Neun Chancen für die Liebe - Kasie West - E-Book
SONDERANGEBOT

Neun Chancen für die Liebe E-Book

Kasie West

0,0
9,99 €
Niedrigster Preis in 30 Tagen: 3,99 €

oder
-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Die perfekte Liebesgeschichte, die alles andere als perfekt beginnt! Luftig-leicht und bezaubernd witzig. Sophie träumt davon, nach der Schule in New York Design zu studieren. Doch vorerst jobbt sie bei der Floristin, die jedes Fest in ihrem Heimatstädtchen mit Blumen schmückt. Sophie kennt alle, die hier feiern. Bis sie beim Valentinsdinner im Seniorenheim dem arroganten Andrew begegnet – und das nicht zum letzten Mal. Denn Andrews Vater, ein TV-Koch, unterstützt ein Jahr lang das lokale Catering-Business. Jedes größere Event ist also quasi ein Date! Und Andrew hält sich für unwiderstehlich, Sophie kann gar nicht anders, als ständig mit ihm zu streiten. Auf Hochzeiten, Grillpartys, der Silvesterfeier … So lustig, frisch und hinreißend romantisch wie »PS: Ich mag dich« und »Vier Hochzeiten und ein Todesfall«.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Kasie West: Neun Chancen für die Liebe

Aus dem Englischen von Jennifer Michalski

Die perfekte Liebesgeschichte, die alles andere als perfekt beginnt!

Sophie träumt davon, nach der Schule in New York Design zu studieren. Doch vorerst jobbt sie bei der Floristin, die jedes Fest in ihrem Heimatstädtchen mit Blumen schmückt. Sophie kennt alle, die hier feiern. Bis sie beim Valentinsdinner im Seniorenheim dem arroganten Andrew begegnet – und das nicht zum letzten Mal. Denn Andrews Vater, ein TV-Koch, unterstützt ein Jahr lang das lokale Catering-Business. Jedes größere Event ist also quasi ein Date! Und Andrew hält sich für unwiderstehlich, Sophie kann gar nicht anders, als ständig mit ihm zu streiten. Auf Hochzeiten, Grillpartys, der Silvesterfeier …

Wohin soll es gehen?

  Buch lesen

  Viten

 

Für meinen bezaubernden Brautstrauß – den meinEhemann weggeschmissen hat.»Die Blumen waren tot!«

R.I.P.

ValentinstagDinner im Seniorenheim

TULPE

Tulpen sind Zwiebelpflanzen und blühen im Frühjahr, trotzdem hat sich eines Tages jemand gedacht, »Hey, wir könnten sie doch zu Valentinstag verkaufen«. Ganz offensichtlich finden das alle gut. Tulpen sind zwar nicht so beliebt wie Rosen, dafür aber günstiger. Und darum sind sie beim Seniorenheim auch so heiß begehrt.

Kapitel 1

Die Cafeteria bot einen spektakulären Anblick in Rosa und Rot. Als hätte Hello Kitty sie höchstpersönlich zu diesem Anlass geschmückt. Mein Beitrag zur Feier waren die Blumen, die überall auf den Tischen standen.

Ich ging um einen dieser Tische herum und versuchte herauszufinden, warum der Strauß in der Mitte so komisch aussah – mal ganz abgesehen von der Vase, die mit glänzendem, farbigem Zellophanpapier umwickelt und mit rosa Herzen verziert war. Am liebsten hätte ich beides verschwinden lassen. So ein Bund aus dicken Tulpenstängeln wäre ein toller Hingucker, und ein bisschen mehr Grün hätte der Optik auch nicht geschadet, aber das war nicht meine Entscheidung. Meine Chefin hatte das Zellophan ausgewählt. Als wären das rote Herzchen-Konfetti auf den Tischtüchern und die rosa und roten Luftballonherzen an den Stühlen noch nicht genug. Doch wie immer, wenn ich einen Vorschlag machte, hatte Caroline erklärt: Mich musst du nicht überzeugen, Schätzchen. Wir machen das für die Kunden.

Sie hatte recht. Den Senioren gefiel das bestimmt. Und ehrlich gesagt lohnte es sich auch nicht, deswegen zu streiten. Für die Floristin der Stadt zu arbeiten war nie mein Traumjob gewesen. Aber Geld war nun einmal Geld, und ich brauchte es, wenn ich auf eine Designschule nach New York gehen wollte. Und das wollte ich. Mehr als alles andere.

»Ha! Erwischt.« Eine der rosafarbenen Tulpen harmonierte nicht mit dem Rest des Arrangements, also zog ich sie heraus und tauschte sie mit der roten daneben. »Viel besser.« Beim Anblick der Blumen tauchte ein Bild vor meinem inneren Auge auf, von Mädchen in bunten Sommerkleidern, die durch ein Tulpenfeld liefen.

Caroline kam mit der nächsten Traube Ballons in die Cafeteria. »Sophie. Die Blumen sehen ja fantastisch aus.«

Ich blinzelte und die Mädchen mit ihren Kleidern verschwanden. »Danke.«

Bei Jederzeit handelte es sich eigentlich um einen Blumenladen. Aber da unsere Stadt so klein war, übernahm Caroline nebenbei auch die Rolle einer Eventmanagerin. Wenn die Leute zu ihr ins Geschäft kamen, um Blumendekorationen zu bestellen, verließen sie es nicht selten mit einem komplett ausgeklügelten Veranstaltungsplan. Sie würde es sogar schaffen, Bienen Honig zu verkaufen, pflegte Caroline von sich selbst zu sagen.

»Warst du gerade noch draußen beim Transporter?«, fragte sie mich nun.

»Nein, ich bin jetzt schon länger hier.«

»Kannst du mal nachgucken, ob ich die Gastgeschenke darin vergessen habe? Sie müssten in zwei Pappkartons sein.«

»Klar.« Ich wischte mir die Hände an der Schürze ab und sammelte Materialien und Eimer ein, um sie rauszutragen.

Draußen angekommen öffnete ich die Hintertüren des Transporters und hievte alles in den Laderaum. Dann entknotete ich meine Schürze und warf sie in eine Kiste. Die Gastgeschenke, von denen Caroline gesprochen hatte, konnte ich nirgends entdecken. Was mir jedoch sofort ins Auge fiel, war mein Rucksack, auf dem mein Designbuch lag. Es platzte aus allen Nähten und wurde von den Lederbändern nur noch dürftig zusammengehalten. Ich hatte es vorher in einem Moment der Inspiration hervorgeholt, um eine Idee zu Papier zu bringen, war aber von Caroline unterbrochen worden.

Ich nahm das Buch, löste die Bänder und überflog die Seiten, voll mit Zeichnungen, Stoffproben und gepressten Blättern. Bei einer Bluse, die ich kürzlich skizziert hatte, blieb ich hängen. Ich runzelte die Stirn. Was hatte ich mir dabei gedacht? Die schluderigen Linien wirkten wie flüchtiges Gekritzel und ich wünschte mir, wie so oft, ich könnte meinen Entwürfen mehr Zeit widmen. Schließlich wollte ich damit die Designschulen überzeugen. Denn ansonsten hatte ich leider keinerlei Erfahrungen vorzuweisen.

