Never a Hero - Vanessa Len - E-Book

Never a Hero E-Book

Ванесса Лен

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Beschreibung

Finster und unglaublich: Die YA und TikTok-Sensation geht weiter! Tauche ein in Vanessa Lens Universum: versteckte Welten existieren im Schatten, wunderschöne Monster mit unsäglichen Mächten bewegen sich zwischen ahnungslosen Menschen, und Geheimnisse gelten als mächtigste Waffe aller Zeiten. Joan hat das Unmögliche geschafft und die Zeitlinie zurückgesetzt. Doch ihr Erfolg hatte einen hohen Preis: Nur sie kann sich noch an alles erinnern. Aaron, dessen Freundschaft sie sich hart erkämpft hat – und aus der vielleicht mehr hätte werden können –, ist wieder ein Feind. Als ein Angriff Joan zwingt, in die Welt der Monster zurückzukehren, findet sie sich plötzlich an der Seite ihres alten Widersachers Nick wieder. Hin- und hergerissen zwischen Liebe, Familie und monströsen Entscheidungen, muss Joan alte Verbündete um sich sammeln, um sich den tödlichsten aller Feinde zu stellen. #TikTok made me buy it

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Übersetzung aus dem australischen Englisch von Bettina Ain

© The Trustee for Vanessa Len Trust 2023

Titel der amerikanischen Originalausgabe:

»Never a Hero«, HarperCollins, New York 2023

© der deutschsprachigen Ausgabe:

Piper Verlag GmbH, München 2024

Redaktion: Svenja Kopfmann

Konvertierung auf Grundlage eines CSS-Layouts von digital publishing competence (München) mit abavo vlow (Buchloe)

Covergestaltung: Guter Punkt München, Stephanie Gauger, nach einem Entwurf von Jessie Gang

Coverabbildung: Eevien Tan

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Inhalte fremder Webseiten, auf die in diesem Buch (etwa durch Links) hingewiesen wird, macht sich der Verlag nicht zu eigen. Eine Haftung dafür übernimmt der Verlag nicht.

Inhalt

Inhaltsübersicht

Cover & Impressum

Eins

Zwei

Drei

Vier

Fünf

Sechs

Sieben

Acht

Neun

Zehn

Elf

Zwölf

Dreizehn

Vierzehn

Fünfzehn

Sechszehn

Siebzehn

Achtzehn

Neunzehn

Zwanzig

Einundzwanzig

Zweiundzwanzig

Dreiundzwanzig

Vierundzwanzig

Fünfundzwanzig

Sechsundzwanzig

Siebenundzwanzig

Achtundzwanzig

Neunundzwanzig

Dreissig

Einunddreissig

Zweiunddreissig

Dreiunddreissig

Vierunddreissig

Fünfunddreissig

Sechsunddreissig

Siebenunddreissig

Achtunddreissig

Epilog

Danksagung

Buchnavigation

Inhaltsübersicht

Cover

Textanfang

Impressum

Eins

»Lauft schneller!«, schrie der Trainer. Einer der Jungs war zu spät gekommen, und jetzt musste die ganze Fußballmannschaft dafür bezahlen. Vom Zaun aus sah Joan dabei zu, wie sie in einer weiteren Runde an ihr vorbeizogen. Die meisten Jungs keuchten schon, aber Nick lief ganz vorne standhaft weiter, als könnte er tagelang so weitermachen.

Geh heim, sagte Joan zu sich selbst. Heute war sie schwach geworden und nach der Schule hergekommen, um einen Blick auf ihn zu erhaschen. Wie immer fühlte es sich an wie ein Schlag in den Magen.

Er erinnert sich nicht an dich. Er kennt dich nicht mehr.

»Also gut«, rief der Trainer. »Ich denke, das reicht.«

Die Jungs stöhnten erleichtert auf und blieben taumelnd stehen. Einige ließen sich erschöpft ins Gras fallen, andere stützten sich auf ihre Knie und schnappten nach Luft. Ein paar Schritte von ihnen entfernt wurde Nick allmählich langsamer und drehte sich schließlich um, um zu seinen Mannschaftskameraden zurückzulaufen.

Träge ließ er den Blick zum Zaun schweifen, und Joan blieb das Herz stehen, als er sie ansah und dann desinteressiert und ohne sie wiederzuerkennen den Kopf abwandte.

»Nick!«, keuchte einer der Jungen am Boden. »Du musst mithalten, Kumpel. Der Mannschaftskapitän kann nicht die ganze Zeit hinter uns herhängen.«

Nick lachte und half seinem Kameraden auf die Füße. »Brauchst du Hilfe, Jameson?«

»Ich brauch einen Defibrillator«, brummte der Junge, griff aber nach Nicks Hand und ließ sich hochziehen.

Joan stockte der Atem bei Nicks unbefangenem Lächeln. Als sie ihn noch gekannt hatte, war er immer ernst gewesen. Die Welt hatte auf seinen Schultern gelastet. Doch sie kannte ihn nicht mehr – nicht diesen Nick.

Sie spürte die vertraute Sehnsucht nach dem Jungen, der nicht hier war, und unterdrückte sie gnadenlos. Jener Nick war fort, und sie sollte ihn sich nicht zurückwünschen. Das hier war Nick, wie er hätte sein sollen. Ein Junge mit einem gewöhnlichen Leben.

Geh heim, intonierte sie wieder in ihrem Kopf. Dieses Mal zog sie sich den Rucksack höher auf die Schulter und wandte sich vom Zaun ab.

Es war Mitte November, und die Bäume waren schon fast kahl. Die Kälte drang schneidend durch Joans Hose, als sie über das leere Schulgelände lief, das jetzt nach Schulschluss ganz verlassen wirkte. Der Parkplatz der Lehrkräfte war trostlos – nur Beton und Grasbüschel. Joan lief über den Platz, an der Bibliothek vorbei und zum hinteren Feld.

Ihr Smartphone klingelte, als sie eine Nachricht von ihrem Dad erhielt.

Bist du gleich da? Ich hab Ananastörtchen gemacht.

Er schickte ihr ein Foto von den Gebäckstücken, die auf einem Gitter abkühlten.

Sieht total professionell aus, nicht?!

In letzter Zeit meldete er sich oft bei Joan, als würde er wissen, dass etwas nicht stimmte. »Du bist so still«, hatte er ihr gestern Abend gesagt. »Alles okay in der Schule? Mit deinen Freunden?«

Manchmal wünschte sie sich, sie könnte ihm einfach die Wahrheit sagen.

Gran ist gestorben, Dad. Sie sind alle gestorben. Gran, Tante Ada, Onkel Gus und Bertie.

Aber das konnte sie ihm nicht sagen, denn sie waren nicht gestorben. Nur Joan erinnerte sich an jene Nacht. Nur sie erinnerte sich an die letzten verzweifelten Momente ihrer Gran, an das warme, klebrige Blut, den metallischen Geruch. Joan hatte die Hände auf die Wunde gedrückt, um das Blut zu stoppen, und Grans Atem hatte gerasselt, bis er ganz gestoppt hatte.

Jetzt sog Joan die kalte Luft in ihre Lunge. Nichts davon war passiert. Ihre Gran und der Rest der Hunts waren in London – nur eine Stunde mit dem Zug entfernt. Es ging ihnen gut.

Sie tippte eine Antwort an ihren Dad.

Die sehen toll aus! Bin gleich da.

Dann steckte sie die Hände in die Taschen. Es wurde kälter. Am Himmel über ihr hingen dunkle Wolken. Ein Sturm nahte.

Auf dem Weg über das Feld musste sie gegen den Wind ankämpfen; er wehte ihr das Haar ins Gesicht, und ihr blauer Blazer bauschte sich auf. Sie hätte nicht bleiben sollen, um nach Nick zu schauen. Ihn zu sehen – und von ihm nicht gesehen zu werden – hatte sie an den ersten Schock erinnert, als sie in dieser Welt ohne ihn aufgewacht war. Es gab keinen Ort und keine Zeit, wohin sie reisen konnte, um ihn zu sehen. Er war fort.

Ein Blitz zuckte über den Himmel, und ein strenger Geruch lag in der Luft. Joan beeilte sich und zählte abgelenkt die Sekunden. Eine Sekunde, zwei Sekunden, drei Sekunden … Bei der fünften Sekunde grollte der Donner. Das Gewitter war vielleicht fünfzehn Minuten von ihr entfernt. Sie zog sich den Blazer aus und stopfte ihn in ihre Tasche. Der Regen machte ihr nichts aus, aber sie hatte nur eine Schuljacke, und sie hatte keine Lust, sie morgen zu tragen, wenn sie feucht war.

Sie hatte das Tor fast erreicht, als der nächste Blitz einschlug. Eine Sekunde, zwei …

Eine vertraute Stimme ertönte hinter ihr, und sie zuckte erschrocken zusammen. »Entschuldige, ich hab …« Der Rest des Satzes wurde vom Donnergrollen verschluckt.

Joans Herzschlag klang in ihren Ohren noch lauter. Nick.

Das ist er nicht, sagte sie sich. Sie hörte nur, was sie hören wollte.

Doch als sie sich umdrehte, sah sie ihn. Nick, allein mit ihr auf dem Feld, sein Gang mühelos und geschmeidig, genauso vertraut wie seine Stimme. Das dunkle Haar trug er jetzt anders – es hing ihm in die Stirn –, aber der Blick aus seinen Augen war wie immer ernst und aufrichtig wie der eines klassischen Helden, der Katzen aus Bäumen und Menschen aus brennenden Gebäuden rettete.

