New Life and Love - Luisa Brenke - E-Book
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New Life and Love E-Book

Luisa Brenke

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Beschreibung

Ein neues, glückliches Leben in LA beginnen und die letzten Jahre hinter sich lassen - das ist Skys größter Wunsch, als sie mit ihrer Mum zu derem neuen Lebensgefährten Dave zieht. Dass Daves Sohn Jason ausgerechnet ein Bad Boy ist - überheblich, dominant und bedrohlich - passt offensichtlich nicht zu ihrem Vorhaben. Schon bald wird sie ungewollt in seine Gang-Angelegenheiten mit reingezogen und schwebt nicht nur ein Mal in Gefahr. Das einzig Positive daran: Sky und die Jungs rücken zusammen und lernen sich besser kennen, wodurch sie besonders einem von ihnen immer näher kommt. Doch ist Sky bereit für eine Beziehung mit einem Bad Boy? Kann ihre Liebe die Höhen und Tiefen überstehen? Als wäre das nicht genug, droht auch Skys Vergangenheit, sie bitter einzuholen...

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Inhaltsverzeichnis

SKY

JASON

SKY

JASON

SKY

JASON

SKY

JASON

SKY

JASON

SKY

JASON

MASON

SKY

JASON

SKY

JASON

SKY

JASON

SKY

MASON

SKY

RACHEL

SKY

JASON

SKY

JASON

SKY

JASON

SKY

JASON

SKY

MASON

SKY

JASON

SKY

MASON

SKY

MASON

SKY

JASON

SKY

MASON

SKY

MASON

SKY

MASON

SKY

MASON

SKY

JASON

SKY

MASON

SKY

MASON

SKY

JASON

SKY

MASON

SKY

Ein Jahr später

MASON

SKY

SKY

Rot-braune glatte Haare, türkisgrüne Augen, rote Lippen, ein schönes Gesicht, ein schlichtes T-Shirt und eine hautenge Jeans an einem zierlichen Körper. Eigentlich ganz hübsch, jedoch zunichte gemacht durch hängende Schultern und eine bedrückte Körperhaltung …

Die Person im Spiegel, das war ich: Skyla Montgomery. Das schüchterne, zurückgezogene Mädchen, das alles mit sich machen ließ. Doch so bin ich nicht immer gewesen und so wollte ich auch nicht mehr sein. Denn momentan hatte ich außer meiner Mum niemanden. Und das nur wegen IHM! Aber das würde sich jetzt ändern! Von heute an würde ich wieder ein tolles, fröhliches Leben führen und das konnte mir keiner vermiesen!

»Sky, kommst du? Wir wollen los …!«, rief meine Mum von unten.

»Ich komme schon!«, schrie ich zurück.

Ich warf noch einen letzten Blick in den Spiegel, stellte mich aufrecht hin und zog meine Schultern zurück. Dann sah ich mich ein letztes Mal in meinem Zimmer um, schnappte meine Tasche und den letzten Umzugskarton und machte mich auf den Weg nach unten.

Mum saß schon im Auto, also zog ich die Haustür mit einem »Auf nimmer Wiedersehen« zu, packte meine Sachen in den Kofferraum von Mums kleinen Toyota und ließ mich mit einem befreiten Seufzen auf den Beifahrersitz plumpsen.

»So erleichtert?«, wunderte sich Mum.

»Ja«, entgegnete ich glücklich.

Sie wusste ja nicht, was mir in dem letzten Jahr alles passiert war, denn sie war immer lange arbeiten gewesen und in der restlichen Zeit hatte ich versucht, es vor ihr zu verbergen. Ich wollte ihr keine zusätzlichen Sorgen bereiten, da sie sich bereits genügend Vorwürfe machte, dass sie nicht genug Zeit für mich hatte. Na ja, letztendlich hatte sie meine Veränderung dann auf die Pubertät geschoben.

»Na dann let´s go!«, rief sie fröhlich, »Auf nach Los Angeles!«

»Yippie!«

Also los zu dem neuen Freund meiner Mutter. Ich hatte ihn zwar erst ein Mal getroffen, aber er war mir gleich sympathisch vorgekommen und wenn Mum ihn liebte, dann musste er einfach super sein.

Ich sah die letzten Häuser San Franciscos an uns vorüberziehen und merkte, wie mir eine Last von den Schultern fiel. Augenblicklich setzte ich mich gerader und selbstbewusster hin. Endlich war ich IHN los! Und hätte es passender nicht sein können, lief gerade Happy von Pharrell Williams im Radio. Augenblicklich sang ich lauthals mit.

Mum fing an zu lachen, doch ich störte mich nicht daran. Heute war einfach so ein toller Tag. Somit sang beziehungsweise grölte ich alle mir bekannten Songs mit und irgendwann stimmte selbst meine Mutti mit ein. Es war echt lustig und nach fünf Stunden Autofahrt, aber erst einer gefühlten Stunde, begann Mum zu reden: »Ski, Schatz. Wir fahren jetzt in Los Angeles rein und werden in circa 25 Minuten ankommen. Du weißt ja schon über das Wichtigste Bescheid. Trotzdem möchte ich ein paar Dinge noch mal ansprechen. Also: Unsere Klamotten et cetera wurden, wie du weißt, schon vor zwei Tagen vom Umzugsservice abgeholt und rübergebracht. Da Dave ja etwas mehr Geld hat, hast du auch dein eigenes Zimmer samt eigenem Bad.« Oh mein Gott! Wie geil war das denn?! »Es ist sogar in deinen Lieblingsfarben eingerichtet. Sprich, du hast alles in Gelb-Orange-Rottönen …« Besser ging es ja gar nicht, mein eigenes Zimmer in meinen Lieblingsfarben und auch noch mit eigenem Bad, was für ein Luxus! Wie es wohl aussah … »… Jason … ganz nett … gut verstehen … Los Angeles International School … ab Montag … Freunde … Hobbys … Dave … Schatz … Liebe … tolles Leben …« Viel mehr bekam ich nicht mit, denn ich war die ganze Zeit dabei, mir mein neues Zimmer auszumalen.

»Sky, wir sind da-ha«, riss mich Mum nach einer Weile aus meinen Gedanken.

»Ohhh …« Ich schaute mich irritiert um. »Aber hier wohnt Dave doch nicht, oder?« Die Häuser oder eher Villen um uns herum sahen alle zu teuer für einen ›etwas mehr Verdienenden‹ aus.

»Doch Schatz, die weiße Villa mit dem Audi Q7 vor der Tür, dort werden wir von nun an wohnen«, entgegnete mir Mum locker.

»Was?! Du willst mich doch auf den Arm nehmen! Also sag schon, wo müssen wir hin?«

»Nein, will ich nicht. Hier wohnt mein Liebling«, schmunzelte Mum.

»Aber warum hast du mir davon nichts erzählt?«, fragte ich vorwurfsvoll.

»Zum einen habe ich es dir schon mal erzählt, aber du scheinst nicht zugehört zu haben, und zum anderen hätte ich die Fahrt nicht überlebt, wenn du mir auch noch deswegen die Ohren voll geschrien hättest.« Ich drehte mich beleidigt weg und starrte stur aus dem Fenster.

Doch lange eingeschnappt sein konnte ich nicht, denn schon fuhr Mum die Einfahrt hinauf und uns kam ein überglücklicher Dave entgegen. So konnte ich nicht anders, als zu grinsen.

Wir hielten an und kaum war meine Mutter ausgestiegen, lag sie ihrem ´Schatz´ in den Armen. Die benahmen sich wie Teenager. Aber süß waren sie schon irgendwie. Jetzt war ich die, die schmunzelte, und stieg ebenfalls aus dem Wagen. Dass Mum das nicht peinlich war, dass sie hier mit so einer alten Karre aufkreuzte. Aber Liebe machte ja bekanntlich blind, und mir sollte es recht sein.

Als ich die Autotür zuschlug, bemerkte Dave mich und kam sofort auf mich zu gelaufen. »Hi, Sky. Wie geht es dir? Wie war die Reise?«

»Hi, Dave«, lachte ich. »Alles ist super. Ich freue mich, hier zu sein.«

»Das ist schön, dann lasst uns doch rein gehen. Du bist sicherlich schon gespannt auf dein Zimmer.«

»Und wie!« Jetzt waren die beiden Erwachsenen an der Reihe mit Lachen. Ich musste mich wie ein Kleinkind angehört haben, das einen Lolli geschenkt bekommen hat. Aber von nun an war ich halt ein fröhlicher Mensch und damit mussten sie klarkommen.

Als wir unser neues Heim betraten, blieb mir vor Staunen der Mund offenstehen. Wow. Vor mir lag ein edler Flur mit Marmorfliesen, in denen man sich spiegeln konnte. An der Garderobe, die sich links von der Tür befand, entledigte ich mich meiner Schuhe. Meine ›Eltern‹ taten es mir gleich und so gingen wir, Dave vor und meine Mum hinter mir, als Erstes in die Küche. Sie war ziemlich groß und hatte eine rot glänzende Küchenzeile, samt Kücheninsel und Barhockern. Außerdem gab es eine Essecke, die aus einem Tisch für vier Personen bestand und vor der einzigen dunkelroten Wand – die anderen waren weiß – ihren Platz hatte. Ich fand sie wirklich schön, aber Mum war total geflasht.

