Neue Engel braucht das Land - Peter Josef Dickers - E-Book

Neue Engel braucht das Land E-Book

Peter Josef Dickers

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Beschreibung

Wenn "Markt und Straßen verlassen stehen", wie Joseph von Eichendorff beschrieb, wenn Menschen einander fremd geworden sind, helfen niemandem utopische Versprechungen. Wege, die nicht gangbar erschienen, müssen gegangen werden. "Wir tun, was nötig ist, solange es nötig ist." Das verspricht ein Werbe-Slogan. Gefragt sind Menschen, die keine Rezepte für alle Lebenslagen zur Hand haben, aber Wege zeigen, die weiterführen könnten. Neue Engel braucht das Land. Nicht Engel, die aus den Weihnachtstagen übrig geblieben sind. Weihnachtsengel haben nach den Feiertagen Dienstschluss. Jeder kann Engel werden. Worauf also warten wir noch?

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Seitenzahl: 162

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Impressum

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie­.

Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://www.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte der Verbreitung, auch durch Film, Funk und Fern­sehen, fotomechanische Wiedergabe, Tonträger, elektronische Datenträger und ­auszugsweisen Nachdruck, sind vorbehalten.

© 2024Vindobona Verlag

ISBN Printausgabe: 978-3-903574-08-3

ISBN e-book: 978-3-903574-09-0

Lektorat: PCR

Umschlagfoto:Mbolina | Dreamstime.com

Umschlaggestaltung, Layout & Satz: Vindobona Verlag

www.vindobonaverlag.com

Vorwort

Das Zitieren von kontemporären Liedtexten ist grundsätzlich ein sehr komplexes Thema. Diese dürfen ohne Erlaubnis der Rechteinhaber nicht abgedruckt werden. Das Zitierrecht, das etwa die Verwendung von Primär- und Sekundärliteratur unter Angabe eines Quellenverweises umfasst, greift hier nicht. Es ist zu empfehlen, entweder auf die Inklusion zu verzichten oder die Erlaubnis der Rechteinhaber einzuholen. Diese wird zumeist befristet und gegen Bezahlung einer Lizenzgebühr erteilt. Anders verhält es sich bei Liedermacher*innen, die schon länger als 70 Jahre verstorben sind. Deren Liedgut kann als gemeinfrei angesehen werden und darf verwendet werden.

Sehnsucht nach guten Nachrichten

Sorglos-Pakete schnüren

Krisen halten die Welt in Atem. Das Leben ist aus dem Gleichgewicht, die Natur aus dem Takt geraten. Wir erleben stressige Zeiten. Keine Welt, die wir uns vorstellen, obwohl es nie perfekte Zeiten gegeben hat.

Das Weltbild muss neu geordnet werden. Es lähmen Ängste, die nicht bekannt waren, oder mit denen wir nicht gerechnet hatten. Geister, die niemand rief, treiben ihr Unwesen. Nicht nur morsche Äste werden von den Bäumen gerissen. Welche Schockwellen sind noch zu befürchten? Momentaufnahmen oder der Weltuntergang ante portas? Soll man es wie Heinrich Heine halten und alles nicht so ernst nehmen?

Wer einen Standpunkt zu lange vertrete, bekomme schiefe Absätze, witzelte Gustav Knuth. Lieber nichts hören, nicht konfrontiert werden mit Mahnungen und Warnungen. Versuchen, vor den Widrigkeiten des Lebens zu flüchten. „Wir reisen im verkehrten Zug ans falsche Ziel.“ Erich Kästner war der Reisende. Sich scheintot stellen? Gelassen bleiben? Panisch reagieren? Die Rosa-Brille aufsetzen, den Sorgen die Stirn bieten, sich durchwursteln? Bei Luxusgüter-Produzenten wird der Champagner knapp. Die Fans lassen die Korken knallen. Glücklich ist, wer vergisst.

