser Befund gilt auch heute noch, und das Interesse an der kleinen Residenzstadt Neuburg scheint ungebrochen. Wir freuen uns sehr, dass der Pustet-Verlag zehn Jahre nach der Erstveröffentlichung jetzt eine 2., aktualisierte Auflage dieser Kleinen Stadtgeschichte herausgibt – mit kleinen Änderungen bei Titel, Layout und Inhalt. Neuburg hat inzwischen die 30 000 Einwohner-Marke überschritten und erfreut sich nach zwei Jahren Pandemie wieder steigender Besucherzahlen. Unser aller Dank gilt dem Verleger Friedrich Pustet und der Lektorin Christiane Tomasi, die auch die Neuauflage in bewährter Art und Weise betreut hat.

Neuburg an der Donau, Sommer 2022

Thomas Götz, Markus Nadler,Marcus Prell, Barbara Zeitelhack

Von der Frühzeit bis zur Spätantike

Tatsächlich! Es gab in Neuburg ein Leben vor Pfalzgraf Ottheinrich. Bereits zur Altsteinzeit zogen der Stadtberg und sein Umland die Menschen an. Neolithische und bronzezeitliche Siedler, Kelten, Römer und Germanen folgten. Um die besonders geschützte Lage der heutigen Altstadt am eigenen Körper zu spüren, sollte man die 93 Stufen von der Donau zum Hotel Schöne Aussicht emporsteigen. Von dort sieht man auf das Donautal und die flachen Ausläufer der südlichen Frankenalb. Anwohner mit dem Privileg einer freien Sicht nach Süden erblicken bei Föhnwetter sogar die Alpenkette. Dies alles lag einmal unter Wasser.

Am Anfang war das Meer

Vor etwa 150 Millionen Jahren tummeln sich in den Lagunen des tropischen Jurameers Fische, Muscheln und Ammoniten. Eine Art dieser Kopffüßer trägt nach dem Neuburger Fundort gar den Namen Aspidoceras neoburgense. Hin und wieder zeigt sich ein Archäopteryx am Himmel. Er ist von einer Landmasse bei Solnhofen gestartet. Die Kalkschalen der abgestorbenen Meerestiere füllen nach und nach die tieferen Senken am Meeresboden und vermischen sich dort mit Schlamm. So entstehen Schicht um Schicht die Neuburger Bankkalke, eine geologische Besonderheit: Es handelt sich um die deutschlandweit obersten und damit jüngsten Juraschichten, genannt Weißjura Malm Zeta 6. Sie treten im oberen Abschnitt der Steilwand des Finkensteins und im ehemaligen Steinbruch der Nachbargemeinde Oberhausen offen zu Tage, wo hin und wieder Geologie-Professoren mit ihren Studenten Steine hämmern.

Das flache, warme Wasser begünstigt das Wachstum von Korallen, Muscheln, Algen und Schwämmen, die Riffe bilden. Aus solch einem massigen Riffkalk besteht der Neuburger Stadtberg. Am Nachtbergweg und im Stadtgraben sind für das geübte Auge noch heute die Skelettreste von Steinkorallen zu erkennen, ebenso im aufgelassenen Steinbruch Laisacker, wo 21 Korallengattungen nachgewiesen wurden. Ehemalige Riffe säumen auch den Wanderweg von der Grotte unterhalb des Arco-Schlösschens bis zur Mariengrotte vor Joshofen. Sie bestehen aus etwas härterem Dolomit, der dem Kalk sehr ähnlich ist. Zum Klettern eignen sich die Felsen um Neuburg nicht besonders. Die markanten Riffkalke zwischen Konstein und Aicha im nahen Urdonautal hingegen bieten Bergsportlern Touren in allen Schwierigkeitsgraden.

Grotte im ehemaligen Korallenriff unterhalb des Arco-Schlösschens. Am Felsen, dessen überhängender Teil 2022 aus Sicherheitsgründen gesprengt wurde, sind historische Hochwassermarken angezeichnet. Zwei Fische auf blauem Schild markieren die alte Fischwassergrenze zwischen Neuburg und Joshofen.