»Sophie!«

Ich drehte mich um. Micah, meine beste Freundin, kam aus dem Seniorenheim gestürmt.

Ich lächelte und stopfte das Buch zurück in den Rucksack. »Hey! Seit wann bist du denn hier?«

»Krass, deine Haare sind ja kurz!«

Ich zupfte an den fransigen Spitzen. Einen Tag zuvor hatte ich meine dunklen Haare auf Schulterlänge schneiden lassen und mich noch nicht ganz daran gewöhnt. »Hab ich doch gesagt, dass ich das vorhabe.«

»Ich weiß. Aber ich dachte, es wäre ein Scherz.«

Ein Scherz? »Es gefällt dir also nicht?«

»Was? Nein! Es sieht toll aus. Bringt deine Augen viel besser zur Geltung.«

»Danke.«

Micah trug ihre Kellnerkombi: weiße Bluse zu schwarzer Hose. Sie fummelte am Kragen ihres Oberteils herum, der sie offensichtlich störte.

»Lass mich die Bluse doch endlich ändern. Wetten, dass du dich direkt hundertmal wohler darin fühlst?« Ich zwickte sie in die Seite. »Und wenn ich schon dabei bin, könnte ich sie hier auch gleich noch ein bisschen enger machen …«

»Ja, klar.« Micah schlug meine Hand weg. »Dad wäre sicher begeistert, wenn du an seiner Dienstkleidung herumschnippelst.« Ihr Vater war Caterer. Der einzige in unserer Kleinstadt. Micah deutete auf ihre dichten schwarzen Locken, die aussahen, als wären sie vorher zu einem hohen Knoten zusammengebunden gewesen. Jetzt standen sie in alle Richtungen ab. »Apropos Arbeit – mein Haargummi ist gerissen.«

»Sieht süß aus. Lass es doch so.«

»Ja, genau. Weil Haare im Essen so appetitlich sind.«

»Du hast doch bestimmt noch ein zweites Zopfgummi in deiner Was-wäre-wenn-Truhe.« So nannte ich liebevoll ihre Plastikkiste mit den viereckigen Fächern, die sie im Kofferraum ihres Wagens aufbewahrte. Darin befand sich hauptsächlich Notfallzubehör für Haare, Make-up und Kleidung – aber nur, weil Dinge wie Warnfackeln und Halskrausen nicht hineinpassten.

»Mach dich nur lustig. Dir hat sie auch schon oft genug den Arsch gerettet«, erwiderte sie.

»Hast ja recht.« Ich folgte ihr zum Auto, wo sie die Kiste aus dem Kofferraum holte. »Ich frage mich immer, wofür diese Fächer ursprünglich mal gedacht waren. Für so Kleinteile wie Schrauben und Muttern vielleicht?«

»Für das hier, Sophie. Für das und nichts anderes.« Sie grinste und nahm sich ein neues Haargummi. »Brauchst du irgendwas?«

Ich betrachtete die Auswahl: Ohrringe, Nagellack, Wattestäbchen, Pflaster, Lipgloss. Alles hatte seinen Platz und war perfekt geordnet. Genau wie Micah sich ihr Leben vorstellte. »Nein, danke. Mir fehlt nichts.« Ich deutete mit einem Kopfnicken auf den Lieferwagen. »Eigentlich bin ich hier, um die Geschenktüten für die Gäste aus dem Transporter zu holen.«

»Und dafür musstest du erst was zeichnen?«

»Hab ich doch gar nicht!« Verlegen räusperte ich mich. »Ich hab mir nur eine Skizze angeguckt.«

»Aha, klar.« Sie schloss den Kofferraum und wir schlenderten zusammen zum Blumentransporter. »Wie liefs denn gestern Abend mit Kyle?«

Bei der Erwähnung seines Namens schlug mein Magen Purzelbäume. »Nicht so gut. Gunnar hat sich auf dem Rücksitz von Kyles Wagen versteckt. Als wir dann auf dem Weg waren, um etwas essen zu gehen, ist er nach fünf Minuten plötzlich aufgesprungen und hat uns einen Mordsschreck eingejagt.« Ich blickte finster drein, während ich an die Faxen meines Bruders dachte. »Kyle hätte seinen nagelneuen Mustang fast zu Schrott gefahren. Und dann hat er den Rest des Abends kein anderes Gesprächsthema mehr gehabt.«

Micah verzog das Gesicht. »Erste Dates sind halt schräg. Du solltest ihm eine zweite Chance geben.«

»Ich weiß ja nicht mal, ob er mir eine zweite Chance gibt.« Ich seufzte. »Wegen Gunnar hätte er sein ›Baby‹ beinahe demoliert. Das durfte ich mir den ganzen Abend anhören … immer und immer wieder.« Ich spähte in den Laderaum des Transporters und diesmal entdeckte ich die zwei Kartons. Sie standen hinter dem Beifahrersitz.

»Also ich würde dir noch eine Chance geben«, sagte Micah. »Außerdem finde ich, Gunnar ist ein echter Goldschatz.«

Das erinnerte mich an etwas. Ich zog mein Handy aus der Tasche und schickte meinem Bruder eine Nachricht: Sind deine Hausaufgaben schon fertig?

Ja. Willst du mal ne Spinne sehen? Da ist eine bei mir unterm Schrank.

Iiieh. Bloß nicht.

»Heißt das, das wars?«

»Was?« Ich richtete meine Aufmerksamkeit wieder auf Micah. Sie warf mir einen ungeduldigen Blick zu.

»Du willst Kyle nach einem Date schon abhaken? Das geht nicht. Laut Test passt ihr perfekt zusammen.« Nachdem Kyle mich letzte Woche gefragt hatte, ob ich etwas mit ihm unternehmen möchte, hatte Micah mich dazu gedrängt, so einen Kompatibilitätstest im Internet zu machen. Wir hatten uns bei jeder der Fragen kaputtgelacht.

Ich verdrehte die Augen. »Echt jetzt? An so was glaubst du?«

»Wenn es mir in die Karten spielt, ja.« Micah war der Ansicht, ich würde Jungs nie eine Chance geben. Ganz falsch lag sie damit nicht. Aber bei Kyle war das anders. Ich war seit Monaten ein bisschen in ihn verschossen. Und obwohl ich mir jedes noch so kleine Detail über seinen V8-Motor mit 435 PS hatte anhören müssen, war ich bereit einzusehen, dass erste Dates einen schon mal in die Irre führen konnten.