Ganz kurz konnte Joan sich vorstellen, dass er es wirklich war – ihr Nick mit all seinen Erinnerungen, der ihr nachlief, weil er sie nicht vergessen hatte. Ihre Gefühle waren ein wirres Chaos aus Beklommenheit, Angst und schrecklicher Hoffnung.

Knapp außer Reichweite blieb er stehen. So nahe war sie ihm seit der Nacht in der Bibliothek nicht mehr gewesen, als sie sich geküsst hatten. In jener Nacht hatte der andere Nick aufgehört, zu existieren. Nein, korrigierte sie sich. Sie hatte seine Existenz beendet. Sie hatte sich für ihre Familie und gegen ihn entschieden. Für die Monster und gegen den Helden.

Was auch immer er in ihrem Gesicht sah, veranlasste ihn jetzt dazu, sich zu entschuldigen. »Tut mir leid, ich wollte dir keine Angst machen.« Er hielt ihr ein Smartphone hin. »Das hast du fallen gelassen.«

Joan betrachtete sein Gesicht. Jetzt, da er ihr näher war, konnte sie sich nichts mehr vormachen. Er sah sie direkt an und erkannte sie nicht wieder. Diese Version von ihm stand sogar anders da. Der andere Nick hatte eine gewisse gefährliche Anspannung ausgestrahlt – weil er gewusst hatte, dass er jederzeit würde kämpfen oder töten müssen. Dieser Nick hatte eine offene Haltung, er war nicht dazu trainiert worden, zu kämpfen. Sie hätte erleichtert sein sollen, doch stattdessen überkam sie eine Trauer, die schmerzte wie eine tiefe Wunde.

Sie nahm ihm das Telefon ab und versuchte, nichts zu empfinden, als sich ihre Finger berührten. »Danke«, hörte sie sich sagen.

Nick lächelte, schmal und so vertraut, dass Joan es kaum ertrug. »Ich verliere meins ständig.«

»Echt?« Joan war so überrascht, dass die Frage aus ihr rausplatzte. Er war immer so vorsichtig gewesen. Soweit sie wusste, hatte er nie etwas verloren.

»Also …« Sein Lächeln wurde wärmer und wirkte entspannter, als Joan es je bei ihm gesehen hatte. »Eigentlich klauen mir meine kleinen Brüder es dauernd.«

»Brüder?«, wiederholte Joan. Sie hörte das Staunen in ihrer eigenen Stimme. Seine Brüder waren am Leben. Das hatte sie natürlich gewusst, aber es von ihm zu hören, glich einem wahren Wunder. Der Nick, den sie gekannt hatte, war immer wieder gefoltert worden, immer wieder war seine Familie vor seinen Augen ermordet worden. Sie hatte die Aufnahmen gesehen. Sie würde sie nie vergessen – nicht eine Sekunde davon. All die Leichen auf dem Küchenboden.

»Brüder und Schwestern«, sagte Nick noch immer lächelnd. »Wir sind zu sechst, ist das zu glauben?« Da hörte Joan ein Echo von dem anderen Nick, der ihr mit Schatten in den Augen von seinen drei Brüdern und zwei Schwestern erzählt hatte und davon, wie er und seine Brüder im Wohnzimmer geschlafen hatten, bis er sieben Jahre alt gewesen war.

»Große Familie«, erwiderte Joan. Dieses Gespräch hatten sie schon einmal geführt, allein in einem Haus in London, während sie nebeneinandergesessen hatten und die Sonne untergegangen war.

Ein Blitz erhellte das Feld und riss Joan aus ihren Gedanken. Mit Schrecken stellte sie fest, dass sie fast über sich selbst gesprochen hätte. Davon, dass sie ein Einzelkind war, aber eine große Familie hatte. Was hatte sie sich nur dabei gedacht? Sie war nur eine Minute allein mit ihm gewesen und hätte sich fast selbst vergessen.

Sie zwang sich, weiterzugehen, und spürte ein leichtes Unbehagen, als Nick zu ihr aufholte. Es war zu vertraut, ein ausgetretener Pfad aus einem anderen Leben.

»Ich glaub, ich hab dich schon mal gesehen«, sagte Nick, und Joan sah ihn überrascht an. »Du bist eine Klasse unter mir, oder?«

»Ja«, brachte sie hervor. Sie versuchte, das warme Glühen zu ignorieren, das in ihr aufstieg. Sie war ihm aufgefallen. Sie hatte gedacht … Es spielte keine Rolle, was sie gedacht hatte. Zwischen ihnen durfte nichts geschehen – diesmal ebenso wenig wie letztes Mal. Niemals.

Nick zog schüchtern den Kopf ein. »Ich bin noch ziemlich neu an der Schule.«

Diesmal traute Joan ihrer Stimme nicht. Sie würde den ersten Tag an der Schule nach dem schrecklichen Sommer nie vergessen, als ihr Körper ihr noch immer sagen wollte, dass sie weglaufen sollte. Bei jeder lauten Stimme, jedem zugeschlagenen Schließfach war sie zusammengezuckt. Die kleinen, stickigen Klassenzimmer mit nur einem Ausgang waren fast unerträglich gewesen.

An jenem ersten Tag war sie mit ihrer Freundin Margie über den Schulkorridor gelaufen.

»Heilige Scheiße«, hatte Margie gesagt. »Hast du den neuen Typen schon gesehen?«

»Welchen neuen Typen?«, hatte Joan gefragt.

»Der ist so heiß«, hatte Margie geantwortet. »Wie ein Filmstar!«

Dann waren sie um die Ecke gebogen, und dort hatte er gestanden. Nick. In ihrer Schuluniform. Groß, mit seinem kantigen Kiefer und einfach perfekt. Joan hatte nicht gewusst, ob sie zu ihm laufen oder in die andere Richtung fliehen wollte.

Jetzt, ein paar Monate später, war er bereits beliebter, als Joan jemals gewesen war. Nick Ward, der neue Kapitän der Fußballmannschaft. Der heißeste Typ an der Schule. Der klügste Junge an der Schule. Die meisten aus Joans Klassenstufe waren in ihn verschossen.

»Hast du es noch weit?«, fragte Nick jetzt.

Joan schüttelte den Kopf. Sie war nur ein paar Straßen von zu Hause entfernt.

Er lächelte – auf die Art, bei der die halbe Schule ganz schwach wurde. »Ich wohne hier.« Er zeigte auf eines der Häuser auf der anderen Straßenseite.

Oh. Das war es also schon. Merk dir das, ermahnte sich Joan. Denn so ein Gespräch durften sie nie wieder führen. Das würde sie nicht noch mal zulassen.

Sein dunkles Haar fiel ihm in die Stirn. An seinem Kragen hing ein rotes Blatt von einer Eberesche – eines der letzten Laubblätter des Jahres. Ein letztes Mal fragte sie sich, ob Nick sich wirklich gar nicht daran erinnerte, wer er war.

»Du hast da ein Blatt …« Sie deutete auf ihren eigenen Hals.

»Oh, echt?« Er lachte, und Röte kroch an seinem Hals hoch. »Nicht gerade cool.« Er wischte sich über den Kragen. »Ist es weg?«

Es hing noch immer auf der Schulter seines grau-grünen Fußballtrikots. Joan schüttelte den Kopf. »Soll ich?« Sie versuchte, zu ignorieren, dass er noch roter wurde.

Er nickte.

Sie hob die Hand und hielt selbst den Atem an, was ihm offenbar nicht entging. Seine Augen verdunkelten sich. Sie rechnete fast damit, dass er sie zurückhalten würde – dass er sie am Handgelenk festhalten würde. Aber er zuckte nicht zusammen, nicht mal, als sie mit den Knöcheln seinen Nacken streifte und die weichen Härchen in seinem Genick berührte.

»Hast du’s?«, fragte er. Seine Stimme klang tiefer, ganz genauso wie in dem Moment, kurz bevor er sie geküsst hatte.

Joan brachte sich dazu, sein Lächeln zu erwidern. »Ja.« Sie nahm das Blatt und löste ihre Hand von ihm, ganz vorsichtig, um ihm nicht versehentlich etwas von seinem Leben zu nehmen. »Es ist weg.«

Er war weg. Er war wirklich weg. Mit einem Mal fühlte sie sich leer. Und einsam. Sie war die Einzige, die sich an ihn erinnerte, daran, wie er einst gewesen war. Ein Junge, der unbewaffnet einen Raum voller Monster betreten konnte, die vor Angst vor ihm fliehen würden. Ein Junge, der die Menschen vor den Raubtieren unter ihnen beschützt hatte.

Selbst er erinnerte sich nicht. Er wusste nicht mal mehr, dass Monster existierten.

Nicks Wangen waren noch immer gerötet. Was sicherlich an der Kälte lag.

»Vielleicht sehen wir uns ja?«, sagte er.

Eine Antwort blieb ihr erspart, als vom Haus aus Rufe ertönten. Zwei Kinder rannten über die Straße – zwei Miniausgaben von Nick, ein Junge und ein Mädchen, die etwa sechs Jahre alt waren. Sie hatten das gleiche dunkle Haar wie Nick und die gleichen dunklen Augen. Der Junge trug eine Brille mit einem schwarzen Rahmen, durch die er wie ein kleiner Professor aussah.