Zu Beginn der Kreidezeit vor rund 135 Millionen Jahren hebt sich das Land aus dem Wasser. Während der folgenden viele Millionen Jahre andauernden Trockenperiode verkarstet die Landschaft. Hohlräume und Spalten entstehen, bis das Gebiet erneut vom Meer überflutet wird. Feinkörniger Quarzsand aus winzigen Schwammnadeln lagert sich ab, die berühmte Neuburger Kieselerde. In die verwitterten Jurasedimente sickert Kieselsäure, so dass sich Eisenerze und Hornsteine in Form von Knollen oder Platten bilden.

Vor 65 Millionen Jahren, im Tertiär, beginnt dann die Formung der heutigen Landschaft. Die Auffaltung der Alpen hat zur Folge, dass breite Flusssysteme alpine Kiese, Sande und Tone vom Süden zur Alb transportieren. An Stellen, die nun wasserundurchlässig geworden sind, entstehen kleine Seen und Tümpel mit Süßwasserkalken. Auf dem Plateau des Neuburger Stadtberges leben in dieser Zeit nachweislich Wasserschildkröten. Weitere Zeugen dieses Zeitalters wie versteinerte Hölzer, Krokodilzähne oder Süßwasserschnecken finden sich in Sandgruben und auf Äckern. Gegen Ende der Tertiärzeit, vor etwa 2,6 Millionen Jahren, bildet sich die Urdonau heraus. Sie fließt bei Rennertshofen durch das heutige Wellheimer Trockental (Urdonautal) nach Norden und schneidet dabei tiefe Mäander in die Alblandschaft. Zunächst verlagert sie ihren Lauf vom Altmühltal ins Schuttertal. Vor etwa 90 000 bis 70 000 Jahren, so die jüngsten Erkenntnisse der Geologen, durchbricht sie die Felsbarriere zwischen dem Stepperger Antoniberg und dem gegenüberliegenden Stätteberg in Richtung Neuburg. Die Donau kann sich dahinter in ein gemachtes Bett legen, denn Wasserläufe hatten bereits von Neuburg aus ein Tal in Richtung Stepperg ausgeformt.

Während der Stadtberg also schon rund 150 Millionen Jahre alt ist, kommt die Donau relativ spät hinzu. Neuburg, besser gesagt das Neuburger Jurariff, liegt nun an der Donau, und diese schwemmt im Westen und Südwesten der Stadt Massen von Kies an. Der kräftige Sog der nach Süden ausgreifenden Flussarme begünstigt die Ausräumung des Donaumooses in Richtung Ingolstadt. In höheren Lagen wie dem westlichen Neuburger Stadtgebiet und der Albhochfläche zwischen Donau und Schutter trägt der in Flusstälern besonders heftige Wind während der Würmeiszeit (115 000–10 000 Jahre vor heute) fein erodiertes Steinmaterial in Form von Löss und Sand herbei. Die Schotterablagerungen am südlichen Donaurand zwischen Neuburg und Ingolstadt erschweren gegen Ende dieser Eiszeit den Abfluss der Donaumoosbäche und des Grundwassers. Es bildet sich eine flache Seenlandschaft, die nach und nach vermoort und bis zu zehn Meter mächtige Torfschichten aufbaut. Bis zu seiner Trockenlegung und Besiedelung am Ende des 18. Jahrhunderts gilt das Donaumoos als größtes Niedermoor Südbayerns.

HINTERGRUND

ANTONIBERG

Der Antoniberg bei Stepperg gilt als Ort zum Krafttanken. Mit seinen von alten Linden umgebenen Kapellen zählt er zu den historisch und landschaftlich reizvollsten Plätzen im Raum Neuburg. Einige hundert Meter stromabwärts überquerte im 2. Jahrhundert n. Chr. eine römische Brücke die Donau. Bei klarer Sicht erkennt man in der Ferne die Kirchtürme von St. Peter und der Hofkirche am Neuburger Stadtberg. Folgt man dem Wanderweg an der Donau, gelangt man kurz vor der Usselmündung zu einer kleinen Strudellochhöhle. In früheren Zeiten, erstmals um 1285 erwähnt, setzte hier ein Fährmann über.