»Gefällt sie dir, Süße? Ich habe sie extra für dich renovieren lassen, nachdem du mir erzählt hast, wie lange du dir schon eine Küche dieser Art wünschst.«

»Oh mein Gott, sie ist einfach perfekt.« Schon wieder lag Mum ihrem Freund in den Armen und gab ihm einen dicken Kuss.

Nach einigen Minuten – und es war echt schwer gewesen, die auszuhalten – räusperte ich mich. Die beiden Turteltauben vor mir schien das aber kein bisschen zu stören, weshalb ich beschloss, das Haus auf eigene Faust zu erkunden.

Gegenüber von der Küche befand sich ein riesiges Wohnzimmer, welches in warmen Brauntönen gehalten war. Die vielen Sitzgelegenheiten, wie die gemütlich wirkende Couch und der Sessel, aber auch der dicke Fransenteppich sahen sehr einladend aus. Außerdem fand ich einen Flachbildfernseher, einen Kamin und eine Fotowand vor.

Ich trat näher und betrachtete sie ausgiebig. Viele Bilder von Dave, einem kleinen Jungen und einem noch jüngeren Mädchen – vielleicht sein Neffe und seine Nichte – waren darunter. Und dort war ein Bild von ihm und meiner Mum. Echt süß. Doch von mir fand ich keine Aufnahme. Vielleicht irgendwann, wenn es eine schöne, aktuelle von mir gab, hang ich auch hier. Dann gehörte ich zur Familie, zu einer heilen Familie, einer Art der Familie, an die ich mich nur noch vage erinnern konnte. Denn als mein Dad vor vier Jahren gestorben war, hatte sich für Mum und mich alles verändert. Sie hatte hin und wieder eine kurze Beziehung mit einem Mann gehabt, aber es war nie so wie früher …

Ich wandte mich von der Bilderwand ab. Sonst machte ich mir nur viel zu viele Gedanken und schließlich hatte ich mir geschworen, dass ich ab heute ausschließlich positiv war.

Nachdem ich den Raum verlassen und das relativ unspektakuläre kleine Gäste-WC und die Besenkammer hinter mir gelassen hatte, steuerte ich die Treppe, die scheinbar in den ersten Stock führte, an.

Der Flur oben war ähnlich wie der unten, nur haben die Marmorsteine einem Holzboden Platz gemacht. Es gab fünf Türen. Ich beschloss im Uhrzeigersinn vorzugehen. Also öffnete ich die Tür zu meiner Linken und OMG, dahinter befanden sich ein Whirlpool und eine Zwei-Mann-Sauna! Der stilecht eingerichtete Raum schrie förmlich danach, dort zu bleiben und sich zu entspannen, aber ich wollte ja noch die restlichen Räume erkunden. Schweren Herzens verließ ich die Wohlfühloase.

Doch kaum war ich draußen, hatte mich die Neugierde gepackt, was sich wohl hinter der nächsten Tür verbarg. Es wurde noch besser, denn es war ein Fitnessraum. Von Laufband über Boxsack bis Hantelbank war alles nur Erdenkliche vorhanden. Hier drin würde ich mich bestimmt noch öfter aufhalten.

Das folgende Zimmer war nicht weniger genial, denn es ließ das Herz eines jeden Gamers oder Kinoliebhabers höherschlagen. Es war ein abgedunkelter Raum mit ein paar Sesseln, einer Leinwand samt Beamer, einer Playstation inklusive Zubehör und einem Schrank mit hunderten Filmen und Spielen. Ich war mir sicher, diesem Paradies ebenfalls sehr bald einen Besuch abzustatten.

Aber nun erst mal weiter. Eigentlich wäre nun ein anderes Zimmer an der Reihe gewesen, doch da aus dem gegenüber der Wohlfühloase Musik drang, beschloss ich, erst dort vorbeizuschauen. Vielleicht hatten sich Mum und Dave ja voneinander losreißen können und waren in ihr Zimmer gegangen. Somit drückte ich nichts ahnend die Türklinke runter. Als ich schon halb drin war, erschrak ich und blieb wie angewurzelt stehen. Vor mir befand sich ein halbnackter Junge, der sich konzentriert in einem Spiegel betrachtete. Er stand mit dem Rücken zu mir und schien mich noch nicht wirklich bemerkt zu haben, denn er zischte ziemlich genervt: »Mensch, Dad, ich hab es dir doch schon tausend Mal gesagt, du sollst anklopfen, bevor du reinkommst. Außerdem bin ich gerade beschäftigt!«

Damit schien das Gespräch für ihn beendet. Doch da sich die Tür nicht, wie er wohl erwartet hatte, schloss, drehte er sich schließlich doch um und setzte schon zu einer weiteren Motz-Attacke an. Als er mich sah, blieben ihm die Worte jedoch im Halse stecken. »Ach, wen haben wir denn da?« Mit jedem Wort kam er einen Schritt näher auf mich zu und erst jetzt merkte ich, dass er über einen Kopf größer war als ich. »Du bist also die kleine Sky, die von nun an mit ihrer ach-so-tollen Mutter hier wohnen wird.«

Nun stand er direkt vor mir. Er musterte mich erst ausgiebig, drängte mich dann mit dem Rücken gegen die Wand und stützte sich mit den Händen links und rechts von meinem Kopf ab, was mich an Ort und Stelle hielt. Och, nö! Ein Bad Boy! Von denen hatte ich die Nase gestrichen voll. Ich merkte, wie ich mich verkrampfte. Am liebsten würde ich schreien, doch den Triumph wollte ich ihm nicht gönnen.

»Also: Nur, um das klarzustellen, dieses Haus ist mein Revier. Das heißt, dass ich hier das Sagen habe! Vor allem, wenn Dad auf Geschäftsreise ist, was gar nicht mal so selten ist. Da ich dich leider nicht rausschmeißen kann, muss ich dich hier wohl billigen. Aber du wirst mir nur, wenn es wirklich notwendig ist, über den Weg laufen. Wenn meine Kumpels da sind, bleibst du in deinem Zimmer und nervst nicht. Haben wir uns da verstanden?!«

»Also, …«, setzte ich an.

»Keine Widerrede! Und jetzt raus!« Er hielt kurz inne, nur um arrogant hinzuzufügen: »Ach ja, ich weiß, dass ich heiß bin.«

Hatte ich ihm wirklich so offensichtlich auf sein Sixpack gestarrt?! Peinlich berührt senkte ich meinen Kopf.

»So gefällst du mir schon viel besser«, schmunzelte mein Gegenüber. »Du brauchst deswegen doch nicht rot zu werden, Süße.« Ich versuchte mein Gesicht zu verbergen. Wie peinlich … »Trotzdem reicht mir deine Gesellschaft für heute.«

Mit diesen Worten stieß er sich von der Wand ab, schupste mich halbwegs sachte aus seinem Zimmer und schloss die Tür. Das konnte noch heiter werden …

Nach einigen Augenblicken hatte ich mich wieder gesammelt und mir kam der Gedanke, dass ich immer noch nicht wusste, wie mein neues Zimmer aussah. Also setzte ich mich in Bewegung und betrat das letzte Zimmer auf diese Etage, welches hoffentlich meins … WOW, dieses Zimmer war ein Traum! An der einen Wand befand sich ein riesiges Himmelbett mit ganz vielen flauschigen Kissen. Direkt gegenüber war ein Flachbildschirm an die Wand montiert worden. Auf der kleinen Konsole darunter standen Receiver, DVD-Player und einige Filme. Doch was mich viel mehr flashte, war das tolle Mark Twain-Zitat an der Wand über dem Fernseher:

Dance like nobody´s watching

Love like you´ve never been hurt

Sing like nobody´s listening

Live like it´s heaven on earthstand dort in großen, schnörkeligen Buchstaben. Das war von nun an mein Lebensmotto!

»Na, Schatz, wie findest du den Spruch? Dave und ich dachten, dass er dir gefallen könnte.« Mums Worte rissen mich aus meiner Starre. Wie lange ich so dagestanden und die Wand betrachtet hatte? Keine Ahnung …

»Er ist spitze, Mum! Und der Rest des Zimmers erst!« Ich lief auf meine Mutter und Dave, die Arm in Arm im Türrahmen standen, zu und umarmte sie stürmisch. »Das ist das beste Zimmer, was ich mir je hätte erträumen können. Ihr seid genial! Danke, Mum. Danke, Dave.« Ich sah sie bis über beide Ohren strahlend an.

»Das freut mich. Also habe ich mit dem begehbaren Kleiderschrank deinen Geschmack getroffen?«, fragte Dave ebenfalls lächelnd.