Nick sprang ihnen entgegen und zerrte sie auf den Gehweg. »He, He! Was tun wir, bevor wir die Straße überqueren? Wir warten! Wir warten und schauen in beide Richtungen!« Er zog sie fest an sich, jeweils einen Arm um ihre Schultern gelegt.

Ein weiteres Mädchen eilte den Kindern hinterher. Sie war älter als Nick, vielleicht neunzehn. »Vorsicht!«, rief sie, genau wie Nick. »Passt auf!« Ihr braunes Haar war heller als das der anderen drei, und ihr nordenglischer Akzent war deutlicher herauszuhören als bei Nick.

»Wir helfen Mary mit dem Huhn!«, verkündete der Junge.

»Robbie hat’s fallen gelassen!«, sagte das Mädchen. »Auf den Boden!«

Der Junge warf ihr durch die Brille, auf deren Gläser Regentropfen hingen, einen finsteren Blick zu. »Das solltest du nicht verraten!« Er drehte sich zu Mary, dem älteren Mädchen. »Sie hat die Haut abgeleckt! Die rohe Haut!«

Mary seufzte. »Kommt schon. Und haltet euch diesmal an den Händen.« Sie streckte ihnen eine Hand entgegen und warf Joan ganz unerwartet ein schiefes Lächeln zu. »Hi!«, sagte sie. »Wir wollten euer Gespräch nicht stören.«

»Hi.« Joan lächelte zurück.

Dann wandte Mary sich wieder den Kindern zu und winkte sie zu sich. Dabei fiel Joan ihr Ring auf. Er war schwarz und schmucklos. Joan hatte ihn schon mal gesehen. Nick hatte ihn an einer Kette unter seinem Hemd getragen, aber sie hatte nie gewusst, dass er seiner Schwester gehört hatte.

»Sehen wir uns in der Schule?«, fragte Nick sie. Er hatte den Jungen an die Hand genommen.

Joan nickte. Mary. Robbie. Das kleine Mädchen musste Alice sein. Nick hatte von ihnen erzählt – nur ganz wenig. Damals hatte Joan es nicht gewusst, aber solange sie ihn gekannt hatte, hatte er um sie getrauert.

Wieder sah sie die Küche aus den Videos vor sich. Bilder von den dreien – Mary, Robbie und Alice –, die reglos dalagen, tot. Und Nick … Joans Herz zog sich zusammen, als sie sah, wie er auf die Kleinen herablächelte. Er hatte ihrem Mörder ein Messer in den Hals gerammt, das Gesicht qualvoll und vor Grauen ganz verzerrt. Das Geräusch, das er dabei gemacht hatte, würde sie nie vergessen.

Sie konnte das Lächeln nicht aufrechthalten. »Wir sehen uns«, brachte sie hervor, dann drehte sie sich hastig um und lief den steilen Hügel hinauf, bis die körperliche Anstrengung die Enge in ihrer Brust verdrängte. Windböen fegten Zweige und Blätter über den Weg, Regentropfen fielen schwer herab, und der Wind trug abgerissene Gesprächsfetzen hinter ihr her.

»… das hübsche Mädchen?« Das war Nicks ältere Schwester, ihre Stimme neckend und voller Zuneigung.

»Mary!« Nicks Tonfall, ganz wie ein verlegener jüngerer Bruder, brachte Joan zum Lächeln.

Von den Kindern ertönte kreischendes Gelächter, aber dann war Joan zu weit weg, um sie noch zu hören. Sobald sie außer Sicht war, kniff sie die Augen zu.

Sie atmete tief ein und langsam wieder aus. Es ist okay, sagte sie sich. Sie hätte nicht mit ihm reden sollen, aber das würde nicht noch mal passieren. Dafür würde sie sorgen. Das, was sie jetzt fühlte – das konnte sie ertragen. Regen klatschte ihr wie Tränen ins Gesicht. Sie ertrug es. Sie hatte es die ganze Zeit schon ertragen.

Sie war wieder in der realen Welt. Ohne Monsterjäger. Ohne Monster. Einfach nur ihr normales Leben zu Hause. Und daran würde sich nichts ändern.

»Ich bin da!«, rief sie ins Haus.

Wärme und der süße Duft nach Gebäck begrüßten sie: Butter, Ananasmarmelade und Ingwer.

»Hi!«, antwortete ihr Dad aus der Küche. Als Joan die Schuhe auszog, tauchte er mit einem Teller voller Ananastörtchen auf. »Ich hab schon fünf gegessen!«, sagte er, aber als er sie sah, runzelte er die Stirn. »Wo ist dein Blazer?«

Joan schob ihre Schuhe mit dem Fuß unter das Regal und nahm sich von dem Gebäck auf dem Teller. »Ich wollte nicht, dass er nass wird.« Sie biss in das Törtchen und hielt ihre freie Hand darunter, um die Krümel aufzufangen, während sie ihrem Dad in die Küche folgte.

»Dafür ist er da«, schimpfte ihr Dad. »Damit du eben nicht triefend nass wirst.«

»Das schmeckt richtig gut«, sagte Joan mit vollem Mund. »O mein Gott! Wie viele hast du gemacht?«

Dutzende Törtchen kühlten auf den Gittern – auf dem Herd, auf dem Tisch und auf dem Kühlschrank.

»Gib ein paar deinen Freunden! Und wir bringen morgen ein paar mit!«

»Morgen? Was ist denn …« Sie verstummte. Auf dem Küchentisch klebte ein Zettel mit der Handschrift ihres Dads. Familienessen bei den Hunts, 18 Uhr. Die Marmelade wurde sauer in Joans Mund. »Was ist das?«

»Hmm? Oh. Deine Gran hat heute Nachmittag angerufen.«

»Wirklich?«

»Sie hat uns für morgen zum Abendessen eingeladen.« Ihr Dad kramte in einer Schublade. »Drüben in London mit der ganzen Hunt-Familie.«

Joans Magen verkrampfte sich. Seit sie nach Hause gekommen war, hatte sie kein Wort mit den Hunts gesprochen. Ihre Cousine Ruth hatte ihr ein paarmal geschrieben.

He, wenn du willst, können wir drüber reden, wie es ist, ein Monster zu sein.

Selbst wenn du nicht willst, sollten wir drüber reden. Du denkst vielleicht, du kannst es verdrängen, aber das solltest du nicht.

Joan hatte sich eingeredet, dass sie darauf antworten würde. Aber dann waren erst Wochen und jetzt Monate vergangen, ohne dass sie auf Ruths Nachrichten reagiert hatte.

»Ich hab das Gefühl, dass deine Gran mit dir über etwas reden will«, sagte ihr Dad.

»Worüber?«

»Ach, du kennst doch deine Gran.« Ihr Dad klang abgelenkt. »Sie redet nicht gern am Telefon. Da sind sie ja!« Er zog zwei schwarze Ofenhandschuhe aus der Schublade.

Joan erinnerte sich an eine andere Küche – die Küche ihrer Gran in London, in der Kakao auf dem Herd geblubbert hatte. Joan hatte ein seltsames Erlebnis mit einem Nachbarn gehabt. Er hatte sie am Morgen gegen eine Wand gestoßen, aber dann war es plötzlich Nacht gewesen.

Erschrocken war Joan zu ihrer Gran zurückgelaufen, um ihr zu sagen, dass er ihr etwas angetan hatte.

Im schwachen Küchenlicht hatten die grünen Augen ihrer Gran geleuchtet. »Er hat dir gar nichts angetan«, hatte sie Joan widersprochen. »Sondern du ihm. Du bist ein Monster, Joan.«

Vor ein paar Monaten hatte Joan erfahren, was die anderen Hunts schon immer gewusst hatten. Die Familie ihrer Mum waren Monster, echte Monster. Sie stahlen Menschen Lebenszeit, um damit durch die Zeit zu reisen.

Jetzt spürte Joan in ihrer eigenen Küche eine Brise, obwohl sich im Raum nichts bewegte. Ihr Dad reagierte nicht darauf, denn Joan hatte es nur mit ihrem Monstersinn gespürt. Die Welle rollte erneut durch die Welt, ohne etwas zu bewegen.

Manchmal war die Zeitlinie wie ein Lebewesen – eine Kreatur mit einem eigenen Willen. An diesem Abend erlebte Joan sie als Naturgewalt, als wäre ein Sturm ins Haus eingedrungen.

Ihr Dad schloss mit dem Ellbogen die Ofentür. »Morgen Abend also?«

»Du denkst vielleicht, du kannst es verdrängen, aber das solltest du nicht«, hatte Ruth geschrieben.

Joan verschränkte die Arme vor der Brust. »Ich weiß nicht«, sagte sie. »Ich arbeite morgen.«

»Aber du bist um sechzehn Uhr fertig, oder?«

»Ich muss noch einen Aufsatz schreiben.«

»Kannst du das nicht am Sonntag machen?«, fragte ihr Dad. »Deine Gran hat mich daran erinnert …« Er zögerte. »Morgen ist der fünfzehnte Todestag von deiner Mum. Ich denke, deine Gran will etwas Zeit mit dir verbringen.« Er sah auf die Ofenhandschuhe herab. »Ich hätte daran denken sollen, dass es ein besonderer Tag ist. Wir beide feiern ja stattdessen immer den Geburtstag deiner Mum.«

Ein vertrautes Gefühl kroch in ihr hoch, aber Joan drängte es zurück. Diese Worte hatte sie von ihrem Dad nicht erwartet. Er redete ständig über ihre Mum, aber ihre Gran tat das nie.