China verfolgte Null-Covid-Politik. Die Stadt Xi’an wurde abgeriegelt. Millionen Menschen mussten zu Hause bleiben wegen der Ausgangssperren. Auch in Yuzhou verbannte man mehr als eine Million Bewohner in ihre Wohnungen. Das Virus ließ sich jedoch nicht einsperren und gehorchte nicht. Menschen schließlich auch nicht. Die Regierung war darauf nicht vorbereitet und drohte mit Strafmaßnahmen. Demonstrationen die Antwort. Der Rücktritt von Staatschef Xi Jinping wurde gefordert. Polizeipräsenz sollte Proteste verhindern.

Dann wurde das Ende der Null-Covid-Politik erklärt. Infektionen schnellten mit Horrorzahlen in die Höhe, die den offiziellen Angaben widersprachen. Das Virus breitete sich wie ein Buschfeuer aus. Das chinesische Neujahrsfest wurde überschattet von Krankheit und Tod. China entglitt die Kontrolle im Kampf gegen die Pandemie. Dagegen revoltieren oder resignieren? Man beschwichtigte, Epidemien müssten nicht unbedingt schlimm enden.

Olympiade ohne Zuschauer? Im Stadion steckt sich niemand an. Man ist an der frischen Luft. Lasst uns also froh und munter sein. Wannerhalten wir Freiheiten zurück, die dem lockeren Zeitgeist entsprechen? Wie entkommen wir dem Irrgarten der Verordnungen? Die prophezeiten Corona-Killer-Varianten blieben aus. Warum nicht sorglos sein? Geduld ist nicht unsere Stärke.

Viele Menschen hätten sich an Vorsichtsmaßnahmen so gewöhnt, dass sie Unnormales als normal empfänden und eine Rückkehr ins gewohnte Leben scheuen. Das sorgt für Verdrossenheit. Schluss mit Zögern und Zaudern. Warum nicht Champagner statt Dosenbier? Wer etwas fordere, bekomme auch etwas. Der „Tag der Deutschen Einheit“ soll ein Tag eigener Verantwortung werden. Freedom-Day. Nicht Freedom light.

In der Pandemie stieg der Absatz von Gardinen. Weg damit. Weg mit aufgeregten Wirklichkeiten. Wir wissen vieles nicht, wollen es nicht wissen, zumindest nicht genau. Realitätsflucht. Das sagen, was man hören will. Auf einige hören wir nicht, auf andere nicht mehr. Sorgen machen wir uns später.

Nicht nur existieren, sondern bestmöglich leben will man, Sorglos-Pakete schnüren, sich ausleben, wie es Angelina Jolie propagierte. Dann kam die Wirklichkeit dazwischen. Sie hatte nicht den GAU vorhergesehen bei einer Filmpremiere. Zusammen mit ihren Kindern begab sie sich in Quarantäne. Sie war möglicherweise Covid-19 ausgesetzt gewesen.

Ist das Leben komplexer als gedacht?

Trotz Corona alle nach Malle

Der deutsche Aktien-Index erreicht neues Allzeithoch. Airbus erzielt höchsten Gewinn der Firmengeschichte. Porsche verkauft so viele Autos wie niemals zuvor. Zuversicht bei Touristikunternehmen. Es gibt nichts Angenehmeres, als ohne Vorbehalt zu verreisen, und nichts Schlimmeres, als verzichten zu müssen. Keine Genüsse ohne Bedürfnisse. Vieles muss sich ändern, möglichst sofort. Eine 132-Nächte-Reise um die Welt. Urlaub zu Traumpreisen. BeiSonne, Sand und Meer Entschleunigung suchen, obwohl die Monate zuvor an Leere nicht zu übertreffen waren. Kein Small Talk hinter Masken. Wohin soll es gehen? Woanders hin, auch wenn das Ziel nur eine Tankfüllung weit entfernt liegt.

Die schönsten Reisen beginnen im Kopf. Dort bleiben sie nicht. Am Himmel wird es wieder voll. Zu Ostern wird es an den Flughäfen eng. Ab Düsseldorf werden fast eine Million Passagiere erwartet. Man erwartet einen Rekordsommer und das ganz normale Chaos. „Alle nach Malle.“ Die Ware Urlaub trifft auf wahre Sehnsucht. „Wann wird es wieder richtig Sommer?“ Rudi Carrells Hit des Jahres 1976 soll wieder den Sommer einläuten. Wegen Corona hätten sich viele kaum oder gar nicht erholen können, vor allem Frauen. Wer erstattet ihnen die Kosten? Wie retten wir die Welt? Nicht mit Verzicht. Ein schlechtes Gewissen braucht man nicht zu haben.