»Ein begehbarer Kleiderschrank? Oh mein Gott!« Ich war kurz vorm Ausflippen.

»Du hast ihn also noch gar nicht gesehen?«, lachte er nun. Ich schüttelte aufgeregt den Kopf. »Na dann schau doch mal hinter die Tür rechts neben deinem Bett.«

Natürlich machte ich mich sofort auf den Weg dorthin und was ich hinter der Tür sah, machte mich schon wieder sprachlos. Der Raum war fast so groß wie mein altes Zimmer und er war voller Klamotten, Schuhe und Schmuck! Aber wo kam das alles her?! Ich hatte doch nur zwei Kartons voll Kleidung hergeschickt. Das hier war mindestens das Doppelte! Wenn nicht sogar das Drei- oder Vierfache!

»Ich dachte mir, dass zu einem neuen Zimmer auch neue Kleidung gehört. Dabei habe ich mich ein bisschen an den aktuellen Trends orientiert und die Größen hatte ich durch deine Mum. Ich hoffe sie gefallen dir und du bist mir nicht böse, dass ich so frei war«, beantwortete Dave meine unausgesprochenen Fragen. Jason … So hieß der Junge also, mit dem ich eben Bekanntschaft gemacht hatte.

»Nein, auf keinen Fall. Ich liebe es! … Aber das hättest du nicht machen brauchen. Das war doch alles viel zu teuer!«

»Sieh es als kleines Willkommensgeschenk«, zwinkerte er mir zu und ich konnte nicht anders, als ihm erneut in die Arme zu fallen. So stand meinem Neustart nichts mehr im Weg!

Auch wenn es mir schwerfiel, mich von diesem Raum zu trennen, so überwog doch die Neugierde, mein eigenes Badezimmer zu sehen. Ich riss mich los, wechselte den Raum und war erneut geflasht. Schon fast in Trance bemerkte ich, wie mir Mum von hinten den Arm um die Schulter legte. »Na, Schatz, ist doch gar nicht so schlecht, oder?«

»Nein, Mum. Es ist perfekt!«

»Das freut mich.« Wir standen noch einen Moment so beieinander, bis Mum wieder zu sprechen begann: »Dann lasse ich dich mal ein wenig mit deinem neuen Zimmer allein. Du möchtest dich sicher ein bisschen ausruhen oder deine letzten Sachen auspacken. Um 18:30 Uhr gibt es Abendessen.«

»Oki, Mum. Bis nachher.«

Mum drehte sich um und verließ mit Dave, den ich schon komplett vergessen hatte, das Zimmer. Ich betrachtete noch kurz das lila eingerichtete Bad samt Badewanne, Dusche, WC und einem Waschbecken mit großem Spiegelschrank, drehte mich um, ging zurück in mein ›Hauptzimmer‹.

Gerade als ich mich auf mein Bett fallen lassen wollte, fiel mir noch etwas auf: Ich hatte nicht nur ein großes Fenster, sondern auch eine Glastür, die auf einen Balkon hinausführte. Natürlich ging mein nächster Weg dorthin. Der Balkon schien sich über die ganze Hausseite zu erstrecken. Genial! Und es standen dort sogar zwei Liegestühle samt gemütlichen Auflagen. Da war wohl vorhersehbar, was ich als Nächstes tat. Ich ließ mich in einen der Stühle sinken und schon wenige Sekunden später war ich in einen schönen Traum versunken:

»Hi, Sky, wie geht´s?« Ein gutaussehender Typ umarmte mich von hinten und legte seinen Kopf auf meiner Schulter ab.

»Gut, und dir?« Ich drehte mich in seinen Armen und sah zu ihm auf.

»Solange du bei mir bist, ist meine Welt vollkommen.« Ich konnte nichts erwidern. Als Antwort drückte ich meine Lippen auf die Seinen und wir versanken in einem langen, liebevollen Kuss …

»Sky, Sky …«, drang es nur schwach zu mir durch und ich löste mich langsam von ´meinem Freund´. Aber als ich ihn ansah, war er nicht mehr der Mann von eben. Es war … Jason!

Ich schreckte aus meinem Traum hoch und es stand kein geringerer vor mir als Jason …

»Endlich bist du wach! Es gibt Essen. Und ich will endlich zu meinen Kumpels!«, motzte er.

»Ihr hättet auch einfach ohne mich anfangen können«, grummelte ich verschlafen und rieb mir die Augen.

»Dad will unbedingt, dass wir zusammen essen, als ›Familie‹« Dabei malte er Anführungszeichen in die Luft. »Also komm!«

»Ja, ja, ganz gechillt, lass mich doch erst mal richtig wach werden!«

»Ich bin schon lange genug ruhig geblieben, also beweg jetzt deinen Arsch in die Küche oder ich werde echt ungemütlich.« Ich zuckte von seinem Tonfall zusammen und sah zu, dass ich aufstand.

»Geht doch!«, grinste Jason zufrieden.

»Bild dir bloß nichts darauf ein! Ich tue das nur unseren Eltern zuliebe!«, giftete ich zurück, drückte mich an ihm vorbei und verschwand in Richtung Küche. Jason fluchte, folgte mir aber.

In der Küche angekommen grüßte ich meine ´Eltern´ und ließ mich auf einen Stuhl fallen. Jason tat es mir gleich und er hatte sogar ein Lächeln aufgesetzt. Es war falsch, das sah ich sofort. Wie oft hatte ich in letzter Zeit dasselbe Gesicht aufgesetzt … Aber Mum würde es nicht erkennen, das war mir klar, und Dave wahrscheinlich auch nicht, sonst würde Jason es vermutlich gar nicht erst versuchen. Na ja, mal abwarten. Aber der führte mit Sicherheit was im Schilde!

Mum trug das Essen zu Tisch. Es war Spagetti Bolognese. Mein Lieblingsessen!

Die beiden Erwachsenen setzten sich zu uns und somit war das Abendessen eröffnet. Ich wollte mir gerade etwas nehmen, als Jason sich zu Wort meldete: »Soll ich dir etwas auffüllen, Skyla?« So freundlich? Na gut, was du konntest, konnte ich auch!

»Sehr gerne, danke, Jason. Aber nenn mich doch bitte Sky.« Er sah mich erst irritiert an, reichte mir aber schließlich einen Teller mit Spagetti. Höflicherweise wartete ich, bis alle etwas hatten und begann dann zu essen. Ich musste sagen, es war echt lecker!

Kurz bevor ich fertig gegessen hatte, riss mich Dave aus meinen Gedanken. »Wie ich sehe, versteht ihr euch sehr gut. Das freut mich.« Nach einer kurzen Pause fuhr er fort: »Und ich bin stolz auf dich, Jason. Ich hätte echt gedacht, dass du dich komplett querstellst …« Jason sah seinen Dad gespielt entrüstet an und ich musste mir ein Lachen verkneifen.

»Aber, Dad!« Okay, das war zu komisch. Ich begann wie eine Verrückte zu grinsen und stand kurz vor einem Lachflash. Doch einen bösen Blick von Jason später wich mir das Grinsen schlagartig aus dem Gesicht. Jason sah zufrieden aus und widmete sich wieder dem Gespräch mit seinem Vater. Mensch, der hatte aber Stimmungsschwankungen. Ich dachte, er wollte am Tisch auf gut Wetter machen. Mal sehen wie´s weiterging.

»… Aber Dad, ich treffe mich in einer halben Stunde mit den Jungs und da kann sie nicht mitkommen. Das geht sie nichts an!« Okay, jetzt wusste ich, was Sache war: Jason wollte noch weg und wusste schon, dass sein Vater dagegen sein würde. Und anscheinend wollte dieser jetzt, dass Jason mich mitnahm.

»Das ist mir ganz egal. Sie ist neu hier und du nimmst sie mit.« Daves Stimme duldete keine Widerworte. Doch da ich keinen unnötigen Streit mit Jason wollte, mischte ich mich in die Diskussion ein: »Danke, Dave, aber ich würde mich gleich lieber hinlegen. Heute war ein aufregender und anstrengender Tag.«

»Na gut. Aber das heißt nicht, dass du jetzt für immer aus dem Schneider bist.« Jason war schon halb aus der Tür, drehte sich aber noch mal um.

»Ja, Dad. Ist mir klar. Bis später!« Schon war er weg. Ich hörte die Haustür knallen und kurz darauf das Aufheulen eines Motors, der ganz schön viele PS auf dem Kasten zu haben schien. Na ja, jedenfalls war er jetzt weg. Eigentlich ganz gut, denn nun hatten wir unsere Ruhe und ich lief keine Gefahr auf eine erneute Kollision mit Jason. Juchhu!

»Der Junge raubt mir noch den letzten Nerv«, seufzte Dave und sah Mum leidend an.