»Ist das okay für dich?« Da Joan nicht sofort antwortete, fügte er sanfter hinzu: »Joan, ist alles in Ordnung?«

Seit Wochen schon stellte er ihr diese Frage, immer wieder auf eine andere Art. Du bist so still in letzter Zeit. Stimmt etwas nicht? Hast du dich mit einer Freundin gestritten?

Joan testete die Wahrheit in ihrem Kopf aus.

Ich hab rausgefunden, dass ich ein Monster bin, Dad. Die Hunts sind alle Monster.

Oder eine andere Wahrheit.

Der Junge, den ich geliebt hab, ist ein Monsterjäger. Er hat Gran getötet und den Rest der Familie. Aber ich hab ihn zurückverwandelt. Ich hab das, was er getan hat, rückgängig gemacht. Jetzt leben die Hunts wieder, aber sie erinnern sich nicht.

Und er erinnert sich nicht an mich.

Die tiefe Trauer überkam sie erneut. Nichts davon konnte sie ihrem Dad erzählen. Er würde ihr nicht glauben. Sie wollte nicht, dass er ihr glaubte. Sie wollte, dass er sicher war, weit weg von der Welt der Monster.

»Mir geht’s gut«, sagte sie, darum bemüht, es echt klingen zu lassen. »Nur … du weißt schon.«

Ihr Dad musterte sie. »Was?«

»Das Übliche.« Sie musste ihre Gefühle aus ihrer Stimme raushalten. »Nichts Besonderes. Wir sind alle wegen dem neuen Schuljahr gestresst – du weißt schon.«

»Joan …«

»Du musst nicht dauernd fragen, Dad. Mir fehlt nichts!« Es klang frustriert. Joan presste die Lippen aufeinander. Sie wollte sich deshalb nicht streiten, und sie wollte ihren Dad nicht noch mehr anlügen, als sie ohnehin schon getan hatte.

In der Stille rüttelte der Wind an den Fenstern, und ihr Dad seufzte kaum hörbar.

Joan sah durch den Türbogen der Küche zu den Fotos im Wohnzimmer. Joan und ihr Dad. Joan als Baby. Ihre Mum. Alle drei im Park, während ihre Eltern Joans Hände hielten. Als Kind hatte sie die Bilder stundenlang angestarrt und versucht, ihr Aussehen mit dem ihrer Mum zu vergleichen. Aber sie hatte ihrem Dad schon immer ähnlicher gesehen. Eher chinesisch als europäisch.

»Du erinnerst mich an sie«, sagte ihr Dad. Er war ihrem Blick gefolgt. »Jeden Tag ein bisschen mehr. Sie wäre stolz auf dich.«

Da war es wieder, dieses Gefühl. Es gab Wahrheiten über ihre Mum, an die sie nicht denken wollte. Sie war gestorben, als Joan noch ein Baby gewesen war. Ihr Tod war immer eine Tatsache gewesen – etwas, das sie gewusst hatte, bevor sie etwas anderes gelernt hatte, bevor sie zählen oder lesen konnte. Eine unumstößliche Tatsache. Ein fundamentaler Fakt ihres Lebens.

»Gran redet nie über sie«, presste Joan hervor. »Nie! Findest du das nicht seltsam?«

Ihr Dad schwieg, den Blick noch immer auf die Fotos gerichtet. »Ich hab das auch lange nicht verstanden, aber … deine Gran und deine Mum haben sich nicht immer vertragen. Kurz bevor deine Mum gestorben ist, haben sie sich gestritten. Ich denke, deine Gran hat deshalb Schuldgefühle. Ich denke, auf eine verdrehte Art gibt sie sich selbst die Schuld am Tod deiner Mum.« Er zog die Ofenhandschuhe aus.

Die musste ihre Mum gekauft haben. Alles, was im Haus dunkel war, hatte ihr gehört. Joans Dad mochte helle Farben viel lieber.

»Ich glaube, dieses Abendessen ist für deine Gran ein großer Schritt.« Hinter der Brille schimmerten seine Augen feucht.

Da wurde Joan klar, dass er zum Abendessen gehen wollte. Er wollte die Hunts morgen sehen und sich mit der Familie ihrer Mum an ihrem Todestag an sie erinnern.

Joan atmete tief ein. »Gehen wir zusammen?«, fragte sie. Die Hunts würden nicht über Monster reden können, wenn ihr Dad beim Abendessen dabei sein würde.

»Natürlich«, sagte er. »Es ist eine Familienangelegenheit.«

»Eine Familienangelegenheit«, wiederholte Joan. Kein Abendessen mit Monstern, sondern eines mit der Familie ihrer Mum und mit ihrem Dad. »Also gut. Ein Abendessen mit der Familie.«

Und danach würden sie nach Hause gehen und in ihr normales Leben zurückkehren. Joan würde sich nicht in die Monsterwelt zurückziehen lassen.

Zwei

Es war heiß an diesem Morgen, aber der Pfad zum Holland House lag kühl unter den schwankenden Schatten der Bäume. Joan hörte schon die Geräusche aus dem Garten: das Gelächter der Kinder, das Krächzen der Pfauen und die hallenden Stimmen derer, die gerade eine Tour gaben.

Sie trat auf den grünen Rasen. Es war noch nicht mal Mittag, aber das Grundstück war schon voll. Wie es schien, hatten alle dieselbe Idee gehabt und wollten das gute Wetter im Park nutzen. Kostümierte führten Touristengruppen zum Labyrinth, und im flachen Teil des Teichs spielten Kinder im Wasser.

Das Licht der Morgensonne reflektierte in den Fenstern, und die Fassade mit den roten Ziegelsteinen leuchtete förmlich. Holland House war immer schön, aber zu dieser Tageszeit mochte Joan es am liebsten. Wie aus dem Nichts überkam sie eine tiefe Trauer. So sah das Haus nicht mehr aus.

Es war abgebrannt.

Erschrocken wachte sie auf.

Licht fiel durch die Lücken in den Jalousien. Draußen regnete es noch immer heftig, ein unablässiges Rauschen. Sie versuchte, ihren Atem zu beruhigen. Der Verlust traf sie erneut. In ihrer Erinnerung war Holland House eine der beliebtesten Touristenattraktionen von London gewesen, die Leute waren aus aller Welt dorthin gekommen.

In dieser Zeitlinie jedoch war es eine Ruine. Die Leute erinnerten sich nicht mal an seinen Namen.

Joan rieb sich die Augen. Der Traum war so lebhaft gewesen, dass der verregnete Morgen unwirklich schien. Sie sah auf die Uhr. Es war noch früh, aber sie hatte das vage Gefühl, dass ihr heute etwas Schwieriges bevorstand. Eine Matheklausur? Nein, es war Samstag.

Dann fiel es ihr wieder ein: Sie würde heute Abend die Hunts sehen. Ihr Dad hatte das Gefühl, dass ihre Gran mit ihr über irgendwas reden wollte. Joans leerer Magen zog sich zusammen. Was wollte Gran ihr sagen? Fast wünschte sie sich, sie könnte in den Traum zurückkehren – an jenen sonnigen Tag, so weit von hier entfernt, zurück zu diesem längst verschwundenen Haus.

Zu spät erkannte sie, dass sie auf gefährliches emotionales Terrain geraten war.

Das Morgenlicht verdunkelte sich, als wäre es wieder Nacht geworden. Der Regen klang gedämpft. Selbst Joans wachsende Panik fühlte sich an, als käme sie aus großer Ferne. Sie sah Aaron vor sich, wie er sie berührte und aus seinen grauen Augen alarmiert ansah. »He, bleib bei mir.«

Noch immer halb verschlafen, suchte Joan nach einer Möglichkeit, sich in der Gegenwart zu erden, so wie Aaron es ihr beigebracht hatte. Sie konzentrierte sich auf die Einzelheiten ihrer Umgebung. Das Geräusch des Regens. Die gestreiften Schatten des Morgenlichts an der Wand. Die raue Stickerei auf ihrer Steppdecke. Einen nach dem anderen fing sie ihre Sinne wieder ein. Es dauerte eine gefühlte Ewigkeit, bis der Morgen wieder graute und der Regen wieder donnernd über ihr prasselte. Joan keuchte vor Erleichterung auf, setzte sich aufrecht hin und umklammerte ihre Knie. Ich bin hier.

Ich bin hier, und ich will nirgendwo sonst sein, sagte sie sich mehrmals in Gedanken.

Diese schwachen Momente wurden immer schlimmer. Sie hatte ihr Bestes getan, um sie zu verhindern. Früher waren die Wände ihres Schlafzimmers von alten Karten und Illustrationen alter Orte geschmückt gewesen, aber jetzt waren sie kahl. In der Schule hatte sie Geschichte abgewählt. Sie hatte versucht, alles aus ihrem Leben zu verbannen, das in ihr das Verlangen wecken könnte, durch die Zeit zu reisen.

Sie erinnerte sich noch an Aarons Worte: »Du wärst fast gestorben. Du hast versucht, zu reisen, ohne dir vorher Zeit zu holen.«

Schon vor Wochen hätte sie ihrer Gran von dem Problem erzählen sollen. Sie hätte die Hunts nicht meiden sollen. Heute Abend, nahm sie sich vor. Heute Abend würde sie ihrer Gran davon erzählen.