Wer im Nebel fährt, müsse vom Gas gehen, warnt ein Bürgermeister. Bei der Behandlung von Langzeitfolgen stünden wir erst am Anfang, mahnt er. Ungewissheit ist die Folge. Genügend Impfstoff, um „Herdenimmunität“ zu erreichen, ist vorhanden. Allerdings ist rückläufige Impfbereitschaft zu befürchten, wenn eine Impfung nur Übergangslösung bis zur Folge-Impfung ist. Wie steigert man Impf-Quoten? Mit Corona-Boni gute Laune schaffen? Fünfhundert Euro pro Piks? Leckerlis? Gutscheine? Ein Arzt winkt ab. Das provoziere die Frage, was der Staat den Bürgern verkaufen will. Eine Anmerkung des Berliner Regierenden Bürgermeisters: Nicht zu wenige Impf-Angebote gebe es, sondern zu viel Egoismus und Gleichgültigkeit.

Geht es nur um Gesundheit und Klima? Es wird geboren und geliebt, geheiratet und gestorben. Normal ist dennoch nichts. Ein streitbarer Verfechter der Freiheit und Robin Hood der Impfgegner macht keine Vorschläge, stellt keine Fragen, aber Forderungen. Lachen, auch wenn es nichts zu lachen gibt. Wenn nicht anders möglich, in Schönheit sterben. Das Problem ist nicht mit Notprogrammen zu lösen. Die Welt gehört den Sonderlingen.

Der Weltärztepräsident reagiert geschockt auf die Feiernden zum Auftakt der Karnevalssession. Das sei „Freiheit zum Krankwerden und Sterben, nicht Freiheit zum Leben“. Es würden nicht nur Jecke leiden, sondern alle. „Kölsche Lösung.“ „Corona alaaf.“ Man sei im Karnevalsmodus, kommentiert der Präsident des Festkomitees Kölner Karneval. Ein Gastwirt klagt vor dem Bundesverfassungsgericht, weil er sein Restaurant schließen musste. Karnevalsvereine bangen um ihre Existenz. Denkbar seien im Notfall maßvolle Einschränkungen. Impfpflicht bedeute Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht.

Gilt das auch bei Entscheidungen im Interesse des Gemeinwohls? Oder ist die Omikron-Variante doch harmloser als verkündet? Deutet das der Minister an, wenn er die Zulassung eines Medikaments gegen schweren Covid-Verlauf bei der Behandlung nicht geimpfter Risiko-Patienten zulässt? Dass Omikron das Ende der Pandemie bedeuten könnte, ist momentan nicht vorhersehbar. Die „Pille aus dem Drucker“ als gute Fee für ein sorgloses Übermorgen muss erst noch erfunden werden.

Weihnachten vorbei, Silvester vorbei. Aufkeimende Hoffnungen vorbei. Geimpft. Genesen. Getestet. Erneut geimpft. Corona-Dauer-Stress. Die Freiheit muss warten.

Alles ganz schrecklich. Wohin im Urlaub?

„Beispielloses Hochwasser.“ „Sintflut.“ „Jahrhundert-Hochwasser.“ „Ausnahmezustand.“ Verwüstete Häuser. Eingestürzte Brücken. Zerstörte Infrastruktur. In ihrem Wohnheim ertrinken Menschen mit Behinderungen. „Die armen Leute.“ „Warum hat niemand gewarnt?“ „Warum zahlt die Versicherung nicht?“

Nur wenige waren gegen Flutschäden versichert, wohl gegen Feinstaub-Konzentration, obwohl nur von der Umwelthilfe als bedenklich eingestuft. Andere werden verantwortlich gemacht. Lamentieren, wo man sich Gehör verschaffen kann. „Da lacht einer.“ Wer hat das gesehen? Touristen und Gaffer fahren hierher, Hunderte Kilometer weit, trotz abgeriegelter Wege. Bewaffnet mit Kamera und Stativ machen sie authentische Bilder von „vor Verzweiflung und Wut verzerrten Gesichtern“. Fernrohre richten sie auf Menschen, die alles verloren haben, und auf eine Person, die sich die Nase putzt, während der Bundespräsident eine bedeutende Rede hält.