»Ach, das wird schon wieder. Jason ist in der Pubertät, da sind alle Jungs so.«

»Da hast du Recht.« Wenn wir das jetzt geklärt hätten …

»Ich gehe dann mal hoch.«

»Okay, schlaf schön, Schatz. Wenn was sein sollte, wir sind im Wohnzimmer.«

»Oki, schlaf schön, Mum.« Ich umarmte meine Mutter und gab ihr einen Kuss auf die Wange. Dann wandte ich mich an Dave: »Schlaf gut.«

»Du auch, Sky.« Er lächelte mich warm an.

Ich sah noch einmal zu den beiden, drehte mich dann um und ging hoch in mein neues Reich.

Oben angekommen schaute ich mich erst mal in Ruhe in meinem Zimmer um. Hatten die echt gedacht, dass ich schlafen gehen würde? Nachdem ich den ganzen Nachmittag verpennt hatte? Nein, ich war hellwach. Also, was konnte ich jetzt machen? Nach kurzem Überlegen entschied ich mich dazu, meine letzten Umzugskartons auszupacken.

Gesagt, getan. Nach circa einer Dreiviertelstunde war ich fertig und hatte die leeren Umzugskartons zusammengefaltet und entsorgt. Ich ließ mich auf mein Bett plumpsen. So, und was nun? Ich würde zu gerne wissen, was Jason gerade machte, doch er hatte es nicht erzählt und fragen würde ich ihn ganz bestimmt nicht! Auch egal. Also … Auf Fernsehen schauen hatte ich so gar keine Lust. Ich stand auf und lief planlos durch mein Zimmer, bis mein Blick schließlich nach draußen fiel. Jetzt wusste ich, was ich machen würde!

Ich nahm mir eine Wolldecke, ging damit auf den Balkon und ließ mich auf dem Liegestuhl, auf dem ich eben geschlafen hatte, nieder. Es war angenehm warm, sodass ich die Decke eigentlich gar nicht brauchte, doch ich fand, dass es so gemütlicher war. Also kuschelte ich mich ein und betrachtete den aufgehenden Sternenhimmel. Er sah echt schön aus.

Wie ich so starrte und in Gedanken versunken war, merkte ich kaum, wie ich langsam doch immer müder wurde. Eigentlich wollte ich nicht noch einmal draußen einschlafen, aber ehe ich mich versah, waren meine Augen zugefallen und ich in eine Traumwelt abgedriftet.

JASON

»… Bis später!«, rief ich meinem Dad noch zu, da war ich schon aus der Haustür und bei meinem weißen Porsche Cayman s 981C. Ich stieg ein, ließ den Motor kurz aufheulen und machte mich dann auf den Weg zu den verlassenen Lagerhallen am Stadtrand. Ich gab Gas und war innerhalb von 20 Minuten da. Ich parkte neben den Wagen meiner Freunde, stieg aus und kurz bevor ich die Halle, die unser Quartier war, betrat, hörte ich schon die Stimmen der Jungs. Ich ging rein und begrüßte sie mit unserem üblichen Handschlag. »Also, was gibt´s?«, fragte ich sie. Sie hatten schließlich das Treffen einberufen.

»Ich glaube, das solltest du uns sagen«, meldete sich Jayden zu Wort. Ich sah ihn nur verständnislos an.

»Na, du hast schließlich heute Familienzuwachs bekommen und nicht wir!«, half Aiden mir auf die Sprünge. Woher wussten die das? Hatte ich es ihnen erzählt? Nein, ich meinte nicht. Aber woher sollten sie es sonst …? Ach egal.

»Alsooo?« Alle sahen mich gespannt an. Ich seufzte und ließ mich auf eins der Sofas, die wir in unserem Quartier hatten, fallen.

»Ja, wir haben ›Familienzuwachs‹ bekommen. Dads neue Freundin und ihre Tochter sind heute bei uns eingezogen. Zufrieden?« Ich sah sie genervt an. Aber sie dachten gar nicht daran aufzuhören, mich mit Fragen zu durchlöchern: »Ist sie hübsch?«, »Wie alt ist sie?«, »Ist sie Single?«, fragten meine Freunde durcheinander.

»Jetzt mal langsam«, lachte ich, »Ich denke, sie ist um die 16. Sie sieht okay aus und ob sie Single ist, weiß ich nicht.«

»Geht´s noch genauer? Dir muss man alles aus der Nase ziehen«, fing jetzt auch Colton an.

»Mehr gibt es aber nicht zu sagen!«, antwortete ich sichtlich genervt und nun schien es auch bei den anderen angekommen zu sein, denn sie hielten sofort ihren Mund. Tja, sie kannten mich halt und wussten, wann es genug war.

»Also Leute, warum sind wir nun wirklich hier?«

»Es geht um …«

Wir hatten viel zu besprechen. Entsprechend spät war es, als ich heimfuhr. Zurück zu Hause ging ich leise hoch in mein Zimmer. Ich bemerkte sofort, dass nebenan noch Licht brannte. Ich hätte schwören können, dass sie um diese Zeit schon schlief. Und … Ach ja, das tat sie auch. Sie war schon wieder auf dem Balkon eingeschlafen.

Da mein Zimmer auch eine Tür dorthin hatte, ging ich raus zu ihr. Ich betrachtete sie einen Moment, wie sie so friedlich schlief, hob sie dann aber vorsichtig hoch und brachte sie in ihr Bett. Sie sollte schließlich nicht krank werden. So warm war es nun auch nicht mehr. Und Dad wäre sicher auch nicht begeistert darüber, wenn ich sie hier draußen liegen lassen würde.

Bist du dir sicher, dass du es nur deswegen tust?, meldete sich mein Unterbewusstsein zu Wort. Ja natürlich, warum denn sonst? Ich konnte genug Mädchen haben, ohne nur einen Finger zu rühren, also warum sollte ich was von ihr wollen? Vor allem, wo sie so unfreundlich zu mir war! Aber vielleicht war es wegen … Ich verbannte den Gedanken sofort wieder aus meinem Kopf, machte bei Sky das Licht aus und verließ das Zimmer, wie ich es betreten hatte.

Da ich zu faul war, ins Bad zu gehen, zog ich mir nur mein Shirt aus, entledigte mich meiner Hose und ging schlafen.

SKY

Als ich am nächsten Morgen aufwachte, schien schon die Sonne in mein Zimmer. Ich brauchte einen Moment, um mich zurechtzufinden. Ach, stimmte ja, wir wohnten ja jetzt in Los Angeles! Aber was mich am meisten verwirrte, war die Tatsache, dass ich auf dem Balkon eingeschlafen und in meinem Bett aufgewacht war. War Mum noch mal reingekommen und hatte mich draußen schlafen sehen? Hatte sie dann Dave Bescheid gegeben, der mich reingetragen hatte? Wahrscheinlich war es so. Na ja, war eigentlich auch egal.

Nachdem ich mich noch mal ordentlich gereckt und gestreckt hatte, schwang ich mich aus dem Bett und ging auf direktem Weg ins Bad. Kurz darauf lief mir das Wasser wohlig warm den Rücken herunter. So eine heiße Dusche am Morgen war doch was Schönes!

Nach ein paar Minuten, die sich wie Sekunden anfühlten, verließ ich die Dusche, wickelte mich in einen kuscheligen Bademantel und erledigte meine restliche Morgenroutine. Zähne putzen, Haare föhnen und richten und schließlich noch ein dezentes Make-up. Auf mehr hatte ich heute keine Lust, da ich eh nicht vorhatte, etwas zu unternehmen. Und wenn, könnte ich das ja noch nachholen.

Als Nächstes ging es in meinen Kleiderschrank. Nach demselben Motto wie im Bad wählte ich eine schwarze Leggings und dazu einen gemütlichen, weiten Obey-Pulli.

Fertig angezogen machte ich mich in der Aussicht auf Frühstück auf den Weg nach unten. Auf halber Strecke kreuzte Jason meinen Weg, der meine Hoffnungen darauf, dass Dave mich ins Bett gebracht hatte, zerbrach.

»Na, Prinzessin, es gefällt dir, draußen zu schlafen, oder? Hast du das eigentlich extra gemacht, nur damit ich dich ins Bett trage?«, sagte er in seiner eingebildetsten Stimme und zwinkerte mir provokant zu. Ich sah ihm nur verdattert hinterher, wie er ohne ein weiteres Wort in seinem Zimmer verschwand. Eigentlich wollte ich ihm einen passenden Kommentar dazu geben, aber mir war in dem Moment keiner eingefallen … Okay, eigentlich war es ja auch süß, dass er mich reingebracht hatte. Aber diese Aussage eben … Nein danke, die ging gar nicht! Der würde mir das jetzt jedes Mal vorhalten. Darauf konnte ich getrost verzichten!

Mit dem Entschluss, nicht weiter darüber nachzudenken, da es eh nichts bringen würde, setzte ich meinen Weg in Richtung Küche fort. Dort angekommen fand ich leider nicht wie erwartet meine Mum, sondern einen kleinen Zettel mit $50 vor:

Guten Morgen, Sky,

Dave und ich sind schon los.

Er will mir ein wenig die Umgebung zeigen.