Warum dieser erdgeschichtliche Prolog? Er liefert die Erklärung für zahlreiche Entwicklungen in der folgenden Kulturgeschichte Neuburgs, in welcher Landschaft und Natur den Rahmen bilden und den Menschen wertvolle Ressourcen zur Verfügung stellen. Die steinzeitlichen Siedler suchten sich Hornsteine und Quarzite der Kreidezeit zur Herstellung tauglicher Werkzeuge und Waffen. Ab der Jungsteinzeit lockten die fruchtbaren Lössböden Bauern und Siedler in den Neuburger Raum. Tertiäre eisenhaltige Erze sammelten als erste Kelten, Römer und Baiuwaren zur Eisenverhüttung. Den Jurakalk verwendete man von der Römerzeit bis in die Neuzeit zum Kalkbrennen und als Baustoff. Aus den heute versteckt gelegenen großen Kalksteinbrüchen am Donauwörther Berg gewann man im 16. und 17. Jahrhundert Mauersteine für das Neuburger Schloss, die Hofkirche und die Schanzbefestigungen. Die Vorkommen der Neuburger Kieselerde bilden die Grundlage der ältesten Neuburger Industriebetriebe. Noch heute gewinnt die Firma Hoffmann Mineral den weißen Rohstoff im Tagebau. Und auch die Donau nutzt der Mensch: Berufsfischerei und Schifffahrt gibt es zwar heute in Neuburg nicht mehr, doch verwandelt das Kraftwerk Bittenbrunn die Energie der Donau in Öko-Strom für die Bahn.

Altsteinzeit

Neuburg befindet sich in einer äußerst bedeutsamen archäologischen Fundlandschaft der Vorgeschichte. Bereits vor rund 250 000 Jahren, in der mittleren Altsteinzeit, dürften sich die ersten Menschen in der Region aufgehalten haben. Der Faustkeil, das Markenzeichen der Altsteinzeit, wurde vor rund 1,6 Millionen Jahren in Afrika erfunden und ist ein unzweifelhaft von Menschenhand bearbeiteter Stein zum Zerlegen und Verarbeiten von Tieren. Im Raum Neuburg eigneten sich als Rohmaterial besonders die Hornsteine und Kreidequarzite. Zu den wohl ältesten Fundstücken aus der Gegend zählen die Faustkeile von Rohrbach und Egweil. Sie dürften von einem Vorgänger des Neandertalers, dem Homo erectus oder Homo heidelbergensis angefertigt worden sein. Etwas jünger sind vermutlich der umstrittene Protofaustkeil aus Attenfeld, ein Neufund aus Hessellohe sowie zwei 1952 und 1958 in der Ziegeleigrube von Neuburg-Ried entdeckte Faustkeile, die aus einer Tiefe von rund acht Metern stammen. Das Bruchstück eines Stoßzahnes aus derselben Grube gehört zu einem der gefragtesten Jagdtiere in der Altsteinzeit, dem Wollhaarmammut, das einer ganzen Großfamilie hinreichend Fleisch, Fell, Knochen und Elfenbein lieferte.

Die Menschen, deren »Abfall« wir in Form von Werkzeugen, Steinabschlägen und Tierknochen finden, errichteten noch keine festen Häuser. Sie suchten auf ihren Wanderungen natürliche Unterschlupfmöglichkeiten wie Abris und Höhlen, die in den Flusstälern der Schwäbischen und Fränkischen Alb gehäuft zur Verfügung standen. Von internationalem Rang sind die Weinberghöhlen bei Mauern am Eingang des Urdonautals: Es handelt sich um ein heute durch Gitter geschütztes System von fünf Höhlen, an welchem zwischen 1937 und 1974 viermal Ausgrabungen durchgeführt wurden. Der bedeutende Tübinger Prähistoriker Prof. Hansjürgen Müller-Beck, der die beiden letzten Grabungen leitete, unterteilt die rund drei Meter mächtigen Sedimentschichten in fünf Zonen. Faustkeil und Schaber sind Artefakte der untersten und damit ältesten Zone aus der Zeit des Neandertalers. Eine genaue Datierung ist schwierig. Unter Vorbehalt kann man annehmen, dass vor etwa 70 000 bis 80 000 Jahren die Höhlen temporären Aufenthalten dienten. Zu einer Zeit, als die Donau an ihrem Durchbruch bei Stepperg arbeitete, hausten hier am warmen Südosthang in exponierter Lage also Neandertaler, die gute Sicht auf vorbeiziehende Tierherden und gleichzeitig Schutz vor Wind und Wetter vorfanden.