Sie kletterte aus dem warmen Bett. Der Fußboden war kalt, selbst durch ihre Socken hindurch, aber die Kälte half ihr, sich zu erden. Sie suchte nach ihrer Arbeitsuniform und zog sie an, dann ging sie Zähneputzen.

Ihr Dad arbeitete in der Küche an seinen Laptops. Er hatte seine Brille aufgesetzt und hielt sich das Telefon ans Ohr. Tupperdosen mit Ananastörtchen stapelten sich neben ihm, die mit seiner sauberen Handschrift beschrieben waren. Die Hunts, stand auf einer von ihnen.

Er drückte die Stummtaste, als Joan an ihm vorbei zur Haustür lief. »Willst du nicht frühstücken?«

Joan rieb sich über das Gesicht. Den Schwächeanfall unter Kontrolle zu bekommen hatte länger gedauert, als ihr lieb war. »Ich hab verschlafen«, sagte sie. »Ich hol mir was beim Bäcker.«

»Wir sollten mehr Obst essen«, sagte ihr Dad abgelenkt. Vermutlich redete seine Kundschaft am Telefon mit ihm. Als sie durch die Tür ging, rief er ihr nach: »Hab einen schönen Tag!«

Jeden Mittwochabend und den gesamten Samstag arbeitete Joan in einer altmodischen Bäckerei mit einem Schaufenster voller Scones und Fondant Fancies – kleine, mit Fondant überzogene Biskuittörtchen. In dem kleinen Bereich zwischen dem Tresen und der Tür standen zehn Tische, und den ganzen Tag lang schoben die Gäste die Stühle auf dem Holzboden vor und zurück, damit die Bedienung und andere Gäste an ihnen vorbeikamen.

Joan hatte kaum Zeit, nachzudenken, während sie für die Scones Creme in Auflaufförmchen füllte und Kuchenstücke von der Victoria-Biskuittorte schnitt. Die Zeit sprang von elf Uhr früh auf Viertel vor zwei und dann auf halb drei.

Um halb vier waren die meisten Kuchen ausverkauft, und die Bäckerei war leer, abgesehen von Joan und ihrer Freundin Margie. Joan wischte die Tafel ab und schrieb 50 % Rabatt auf alles darauf.

»Haben wir vom Schaumgebäck überhaupt was verkauft?«, fragte Margie. Sie hielt eines hoch – ein unförmiges weißes Ding mit einer Delle in der Mitte. »Was soll das überhaupt sein?«

»Vielleicht ein Schneemann?«, schlug Joan vor. Es war schließlich November. »Was Festliches?«

Margie biss hinein und kaute nachdenklich. Dann streckte sie sich über den Tresen und reichte Joan den Rest.

Joan hatte gerade ein Tablett genommen, um die Tische abzuräumen, also beugte sie sich vor und biss von dem Schaumgebäck in Margies Hand ab. Es zerbröselte in ihrem Mund wie eine krümelnde Zuckerstange. Sie hob die Augenbrauen.

»Nicht wahr?« Margie schob sich den Rest in den Mund. »Die schmecken krass gut! Warum verkaufen die sich nicht?«

»Vielleicht brauchen sie Gesichter.«

»Oder kleine Arme aus Schokolade …« Margie streckte die eigenen Arme aus und spreizte die Finger, um es zu demonstrieren, und Joan grinste. »Hast du schon mit dem Englischaufsatz angefangen?«, fragte Margie.

»Du nicht?« Das überraschte Joan. Margie war so gut organisiert, dass sie einen Kalender für die gesamte Freundesgruppe hatte. Wenn Joan wissen wollte, wann Chris Zeit hatte, würde sie Margie fragen, nicht Chris.

»Ich kann nicht mal hinsehen!«, sagte Margie. »Weiß du noch, wie nett Mrs Shah letztes Jahr war? Was ist nur los mit ihr? Sie ist schrecklich geworden!«

Joan verharrte mit dem vollen Tablett in der Hand, nicht sicher, ob sie richtig gehört hatte. »Wie nett sie letztes Jahr war?«

»Ich schätze, sie unterrichtet lieber Geschichte als Englisch.«

»Mrs Shah hat letztes Jahr Geschichte unterrichtet?«

Margie warf ihr einen eigenartigen Blick zu. »Warum sagst du das, als wäre das eine Frage?«

Es war einer dieser beunruhigenden Momente, wenn Joans Erinnerungen nicht mit denen anderer übereinstimmten. Letztes Jahr war Mr Larch Joans Geschichtslehrer gewesen, ein kleiner Mann mit einem lauten Lachen, das aus seiner Brust drang.

Joan lief in die Küche, um das Geschirr in den Geschirrspüler zu stellen. Es war ein großes, industrielles Gerät, das Margie RoboCop nannte, weil die obere Hälfte einen Bildschirm hatte, der wie ein Visier aussah, und die untere Hälfte sich wie ein Mund öffnete. Nachdem sie RoboCop wieder geschlossen hatte, entdeckte sie eine dunkle Stelle am Rand der silbernen Tür – so groß und geformt wie Joans Daumen. Nachdenklich rieb sie die Stelle und stellte erstaunt fest, dass sie rau war wie eine Brandspur.

Mit den Gedanken war sie jedoch bei Mr Larch. Wann hatte sie ihn zuletzt gesehen? Für gewöhnlich stand er am Schultor, um die Uniformen zu prüfen und die Leute anzusprechen, wenn sie Turnschuhe oder die falschen Socken trugen. Aber er war seit Monaten nicht dort gewesen.

»He, wo ist Mr Larch eigentlich?«, rief sie über die Schulter. »Hat er Urlaub?«

»Wer?«

»Mr Larch, aus der Schule.« Als Joan zurück in den Laden lief, sah Margie sie nur verständnislos an.

»Wer ist Mr Larch?«

Früher hatte Margie Mr Larch ständig nachgemacht. »Du weißt schon, große Brille. Hat ständig die Uniformen kritisiert.« Joan ahmte ihn nach. »Welche Farbe haben Ihre Schuhe, Margie Channing?«

»Wovon redest du?« Margies Lächeln wirkte halb amüsiert, halb verwirrt. »Hinter der Bibliothek gibt’s den Mr Larchs Lesegarten. Meinst du das?«

Ein unbehagliches Gefühl kroch in Joan hoch. Hinter der Bibliothek gab es nichts – nur ein überwuchertes Wiesenstück, das bis zum Zaun reichte. Wann war sie zum letzten Mal dort gewesen? Auf jeden Fall nicht in den letzten Monaten. Nicht, seit sie nach jenem Sommer zurückgekommen war.

»Das ist aber nicht der, den du meinst«, sagte Margie. »Er ist einem Lehrer gewidmet, der vor zehn Jahren gestorben ist – lange vor unserer Zeit.«

»Das ist er nicht«, stimmte Joan ihr zu. Mr Larch lebte definitiv noch. Er war klein, laut und freundlich. Als Joan Probleme mit der Reihenfolge der Premierminister gehabt hatte, hatte er sich auf der Stelle ein Lied ausgedacht. »Dann betrat John Major die Bühne und …«, hörte sie ihn hin und wieder immer noch singen.

Margie steckte sich ein weiteres Schaumgebäck in den Mund. »Die werde ich den Leuten einfach andrehen«, sagte sie mit vollem Mund. »Ich lass sie auf keinen Fall von der Karte verschwinden.« Sie schnappte sich die Zange. »He, hast du heute Abend was vor? Wir könnten die Aufsätze schon früher fertig schreiben.«

»Heute Abend?«, wiederholte Joan. Ihr waren bereits Fehler in der Zeitlinie aufgefallen – große Sachen wie die Zerstörung von Holland House. Kleine Sachen wie Nick, der jetzt an ihre Schule ging. Aber … Nein! Mr Larch war nicht tot. Er unterrichtete nur woanders. Garantiert!

»Dad macht Nudeln mit der Tomaten-Minze-Soße, die du so magst.«

»Ja«, sagte Joan geistesabwesend. »Klingt gut. Ach nee!« Sie verzog den Mund. »Ich muss heute Abend zum Essen zu meiner Gran. Dad und ich fahren nach London.«

»Warum verziehst du so das Gesicht?« Margie zog die Mundwinkel nach unten. »Ich dachte, du fährst gern zu ihr.«

»Tue ich auch, aber …« Joan verstummte, als Margie ihren Arm packte. »Was ist los?« Margies Gesicht war vor Aufregung ganz rot geworden.

Margie nickte zum Fenster. »Ist das …?«, zischte sie.

Draußen betrachtete eine vertraute, muskulöse Gestalt die ausgestellten Kuchen. Das schwarze T-Shirt rutschte ein Stück hoch, als er sich vorbeugte. Joan schluckte.

Nick.

Margie griff nach ihrem Smartphone. »Kommt er rein? Nein. Doch! Er …«

Nick lief zum Eingang der Bäckerei und drückte die Tür auf. Hinter dem Tresen leuchtete Joans Telefon auf. Eine Nachricht von Margie.

Margie

Lass alles liegen, nick ward ist grad rein

Chris

Wo rein?? In die Bäckerei?

Margie

er sieht SO scharf aus!