Ich denke, wir werden gegen Abend wieder da sein.

Jason wird dich auch ein bisschen herumführen,

sag ihm einfach Bescheid, wenn du fertig bist.

Er weiß Bescheid.

Bis später,

Isobel

PS: Von dem Geld könnt ihr euch Pizza bestellen.

Nachdem ich mit dem Frühstück fertig war, ging ich in mein Zimmer, zog mich um und frischte mein Make-up auf. Danach machte ich mich auf den Weg zu Jason. Ich wusste nicht, was mich dazu bewegt hatte. Vielleicht wollte ich ihn ärgern, keine Ahnung. Jedenfalls stand ich nun in seinem Zimmer und wartete auf eine Reaktion seinerseits. Doch außer einem irritierten Blick kam nichts zurück. Da ich wusste, dass abgesehen von einem dummen Spruch nichts zu erwarten war, half ich ihm auf die Sprünge: »Mum hat gesagt, du würdest mir die Gegend zeigen.« Seine Mine klärte sich auf, wurde aber sofort wieder undurchdringbar. Bad Boy halt …

»Du hast doch nicht wirklich geglaubt, dass ich dir irgendwas zeige, geschweige denn was mit dir mache! Das habe ich nur gesagt, damit Dad mich endlich in Ruhe lässt. Und jetzt zieh Leine!« Ich sah ihn leicht verdattert an. War klar, dass er so reagieren würde, aber irgendwie hatte ich die Hoffnung gehabt, er würde plötzlich ganz nett sein. Wie bescheuert konnte ich nur sein?! Ich drehte mich langsam um und wollte mich grade auf den Weg aus seinem Zimmer machen, als er mich erneut anpampte: »Geht’s vielleicht auch schneller? Ich bin nicht gerade scharf darauf, dich hier zu haben, Prinzessin! Also? Wird’s bald?« Ich sah ihn nicht an, sondern ballte nur die Hände zu Fäusten und verließ den Raum. Der würde schon sehen!

Statt in mein Zimmer zu gehen, ging ich die Treppe runter Richtung Haustür. Ich zog mir meine neuen Nikes, die ich in meinem Kleiderschrank gefunden hatte, an, schnappte mir einen Haustürschlüssel und verließ die Villa. Wild entschlossen ging ich los. Ich würde auch ohne ihn zurechtkommen!

Ich spazierte durch die Straßen, betrachtete die Häuser, die Wege und die Menschen. Mit der Zeit versank ich immer weiter in Gedanken, sodass ich den Wechsel von dem gehobenen Stadtteil in den heruntergekommenen, düsteren erst recht spät bemerkte. Ich sah mich um. Weit und breit waren nur kleine Häuser mit abgebröckeltem Putz zu sehen. Ich hatte keine Ahnung, wo ich war. Und zu meinem Glück hatte ich zwar einen Schlüssel, jedoch kein Handy dabei. Ich war aber auch eine Heldin! Somit blieb mir nichts anderes übrig, als weiterzugehen und mir einen Weg zurück zu suchen.

Nach einiger Zeit fand ich dann endlich wieder auf bekanntes Terrain zurück. Na ja, jedenfalls meinte ich, es schon mal gesehen zu haben. Es sah wieder teurer aus, was mich erleichtert aufatmen ließ. Ich hatte ordentlich Muffensausen gehabt in diesem slumartigen Gebiet. Ich lief noch ein paar Minuten so durch die Gegend – es dürfte mittlerweile Nachmittag sein –, als ich ein Mädchen in meinem Alter aus einer Einfahrt kommen sah. Sie sah nett aus. Sie hatte braune, lange Haare, die ihr bis knapp unter die Brust gingen, braune Augen und eine riesige orangene Sonnenbrille in den Haaren. Sie trug eine zerrissene Jeans-Hot-Pants und ein weites, bauchfreies, graues Top mit einem großen Stierschädel mit Muster vorne drauf und eine große Kette um den Hals. Aber das Auffälligste an ihr war der knallpinke Lippenstift, den sie trug. Ein wenig verrückt, aber echt stylish. Ich glaubte, mit ihr könnte man viel Spaß haben. Aber was viel wichtiger war: Sie konnte mir bestimmt helfen. Also ging ich zögerlich auf sie zu. »Äh … Hi, ich bin Sky.« Sie drehte sich zu mir um und sah mich sofort freundlich an.

»Hi, ich bin Rachel. Rachel Mathews. Bist du neu hier?«

»Ja, ich bin erst seit gestern hier. Ich wollte mich ein wenig umsehen und na ja, dann habe ich mich verlaufen …«, entgegnete ich ein wenig peinlich berührt.

»Haha, dann scheinst du ja genauso neugierig zu sein wie ich«, lachte sie. »Soll ich dir ein wenig die Gegend zeigen? Danach kann ich dich nach Hause bringen. Ich kenne mich hier ziemlich gut aus«, grinste sie.

Instinktiv wollte ich dankend ablehnen, da mein Vertrauen in andere Menschen aus guten Gründen erschöpft war. Doch ich hielt mich zurück. Rachel war mir auf Anhieb sympathisch vorgekommen und sah definitiv nicht nach jemandem aus, der gleich eine Waffe zücken und mich entführen würde. Gib ihr eine Chance. Sie will dir nur die Gegend zeigen, sonst nichts. Vielleicht wird es ja ganz nett, redete mir meine innere Stimme gut zu. Es wirkte.

»Gerne«, antwortete ich Rachel nun sichtlich entspannter.

»Super, dann lass uns losgehen.«

JASON

Ich verbrachte den Vormittag und den halben Nachmittag mit Mason in unserem Heimkino, in dem wir uns irgendwelche Actionfilme reinzogen. Gegen 16 Uhr verschwand er. Seine Mutter hatte irgendetwas ›Wichtiges‹, wofür sie ihn brauchte.

Also schlurfte ich zuerst runter in die Küche und machte mir etwas zu essen. Danach wollte ich in mein Zimmer. Gerade als ich durch die Tür gehen wollte, fiel mein Blick in Skys Zimmer. Ihre Tür stand offen und sie war nicht da. Dann war sie wohl immer noch auf ›Erkundungstour‹. Ehrlich gesagt hatte ich geglaubt, dass sie nur bluffte und überhaupt nicht weg war. Als ich dann gemerkt hatte, dass sie wirklich gegangen war, hatte ich mir auch keine weiteren Gedanken gemacht. Schließlich war sie alt genug, um auf sich selbst aufzupassen. In meinem Entschluss gestärkt, dass es mir egal sein konnte, wo sie war und was sie machte, ging ich endlich in mein Zimmer, ließ mich auf mein Bett fallen und schaltete die Stereoanlage an.

Nach einer weiteren halben Stunde, in der ich nur so rumgelegen hatte, bemerkte ich, dass es schon zu dämmern begann. Nun fing die Sorge an, in mir zu keimen. Was wenn sie …? Nein! Wie sollte sie auch … Und woher sollte er sie … Ach, über was machte ich mir hier eigentlich Gedanken? Das war völliger Unsinn. Er kannte sie schließlich nicht und wusste auch nicht, dass sie nun bei mir wohnte! …

Schlussendlich verließ ich mit dem Vorsatz, sie zu suchen, das Haus, da ich sonst mächtig Ärger mit Dad und Skys Mum bekommen würde, wenn sie später heimkommen und mitbekommen würden, dass sie nicht da wäre. Ich ging in die Garage und stieg in meinen schwarzen Lamborghini Aventador 2016 SV mit blauer Beleuchtung. Ja, ich hatte zwei Autos. Aber das war bei den meisten meiner Freunde genauso. Jedenfalls war ich kurz darauf auf der Straße und fuhr die komplette Umgebung ab. Ich fuhr durch jede noch so kleine Gasse, aber Sky schien wie vom Erdboden verschluckt. Irgendwo musste sie doch sein! Und weiter als bis hier dürfte sie nicht gekommen sein.

Nach zwei Stunden vergeblicher Suche machte ich mich schließlich auf den Heimweg. Was, wenn ihr wirklich etwas passiert war? Ich musste nachher unbedingt den Jungs Bescheid geben. Und was würde ihre Mum sagen, wenn Sky und ich gleich nicht zusammen nach Hause kamen?

Immer noch auf der Suche nach einer guten Ausrede fuhr ich unsere Einfahrt hoch, parkte den Wagen und ging ins Haus. Ich war erleichtert, dass Dad und Isobel noch nicht da waren. Doch wider meiner Erwartungen hörte ich Geräusche aus der Küche. Wie konnte das sein? Es konnte keiner da sein, die Autos von Dad und Skys Mum waren nicht in der Garage und Sky war … Ich wollte nicht weiter darüber nachdenken. Auf einen Einbrecher gefasst, ging ich leise Richtung Küche. Ich öffnete vorsichtig die Tür und …

… bekam fast einen Schlag. Da stand Sky und war seelenruhig am Kochen, als wäre nie etwas gewesen. Gerade nahm sie den Topf vom Herd und drehte sich um, um ihn zum Tisch zu bringen. Dabei bemerkte sie mich und ließ ihn vor Schreck fast fallen.