»Na gut, einmal versuch ich’s noch.«

Sie lächelte. »Geht doch. Ist er heute Abend auch da?«

»Kannst du dir seine Band auf einer Veranstaltung wie dieser vorstellen? Die alten Leute würden auf die Barrikaden gehen.«

»Ich meinte eigentlich, wegen seiner Großmutter. Wohnt die nicht mittlerweile hier in Willow Falls?«

»Echt? Letztes Jahr war sie nicht beim Valentinsdinner. Aber kann sein. Ich bin mir nur in einem Punkt sicher: Sein Auto wohnt nicht hier. Darüber weiß ich nämlich alles.«

»Habs kapiert.« Micah zupfte an dem Haargummi, um ihren Dutt zu überprüfen. »Okay, Süße. Ich geh besser wieder an die Arbeit.«

Sie hauchte einen Kuss in die Luft neben meine Wange und machte sich dann auf den Weg ins Gebäude. Ich ging um den Transporter herum und schob die Seitentür auf.

»Ach so …« Micah drehte sich noch einmal um. »Ich muss dir nachher unbedingt was erzählen. Das glaubst du mir nie!«

»Kannst du mir das nicht jetzt …?« Bevor ich den Satz beenden konnte, fiel die Tür hinter ihr ins Schloss.

Was würde ich ihr nicht glauben? Was Gutes oder was Schlechtes? Wie konnte sie nur? Sie wusste, dass mich das Warten in den Wahnsinn trieb.

Kapitel 2

Ich zog Carolines Kartons mit den Geschenktüten hervor – mit den noch leeren Geschenktüten. Na super. Da wusste ich ja, was ich heute Abend noch alles zu tun hatte. Ich stapelte die zwei Kisten übereinander und trug sie ins Gebäude.

Als ich gerade die Hälfte des Flurs durchquert hatte, rief mir jemand hinterher.

»Entschuldigung?«

Ich drehte mich um. Ein Junge in meinem Alter, in perfekt sitzenden Jeans, pastellfarbenem Hemd und maßgeschneidertem Sportsakko, grinste mich an. Er sah gut aus und kam eindeutig nicht von hier. Ein Stadtmensch.

Ich schenkte ihm ein höfliches Lächeln. Hoffentlich hielt er mich nicht allzu lang auf. »Die Veranstaltung fängt erst in fünfzehn Minuten an«, informierte ich ihn. »Du kannst in der Eingangshalle warten. Da treffen sich alle Familien.«

Ich kannte sämtliche Schülerinnen und Schüler in unserer kleinen Stadt (sowie die meisten ihrer lebenden und toten Verwandten). Der Typ hier musste extra für diesen Anlass von irgendwo auswärts gekommen sein. Ich versuchte, ihn einem der Senioren zuzuordnen – Betty oder Carl oder Leo oder …

»Du bist nicht von hier«, sagte er und sprach damit meinen Gedanken aus.

Ich schob die Kartons in meinen Armen zurecht. Sie waren zwar nicht schwer, dafür aber sperrig. »Wie bitte?«

»Du bist nicht aus Rockside.«

»Doch. Ich bin hier geboren und aufgewachsen.«

»Ah. Deinen Südstaatenakzent habe ich gerade gar nicht bemerkt.«

Triumphierend richtete ich mich auf. Ich hatte hart daran gearbeitet, dass man ihn nicht mehr so heraushörte. Wenn ich aufs College ging, wollte ich damit nicht negativ auffallen.

Der Typ machte ein paar Schritte in meine Richtung und holte etwas hinter dem Rücken hervor. Eine rosa Tulpe. »Hübsche Mädels brauchen hübsche Geschenke.«

War das sein Ernst? Stirnrunzelnd fragte ich mich, was ich von einer so plump-romantischen Geste halten sollte. So war sie schließlich gemeint. Oder?

Ich senkte den Blick auf die Kartons, manövrierte sie umständlich zur Seite, sodass sie auf meiner Hüfte landeten, und streckte die frei gewordene Hand nach der Blume aus. Dann entdeckte ich einen feinen grünen Draht um den Stängel, der verhindern sollte, dass der Blütenkelch abknickte.

Ich stutzte. »Wo hast du die her?«

Die Frage schien ihn zu verwirren und sein Lächeln bröckelte, aber er überspielte das Ganze mit: »Es zählt nicht, woher sie kommt, sondern wohin sie geht.« Noch entschlossener als zuvor hielt er mir die Blume entgegen.

Ich stellte die Kartons auf den Boden, um die Tulpe genauer in Augenschein zu nehmen. Wie erwartet sah der Draht genauso aus wie der, den ich heute Morgen um über hundert Tulpen gewickelt hatte. Dafür hatte ich viele wertvolle Stunden meines Lebens geopfert.

»Ist die aus einer der Vasen in der Cafeteria?«, fragte ich ungläubig.

Er nickte. »Ja, ich habe sie aus ihrem rosa Gefängnis befreit. Sie wirkt jetzt schon viel glücklicher. Die Deko da drin ist echt übertrieben.«

Mir klappte die Kinnlade herunter.

»Keine Sorge. Da waren noch hundert andere. Wird schon niemand merken.«

»Keine Sorge?« Ich drehte mich abrupt um und marschierte zur Cafeteria.

»Irgendwie habe ich das Gefühl, was Falsches gesagt zu haben«, erklärte Mr Oberschlau hinter mir. Oder sollte ich ihn lieber Mr Kackendreist nennen? Ein Doppelname wäre auch nicht verkehrt. Passen tat beides.

Ich stellte mich in die Tür und ließ den Blick über die dekorierten Tische schweifen.

»Du willst mir doch nicht erzählen, dass du erkennen kannst, in welcher Vase ich diese Blume gefunden habe?«

»Gefunden? Da kannst du Gift drauf nehmen. Ich werde dir ganz genau sagen, aus welcher Vase du diese Blume geklaut hast. Ich habe nämlich die letzten acht Stunden nichts anderes gemacht, als jeden einzelnen Strauß sorgfältig zusammenzustellen.«

Er hüstelte. »Ups. Habe ich gerade ›übertrieben‹ gesagt? Was ich meinte, war … äh … überzeugend.«

Ich verdrehte die Augen.

Er schielte in meine Richtung, als versuchte er, mich einzuschätzen. Ich trug eine seidig grüne Bluse zu einem knielangen Rock mit Blumenmuster. Mein Event-Outfit. Aber auch außerhalb der Arbeit bevorzugte ich fröhliche Farben und einen klassischen Look.

»Diese Blumendeko ist gar nicht dein Stil«, erklärte er bestimmt. »Warum regst du dich so auf?«

Ich schaute ihn finster an. »Das kannst du doch überhaupt nicht beurteilen.«

Er zuckte mit den Schultern, als wäre er da anderer Meinung. »Trotzdem glaube ich nicht, dass du mir sagen kannst, aus welcher Vase ich die Tulpe habe.«

»Verlass dich drauf.«

»Ohne die Blumen zu zählen?«

»Willst du jetzt auch noch Regeln für dieses blöde Spiel aufstellen?«

»Jep!«, sagte er selbstgefällig. »Wenn dir nicht ohne Weiteres auffällt, dass irgendwo eine Blume fehlt, merkt es auch sonst keiner, und dann musst du mein Geschenk annehmen.«

»Kann man etwas Geklautes wirklich als Geschenk bezeichnen?« Ich lief um die Tische herum.