Dass Häuser so nahe am Fluss-Ufer gebaut wurden, dass man vom Badezimmer aus in den Fluss spucken kann, war nicht bedenklich. Die Unberechenbarkeit der Natur kümmerte niemanden. Wer sein Haus in Flussnähe baut, muss die Risiken einkalkulieren, belehrte ein Experte die Flutopfer. Dass an den Hängen auf jedem Fleck Erde Weinreben stehen und das Regenwasser nicht versickern kann, übersah man. Der Fluss-Pegel stieg auf acht Meter an. Zugestanden hatte man ihm drei Meter. Zerstörerisch wurde der Fluss zum Strom und riss in der Unberechenbarkeit des Augenblicks alles mit. Ausnahmezustand.

Jetzt ereifert man sich, wie entsetzlich alles ist. „Den Urlaub kann man vergessen wegen zerstörter Straßen.“ Die Kirchenglocken läuten. Für die Opfer wird gebetet. Schluss und Amen. Horror ist Realität. Für Alfred Hitchcock war das Schreckliche nicht untypisch. Es ist nicht gottgegeben und muss bewältigt werden. Trotz Corona und dramatisch hoher Todeszahlen drängen viele zurück ins pralle Leben. „Die sollen uns das Hochwasser vom Leib halten. Dafür haben wir sie gewählt.“ Wir hätten der Natur etwas angetan. Jetzt tue sie uns etwas an, behaupten sie. Was wir erleben, sei erst der Anfang. Nicht die Natur müsse sich ändern, sondern wir. Warum sagten sie uns das nicht vorher? Leere Reden, Ausreden sind das. Untergangsängste beschwören sie und treffen falsche Entscheidungen. Geschehen ist wenig bis nichts. Hier tun sie nicht genug, woanders zu viel.

„Wo sollen wir jetzt Urlaub machen?“

Corona. Tod ohne Abschied

Seit Beginn der Corona-Pandemie starben in der Bundesrepublik mehr als 100.000 Menschen, mehr als 800.000 in den USA, mehr als fünf Millionen weltweit. Hinter jedem Tod ein Schicksal. Es ist bedrückend, wenn Freunden und Angehörigen das Besuchen, das Trösten und Begleiten eines Kranken verwehrt bleiben, wenn sie auf Distanz gehalten werden,wenn sie ihre Ohnmacht verkraften und ihren Schmerz unterdrücken müssen. Abschied ohne Abschied.

Solange die Sonne für die Kranken schien, war ihr Leben nicht vorbei. Jetzt, in der Einsamkeit auf den Intensivstationen, drang kein Lichtstrahl zu ihnen. Ihre Hilferufe wurden nicht immer vernommen, da zu viel Nähe mit denen, die sie hören sollten, gemieden wurde. Als die Sterne das Letzte waren, das sie gesehen hatten, und die Nichtigkeit des Lebens über sie hereinbrach, waren sie allein. Selbstbestimmt sein bis in den Tod, wie Utopisten es fordern. Ein ferner Traum. Keiner konnte helfen, das Fieber zu verbannen. Keiner, der sie auf dem langen Weg durch die Nacht begleitete. Keiner, der ihnen versicherte: „Wir bewältigen gemeinsam den Tod.“ Keiner, der sie ermunterte, dass Hoffnung wäre, auch wenn keine bestand. Kein Tröster, als der Tod an die Tür klopfte. Keiner, der ihnen versprach: „Der Tod hat nicht das letzte Wort.“ Mit ihren letzten Atemzügen enteilte auch Leben.

Die Medizin kapitulierte. Retter suchten selbst Rettung. Helfer waren hilflos, auch wenn die Todkranken sich nicht mit dem Todesurteil abfanden. Ihr Lebenswille war nicht erloschen. Mit der Angst vor dem Verrinnen der Zeit und dem Schlaf, welcher der Letzte sein konnte, blieben sie allein.