»Mann, Jason, was soll der Scheiß?! Du hast mich zu Tode erschreckt. Und außerdem, stalkst du mich jetzt?« Ich schmunzelte leicht, ihr Gesichtsausdruck war zu komisch.

»Ne, ich habe Hunger!« Mit diesen Worten ließ ich mich auf einen Stuhl fallen und sah sie abwartend an. Ich würde ihr niemals erzählen, was wirklich los war. Das würde nur meinem Ruf als Bad Boy schaden.

SKY

Boah, hatte Jason mich erschreckt! Aber noch viel schlimmer war, dass er mich erst stehen gelassen hatte und sich den ganzen Tag nicht blicken ließ und jetzt kam und was zu essen haben wollte! Der hatte sich wie ein Pascha einfach an den Tisch gesetzt und etwas zu essen verlangt. Natürlich nicht ohne sein Bad Boy-Grinsen und den passenden Kommentar.

Ich wusste nur zu gut, dass man solche Jungs nicht provozieren sollte. Doch damit würde ich ihn nicht durchkommen lassen. Wie du mir, so ich dir. Er sollte ruhig wissen, was ich von ihm und seinem Verhalten hielt!

»Tut mir leid, Jason, aber ich wusste nicht, wann du wieder kommst. Deshalb habe ich nur für mich gekocht«, entgegnete ich ihm mit zuckersüßer Stimme. Sein süffisantes Lächeln verschwand augenblicklich, doch ich ließ mich davon nicht beirren, setzte mich an den Tisch und begann, genüsslich zu essen. Ich konnte die Blitze förmlich spüren, die von ihm ausgingen. Aus dem Augenwinkel sah ich, dass er sich ziemlich beherrschen musste, um nicht auf mich loszugehen. Das amüsierte mich so sehr, dass ich mir den Kommentar »Boah, schmeckt das gut.« nicht verkneifen konnte.

Damit hatte ich das Fass zum Überlaufen gebracht. Er stand auf und kam direkt auf mich zu. Okayyy, jetzt bekam ich es doch mit der Angst zu tun. Denn seinem Blick nach zu urteilen, wollte er mir nicht bloß die Nudeln wegnehmen …

Nun stand er direkt vor mir. Doch gerade als er nach mir greifen wollte, hörte ich den Schlüssel in der Haustür.

JASON

Ich erstarrte in meiner Bewegung, als ich das Geraschel am Eingang hörte. Ich ließ von Sky ab, zischte »Kein Wort über heute!« und setzte mich wieder auf meinen Stuhl.

Genau in dem Moment ging die Küchentür auf und Skys Mum kam herein. »Na, wie war euer Tag so?«

»Sehr gut, Mum. Ich habe viel gesehen und sogar ein nettes Mädchen kennen gelernt. Ich bin morgen mit ihr verabredet. Vielleicht wird sie ja meine Freundin.«

»Das freut mich für dich.«

Nun betrat auch Dad die Küche. »Jason, sag mal, du hast dir doch nicht wirklich Nudeln gekocht und isst die jetzt allein aus dem Topf? Hast du schon mal daran gedacht, Sky auch was anzubieten?« Erst jetzt fiel mein Blick auf den Topf vor mir. Den musste Sky mir zugeschoben haben, bevor ihre Mum hereingekommen ist. Argh …

Ein kurzer Blick zur Seite bestätigte meine Vermutung. Sky sah mich mit einem schelmischen, aber auch auf meine Antwort gespannten Blick an. Sie wusste, dass mir keiner glauben würde, wenn ich sagen würde, wie es wirklich war. Das machte mich umso wütender.

»Ich hatte es ihr angeboten, aber sie wollte nicht.« Dad sah erst mich und dann Sky prüfend an, doch die schaute mich nur gespielt verwirrt an.

»Echt, das habe ich gar nicht mitbekommen, Jason. Aber danke, ich habe keinen Hunger.« Boah, die log ja wie gedruckt.

Dad warf mir einen bösen Blick zu, beließ es aber dabei. Trotzdem wusste ich, dass er mit dem Thema noch nicht durch war. Wir unterhielten uns noch eine Weile zu viert, bis Dad schließlich sagte: »Jason, könnten wir uns kurz allein unterhalten?« Er erwartete keine Antwort, denn er hatte sich bereits umgedreht und war auf dem Weg zur Tür. Also stand ich auf und folgte ihm.

Kaum, dass ich die Tür hinter mir geschlossen hatte, fing mein Vater auch schon an zu reden: »Normalerweise sage ich ja nichts und ich weiß auch, dass es eigentlich nicht deine Art ist, freundlich und höflich mit anderen Menschen umzugehen, aber könntest du es nicht wenigstens mal versuchen? Die beiden gehören ab jetzt zur Familie und sie sollen sich hier zu Hause fühlen. Da ist es nicht gerade förderlich, wenn du so unhöflich bist und sie teilweise sogar ignorierst. Und um das wieder gut zu machen, wirst du Sky ab Montag mit zur Schule nehmen. Hast du mich verstanden?« Seine Stimme war leise, aber eindringlich und duldete keine Widerrede. Dennoch versuchte ich es: »Aber Dad …«

»Kein ›aber‹. Du musst lernen, dass wir ab jetzt zu viert sind und man aufeinander Rücksicht nimmt und sich hilft.«

Ich wollte erneut zu einem Gegenargument ansetzten, doch Dad warf mir nur einen mahnenden Blick zu und ließ somit meinen Mund wieder zuklappen. Dem musste das ganze Familiending echt wichtig sein, denn sonst kümmerte es ihn auch nicht, was ich machte und wie ich mich verhielt. Er war die meiste Zeit arbeiten und wenn er mal zu Hause war, redeten wir höchstens über belangloses Zeugs. Da es ihm ernst zu sein schien, ließ ich stecken und folgte ihm wieder zurück in die Küche. Auf unnötigen Ärger konnte ich getrost verzichten.

SKY

Ich war gerade in ein Gespräch mit meiner Mum verwickelt, als Jason und Dave zurück in die Küche kamen. Ich ließ meinen Blick zu Jason schweifen, aber er hatte wieder eine undurchdringliche Maske aufgesetzt, sodass ich nicht erkennen konnte, ob er mir gerade am liebsten den Hals umdrehen würde oder ob er einfach nur genervt oder gelangweilt war. Also konzentrierte ich mich wieder auf meine Unterhaltung. Mittlerweile war auch Dave mit einbezogen worden: »Wie wäre es, wenn wir uns einen netten Abend machen und gemeinsam einen Film anschauen?«

»Klar, wieso nicht«, stimmte ich zu, da ich nichts Besseres vorhatte. Auch Mum war sofort dabei. Nur Jason schien nicht sonderlich begeistert von dem Vorschlag.

»Ich bin noch mit den Jungs verabredet.«

»Das bist du jeden Tag. Also sehe ich kein Problem darin, es einmal ausfallen zu lassen.«

»Aber …«

»Die Jungs werden schon ohne dich klarkommen. Also los: Ich richte den Kinoraum gemütlich her, Sky sucht einen Film aus, Isobel macht Popcorn und du, Jason, holst Getränke.« Mum und ich stimmten zu und machten uns daran, unsere Aufgaben zu erledigen. Und schließlich gab auch Jason nach, seufzte ein Mal tief und lief los, um die Getränke zu besorgen.

Keine zehn Minuten später hatten wir uns alle im Heimkino eingefunden und schauten einen Film, den ich gewählt hatte, weil ich dachte, dass er allen, selbst Jason, gefallen würde. Und so war es auch. Wir alle lachten viel und hatten Spaß. Es war echt schön und die ganze Zeit hatte ich das Gefühl, dass wir eine Familie waren. Das machte mich gleich doppelt froh.

JASON

Ich würde es nie zugeben, aber der Abend hatte sich doch als ganz gut entpuppt. Der Film war lustig und ich hatte das Gefühl, nicht allein zu sein … Wie sich das anhörte! Aber es war so. Dad war sonst nie da und hatte selten solche Sachen mit mir gemacht. Deswegen war das etwas Besonderes. Nur würde das niemand erfahren. Denn das würde meinem hart erarbeiteten Image schaden!

Um mir wieder gerecht zu werden, stattete ich Sky, nachdem wir mit dem Film fertig waren, in ihrem Zimmer einen Besuch ab. Sie schien irgendetwas in ihrer Kommode zu suchen und bemerkte mich erst, als ich direkt hinter ihr stand, ihr meine Arme von hinten um den Körper schlang und ihr ins Ohr flüsterte: »Hey, Prinzessin. Ich glaube, mit dir habe ich noch ein Hühnchen zu rupfen, nicht wahr?« Sie verkrampfte sich augenblicklich, drehte sich aber nicht um.