Aus Zone 4 stammen insgesamt 43 Blattspitzen. Dabei handelt es sich um längliche, blattförmige Steinartefakte, die beidseitig zugespitzt sind und vermutlich als Messer, Dolch oder Speerspitze Verwendung fanden. Derartige Steingeräte fanden sich auch im Altmühltal und bei Neuburg. Sie zeigen neue Techniken der Steinbearbeitung, insbesondere das präzise Retuschieren der Kanten, und könnten vom späten Neandertaler oder bereits vom anatomisch modernen Menschen, dem Homo sapiens, angefertigt worden sein, einem vermutlich aus Afrika eingewanderten Menschenschlag, der vor etwa 40 000 Jahren erstmals in der Alb anzutreffen ist und eine Zeit lang in Koexistenz mit dem Neandertaler lebte. Zur eindeutigen anthropologischen Klärung bräuchte man altsteinzeitliche Schädel- bzw. Skelettfunde, die aus der Region noch ausstehen. Die beiden obersten Zonen 2 und 1 – Zone 3 ist fundleer – werden dem Jungpaläolithikum zwischen 40 000 und 20 000 Jahren vor heute zugewiesen. Die Radiokarbondatierung einer Holzkohlenprobe deutet auf eine Begehung der Höhlen um 26 000 v. Chr. In den oberen Zonen ist eine erneute kulturelle Entwicklung abzulesen, welche die technische und künstlerische Intelligenz des Homo sapiens beweist, der in vielerlei Hinsicht schlauer und kreativer als der Neandertaler war. Neben Steinwerkzeugen fanden die Archäologen Schmuck in Form von durchlochten Elfenbeinanhängern und eines der ältesten Kunstobjekte Bayerns: die 7,2 cm kleine »Venus von Mauern«, eine stark stilisierte Frauenfigur, die aus mit Rötel eingefärbtem Kalkstein geschaffen wurde. Damit hätte die »Rote von Mauern«, wie sie auch genannt wird, ein ähnliches Alter wie die berühmte »Venus von Willendorf« aus der Wachau und wie zahlreiche figürliche Darstellungen aus den Höhlen der Schwäbischen Alb.

Aus Hornstein gefertigte Blattspitzen, Mauerner Weinberghöhlen.

Die fortdauernde Anziehungskraft der Mauerner Höhlen die Jahrtausende hindurch belegen weitere Fundstücke von der frühen Jungsteinzeit bis zum Mittelalter. Selbst die römischen Siedler erkundeten neugierig die Höhlen, wie ein halbes Dutzend Öllämpchen verrät.

Die Menschen der Altsteinzeit bevorzugten Höhlen als von der Natur geschaffene Wohnplätze. Doch auch unter freiem Himmel errichtete man einfache Lager. Mit rund 400 000 Artefakten ist der Speckberg bei Nassenfels die fundreichste Freilandstation der Altsteinzeit in Bayern. Vom Neuburger Stadtberg, der nur sporadisch besucht wurde und wie der Speckberg keine Höhlen aufweist, liegen ebenfalls paläolithische Fundstücke in Form von Kernsteinen und Abschlägen vor. Noch heutzutage finden sich bei Baggerarbeiten in der Altstadt die rundlichen Hornsteinknollen.

Mittelsteinzeit

Mikrolithen, kaum daumennagelgroße Steingeräte, sind typisch für die Mittelsteinzeit (9600–5500 v. Chr.), eine Epoche, in der die Klimaerwärmung die eiszeitliche Tundra in eine Waldlandschaft verwandelte. Großtierherden wie Mammuts und Rentiere wanderten in kühlere Gegenden aus. Für die Jagd im Wald und am Wasser waren jetzt Pfeil und Bogen, Speere, aus Mikrolithen gefertigte Harpunen, Angelhaken und Netze gefragt. Begehrt waren Rehe, Hirsche, Wildschweine, Fische, Muscheln und Haselnüsse. Die Mesolithiker errichteten bereits längerfristig nutzbare, vermutlich zeltähnliche Unterkünfte und kannten Einbaum und Paddel. Beliebter Aufenthaltsort waren Gewässer. So verwundert es nicht, dass sie in unmittelbarer Donaunähe am Stadtberg und vor allem im Donaumoos ihre Spuren hinterlassen haben, zu jener Zeit eine seichte Wasserfläche. Hermann Josef Seitz, der spätere Heimatpfleger und Berufsschuldirektor von Lauingen, sammelte zwischen 1932 und 1936 von Karlskron aus über 10 000 steinzeitliche Objekte von Erhebungen (»Dünen«) im Donaumoos auf.