»Also, was ist? Abgemacht?«

Leos Enkel hatte echt Nerven. Oder war er Johns Enkel? John war bekannt für seine herrische Art. Allerdings hätte ich schwören können, dass ich alle seine Enkel letzten Sommer auf dem Grillfest kennengelernt hatte, das die Stadt alljährlich am Unabhängigkeitstag ausrichtete. »Und wenn ich gewinne?«, fragte ich.

Sein Mund verzog sich zu einem schiefen Grinsen. »Wenn du gewinnst, bin ich dir einen Strauß Blumen schuldig – für den ich selbstverständlich zahle.«

»Einen Strauß, den ich selbst gestalte.«

»Nur, wenn keine Folie dran ist.«

Ich kniff die Augen zusammen und funkelte ihn an. »Das nennt sich Zellophan. Aber okay.«

»Irgendwie hab ich das Gefühl, das wird teuer für mich.«

Seinem Aussehen und Auftreten nach zu urteilen, konnte er sich das locker leisten. »Und ich habe irgendwie das Gefühl, du hast den Diebstahl so einiger Blumen wiedergutzumachen.«

Da er nicht widersprach, ging ich davon aus, dass ich ins Schwarze getroffen hatte. Ich war also nicht das erste Mädchen, das er spontan mit einer Blume zu beeindrucken versuchte. Ich löste den Blick von dem arroganten Schnösel und konzentrierte mich wieder auf den Tischschmuck. Ich brauchte nicht lang, um das betroffene Arrangement ausfindig zu machen. Er hatte die Blume rechts weggenommen und dadurch alles völlig aus dem Gleichgewicht gebracht. Ich seufzte, steuerte auf den entsprechenden Tisch zu und steckte die Tulpe zurück an ihren rechtmäßigen Platz.

»Meine Lieblingsblumen sind orangefarbene Callalilien«, sagte ich und wandte mich zur Tür.

»Hast du mich vorhin beobachtet?«, fragte er, als ich an ihm vorbeilief. »Wusstest du es deshalb?«

»Nein. Ich hab dir doch schon gesagt, dass ich das Ganze gestaltet habe. Es war nicht zu übersehen.«

»Okay. Wow! Ich bin beeindruckt.«

»Brauchst du nicht sein. Aber lass beim nächsten Mal die Finger von meinen Blumen – das meine ich ernst.« Noch während er mich anstarrte, ließ ich ihn in der Cafeteria stehen.

Im Flur zog ich mein Smartphone hervor und schickte Micah eine Nachricht: Achtung, Achtung: Dreister Besucher macht Pflegeheim unsicher. Kontaktaufnahme auf eigene Gefahr!

Im nächsten Moment bog eine Kolonne von Rollstuhlfahrern um die Ecke und versperrte mir den Weg. Es waren Bewohner, die von ihren Pflegern in die Eingangshalle geschoben wurden.

»Sophie«, rief Mr Washington, als er an mir vorbeikam. Seine Pflegerin Kayla hielt an. »Ich glaube, meine Frau hatte auch mal so einen Rock.«

»Ist das ein Kompliment oder nur eine Feststellung, Mr W.?«, fragte ich.

»Ein Kompliment natürlich, Miss Sophie. Sie sehen umwerfend aus.«

»Vielen Dank.«

»Wissen Sie, wie man eine Fliege bindet?« Er hielt einen hellroten Stoffstreifen in die Höhe.

»Na klar.«

»Könnten Sie einem alten Mann mit Arthritis kurz behilflich sein?«

»Selbstverständlich.« Ich trat vor und legte ihm das Band um den Hals.

»Meine Pflegerin weiß nicht, wie man das macht«, sagte er, als sollte jeder Mensch diese Fähigkeit besitzen.

»Schuldig«, gab Kayla zu. »Woher weißt du denn, wie es geht, Sophie? Hier in der Stadt gibt es doch keine eleganten Anlässe, wo man so was braucht.«

»Als ich so zehn war, habe ich mir ein paar YouTube-Videos angeguckt und es an meinen Puppen geübt«, erwiderte ich und machte einen Knoten. »Meine Mom war nicht besonders begeistert von meiner neuen Fingerfertigkeit, ich habe dafür nämlich einen meiner Röcke zerschnitten.«

»Wie lustig! Ich hab ganz vergessen, dass du dich ja für Mode interessierst«, sagte Kayla. »Du wolltest auf eine Designschule oder so, richtig?«

Bei ihr klang es, als wäre es nur so eine Idee, nicht das, woran mein ganzes Herz hing. »Ja.«

»Haben Sie sich für mein Stipendium beworben?«, fragte Mr Washington. »Sie machen doch nächstes Jahr Ihren Schulabschluss?«

Ich zog die Fliege fest und trat zurück. »Ja, genau. Aber Sie haben die Bedingungen für Ihr Stipendium nicht geändert, oder? Ich dachte, es wäre nur für Leute, die hier in Alabama studieren wollen.« Mr Washington war ein absoluter Alabama-Fan und bestach schon seit über zwanzig Jahren Schulabgänger vor Ort, damit sie die hiesigen Colleges bevölkerten.

»Das stimmt.«

»Ich möchte aber nach New York.«

Die Falten auf Mr Washingtons Stirn vertieften sich. »Ihre Mutter erzählte mir, das könnten Sie sich nicht leisten.«

»Ich spare dafür, und mein Dad will mich unterstützen.«

Er musste den Trotz in meiner Stimme gehört haben. »Das ist gut, aber es kann nicht schaden, wenn Sie sich bewerben. Es geht doch nichts über einen Plan B.«

Meine Mom sagte das auch ständig: Plan B. Sie hatte mein Vorhaben zum Scheitern verurteilt, bevor ich es überhaupt versucht hatte.

Ich nickte. »Ich denke darüber nach.« Und zwar würde ich lang und breit darüber nachdenken, wie genau das nicht passierte. Es dauerte nur noch eineinhalb Jahre, dann würden alle meine Träume in Erfüllung gehen.

Kapitel 3

Als ich die Kisten mit den noch ungepackten Gastgeschenken in die Cafeteria brachte, war Mr Oberschlau verschwunden. Ein Glück! Aber Caroline war da und machte sich gerade an Lautsprechern zu schaffen, die sie neben zwei großen Topfpflanzen aufgestellt hatte.

»Ach, super!«, sagte sie und kam zu mir. »Ich dachte schon, ich hätte sie zu Hause vergessen.« Sie lugte in den obersten Karton auf meinem Arm. »Sind die nicht niedlich?« Sie holte eine Zellophantüte mit kleinen roten Herzen heraus. »Passend zur Tischdeko!«

»Ja. Nett«, erwiderte ich in möglichst glaubhaftem Tonfall.