»Was willst du, Jason?«, fragte sie kalt, aber man konnte ihrer Stimme deutlich anhören, dass sie Angst hatte. Wie ich diese Reaktionen liebte. Das zeigte mir immer wieder, wie einflussreich und überlegen ich war.

»Och, ich wollte dich nur daran erinnern, wer hier das Sagen hat und dass du dir nächstes Mal lieber zwei Mal überlegst, was du tust, wenn du nicht möchtest, dass ich dir das Leben zur Hölle mache. Und nur zu deiner Info: Ich und meine Jungs sind die einflussreichsten Schüler der ganzen Schule.« Sky antwortete nicht.

So standen wir noch einige – für sie sicher sehr qualvolle und mich durchaus befriedigende – Sekunden dicht aneinander, in denen ich ihrem Atem lauschte und mich an ihrem Zittern erfreute.

Schließlich löste ich mich langsam von ihr und hauchte ihr provokativ einen Kuss in den Nacken, wodurch ihre Haut augenblicklich eine Gänsehaut überzog.

Kurz bevor ich ihr Zimmer verließ, drehte ich mich noch einmal zu ihr um, nur um festzustellen, dass sie sich immer noch keinen Millimeter bewegt hatte. Ich musste schmunzeln. Ich hatte echt nicht gedacht, dass es mit ihr so einfach werden würde. Sie hatte erst etwas anderes vermuten lassen … Na ja, war ja auch egal, Hauptsache es passte.

Im Hinausgehen sagte ich nur noch mit meiner üblichen kalten Stimme: »Ich denke wir sind uns einig, wie es ab jetzt laufen wird, nicht wahr, Prinzessin?«

Da ich keine Antwort erwartete, schloss ich die Tür und ging rüber in mein Zimmer. Dort angekommen schnappte ich mir meinen Laptop, schmiss mich damit auf mein Bett und öffnete Skype. Ich hatte Glück, Mason war online. Ich musste dieses urkomische, aber durchaus erfolgreiche Erlebnis mit ihm teilen.

»Hi, Jase, was gibt’s? Warum warst du nicht am Treffpunkt?«

»Mein Alter wollte ’nen Filmeabend machen, so voll auf Familie halt. Aber deswegen habe ich dich nicht angefunkt.«

»Schieß los!«

»Ja. Also: Von der Kleinen, die jetzt bei uns wohnt, habe ich dir ja erzählt.«

»Die, die du mir unbedingt vorstellen wolltest?«, grinste Mase.

»Ha, ha, ha, von mir aus kannst du sie haben. Ich will sie nicht. Aber was ich eigentlich sagen wollte: Die hatte mir ja echt Stress mit meinem Vater eingebrockt, weil sie für sich alleine gekocht hatte, mir aber, kurz bevor Dad reinkam, den Teller vorgeschoben hat, sodass es so aussah, als würde ich ihr einen vor essen. Dad war davon natürlich nur wenig begeistert, es machte schließlich einen schlechten Eindruck vor seiner Neuen.«

»Hahaha, Jase. Der musst du echt noch Manieren beibringen!«

»Ich weiß. Damit habe ich eben direkt angefangen. Es wird wohl leichter als gedacht. Ich habe nur meine übliche Masche abgezogen, dass wir die Einflussreichsten der ganzen Schule und so seien und wir ihr das Leben dort zur Hölle machen könnten. Die war so klein mit Hut und hat am ganzen Leib gezittert. Das war echt extrem und schon fast absurd, da ich es von ihr anders erwartet hätte.«

»Ey Alter, du hast es einfach drauf!«

»Danke, danke. Aber glaubst du nicht auch, dass da noch was anderes hinter steckt?«

»KP. Aber ist eigentlich auch egal. Das einzig Entscheide ist doch, dass du es ihr gezeigt hast!«

»Stimmt auch wieder«, lachte ich zufrieden. »Okay, dann bis morgen, Mase!«

»Jo, bis morgen, Jase!«

Nachdem ich das Gespräch beendet hatte, ging ich wieder ins Heimkino, welches gleichzeitig auch mein Gaming Room war, und zockte noch ein Weilchen GTA.

SKY

Erst als Jason mein Zimmer verlassen hatte, endete der Flashback in meinem Kopf und ließ mich aus meiner Starre frei. Warum hatte ich nur so reagiert? Gut, eigentlich wusste ich, warum. Doch sowas durfte mir nicht noch mal passieren. Jetzt dachte der bestimmt wieder, er wäre der King. Aber er brauchte sich nichts einzubilden, ich würde mich ihm ganz sicher nicht fügen. Und das würde ich ihm auch zeigen. Schließlich hatte ich mir vorgenommen, glücklich zu leben und mich nicht mehr von solchen Leuten runter machen zu lassen! Nächstes Mal würde ich es schaffen!

Schnell machte ich mich bettfertig. Ich wollte einfach nur, dass dieser Tag zu Ende ging und möglichst viel Zeit zwischen jetzt und diese mehr als peinliche Begegnung kam. Doch einschlafen konnte ich erst nach stundenlangem hin und her wälzen. War ja klar, so aufgewühlt wie ich war.

Am nächsten Morgen weckte mich mein Wecker. Stimmt, ich war ja mit Rachel verabredet. Dann hatte ich jetzt noch genau zwei Stunden Zeit, bevor sie mich um elf Uhr abholen würde. Nachdem ich mich ausgiebig geduscht und auch sonst im Bad fertig gemacht hatte, stand ich nun in meinem Kleiderschrank und wusste nicht, was ich anziehen sollte. Ich hatte gestern doch tatsächlich vergessen zu fragen, was wir unternehmen würden. Zum Glück hatte ich ihre Handynummer.

> Hi Rachel, was machen wir heute eigentlich? Ich bin ein wenig ratlos, was ich anziehen soll. <

> Hi Sky. Nen Bikini wäre super. Was anderes wäre unpassend, um im Meer schwimmen zu gehen ;) <

> Haha, ja. Da hast du recht :D Dann bis gleich! <

> Ähmmm … Zum Thema ›Bis gleich‹: Wo wohnst du eigentlich? < Häää? Sie wusste doch, wo ich wohnte. Schließlich hatte sie mich gestern nach Hause gebracht. Warte, nein! Ich hatte ihr zwei Straßen vorher gesagt, dass ich den Weg von dort aus auch allein zurückfände.

> 153 Sunset Road <

Da ich nicht sofort eine Antwort bekam, beschloss ich, mich anzuziehen und meine Strandtasche zu packen. Ich zog einen schwarzen trägerlosen Bikini mit rosa Blumenmuster und darüber ein leichtes Strandkleid an. Beides war von Dave, denn solche hübschen Sachen waren in meiner alten Garderobe nicht zu finden gewesen. Schließlich hatte ich nicht auffallen wollen. Doch nun hatte ich ja eine andere Einstellung. Jedenfalls zog ich dazu süße Ballerinas an, dessen Farbe sich in meinem Kleid widerspiegelte. In meine Tasche packte ich nach kurzer Überlegung ein großes Handtuch, eine Flasche Wasser, Sonnencreme und etwas Geld. Gerade als ich damit fertig war, bekam ich eine Nachricht von Rachel.

> Ähm, ich glaube es wäre besser, wenn wir uns an der Kreuzung von gestern treffen würden. Ach ja, und erzähl bitte keinem, wie ich heiße, bzw. nenn mich einfach Destiny. Erklärungen später :* <

Okay … Das war komisch. Was war denn plötzlich ihr Problem? Doch ein Blick auf die Uhr verriet mir, dass ich keine Zeit mehr zum groß Nachdenken hatte, da ich schon in 25 Minuten am Treffpunkt sein sollte. Also schnell die Tasche geschnappt und ab nach unten, um noch eine Kleinigkeit zu frühstücken. Dort angekommen traf ich auf Dave und meine Mutter, die bereits am Essen waren.

»Guten Morgen, ihr beiden.«

»Guten Morgen, Schatz. Hast du gut geschlafen?«

»Ja, habe ich, Mum.«

»Das freut mich. Und nun komm und setz dich und frühstücke in Ruhe mit uns.«

»Gerne. Aber so viel Zeit habe ich gar nicht. Ich bin gleich mit dem Mädchen von gestern verabredet.«

»Ach, stimmt ja«, erinnerte Mum sich.

Ich setzte mich zu den beiden und schmierte mir ein Brötchen mit Marmelade. Als ich aufgegessen, mich von ihnen verabschiedet und sie mir einen schönen Tag gewünscht hatten, ging ich in den Flur. Gerade als ich mir den Haustürschlüssel schnappen und das Haus verlassen wollte, kam Jason die Treppe herunter. Der hatte mir gerade noch gefehlt …

»Was hast du vor?«, fragte er, als er vor mir stand.

»Nicht, dass es dich etwas anginge, aber ich bin verabredet. Mit dem Mädchen von gestern, um genau zu sein.« Da für mich alles gesagt war, wollte ich die Tür hinter mir zu ziehen und verschwinden, aber Jason machte mir einen Strich durch die Rechnung, indem er seine Fuß in die Tür stellte.