Jungsteinzeit

Scherben bringen Glück, besonders den Archäologen, denn anhand des Tonmaterials, der Form und der oftmals charakteristischen Verzierung ermöglichen sie eine zeitliche Bestimmung. Erst in der Jungsteinzeit (5500–2200 v. Chr.) lernte der mitteleuropäische Mensch, dass man aus Ton geformte Gefäße durch Brennen erhärten kann. Dies war nur eine von vielen umwälzenden Neuerfindungen der »neolithischen Revolution«, die sich vom Nahen Osten nach Mitteleuropa ausdehnte. Mehrere hunderttausend Jahre lang hatten die Menschen als Jäger und Sammler ein Nomaden- oder Halbnomadenleben geführt, um jetzt als sesshafte Bauern Ackerbau und Viehzucht zu betreiben. Man rodete den Wald, errichtete feste Häuser aus Holz und Lehm. Waren die Menschen zuvor Selbstversorger, so begann nun ansatzweise die arbeitsteilige Spezialisierung im Handwerk, Grundvoraussetzung für technische Neuerungen und die Entwicklung immer hochwertigerer Erzeugnisse. Die Donau, die den Technologie- und Kulturtransfer aus dem Osten begünstigte, entwickelte sich zur Fernverkehrsachse und diente dem überregionalen Naturaltausch von Rohstoffen und Gütern. Auch auf der Neuburger Donau sind zur damaligen Zeit Einbäume und Flöße gut vorstellbar.

Zum ersten Mal in der Neuburger Stadtgeschichte kam es um 5200 v. Chr. zu einer festen Ansiedlung, und zwar nachweislich an der Donauwörther Straße beim Seminargarten. Neben bandkeramischen Scherben enthielten die Siedlungsgruben Wandlehmstücke, Tierknochen und Hornsteingeräte. Auch für viele Gemeinden rund um Neuburg – Laisacker, Riedensheim, Stepperg, Rennertshofen, Joshofen, Bergheim – begann in der Jungsteinzeit die Besiedlungsgeschichte. Neben dem lössarmen Neuburger Stadtberg, von dem für die Jungsteinzeit nur Einzelfunde vorliegen, gibt es in Neuburg einen zweiten Bereich, der zu dieser Zeit erstmals in Erscheinung tritt und von da an bis zur Römerzeit und darüber hinaus beliebtes Siedlungsareal war: die Hochterrasse in der südlichen Verlängerung des Stadtberges bis zum Römerfeld bei Feldkirchen. 1940 fand man dort beim Ausheben eines Wasserleitungskanals unweit der Terrassenkante am Neufeld in Richtung Pflanzweiher einen Glockenbecher, der vermutlich zu einer Bestattung gehörte. Die Glockenbecherkultur (2500–2200 v. Chr.), benannt nach den typischen weitmundigen Gefäßen in Form einer umgestülpten Glocke, stellt den Übergang von der Steinzeit zu den Metallzeiten dar. Schon in der ersten Hälfte des 4. Jahrtausends werden in Südbayern Dolche nicht nur aus Hornstein, sondern erstmals aus Kupfer hergestellt. Einem der 23 Toten im Weicheringer Gräberfeld war solch ein Kupferdolch beigelegt worden.

Bronzezeit und Hallstattzeit

Kupfer bildet den Hauptbestandteil von Bronze, zu deren Herstellung detaillierte metallurgische Kenntnisse erforderlich sind. Vermutlich kommt der Bronzeguss so wie die bäuerliche Lebensweise aus Vorderasien. Zunächst musste man Kupfererz und Zinnerz suchen und abbauen, um in einem weiteren Arbeitsschritt die beiden Elemente im richtigen Verhältnis zu legieren. Ein 1907 in Zell entdeckter Bronzedolch steht als Symbol für die Bronzezeit (2200–800 v. Chr.) im Raum Neuburg. Der neue Werkstoff war härter und widerstandsfähiger als Kupfer. Er eignete sich für vieles: Schwerter, Lanzenspitzen, Beilklingen, Pfeilspitzen, Schmucknadeln, Armringe, Fingerringe, ja sogar Rasiermesser sind aus der Neuburger Region bekannt und belegen eine rege Siedlungstätigkeit. Rätselhaft ist die große Ringwallanlage samt Brandopferplatz am Stätteberg bei Unterhausen, die als bronzezeitlicher Herrensitz und Bergheiligtum gedeutet wird.