Nicht jeder wird fromm, wenn es ans Sterben geht. Wer nicht an Unsterblichkeit glaubt, für den besteht sie nicht. Leben und Sterben sind ohne Gott, ohne Kirche denkbar. Dennoch hat jeder Ohren, um zu hören, was er vorher nicht hören wollte. „Etwas Besseres als den Tod findest du überall.“ Nachzulesen im Märchen „Die Bremer Stadtmusikanten“. Sterbenskranke Patienten wären froh gewesen, hätte das jemand gesagt. „Glücklich, wer stirbt, bevor er den Tod gerufen hat.“ Das schrieb der englische Philosoph Francis Bacon. Niemand hatte den Tod gerufen. Dass jedes Leben einzigartig ist und Sterblichkeit menschlich machen kann, wie Anthony Hopkins versichert, geriet zur Farce. Worin der Wert menschlichen Lebens liegt, konnte nicht beantwortet werden.

Geht uns das etwas an, oder sind Sterben und Tod Privatangelegenheit? Wenn Angehörige mit ihrer Trauer allein sein wollen oder das Trauern nicht gelernt haben, teilen sie es mit. „Die Beisetzung fand auf Wunsch des Verstorbenen in aller Stille statt.“ Hier war das nicht geplant.

Der Bundespräsident lud zur Gedenkfeier für Corona-Tote und ihre Angehörigen ein. „Innehalten, den Hinterbliebenen eine Stimme geben und in Würde Abschied nehmen.“ Eine evangelische Theologin betonte: „So, wie wir mit dem Tod umgehen, gehen wir mit dem Leben um.“ Wir müssen uns fragen: „Worauf kommt es mir, worauf kommt es anderen an?“ Die Bedrohung durch das Virus verdeutlicht unsere Vergänglichkeit und Verletzbarkeit. Krankheit, Sterben, und Tod lassen sich nicht verleugnen, nicht nur bei Alten und Kranken, sondern bei jedem. Das Leben ist keine Dauerleihgabe.

Abschied

eben war ich bei ihr

sie isst nicht mehr

sie spricht nicht mehr

aber sie lebt

Totenstille im Zimmer wie im Winter

gelbes Abendlicht

die Straße wie tot

ich nahm ihre Hand

sie nahm meine Hand

Licht in den Bäumen

sie leuchten

sie sind nicht tot

sie leben

Abschied nehmen

loslassen

Licht in den Bäumen

der Winter ist kalt

ein Leuchten bleibt

Sterben ist Leben

sie lebt

Neue Engel braucht das Land

„Freut euch.“ „Gaudete.“ „Der Herr ist nahe.“ In der Liturgie der Katholischen Kirche wird mit diesem Ruf der Dritte Adventssonntag bezeichnet. Keine fröhliche Stimmung ist gemeint. Wer sich auf Gott einlässt, dem wird Heil und Friede zugesichert. Haben wir nichts zu befürchten?

Der Roman „Die Königin der Berge“ von Daniel Wisser ist eine Tragikomödie über die „Krankheit zum Tod“. Der Tod als Menschenfreund. Ein an Multipler Sklerose im Endstadium Erkrankter erlebt seine letzten Tage im Pflegeheim. Er fährt im Rollstuhl zur Cafeteria und ins Einkaufszentrum und wartet gelassen auf das, was kommt.

Zeiten zum Fürchten liegen hinter uns. Erschöpfte Ärzte und Pfleger hatten Angst vor ihrem nächsten Dienst. Hilflose Menschen an Beatmungsgeräten in seelisch-körperlicher Not. Wenn „Markt und Straßen verlassen stehen“, wie Joseph von Eichendorff es beschrieb, wenn Menschen einander fremd wurden, hilft ihnen kein utopisches Versprechen.Wege, die nicht gangbar erschienen, müssen gegangen werden. Auch an kleinen Brunnen löscht man den Durst.