Chris

ICH BIN SO NEIDISCH

Ein Gefühlschaos breitete sich in Joan aus. Sie hatte sich gestern geschworen, dass das eine Ausnahme gewesen war – dass sie sich von ihm fernhalten würde. Aber jetzt war er hier, und ein dummer Teil von ihr war froh darüber. Hier in Joans gewöhnlicher Welt wirkte er überlebensgroß. Der Fußballstar der Schule. Der heißeste Typ der Schule.

Heiß wie ein Filmstar, wie Margie immer sagte. Er war auf eine klassische Art gut aussehend mit weichem dunklem Haar und einem kräftigen Kiefer. Er hätte ein Filmheld sein können. In diesem Moment kam es ihr absurd vor, dass auch nur eine Version von ihm jemals auf sie gestanden haben könnte, ganz zu schweigen davon, dass sie Seelengefährten sein sollten.

Nick ließ den Blick über sie beide wandern, und dann erhellte sich sein Gesicht. Es dauerte einen Moment, bis Joan begriff, dass er lächelte, weil er sie gesehen hatte.

»Hi«, grüßte er sie und Margie, aber sein Blick wanderte zu Joan zurück, als würde er von ihr angezogen werden. »Hat dein Handy das Abenteuer überstanden?«

Joan sah im Blickwinkel, wie Margie sie anstarrte, und sie fühlte sich seltsam bloßgestellt. Sie nickte, und sein Lächeln wurde wärmer.

Wieder leuchtete Joans Smartphone auf. Noch eine Nachricht von Margie – diesmal nur an Joan.

Seit wann kennst du nick ward??

Joan schüttelte den Kopf. Sag bitte nichts, flehte sie Margie innerlich an. Sie musste dafür sorgen, dass Nick die Bäckerei schnellstmöglich verließ. »Du bist gerade rechtzeitig gekommen«, sagte sie zu ihm. »Zum Feierabend gibt es auf alles fünfzig Prozent Rabatt.«

»Da bin ich ja wirklich rechtzeitig gekommen!« Nick lächelte noch immer und lief rot an, als hätte er das gar nicht laut sagen wollen.

Mit einem Mal war Joan zu warm, als hätte sie zu lange in der Sonne gestanden. In ihrem Blickwinkel erkannte sie, wie Margie von einem Ohr zum anderen grinste.

Joans Smartphone leuchtete wieder. Sie sah herab, weil sie noch eine Nachricht von Margie erwartete, aber zu ihrer Überraschung war es ein Anruf von ihrer Gran.

Sie zögerte. Sie sollte rangehen, aber … sie arbeitete schließlich noch, und sie würde ihre Gran in ein paar Stunden sowieso sehen. Sie drückte auf den roten Hörer.

»Also ich bin fertig«, verkündete Margie. »Den Rest bring ich zur Wohlfahrt.«

»Was?«, rief Joan. Margie hatte nur das Schaumgebäck in Schachteln gepackt. Außerdem brachten sie das, was übrig blieb, sonst immer zusammen zur Wohlfahrt. »Wir haben noch gar nicht …«

»Bin in zehn Minuten zurück.« Margie zog sich bereits die Schürze über den Kopf. Sie drehte sich von Nick weg und zwinkerte Joan übertrieben zu.

»Margie.« Sie würde ihr nur sagen müssen, dass sie noch andere Gebäckstücke einpacken sollten, Margie würde es nicht infrage stellen, sie würde bleiben. Joan öffnete den Mund, brachte aber kein Wort hervor. Ihr Gesicht fühlte sich an, als würde es in Flammen stehen.

Margie grinste breit. »Gern geschehen«, hauchte sie. Und dann verschwand sie aus dem Laden.

Nicks Blick begegnete Joans, und da wurde ihr plötzlich klar, wie groß er eigentlich war und wie er sich vorbeugte, um nicht so imposant zu wirken. Er biss sich auf die Lippe, konnte sein Vergnügen aber nicht verbergen. Margie war nicht unbedingt subtil gewesen.

»Hi«, sagte er noch mal.

Joans Brust zog sich zusammen. An dieses unverhüllte Lächeln von ihm war sie nicht gewöhnt. »Hi«, sagte sie nur. Seine Haare lockten sich ganz leicht an den Spitzen. »Gefällt dir was?«

Nick blinzelte sie an, und Joan deutete auf die Kuchen.

»Oh.« Aus irgendeinem Grund wurde er noch roter. »Äh … Ich bin mir nicht sicher. Was kann ich denn für zehn Pfund bekommen, wenn … Also, wir sind ziemlich viele zu Hause.«

Dafür würde er nur glasierte Milchbrötchen bekommen, aber Joan wollte ihm die richtig guten Sachen geben. »Diese Woche gibt es Brötchen mit Schokoladenstückchen. Für zehn Pfund kriegst du zehn.« Das stimmte nicht ganz, aber Joan konnte ihren eigenen Rabatt auf die fünfzig Prozent anrechnen.

Da lächelte er wieder, und mit einem Mal tat es weh – diese Fantasievorstellung, dass sie sich gerade erst begegnet waren, dass sie sich nächste Woche in der Schule wieder treffen würden, dass er wieder in die Bäckerei kommen würde. Dass das hier der Anfang von etwas sein könnte und nicht das Ende.

Sie konzentrierte sich darauf, zwei Kartons auseinanderzufalten. In zwei Minuten wäre er auf dem Weg nach Hause. Dieses Gefühl konnte sie zwei Minuten lang ertragen – man konnte alles zwei Minuten lang ertragen, und dann noch mal zwei Minuten. Das hatte sie gelernt, seit sie nach Hause gekommen war. Fünfmal zwei Minuten, dann wäre Margie zurück.

Sie legte sechs Brötchen in eine Schachtel und vier in die andere. Obwohl sie wusste, dass sie es nicht tun sollte, legte sie zwei Bakewell-Törtchen dazu, um die Lücken zu füllen. »Aufs Haus«, sagte sie, ohne ihn anzusehen. Das hätte sie auch für andere getan, redete sie sich ein. Sie würden ohnehin nicht halten.

»Die esse ich am liebsten.« Nick klang überrascht und dankbar.

Ich weiß, dachte Joan. Sie wusste, dass er Mandeln und Kirschen mochte. So wie sie auch wusste, dass er eine höhere Anzahl kleinerer Gebäckstücke dem großen Kuchen im Fenster vorzog, damit jedes Kind ein ganzes Brötchen für sich haben würde. Sie kannte ihn so gut. Nur dass das nicht stimmte. Diesen Nick kannte sie nicht. Das hier war nicht er. Er sah aus wie er, aber er war es nicht!

Sie konnte es ertragen. Nick würde dieses Jahr seinen Schulabschluss machen, und sie nächstes Jahr. Vielleicht würde er wegziehen. Oder sie würde wegziehen. Ein Jahr lang würde sie es ertragen können. Und dann … würden ihre Gefühle für ihn vielleicht nachlassen. Vielleicht würde sie eines Tages ohne Sehnsucht an ihn denken können.

Ihr Smartphone leuchtete auf. Sie sah runter und erwartete, Nachrichten von Margie und Chris zu lesen, aber es war eine Sprachnachricht von ihrer Gran.

Das war seltsam. Ihre Gran hinterließ nie Nachrichten – niemals. Nicht mal hingekritzelte Botschaften auf dem Küchentisch. Sie sagte immer: »Lass keine Nachrichten rumliegen. Sie könnten in falsche Hände geraten.«

Die Glöckchen über der Tür zur Bäckerei klingelten. Margie, dachte Joan, und sie war sich nicht sicher, ob sie erleichtert war oder enttäuscht, weil sie und Nick nur einen kurzen Moment für sich gehabt hatten. Erleichtert, sagte sie sich entschieden.

»Hast du deine Jacke vergessen …«, sagte Joan, aber dann verstummte sie.

Es war nicht Margie. Es war ein etwa dreißig Jahre alter Mann. Draußen hatte er einen Seesack liegen gelassen, und jetzt blieb er vor der Türschwelle stehen wie ein Vampir, der auf eine Einladung wartete. Er war groß, hatte schmale, katzengleiche Augen und Haar von der Farbe verbrannter Butter. Sein Schnurrbart war schmal wie ein Pinselstrich – einen Ton dunkler als sein Haar. Etwas stimmte nicht mit ihm. Der Stil seines Anzugs, seine Frisur. Als wäre er einem Foto von den 1920ern entsprungen.

Oder aus den 1920ern selbst.

Joans Herz schlug heftig – einmal, zweimal. Er war ein Zeitreisender. Ein Monster. Sie hatte noch nie ein Monster in Milton Keynes gesehen.

»Was wollen Sie?«, fragte sie streng.

Nick wirkte verdutzt, als er Joans unhöflichen Tonfall bemerkte. Doch dann wurden seine Augen schmal, und er trat instinktiv zwischen Joan und den Mann, um sie zu beschützen.

»Du warst erstaunlich schwer zu finden«, sagte der Mann zu Joan. Er musterte Nick mit gerunzelter Stirn. »Und du solltest überhaupt nicht hier sein. Uns wurde gesagt, dass hier zwei Mädchen allein sein würden.«

Da ballte Nick die Hände zu Fäusten, genauso instinktiv. Der Mann trat über die Schwelle, und Nick trat einen bedrohlichen Schritt vor. Der Fremde seufzte, wie jemand, der hergekommen war, um eine kleine Aufgabe zu erledigen, nur um festzustellen, dass sie schwieriger war als erwartet.