»Wenn du einfach jede mit einer Handvoll von dem rosa Ziergras und ein paar von diesen Schokoladenherzen füllst, haben wir perfekte Mitnehmsel für die Gäste. Irgendwo da drin müssten auch Bänder liegen, mit denen du die Tüten zuschnüren kannst.« Sie sah sich prüfend um, dann stemmte sie die Hände in die Hüften. »Aber hier kannst du die Tüten nicht packen. Das wäre unprofessionell. Meinst du, du findest ein anderes Plätzchen dafür?«

»Ich könnte in die Küche gehen«, antwortete ich. »Mr Williams hat bestimmt nichts dagegen, wenn ich einen Teil der Arbeitsfläche belege.«

»Hm. Ich weiß nicht, ob das heute so eine gute Idee ist.«

»Warum denn nicht?«

Sie schaute auf ihre Armbanduhr. »Oh. Es ist fast so weit. Bring die Kisten einfach in den Abstellraum, du kannst dich später darum kümmern. Jetzt siehst du erst mal in der Eingangshalle nach, ob schon alle Gäste eingetroffen sind. Falls ja, kannst du sie reinschicken.«

»Okay.« Ich schleppte die Kartons in den Abstellraum neben der Küche und schob sie unter das unterste Regalbrett. Dann machte ich mich auf den Weg nach vorne. Im gesamten Eingangsbereich und noch ein Stückchen den Flur hinunter standen die Familienmitglieder und plauderten miteinander.

»Guten Abend!« Obwohl ich mir Mühe gab, das Stimmengewirr zu übertönen, tat sich nichts. Neugierig ließ ich den Blick über die Besucher schweifen. Zu welcher Familie Mr Oberschlau wohl gehörte? Allerdings konnte ich ihn nirgends entdecken. Stattdessen sah ich Kyle neben seiner Großmutter. Sie war also doch irgendwann im Laufe des letzten Jahres ins Seniorenheim gezogen.

Zu seinem Hemd und seiner Jeans trug Kyle eine Krawatte, die er bereits gelockert hatte. Sein blondes Haar fiel ihm unordentlich in die Stirn, wie immer. Als er mich anlächelte, lächelte ich zurück. Meine Wangen fingen an zu glühen. Vielleicht hatte mein Bruder ja doch nicht alles vermasselt.

Dann ertönte ein lauter Pfiff von einer der Altenpflegerinnen. »Ruhe, Leute!«

Ich richtete meine Aufmerksamkeit wieder auf die Gäste. »Wie schön, dass Sie so gute Laune mitgebracht haben. Wenn alle da sind, möchte ich Sie nun ganz herzlich zu unserem Valentinsdinner begrüßen. Bitte folgen Sie mir.«

Ich führte die Besucher durch den Flur und war mir nur allzu bewusst, dass Kyle mich wahrscheinlich beobachtete. Aber ich war hier, um zu arbeiten. Ablenkung konnte ich nicht gebrauchen.

Ruhige Musik drang aus den Lautsprechern in der Cafeteria. »Herzlich willkommen!«, empfing Caroline uns strahlend.

Ich hielt die Tür auf und die Leute strömten in den Saal. Bei seinem Anblick verfielen sie in lauter Ahs und Ohs. Caroline hatte recht gehabt: Den Gästen gefiel der grell geschmückte Raum.

Kyle war einer der Letzten, die eintraten. Er blieb neben mir stehen. »Ich wusste gar nicht, dass du auch hier bist.«

»Jederzeit war für die Blumen zuständig.«

»Jo, stimmt. Hätte ich auch selbst drauf kommen können.«

»Haben sie euch gar nicht wegen der Musik gefragt?«

Kyle und ich gingen nicht nur auf dieselbe Schule, sondern waren uns im letzten Jahr auch auf mehreren Events begegnet, seit ich bei Jederzeit angefangen hatte (nach einer Absage von Minnies Änderungsschneiderei – dem einzigen Geschäft in der Stadt, in dem ich wirklich gern gearbeitet hätte).

»Glaubst du, wir wären hier gut angekommen?« Grinsend nickte er mit dem Kopf in Richtung Lautsprecher. Kyles Band spielte hauptsächlich laute, schwer verständliche Songs. Trotzdem hatten sie Erfolg damit.

»Mag deine Grandma eure Musik etwa nicht?«

Er lachte und der Klang entlockte mir ein Lächeln.

»Bis später, Evans«, sagte er und gesellte sich zu seiner Großmutter an einen Tisch in der Mitte des Saals.

Als ich die Türen der Cafeteria gerade zuziehen wollte, kam ein Mann mit weißer Kochjacke und missmutigem Gesichtsausdruck aus der Küche. Er brummte etwas vor sich hin und marschierte wutschnaubend zum Ende des Flurs, wo er die Tür aufstieß und nach draußen trat. Irgendwie kam er mir bekannt vor, nur wusste ich nicht, warum. Hatte Mr Williams einen Assistenten eingestellt? Konnte er sich überhaupt einen leisten? Immerhin hatte er für größere Events schon Lance Ling angeheuert (einen Jungen, der mit Micah und mir zur Schule ging).

Plötzlich tauchte Micah neben mir auf. »Wo ist er hin?«

»Äh …« Ich wies in die entsprechende Richtung und sie sprintete dem flüchtenden Koch hinterher.

Wieder machte ich mich daran, die Türen zu schließen. Dann zögerte ich jedoch und warf einen Blick über die Schulter. Caroline unterhielt sich mit ein paar Gästen, und so folgte ich Micah.

Draußen tat ich, als müsste ich noch einmal zum Transporter. Nicht gerade ein diskreter Lauschangriff. Micah und der Mann mit der weißen Kochjacke standen auf dem Gehweg.

Micah redete beschwichtigend auf ihn ein. »Es ist eine große Ehre für ihn, dass Sie hier sind. Das wäre es für jeden. Immerhin sind Sie Jett Hart.«

Jett Hart? Ich unterdrückte einen Aufschrei und betrachtete ihn eingehend. Und ob er das war! Jett Hart, der Gastgeber von Hart am Herd – einer bekannten Kochsendung vom Food Network, die nun schon länger nicht mehr lief. Er sah viel älter aus, als ich ihn aus der Show in Erinnerung hatte, aber das war ja auch schon zehn Jahre her. Wo war er in der Zwischenzeit gewesen? Hier? In Alabama? Was hatte er bei unserem Valentinsdinner zu suchen? Woher kannte Micah ihn? Fragen über Fragen, auf die ich keine Antworten hatte.

»Gut erkannt«, erwiderte Jett mit gewichtiger Miene.

»Bitte kommen Sie wieder mit zurück«, sagte Micah. »Bestimmt wird er jetzt auf Sie hören. Er ist eben ein Gewohnheitstier.«

»Klingt nicht nach jemandem, der freiwillig Ratschläge annimmt.«

»Doch, das wird er«, versprach sie.