„Wir tun, was nötig ist, solange es nötig ist.“ Das verspricht ein Werbe-Slogan. Uns wird nur ein einziges Leben geschenkt. Damit es gelingt, sind wir dankbar für Zuspruch und Hilfe. Nicht von Menschen aus den Glitzer- und Glamourwelten. Nicht von Helfern, die sich als Wohltäter preisen, dann aber untertauchen, wenn es konkret wird. Nicht alle erinnern sich an das, was sie versprochen haben. Wieder andere bieten ihre Hilfe an, verirren sich aber im Paragrafen-Labyrinth aus Angst, etwas falsch machen zu können.

Gefragt sind Menschen, die wenig reden, sich aber Herausforderungen stellen. Gefragt sind jene, die keine Rezepte für alle Lebenslagen zur Hand haben, aber Wege zeigen, die weiterführen könnten. Gefragt sind Leute, die nicht in Geschichtsbüchern nach Lösungen suchen, sondern die Gegenwart abklopfen. Albert Camus erinnert an den Sisyphos-Mythos: Ein Klotz, den man den Berg hinaufgeschafft hat, kann wieder herunterrollen. Man sollte daher nicht so hoch steigen, dass man nicht wieder zurückfindet. Man sollte nichts versprechen, was man nicht einhalten kann.

Der Barock-Dichter „Angelus Silesius“, „Schlesischer Engel“ Johann Scheffler, hinterließ uns das Lied „Morgenstern der finstern Nacht, der die Welt voll Freuden macht“. Neue Engel braucht das Land. Nicht Engel, die aus den Weihnachtstagen übrig geblieben sind. „Man muss in den Himmel gehen, um Engel zu finden.“ Eine polnische Redewendung. Nein, jeder kann Engel werden. Weihnachtsengel haben nach den Feiertagen Dienstschluss.

Sehnsucht nach guten Nachrichten

Wenn Nachrichten in einer geschwätzigen Gesellschaft von Negativ-Meldungen dominiert werden, kann sich Überdruss regen. Auf die düsteren Prophezeiungen von Dauer-Schwarzsehern höre ich nicht hin, vor allem dann, wenn ihre Hiobsbotschaften im Rausch der Worte zu Verschleißartikeln werden. Eine Hundertstelsekunde war jemand zu langsam und verpasste die Goldmedaille. Dass er in einem erlesenen Feld Zweiter wurde, ist nicht von Belang.

Positive Visionen sollten nicht verdrängt werden von Negativ-Schlagzeilen. Vier Tage lang feierte man in Großbritannien das siebzigjährige Thronjubiläum der inzwischen verstorbenen Königin Elizabeth. Ich will nicht überschwemmt werden von sensationsträchtigen Szenarien, die möglichst viele Zuhörer und Zuschauer erreichen sollen. Sechshundert Jahre vor der jetzigen Zeitrechnung warnte das alttestamentliche Buch „Zefanja“ vor dem Weltuntergang. Gott werde alles von der Erde wegraffen und die Schöpfung vernichten. Um es zu verhindern, müssten die Menschen umkehren und nach Gerechtigkeit streben. Ob sie es befolgten?

Die Welt besteht noch, trotz Rekord-Dürren und sonstigem Unheil. „Schlechte Nachrichten gehen um die Welt und fallen auf fruchtbaren Boden. Gute Nachrichten erreichen kaum den Nachbarn. Weil sie nicht erwähnenswert, nicht merk-würdig sind? Man stimmt ins Lamento ein, als steuere die Welt spätestens morgen auf eine Katastrophe zu. Nachrichtensprecher beginnen mit „Guten Abend“ und teilen nach fünfzehn Minuten mit, es sei kein guter Abend, monierte Rudi Carrell. Für Pessimisten bestehe immer Luft nach unten, weiß ein Sprichwort. Mühsal, Krankheiten und Laster, die der mit Übeln angefüllten Büchse der Pandora entweichen, finden größere Aufmerksamkeit als die Hoffnung, die unter dem Bösen verborgen liegt.