Dann runzelte auch Nick die Stirn, als wäre er sich nicht sicher, was er da sah. »Was …« Seine Stimme verlor sich.

Es war kein Seesack. Joan beugte sich vor. »Margie?« Ihre Stimme klang angestrengt und schmal. »Was haben Sie getan?«, schrie sie den Mann an. »Was haben Sie getan?«

Margie lag auf dem Boden, die Beine unter sich angewinkelt, als hätte sie sich auf dem Sofa zu Hause zusammengerollt. Die Schachteln mit dem Schaumgebäck lagen neben ihr und hatten ihren Inhalt auf dem nassen Gehweg verteilt. Strähnen ihres goldenen Haars wehten vor ihrem Gesicht im Wind. Es hatte aufgehört, zu regnen, aber Wasser tropfte von der Traufe und hinterließ Streifen auf ihrem Gesicht. Sie zuckte nicht zusammen. Ihre Augen waren groß und leer.

»Wie ein kleiner Schmetterling«, sagte der Mann herablassend. »Ich schätze, sie wäre in ein paar Monaten ohnehin gestorben.«

Joan begriff es nicht. Ungläubig schüttelte sie den Kopf, als sie sich vorstellte, wie der Mann Margie eine Hand in den Nacken gelegt und mit nur einer Berührung all ihre Lebenszeit aus ihr gesaugt hatte. »Nein«, hauchte sie, als könnte sie es damit ungeschehen machen. Als würde Margie gleich wieder zur Wohlfahrt laufen. Als wäre sie in zehn Minuten zurück.

»Verschwinde«, murmelte Nick in Joans Richtung, seine Haltung bedrohlich, und auf einmal wurde Joan innerlich ruhig. Dieser Mann hatte keine Ahnung, mit wem er es zu tun hatte.

Doch genauso schnell wandelte sich ihre Wahrnehmung wieder. Nick konnte nicht gegen diesen Mann kämpfen. Nicht mehr. Nicht nach dem, was Joan ihm angetan hatte.

Sie lief um den Tresen und griff nach Nicks Arm, bevor er sich noch einen Schritt vorwagen konnte.

»Ist schon gut«, sagte Nick leise. »Geh wieder hinter den Tresen.« Er hatte den Blick nicht von dem Mann genommen. »Ich werde …« Er verstummte und riss die Augen auf.

Nur wenige Schritte von ihm entfernt erschien ein weiterer Mann aus dem Nichts, als wäre er durch eine unsichtbare Tür in ihre Welt getreten. Noch mehr Leute tauchten im Laden auf – Leute, die schwere Anzüge aus den 1940ern und Kleider aus den 1920ern trugen.

Monster.

»Schnappt euch das Mädchen. Tötet den Jungen«, befahl der Mann in der Tür. Er hob nicht mal die Stimme, aber die Neuankömmlinge setzten sich sofort in Bewegung.

Als wäre ein Schalter umgelegt worden, verschwand Joans Schock über Margies Anblick. Wenn sie und Nick nicht von hier verschwinden würden, wären sie genauso tot.

Sie warf den Tisch neben sich mit all den Tellern und Tassen um. Ein Mann in einem hellen Leinenanzug wich erschrocken vor dem zerbrechenden Geschirr zurück. »Durch die Küche!«, rief Joan Nick zu.

Nick zögerte nicht, und gemeinsam rannten sie um den Tresen und in die Küche. Nick schlug die Tür hinter ihnen zu, und Joan griff nach einem schweren Karren voller Backbleche. Nick packte die andere Seite, und gemeinsam warfen sie ihn um. Das Metall klapperte laut, als der Karren die Tür blockierte.

»Was passiert hier?«, keuchte Nick auf dem Weg zur Hintertür. »Die sind aus dem Nichts aufgetaucht! Wie?«

Joan schüttelte den Kopf. Sie waren Monster. Mehr wusste sie nicht. »Sobald wir draußen sind, renn nach rechts in die Gasse und lauf!« Der Mann hatte befohlen, sich das Mädchen zu schnappen und den Jungen zu töten. Joan wusste, dass die Angreifenden ihr folgen würden und nicht Nick, wenn sie sich trennen würden. Sie hatten nicht mal erwartet, dass Nick hier sein würde. »Lass mich zurück! Sie werden mir folgen, nicht dir!«

Verwirrung huschte über Nicks Gesicht. »Ich soll dich ihnen überlassen?«

»Tu es einfach!« Joan riss die Hintertür auf. Dann keuchte sie. Im Hinterhof erschienen noch mehr Monster und füllten den winzigen Platz. Sie zögerte und starrte sie an.

Nick griff nach ihrer Hand. »Komm schon!« Sie hatte keine Zeit zum Nachdenken. Zusammen stürzten sie durch die Tür und rannten los, vorbei an den Monstern, die vor ihnen auftauchten.

Drei

Joan schaffte es nicht aus dem Hinterhof. Ein Mann schlang einen Arm um ihre Taille und raubte ihr fast den Atem. Ihre Knie gaben nach, und der Mann riss sie fest an sich.

Nick war es gelungen, an den Monstern vorbeizukommen, und er war schon fast auf der Straße. Joan war erleichtert. Er würde es schaffen.

Doch als ihm offenbar auffiel, dass er Joans Hand nicht mehr hielt, drehte Nick sich um.

»Nein!«, krächzte Joan. »Renn!«

Ein Monster griff nach ihm, aber Nick schüttelte die Hand mit gereizter Leichtigkeit ab. Er schlug einmal zu, dann noch mal, und kämpfte darum, zu Joan zurückzukehren. Doch dann umzingelten ihn die anderen Monster.

Joan wehrte sich gegen den eisernen Griff um ihren Oberkörper. Sie konnte nicht atmen. Vor ihren Augen verschwamm alles. Dem Stöhnen und Ächzen nach hielt Nick sich tapfer, aber eine einzige Berührung in seinem Nacken würde genügen. Joan grub die Finger unter den Arm ihres Angreifers. Er lockerte den Griff, und ihre Lunge dehnte sich plötzlich wieder. »Nick, hau ab!«

»Corvin!«, schnappte jemand. »Worauf wartest du?«

»Stopp! Wehrt euch nicht!«, sagte der Mann, der Joan festhielt, mit einem scharfen Befehlston. Seine Brust vibrierte an Joans Rücken. »Haltet still.«

Der Befehl war so albern, dass Joan fast gelacht hätte. Dachte er, sie würden aufhören, nur weil er es ihnen befahl? Sie zerrte und trat nach ihrem Angreifer – Corvin hatte ihn jemand genannt. Ihre Ferse traf gegen sein Schienbein, und er fluchte.

Eine Weile hörte Joan nur, wie ihre Füße über das nasse Kopfsteinpflaster rutschten und wie Corvin unter der Anstrengung, sie festzuhalten, grunzte.

Das waren wirklich die einzigen Geräusche, dämmerte ihr. Sie konnte Nick nicht hören. Sie drehte sich und suchte verzweifelt nach ihm, wobei sie bereits ihren schlimmsten Albtraum vor Augen hatte – Nick, tot auf dem Boden genau wie Margie.

Aber Nick stand noch. Joan hatte jedoch kaum Zeit, erleichtert zu sein, denn seine Haltung war seltsam. Er stand mitten im Hof, wie erstarrt, den Blick auf Joan geheftet. Die Monster hatten sich von ihm entfernt, aber Nick nutzte nicht die Gelegenheit, zu kämpfen. Seine Arme hingen steif an seinen Seiten.

Und seine Augen … Der Blick aus seinen Augen war so unheimlich ausdruckslos, dass Joan wieder Margies regloses Gesicht vor sich sah. Grans. Luciens. Die Augen der Toten.

»Nick?« Ihre Stimme klang angsterfüllt und unsicher. Er regte sich nicht. »Nick?« Was war nur los mit ihm? »Was haben Sie ihm angetan?«, fragte sie Corvin mit bebender Stimme.

Statt ihr zu antworten, befahl er: »Gebt mir die Handschelle!«

Eine Frau trat auf Joan zu. Sie trug die Haare zu einem hübschen Bob frisiert und hatte ein ausgestelltes Kleid aus den 1950ern an, wodurch sie aussah wie eine schwarz-weiße Werbung, die zum Leben erwacht war. Ihr Lippenstift war ein wenig asymmetrisch, was ihrem Mund einen grausamen Zug verlieh. Aus der Brusttasche zog sie einen schmalen goldenen Zylinder, den sie Corvin reichte. Er schnippte mit dem Daumen dagegen, und der Zylinder rollte sich zu einem kurzen, papierdünnen Goldstreifen auf, der aussah, als würde er aus Spitze bestehen.

»Was tun Sie da?«, presste Joan hervor. Was war das? »Wer sind Sie?« Sie trat nach der Frau, damit sie ihr fernblieb.

»Halt sie fest«, befahl Corvin, und jemand packte Joans rechten Arm und schob ihren Ärmel hoch, bis der Knopf aufplatzte.

Joan wehrte sich. »Nick!«, keuchte sie. Er stand noch immer nur da. Was war nur los mit ihm? »Nick!«

Corvin legte die goldene Spitze auf Joans Unterarm, direkt über dem Handgelenk. Kurz lag sie dort wie ein hübscher goldener Armreifen. Doch dann wand sie sich und grub sich brennend in Joans Haut, als wäre sie ein Lebewesen. Joan keuchte – es schmerzte wie heiß schmelzendes Metall.