Ich merkte, dass ich stehen geblieben war und sie anstarrte. Schnell ging ich weiter in Richtung Transporter.

Als ich an den beiden vorbeikam, packte Micah mich am Arm und zog mich an ihre Seite. »Mr Hart, das ist Sophie Evans. Sie ist ein großer Fan von Ihnen.«

Das war gelogen. Als seine Show abgesetzt worden war, war ich gerade mal in der zweiten Klasse gewesen. In den Jahren darauf hatte ich mir gelegentlich ein paar Wiederholungen angesehen. Obwohl er ein begnadeter Koch war, war er vor allem herrschsüchtig, fies und arrogant. Aber ich wusste, dass Micah auf mich zählte. Ich fiel ihr nie in den Rücken.

»Ein Riesenfan, Sir«, sprudelte ich los. »Was Sie alles mit Fisch anstellen, ist wirklich beeindruckend.«

Micah stieß mir den Ellbogen in die Rippen und räusperte sich. »Die Häppchen müssten gleich fertig sein. Kommen Sie, wir gehen wieder rein. Nicht dass mein Dad sie noch anbrennen lässt.«

Das würde ihrem Vater nie passieren. Auch er war ein großartiger Koch. Klar, er war nicht berühmt oder so (nicht mal vor zehn Jahren), aber die Leute liebten sein Essen.

Jeff schnaubte und marschierte zurück zum Gebäude.

Ich hielt Micah am Arm fest, bevor sie ihm hinterherrennen konnte. »Was geht denn hier ab? Wieso sollte dein Dad die Häppchen anbrennen lassen? Die macht er doch seit Ewigkeiten selbst.«

»Weil es nicht seine sind, sondern Jetts.«

»Jett bereitet die Häppchen zu? Ausgerechnet für das Valentinsdinner im Altenheim wollt ihr was Neues ausprobieren? Bitte sag mir, es ist nichts total Ausgefallenes. Ohne Spaß, die Leute da drin waren beim Anblick der Herzchenluftballons schon völlig aus dem Häuschen.«

»Alles wird gut«, beruhigte sie mich. Ich merkte es immer, wenn Micahs sonst so sorgfältig organisiertes Leben nicht nach Plan lief und sie sich außerhalb ihrer Komfortzone bewegte. So wie jetzt. »Wird schon klappen.«

»Natürlich wird es das.« Da ich keine Ahnung hatte, was vor sich ging, war ich zwar nicht sicher, ob das stimmte, doch es war das Einzige, was sie gerade hören wollte. »Hat das etwas mit den Neuigkeiten zu tun, die du mir noch nicht erzählt hast?«, fragte ich.

»Ja, aber das erklär ich dir später. Jetzt muss ich erst mal Schiedsrichter spielen.«

»Okay. Viel Glück!« Ich lächelte ihr so aufmunternd zu, wie ich konnte, dann eilte sie zurück ins Gebäude.

Ich fasste es nicht. Jett Hart war hier, in Rockside, Alabama, wo völlig tote Hose herrschte. Vielleicht war das ein gutes Zeichen. Ein Zeichen dafür, dass bald mal etwas Aufregendes passieren würde. Doch mein Bauchgefühl vermittelte mir das genaue Gegenteil.

Kapitel 4

»Lass mich raten: Du hast Blumenbereitschaftsdienst«, sagte Mr Oberschlau, als ich die Cafeteria wieder betrat. Er stand neben der Punschschüssel, hielt sein Smartphone in der Hand und beobachtete die Leute.

Ich füllte die Servietten auf. »Mir ist zu Ohren gekommen, dass ein Blumendieb sein Unwesen treibt, von daher …«

Er grinste verschmitzt.

»Langeweile?«, fragte ich.

»Wie kommst du denn darauf? Dieses Event ist hier doch bestimmt ein richtiges Jahreshighlight.«

Bevor ich meinem erneut aufflammenden Ärger Luft machen konnte, kam Micah mit einem Tablett Häppchen vorbei – ganz offensichtlich nicht verbrannt.

»Schnell«, flüsterte Micah. »Nimm dir eins.«

»Warum?« Ich beäugte die Platte. Darauf lag etwas Viereckiges (Brot?), beschmiert mit einem rot-weißen Dip und garniert mit einem kleinen grünen Zweig.

»Weil niemand sie probieren will. Ich finde sie gar nicht schlecht, aber vielleicht geht es nur mir so.«

Mr Oberschlau nahm eins und schob es sich komplett in den Mund.

Währenddessen musterte ich Jetts Kreationen. Ich hegte jetzt schon einen leisen Groll gegen den Kerl, der meine Freundin so stresste.

»Ich wusste, dass das hier der falsche Anlass ist, um herumzuexperimentieren«, sagte ich zu Micah. »Würstchen im Schlafrock oder diese hammergeilen Mac-and-Cheese-Bällchen von deinem Dad, das ist es, was die Leute wollen. Nicht diesen ausgefallenen Mist von irgendeinem gescheiterten Promikoch.«

»Äh …«, fing Micah an.

»Was denn?«, fragte ich und versuchte, ihr weiter gut zuzureden. »Dein Dad ist genial. Er braucht keine Hilfe von diesem abgehalfterten Wichtigtuer. Was will Jett Hart überhaupt hier? Er ist bestimmt nicht ohne Grund von der Bildfläche verschwunden. Und wenn es nicht an seiner arroganten Art oder seinem mangelnden Anstand in der Show lag, hängt es vermutlich mit diesen … Dingern zusammen, die angeblich Häppchen sein sollen.« Ich griff nach einem der essbaren, Augenkrebs verursachenden Rechtecke und schnupperte daran. Roch gar nicht so übel. Dann probierte ich. Es zerging auf der Zunge und kitzelte sämtliche Geschmacksnerven wach.

Mr Oberschlau räusperte sich. »Genau genommen ist er von der Bildfläche verschwunden, weil er ein ungestörteres Familienleben haben wollte. Und um Gastronomen mit kleinen Betrieben dabei zu helfen, Schwierigkeiten zu überwinden und sich eine sichere Einkommensgrundlage zu schaffen. Aber es gibt natürlich Leute, die so etwas als gescheitert bezeichnen.« Er nickte kurz, nahm Micah das Tablett ab und rauschte mit den Worten »Lass mich mal« davon.

Ich stand da und gab mir alle Mühe, mich nicht an dem Häppchen zu verschlucken.

»Ich dachte, du wüsstest, wer er ist«, zischte Micah.

»Woher soll ich das denn wissen? Ich habe keine Ahnung! Aber wahrscheinlich ist er irgendwie mit Jett verwandt.«

»Er ist sein Sohn«, sagte Micah. »Andrew Hart.«

Oh.