Dem Negativ-Trend schließe ich mich nicht an. Es gibt gute Nachrichten, und ich bin dankbar, wenn sie gute Laune verbreiten. „Freunde, die man um vier Uhr früh anrufen darf, sind Freunde.“ Marlene Dietrich hat das wohl erlebt. Das im Leben Wichtige wäre unter einem Berg täglichen Kleinkrams verborgen, schrieb eine Lyrikerin. Es wäre lohnend, den darüberliegenden Berg abzutragen.

Ich gehe auf Schatzsuche. „Wer singen will, findet ein Lied.“ Wer einen Schatz liegen lässt in der Hoffnung, Wertvolleres zu finden, könnte in Warteschleifen enden. „Ein einfacher Zweig ist dem Vogel lieber als ein goldener Käfig.“

Die Orgelbauerin

„Sie ist offen und selbstsicher. Sie kommt zu Ihnen.“ Ihre Mutter sagte das. Sagt man nicht, Autisten würden sich verschließen und nicht auf Menschen zugehen? Wird nicht unterstellt, sie würden nicht zuhören, andere ignorieren und in einer Sonderwelt leben?

Eine sympathische junge Frau stellte sich vor. Sie verstehe nicht, wenn andere sie nicht so akzeptierten, wie sie sei, begann sie das Gespräch. „Manchmal verhalte ich mich anders als andere.“ „Belastet Sie das?“ „Nein.“ Sie verbirgt nicht ihr „Anders-Sein“, sondern sieht Vorteile darin. Sie verspürt keinen Anpassungsdruck. Sie muss nicht begründen, was sie kann oder nicht kann. Darüber, wer die Gleichere unter Gleichen ist, denkt sie nicht nach. Eine am Ideal der Gleichheit orientierte Welt interessiert sie nicht. Sie ist keine „Gleiche“ und will es nicht sein.

Sie ist musikalisch begabt. Über Fingergriffe bei Keyboard und Gitarre führte ihr Weg zum Klavier, vom Klavier zur Orgel, vorerst zum Orgelbau. Arp Schnitger, berühmter Orgelbauer der Barockzeit, würde ihre Begeisterungsfähigkeit schätzen. Organisten schätzen sich glücklich, wenn sie auf einer Schnitger-Orgel spielen dürfen. Sie absolvierte eine Orgelbau-Lehre, bestand ihre Prüfungen, ist Gesellin. Stolz zeigt sie mir ihr Gesellenstück, eine bespielbare, kleine Orgel. Sie ist kein scheues Reh. Zusammen mit einem Kollegen restaurierte sie eine Orgel. 3500 Orgelpfeifen und 52 Register waren zu prüfen. Sie benötigten drei Tage, um das Hauptwerk auszubauen. Als Arbeitsmittel diente ein Kompressor, um Öffnungen ausblasen und schwer zugängliche Teile säubern zu können. Wenn sich wegen unzureichender Belüftung Schimmel gebildet hatte, wurde Schmierseife verwendet.

„Toll“, sagt sie. „Toll“, bestätige ich. Es ist gut, dass wir uns durch unterschiedliche Anlagen und Verhaltensweisen auszeichnen. Damit ergänzen wir einander. Wenn alle mit ihren Gaben und Grenzen in der weithin standardisierten Welt einen Platz finden, profitieren auch alle davon.

Es war kein geradlinig verlaufener Weg, den sie hinter sich hat. Begleitet und behütet wurde und wird sie von Familie, Freunden, Bekannten. Die Orgelbauerin ist eine selbständige Frau geworden, die im eigenen Leben angekommen ist. In einer männlich dominierten Welt ist sie „Frau Orgelbauerin“. Sie ist bescheiden und hat keinen falschen Ehrgeiz. Sie muss nicht im Fokus stehen, nicht zuerst auftrumpfen und schließlich klein beigeben.

Man wird von ihr hören.

Ich wollte mit Lena telefonieren

Ich habe die richtige Nummer gewählt, lande aber im Nirwana der Warteschleifen. Nicht die Dame aus dem Vorzimmer antwortet, sondern eine Stimme. „Sie haben richtig gewählt.“ Dankbar warte ich darauf, mit Lena verbunden zu werden. Ich möchte erfahren, ob Seiten aus ihrem Buch, wie behauptet wird, aus Zeitschriften und Trivialliteratur kopiert wurden,