In der späten Bronzezeit, der Urnenfelderzeit, verbrannte man die Toten und bestattete sie in Tonurnen. Zu dieser Zeit, um 1000 v. Chr., erlebte Neuburg seine erste Siedlungshochphase. Der Stadtberg war vermutlich auf dem gesamten Plateau besiedelt. Keramikscherben fanden sich beispielsweise im Bereich der heutigen Maria-Ward-Schule, in der Amalienstraße vor dem Karlsplatz, im Münzhof und an der Hangkante beim Hotel Schöne Aussicht. Pfostengruben und Hüttenlehmstücke deuten auf lehmverputzte Flechtwandhäuser hin. Im weiteren Stadtgebiet unterhalb der Höhensiedlung, etwa im Garten des Studienseminars bis hin zum Römerfeld, standen ebenfalls Höfe.

Einfache Urnenbestattungen gab es auch in der Hallstattzeit (800–475 v. Chr.), mit der die Eisenzeit beginnt. Eisenfunde aus dieser Epoche sind selten. In Neuburg ging die Besiedlungsdichte anscheinend zurück. An die Stelle größerer Ansiedlungen traten mit Gräben und Wällen befestigte Einzelgehöfte, die gerne als Herrenhöfe bezeichnet werden und damit das Herausbilden einer Oberschicht und die zunehmende Hierarchisierung der Gesellschaft andeuten. Hallstattzeitliche Siedlungsreste haben sich am westlichen Stadtberg im Bereich der Münz, wieder am Römerfeld und beim Rödenhof erhalten. Zu letzterer Siedlung gehören die rund 90 Hügelgräber im »Zeller Eichet«, einem Wäldchen bei Zell, von denen zwei bereits im Jahre 1833 geöffnet wurden.

Rekonstruktion der Höhensiedlung auf dem Plateau des Neuburger Stadtbergs in der frühen Latènezeit um ca. 400 v. Chr. Bebauung, Wege und Freiflächen sind weitestgehend fiktiv. Ein Ringwall konnte an mehreren Stellen archäologisch nachgewiesen werden.

Latènezeit

Beim Bau der Juliusbrauerei nördlich des Neufeldes kam 1948 ein Grab der Latènezeit (475–15 v. Chr.) zum Vorschein. Der Tote war mit einem eisernen Langschwert und einem Holzschild bestattet worden, von dem sich lediglich der eiserne Schildbuckel erhalten hatte. In der Herstellung und Verarbeitung von Eisen brachten es die Kelten zur Meisterschaft. Die Erzvorkommen der Frankenalb und des Donaumooses dürften neben der Donau die wesentlichen Standortfaktoren für die Region Neuburg-Ingolstadt gewesen sein. Zudem scheint in den Wäldern ausreichend Holz als Baumaterial und zur Eisenverhüttung vorhanden gewesen zu sein. Auf zahlreichen Äckern, wie bei der Feldmühle am Eingang des Schuttertales, bei Joshofen, Bergheim und sogar im Donaumoos, liegen keltische Schlackenreste. Neuburg war in der frühen Latènezeit, dem 5. und 4. Jahrhundert v. Chr., begehrtes Siedlungsareal. Den Stadtberg umschloss ein mehrere Meter hoher Erdwall, der bei Ausgrabungen an verschiedenen Abschnitten zum Vorschein kam und die regionale Bedeutung der Siedlung hervorhebt. Nicht nur dort setzte man mit einer Höhensiedlung die Tradition der Urnenfelderzeit fort. Auch bei der heutigen Wirtschaftsschule, am Neufeld und am Römerfeld fanden sich wiederholt die typischen Graphitscherben und blauen Glasperlen. Die Kelten besaßen bereits Münzgeld und hinterließen Namen wie Donau, Paar und Schutter.

Nach den Kelten herrschte auf dem Stadtberg bis zur Römerzeit eine mehrere hundert Jahre dauernde Siedlungslücke. Verlockend ist die Vorstellung, dass von Neuburg aus Impulse zur Gründung des mächtigen Oppidums im nahegelegenen Manching, dem vermuteten Hauptort der Vindeliker, ausgingen. Warum und wohin die Kelten um etwa 30 v. Chr. aus Bayern verschwanden, bleibt ihr Geheimnis.

Archäologische Heimatforschung