»Ich bin so blöd.«

»Ja, ein bisschen vielleicht.«

Ich gab ihr einen Klaps auf den Arm. »Das ist alles deine Schuld. Warum hast du mir nicht vorher erzählt, was los ist – was auch immer es ist. Ich bin ja nicht eingeweiht!«

»Ich weiß es doch auch erst seit gestern Abend«, gab Micah zurück. »Ich wollte dich halt nicht mit irgendwelchen Nachrichten vollspammen und dich von deinem Date ablenken.«

Ich sah mich nach Kyle um, der zum Glück bei seiner Großmutter am Tisch saß.

»Mein Dad hat sich bei Jett Hart beworben«, fuhr Micah fort. »Jett bietet kleinen Gastronomiebetrieben seine Unterstützung an, und am Ende darf man seinen Namen zu Werbezwecken nutzen.«

»Sophie!«, rief Caroline und winkte mich zu sich. Bei einigen Ballons schien sich der Knoten gelöst zu haben. »Kannst du mal kommen?«

Ich folgte ihrer Aufforderung, warf Micah aber noch einen Blick zu. »Ich will nachher alle Details wissen.«

»Klar doch! Jetzt sollte ich mir allerdings besser mal bei Andrew abgucken, wie man diese Häppchen unter die Leute bringt. Die Hälfte ist schon weg.«

»Andrew Hart«, murmelte ich. Allein beim Gedanken an ihn war ich genervt. Aber wenigstens musste ich ihn nach heute Abend nicht mehr wiedersehen.

»Ein Jahr? Ein ganzes Jahr?«, rief ich aus.

»Pst.« Micah kratzte die Essensreste von den Tellern und sortierte das Geschirr dann in Körbe, die später in die Gastro-Spülmaschine kamen. Ich stand daneben an einer der Arbeitsflächen und konnte endlich die Gastgeschenke fertig machen.

Ich schaute mich um. Außer uns war niemand in der Küche. Mr Williams und Jett drehten gerade eine Runde durch die Cafeteria, um sich das Feedback der Gäste anzuhören. Wahrscheinlich prasselten massenweise Beschwerden auf sie ein, weil Micahs Dad den Besuchern nicht sein bekanntes Kartoffelpüree, sondern Rucola mit Balsamico-Dressing vorgesetzt hatte.

»So sieht es das Programm vor«, erklärte Micah beschwichtigend. »Er begleitet meinen Dad ein Jahr lang, erst danach dürfen wir mit Jetts Namen werben.«

»Hat sein Name überhaupt noch irgendeinen Einfluss?«, fragte ich mit gesenkter Stimme.

»Du wärst überrascht«, entgegnete sie.

Ich griff nach einem Büschel rosa Ziergras und verteilte es in einer der Geschenktüten. »Aber was hat Jett davon?«

»Ich glaube, er will wirklich nur lokale Betriebe unterstützen und ihnen zu mehr Erfolg verhelfen«, erwiderte Micah schulterzuckend. »Einerseits das, und andererseits gehört ihm nach einem Jahr ein gewisser Anteil unseres Unternehmens.«

»Waaas?«

»Pst!«

»Sorry. Es ist nur … Ich dachte, die Geschäfte laufen nicht so gut. Wie soll euch das helfen, wenn ihr Jett auch noch was von eurem Gewinn abgeben müsst?«

»Er verspricht, die Einnahmen um dreißig Prozent zu steigern, und als Gegenleistung bekommt er zehn Prozent.«

»Hat er überhaupt schon mal mit jemandem aus einer so kleinen Stadt wie unserer gearbeitet?«, fragte ich, immer noch nicht ganz überzeugt. »Es ist doch unmöglich, die Einnahmen um dreißig Prozent zu steigern, wenn ihr hier wohnen bleibt.« Ich steckte eine Handvoll Schokoladenherzen in eine Tüte.

»Da kommt sein Name ins Spiel.« Micah griff nach dem nächsten Teller. »Der verleiht uns den Ruf, den wir brauchen, um Aufträge aus den umliegenden Städten an Land zu ziehen. Dann sind wir zwar öfter unterwegs, verdienen aber auch mehr. Jett Hart ist ein berühmter weißer Koch. Mit seinem Namen können wir vielleicht sogar Menschen erreichen, die sonst nie einen Schwarzen Caterer beauftragen würden.«

»Oh«, sagte ich kleinlaut. Mir war klar, dass sie damit auf gewisse Familien anspielte. Doch obwohl wir schon seit dem Kindergarten befreundet waren, wusste ich längst nicht über alle Probleme Bescheid, mit denen Micah sich herumschlagen musste. »Da hast du sicher recht.«

»Und Andrew hilft meinem Dad dabei, eine Website für uns zu erstellen.«

Ich schürzte die Lippen. »Ach ja? Muss Andrew gar nicht zur Schule? Wie alt ist er überhaupt?«

»Er ist siebzehn. Und nein, er arbeitet für seinen Dad und nimmt Fernunterricht.«

»Woher weißt du das alles?«

Etwas Salat klebte noch auf dem Teller, den sie in der Hand hielt. Sie schüttelte ihn, bis die Blätter in den Müll fielen. »Ich habe mir gestern Abend, nachdem Dad mir von der Zusage erzählt hat, den Vertrag durchgelesen. Und dann habe ich stundenlang im Internet nach Infos und ehemaligen Teilnehmern gesucht.«

War klar, dass Micah nach jedem noch so kleinen Detail forschte. Es half ihr, mit solchen Neuigkeiten umzugehen. Deswegen hatte ihr Dad vermutlich auch kein Wort darüber verloren, bis er sich sicher gewesen war, dass es klappte.

»Und zu welchem Schluss bist du gekommen?«, fragte ich, weil ich immer noch keinen Plan hatte, ob sie nun mit der Sache einverstanden war oder nicht.

»Es könnte funktionieren. Dank Jett haben andere Unternehmen auch schon die Kurve gekriegt.«

»Und dir geht es gut damit?« Ich musterte sie. »Du warst vorhin ganz schön durch den Wind.«

»Mir gehts gut. Ich war nur gestresst, weil Jett und mein Dad aneinandergeraten sind.«

»Das versteh ich nicht. Wenn dein Dad sich doch extra darum beworben hat, warum wehrt er sich dann so dagegen, was Neues auszuprobieren?«

»Ich glaube, er hat eher gehofft, Jett würde hier auftauchen und so was sagen wie: Wow, Sie sind ein genialer Koch, ich überlasse Ihnen gerne meinen Namen und eine Million Dollar.«

»Ernsthaft?«

»Nein, aber so was in der Art.« Sie drehte sich um und sah mich an. »Eigentlich hab ich gedacht, du würdest dich mehr darüber freuen.«

»Tut mir leid. Ich freue mich auch für euch, aber ich war nicht sicher, ob du glücklich damit bist. Das alles ist echt cool. Ich hoffe, es bringt euch was.«

Sie fuchtelte mit dem Geschirr herum. »Danke, aber ich meinte nicht, dass du dich unseretwegen freuen solltest, sondern deinetwegen.«

Ich runzelte die Stirn. »Wieso?«

»Überleg doch mal, was für Connections Jett Hart haben muss!« Ihre braunen Augen leuchteten. »Er hat in Hollywood gearbeitet und in London und New York gewohnt. New York, Sophie! Er könnte dir Türen öffnen.«

Meine Gedanken kreisten. Mit Sicherheit kannte Jett Hart Leute in der Gastrobranche, aber in der Fashionwelt? Hm. Womöglich hatte er mal für einen bekannten Designer gekocht, oder für Verleger von Modemagazinen. Vielleicht konnte er mir ein Praktikum klarmachen oder zumindest einen Kontakt herstellen. »Auf die Idee bin ich gar nicht gekommen. Möglich wäre es.«

»Gern geschehen«, sagte sie.