»Sie ist mit mir verankert«, sagte Corvin. »Wir können los.«

Los? Würden sie sie wegbringen? »Wer sind Sie? Warum …« Joans Stimme brach, und dann stieß sie hervor: »Warum haben Sie Margie getötet?« Sie konnte nicht fassen, dass Margie tot war. »Warum haben Sie sie nicht gehen lassen?« Margies kleine Schwester Sammy würde am Mittwoch sechs Jahre alt werden. Margie wollte ihr einen Kuchen in der Form eines Steines backen, in dem ein Dinosaurier steckte. Doch jetzt … »Sie war schon fast weg. Sie war doch gar nicht mehr da!«

»Oh, hör auf«, schnappte Corvin, als hätte Joan seine Professionalität infrage gestellt. »Sie hatte kaum mehr als ein halbes Jahr übrig.«

Einen Schmetterling hatte er Margie vorhin genannt. Wollte er damit sagen, dass Margie sowieso schon bald gestorben wäre? Joan schüttelte den Kopf. Das ertrug sie nicht.

Corvin hob die Stimme. »Irgendjemand von euch bleibt hier und räumt auf!«, befahl er den anderen. »Kümmert euch um den Leichnam und den Jungen!«

Vorhin hatte er ihnen aufgetragen, den Jungen zu töten. Joan verlor die Beherrschung. Sie schlug mit dem Ellbogen zu und trat um sich, um sich aus Corvins Griff zu lösen. Nick stand noch immer da, starr wie eine Statue. Hatte er überhaupt geblinzelt? »Nick, wehr dich!«, flehte sie ihn an. »Kämpf! Du musst von hier verschwinden! Sie werden dich töten!« Und es wäre ihre Schuld. Die andere Version von Nick hätte sie alle aufhalten können, aber Joan hatte ihm seine Erinnerungen und Fähigkeiten genommen. Sie hatte dafür gesorgt, dass er Monstern hilflos ausgeliefert war. Nicht mal er wusste, was er einst gewesen war.

In der Ferne war bereits ein Martinshorn zu hören. »Verschwindet!«, sagte Corvin. »Schnell!«

Joan nahm am Rande wahr, dass sich der Hinterhof leerte, als die Monster sich in Luft auflösten.

Aus dem Nichts überkam auch sie das Verlangen, durch die Zeit zu reisen – eine tiefe Sehnsucht, die so stark war, dass sie jedes andere Gefühl verdrängte, selbst ihre Angst um Nick. Aber das hier war nicht ihr eigenes Verlangen. Corvin hatte gesagt, dass sie mit ihm verankert war. Er hatte ihr dieses Ding umgelegt – diese Handschelle –, und jetzt versuchte er, sie aus dieser Zeit zu schleifen.

»Komm schon!«, zischte Corvin sie an.

Die erzwungene Sehnsucht wurde stärker. Joan musste ihm folgen – mehr, als sie atmen musste. Es war ein urtümliches Verlangen.

Doch auf dieselbe urtümliche Art kämpfte sie darum, hier zu bleiben, in dieser Zeit. Monster reisten durch die Zeit, indem sie an eine andere Zeit dachten und sich danach sehnten. Joan erfüllte sich mit der Sehnsucht nach ihrem Zuhause. Nach dem Hier. Nach dem Ort, an dem sie bereits waren.

Sie kämpfte dagegen an, wie sie gegen die Schwäche heute Morgen angekämpft hatte, und konzentrierte sich auf ihre Sinne. Es war kalt. Sie roch die nassen Pflastersteine, gebackenes Brot und den Rauch aus den Schornsteinen. Ich bin zu Hause, dachte sie. Ich will nirgendwo sonst sein.

»Hast du sie oder nicht?«, fragte ein hagerer Mann mit einem spitzen Gesicht und dünnem grauem Haar. Er klang skeptisch, fast schon herablassend.

»Natürlich hab ich sie«, erwiderte Corvin gereizt. Dabei grunzte er jedoch, als hätte er mit einem schweren Gewicht zu kämpfen.

Das erzwungene Verlangen wuchs zu Verzweiflung an. Joan spürte, wie sie den Halt verlor.

Ich will nirgendwo sonst sein, nur hier.

Ihre innere Stimme klang schwach im Vergleich zu dem verzweifelten Bedürfnis, zu reisen. Sie drehte sich wieder in Corvins Armen, bis sie nur noch Nick sehen konnte.

Corvin knurrte angestrengt. Joan konnte nicht atmen. Nick, dachte sie, und sie konzentrierte ihre Sehnsucht auf ihn, statt ihre Gefühle zu verdrängen.

Ich will hier bei dir bleiben.

Aber Corvin war zu stark. Das Martinshorn verstummte. Der Geruch des Regens verschwand.

Nick … Nick …

In der zunehmenden Dunkelheit erkannte Joan Bewegung, wo eben noch keine gewesen war. Nicks Hände ballten sich langsam zu Fäusten. Fließend legte sich ein Ausdruck auf sein Gesicht, wie Wasser, das einen Becher füllte.

»Renn!«, brachte Joan zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. Ihre Stimme klang blechern und wie aus weiter Ferne.

Doch statt zu rennen, drehte sich Nick mit finsterer Entschlossenheit zu Corvin. Mit nur einem Schritt war er bei ihm. Er tat etwas, das schnell und hart war und bei dem Corvin schmerzerfüllt krächzte und zurücktaumelte, wobei er Joan mit sich zog.

»Tötet ihn!« Corvin sah über seine Schulter auf der Suche nach Hilfe. »Haltet ihn auf!«

Aber es gab keine Hilfe.

Die anderen Monster waren verschwunden und hatten ihn mit Joan und Nick im Hinterhof zurückgelassen.

Vier

Die Sehnsucht war verschwunden. Joan atmete erleichtert auf und sackte in Corvins Armen zusammen. Es hatte funktioniert. Es war ihr gelungen, in dieser Zeit zu bleiben.

»Wo sind alle?« Corvin klang verärgert. Ihm schien zu dämmern, dass er nicht mit den anderen gereist war. »Was zum Henker?« Er heftete den Blick seiner katzengleichen Augen auf Joan und zog die hellen Brauen zusammen. »Wie hast du dich gegen die Handschelle gewehrt?«

Sein Griff hatte sich gelockert, als er sich umgesehen hatte. Joan nutzte die Gelegenheit, um sich zu befreien.

Corvin griff nach ihr, aber dann war Nick da und rammte ihm die Faust ins Gesicht, sodass er zurücktaumelte. Corvin holte Luft, um etwas zu sagen, und Nick schlug erneut zu, fest gegen den Kiefer. Bewusstlos sackte Corvin auf das nasse Kopfsteinpflaster des Hinterhofes.

Nick starrte auf ihn runter, und seine breiten Schultern hoben und senkten sich. Joan kam selbst kaum zu Atem. Die Geräusche der Nachbarschaft waren zurückgekehrt. Vögel zwitscherten, und in der Ferne dröhnten Autos. Und es roch nach nassen Steinen.

Nick drehte sich zu ihr um. »Hat er dir wehgetan?« Er musterte sie von oben bis unten.

Joan schüttelte den Kopf, und in dem Moment überkam sie ein Déjà-vu, ein Bild, das sich über das legte, was sie vor sich sah: wie Nick vor Lucien Olivers Körper stand und Blut von einem Schwert tropfte. Damals hatte er sie auch gefragt, ob alles in Ordnung war.

»Es tut mir wirklich leid«, sagte Nick jetzt. Er fuhr sich über das Gesicht. »Ich weiß nicht, warum ich so erstarrt bin.«

»Was?« Warum tat ihm das leid? Er hatte sie gerade davor bewahrt, von Monstern entführt zu werden.

Nick runzelte die Stirn. »Du hast dich gewehrt, aber ich stand einfach nur da, während du gegen ihn gekämpft hast. Es tut mir leid.«

»Nein.« Das war so nicht richtig. »Nein, du …« Joan verstummte. Was genau war passiert? So etwas hatte sie noch nie gesehen. Nick hatte gekämpft, aber dann hatte Corvin ihnen befohlen, stillzuhalten, und Nick war stehen geblieben, als hätte Corvin auf die Pausetaste gedrückt, reglos wie eine Puppe.

Joan sah zu Corvin runter, der bewusstlos auf den nassen Steinen lag. In der Pfütze verklumpte sein Haar zu dunklen Strähnen. Während des Kampfes war einer seiner Ärmel hochgerutscht und enthüllte die Tätowierung eines Baumes. Der Stamm setzte beim Ellbogen an, und über seiner Handfläche verzweigten sich verbogene Äste, deren vertrocknete Enden bis zu seinen Fingerspitzen reichten.

Eine verbrannte Ulme, das Siegel der Argent-Familie. Argents konnten Menschen ihrem Willen unterwerfen. Ihr wurde flau. »Du bist nicht erstarrt. Das warst nicht du!« Nick war für sie zurückgekommen. Er hätte entkommen können, aber er hatte ihr das Leben gerettet. »Er war das. Er hat eine Kraft gegen dich eingesetzt.«

»Eine Kraft?« Der Blick aus Nicks dunklen Augen heftete sich auf sie.