»Was denn noch?«, fragte ich sichtlich genervt.

»Wie heißt sie?« Warum war der denn auf einmal so neugierig? Hatte es etwas mit der Sache aus Rachels SMS zu tun? Ich würde sie gleich unbedingt darauf ansprechen!

»Warum willst du das wissen?«

»Erstens, weil ich hier das Sagen habe und zweitens, weil nicht alle so nett sind, wie du vielleicht denkst.« Ach was. Da war er wohl das perfekte Beispiel für. Aber da ich endlich loswollte, verkniff ich mir jeglichen Kommentar.

»Sie heißt Destiny und wohnt hier in der Gegend. Zufrieden?« Damit gab er die Tür wieder frei und ließ mich in Ruhe.

Ich machte mich zügig auf den Weg zum Treffpunkt. Schon von weitem sah ich, wie Rachel sich immer wieder umsah. War sie etwa nervös? Kurz darauf hatte ich sie erreicht.

»Hi, Destiny. Ich glaube du hast mir so einiges zu erklären«, grinste ich sie zur Begrüßung an.

»Hi, Sky. Ja, ja, aber jetzt lass uns erst mal hier weg«, lachte sie, schon wieder sichtlich lockerer. Mit diesen Worten zog sie mich zu ihrem Auto, das nur wenige Meter entfernt stand.

Sobald wir in ihrem gelben Ferrari saßen, ging es auch schon los. Sie wandte den Wagen und fuhr in die andere Richtung zur Hauptstraße. Erst als wir diese erreicht hatten, begann ich zu reden: »Also, Rachel, nun sag schon. Was hat es mit dem Decknamen auf sich? Und warum sollte ich zur Kreuzung kommen?«

»Du bist aber neugierig!«, grinste sie, »Aber gut, ich erzähle es dir … Du wohnst doch jetzt in 153 Sunset Road …« Ich bestätigte ihre Aussage mit einem Nicken und wartete darauf, dass sie fortfuhr. »… Na ja, und dort wohnt doch auch Jason Edwards …«

»Jaaa …?«

»Jaaa, er und mein Bruder waren mal Freunde, haben sich dann aber ziemlich zerstritten und … jedenfalls ist Jason nun in einer Gang und mein Bruder ist in einer anderen Gang. Und diese beiden Gangs stehen halt ziemlich auf Kriegsfuß miteinander« druckste sie herum. »Wenn einer von den beiden wüsste, dass wir uns kennen oder noch schlimmer, wie jetzt, was miteinander unternehmen und Freundinnen werden, dann wäre die Hölle los. Und ich sage dir, das möchten weder du noch ich miterleben. Eigentlich lasse ich mir von niemandem was sagen, vor allem nicht von meinem Bruder, aber in der Hinsicht ist echt nicht zu spaßen …«

»Okay …« Das musste ich erst mal verarbeiten.

Plötzlich brach Rachel in Gelächter aus. »Hahaha, du müsstest deinen Blick gerade sehen! Als hättest du ein Gespenst gesehen!«

»Guck geradeaus!«, rief ich gespielt wütend.

»Haha, ne ehrlich. Jetzt sieh es mal so: Das ist mega spannend, so eine heimliche Freundschaft. Wir werden uns doch nicht den Spaß verderben lassen, nur weil die nicht miteinander klarkommen!«

»Da hast du auch wieder Recht!«, grinste ich.

»Ich habe immer recht.« Als Antwort verdrehte ich nur die Augen, auch wenn sie es vermutlich nicht sehen konnte. Sie schien es dennoch bemerkt zu haben, denn sie ließ kurz das Lenkrad los und stieß mir den rechten Ellbogen gespielt entrüstet in die Seite. Daraufhin mussten wir beide lauthals lachen.

Mein Bauchgefühl hatte mich nicht getäuscht. Rachel war echt lustig; ich mochte ihre fröhliche, offene Art. Sie war ein wenig crazy, aber das definitiv im positiven Sinne. Außerdem behandelte sie mich schon seit der ersten Minute wie eine echte Freundin und das, obwohl wir uns erst seit einem Tag kannten. Darüber war ich sehr glücklich. Sie vermittelte mir, willkommen zu sein, und das war ein großartiges Gefühl. Das hatte ich schon seit Längerem nicht mehr gehabt.

Der Rest der Fahrt verlief damit, dass wir lauthals bei allen uns bekannten Liedern, die aus dem Radio schallten, mitsangen. Neben Beggin’, Synchronize und As It Was drang auch THATS WHAT I WANT durchs Auto.

Irgendwann rief Rachel »Wir sind da-ha!« und stellte mit einem Mal das Radio aus. Sie parkte auf einem kleinen Parkplatz, auf dem schon zwei weitere Autos standen.

»Ah, die anderen sind auch schon da«, stellte Rachel erfreut fest.

»Wie? Die anderen?«, fragte ich leicht irritiert.

»Na, meine Clique! Aber keine Sorge, die sind alle total nett. Ihr werdet euch gut verstehen«, antwortete sie mir. Und irgendetwas sagte mir, dass sie recht hatte.

Also stiegen wir aus, schnappten uns unsere Strandtaschen und machten uns auf den Weg zum Strand. Und ich musste sagen, ich war einfach nur glücklich und gespannt, wie die anderen waren und wie der Tag so werden würde.

Nachdem wir einen kleinen Kiosk umrundet hatten, waren wir schon am Strand. Etwa 50 Meter von uns entfernt konnte man eine kleine Gruppe ausmachen, die etwas rief und in unsere Richtung winkte.

»Ach, da sind sie ja«, sagte Rachel fröhlich und begann, auf die drei Personen zuzusteuern. Dann waren das also ihre Freunde.

Bei genauerem Betrachten konnte ich zwei Jungen und ein Mädchen ausmachen. Alle drei waren total hübsch. Der eine Junge hatte ein Sixpack, markante Gesichtszüge, braune hochstehende Haare und trug eine Hollister Badehose sowie eine dunkle Sonnenbrille. Der andere war auch ziemlich durchtrainiert, hatte aber kein Sixpack. Seine Frisur ähnelte der des Sonnenbrillenträgers, doch seine Gesichtszüge waren viel weicher. Ach ja, und das Mädchen war sehr schlank, hatte tolle braune, lange Haare und trug einen dunkelblaugemusterten Bikini.

Gerade als ich mit Abchecken fertig war, erreichten wir sie. Zunächst begrüßten sie Rachel mit einer Umarmung und wider Erwarten wiederholten sie kurz darauf dasselbe bei mir.

»Hey, du musst Skyla sein. Ich bin Jenna«, entgegnete die Brünette freundlich.

»Hey, nenn mich doch Sky. Aber woher kennst du eig …«

»Rachel«, lachte Jenna.

»Ach so«, grinste ich zurück und schüttelte den Kopf.

»Also, Sky. Ich bin Cameron«, stellte sich nun auch der Junge mit den weichen Zügen vor.

»Hi«, sagte ich nur, denn da stellte sich auch schon der letzte im Bunde unter dem Namen Christian vor. Er würde aber von allen nur Chris genannt werden, also sollte ich das auch tun.

»Okay, Chris, mache ich«, antwortete ich und betonte dabei das Chris, woraufhin wir alle grinsen mussten.

Nach der Begrüßungsorgie ließen wir uns auf der großen Picknickdecke nieder, die die anderen mitgebracht hatten. Rachel und ich zogen unsere Strandkleider aus, sodass wir schließlich alle nur noch in Badesachen dort lagen.

Nach einer Weile, in der mich Rachel und ihre Clique mit Fragen über mein altes Leben ausgequetscht hatten, wobei ich die persönlichen Fragen weitestgehend erfolgreich umgangen bin, beschlossen wir, dass es Zeit war für eine kleine Erfrischung. Wir sprangen alle gleichzeitig auf und lieferten uns ein Wettrennen zum Wasser. Und als ob das noch nicht genug gewesen wäre, ging es im kühlen Nass direkt mit einer Wasserschlacht weiter. Wir quietschten, tobten, spritzten, lachten und tauchten als gäbe es kein Morgen. Wir hatten total viel Spaß. Viel zu schnell waren wir aus der Puste, sodass wir eine Pause einlegen mussten.

Gerade als wir wieder an unseren Handtüchern angekommen waren, knurrte Camerons Magen. Wir sahen ihn belustigt an, doch er zuckte nur mit den Schultern und grinste. »Ich habe halt Hunger.«

»Jetzt wo du´s sagst. Ich könnte auch was zu essen vertragen. Also: Wie wär´s, wenn wir jetzt unsere Sachen packen und auf dem Rückweg noch bei McDonald´s anhalten?«, entgegnete Chris.

»Au ja! Das ist eine super Idee!«, stimmte Rachel mit ein.

»Warum nicht?«, sagte ich schlicht und bückte mich nach meiner Tasche.

»Na dann los«, entgegnete nun auch Jenna.

»Auf geht’s!«