Ich hantierte mit Geschenkband und Schere, während ich den Abend Revue passieren ließ. »Glaubst du, Andrew erzählt seinem Dad, was ich über ihn gesagt habe?«

Micah schüttelte den Kopf. »Kann ich mir nicht vorstellen. Er ist zwar ein verwöhnter Schönling, aber nicht der Typ, der gleich zu Daddy rennt, um zu petzen.«

Sie musste bei ihrer Recherche am Vorabend so einiges über Andrew herausgefunden haben. Und wenn ich ihn schon ein Jahr ertragen musste, wollte ich wenigstens wissen, mit wem ich es zu tun hatte. »Lass dir doch nicht alles aus der Nase ziehen.«

Micah stellte einen Teller in den Korb und streckte sich. »Da gibt es nicht viel zu erzählen. Er und sein Dad haben in den letzten sieben Jahren an sieben verschiedenen Orten gewohnt.«

»Soll das eine Ausrede für seinen miesen Charakter sein?«

Unsere Lästerei wurde jäh beendet, als die Tür aufschwang und Jett Hart und Mr Williams hereinkamen.

»Sophie!«, rief Mr Williams. Er holte ein paar Küchenschüsseln aus einer Kiste auf der Kochinsel. »Schön, dich zu sehen.«

»Gleichfalls.«

Jett Hart fischte einige Zutaten aus dem Kühlschrank. Ich musterte ihn kritisch. Hatte Micah recht? Könnte er der Schlüssel zu einer besseren Zukunft sein? Nicht nur für Familie Williams, sondern auch für mich? Während ich mein Gehirn nach klugen Worten durchforstete, mit denen ich ihn beeindrucken konnte, schlug mein Herz in doppeltem Tempo. Schwer bepackt mit Lebensmitteln steuerte Jett plötzlich geradewegs auf mich zu. Ich erstarrte, den Mund halb offen.

Vor der Arbeitsfläche, auf der der gesamte Inhalt der Geschenktüten verteilt war, machte er halt. »Was ist das hier?«, fragte er.

»Gastgeschenke?«, antwortete ich unbeholfen.

Eine Flasche Schlagsahne unter seinem linken Arm fing an zu rutschen. »Räumen Sie das weg«, knurrte er.

Hastig schob ich die fertigen Geschenke beiseite. Micah war sofort zur Stelle und half mir, sie in die Kartons auf dem Boden zu verstauen.

»Ich habe nicht den ganzen Tag Zeit!«, blaffte Jett und rückte die Kiste mit dem Fuß aus dem Weg.

Nur Micahs angespannte Miene und der Gedanke an meine eigene Zukunft hielten mich von einer frechen Bemerkung ab. Ich hatte ein Jahr. Ein Jahr, um ihn für mich zu gewinnen.

Kapitel 5

Meistens hatte man auf Veranstaltungen alle Hände voll damit zu tun, überall kleine Feuer zu löschen. Heute Abend zum Beispiel musste ich Mrs White helfen, die ihre Bluse mit Soße bekleckert hatte. Und ein Auge auf Mr Langston werfen, damit er das Konfetti nicht aß, mit dem er sein Essen garniert hatte.

Aber es gab auch tolle Momente und der beste Teil des Valentinsdinners fing gerade erst an.

Caroline stand mit einem Mikrofon in der Hand vorn im Saal. »Meine Damen und Herren! Bevor wir den Nachtisch servieren, wird es Zeit für unsere Junggesellenversteigerung. Halten Sie Ihre Willow-Falls-Groschen bereit. Hier haben Sie die Chance, sich einen Datepartner zu ersteigern, mit dem Sie heute Abend den Nachtisch genießen oder vielleicht sogar eine flotte Sohle aufs Parkett legen können.«

Ich geleitete einige der betagteren Männer nach vorn, wo sie sich in einer Reihe neben Caroline aufstellten. Dann trat ich zurück, um bei der Auktion zuzuschauen. Es gab weitaus mehr Single-Männer als Single-Frauen. Daher boten ein paar der Damen auf mehr als einen Junggesellen, was ein echter Spaß war! Als schließlich der letzte Mann, Mr John Farnsworth, vortrat, wusste ich sofort, dass er schwer an die Frau zu bringen sein würde. John war von Natur aus ein Griesgram, und die Damen im Publikum unterhielten sich bereits angeregt mit ihren Datepartnern – Männern, die sie bestimmt schon über ein Jahrzehnt kannten. Doch die Versteigerung hier war eine alte Tradition, und diese Stadt lebte von Traditionen.

Wie von selbst schoss meine Hand in die Höhe, um ein Gebot abzugeben. Dabei besaß ich keinen einzigen Spielgroschen. Aber niemand störte sich daran, und als ich nach vorn ging, um mein Date abzuholen, strahlte Caroline. Glückliche Kunden sind künftige Kunden, pflegte sie zu sagen. Aus dem Augenwinkel entdeckte ich Kyle am anderen Ende des Saals. Er grinste. Ich mied seinen Blick.

»Mr Farnsworth«, grüßte ich, hakte mich bei ihm unter und führte ihn zu einem der hinteren Tische. »Wie hat Ihnen der Abend bisher gefallen?«

»Sie meinen, abgesehen vom fehlenden Kartoffelpüree und diesem Fischaufstrich auf meinem Cracker?«

»Genau, abgesehen davon.«

»Es gab schon bessere Jahre.«

»Immerhin haben wir dieses Jahr Jett Hart zu Besuch«, erwiderte ich. Den meisten Menschen über dreißig musste Jett Hart ein Begriff sein. Und Mr Farnsworth war weit über dreißig.

»Jett Hart? Meinen Sie den alten Knaben, der vorhin unbedingt über Salat sprechen wollte?«

Ich konnte mir ein Lachen nicht verkneifen und nickte.

»Jetzt ergibt das wenigstens Sinn. Gut gehalten hat er sich ja nicht gerade.«

Da war ich anderer Meinung. Jett Hart mochte ja ein echter Miesepeter sein, aber mit den vollen Haaren und dem klassisch guten Aussehen war er der geborene Fernsehstar.

»Dabei kann ich ihn eigentlich ganz gut leiden«, fügte Mr Farnsworth nachdenklich hinzu. »Ich fand seine Show immer gut. Er hat sich nie etwas gefallen lassen.«