Niemand soll uns trennen - Gert Rothberg - E-Book

Niemand soll uns trennen E-Book

Gert Rothberg

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Beschreibung

In diesen warmherzigen Romanen der beliebten, erfolgreichen Sophienlust-Serie ist Denise überall im Einsatz. Denise hat inzwischen aus Sophienlust einen fast paradiesischen Ort der Idylle geformt, aber immer wieder wird diese Heimat schenkende Einrichtung auf eine Zerreißprobe gestellt. Doch auf Denise ist Verlass. In der Reihe Sophienlust Extra werden die schönsten Romane dieser wundervollen Erfolgsserie veröffentlicht. Warmherzig, zu Tränen rührend erzählt von der großen Schriftstellerin Patricia Vandenberg. »Nicht wahr, Mutti, du sagst es den Kindern so schonend wie möglich?«, bat Andrea noch einmal eindringlich und tupfte sich mit dem Taschentuch die Tränen ab. »Selbstverständlich, Andrea.« Denise von Schoenecker kämpfte ebenfalls mit den Tränen. »Es wird für sie ein schrecklicher Schock sein. War es denn notwendig?« »Es gab keinen anderen Weg. Du kennst doch Hans-Joachim und weißt deshalb auch, dass er niemals voreilig handelt.« Andrea gab ihrer Stiefmutter einen Kuss und lief dann die letzten Stufen der Freitreppe hinab. Vom Auto aus winkte sie ihr noch zu und fuhr dann los. Denise wartete, bis der Wagen fort war, dann stieg sie die Stufen langsam hinauf. Es ist doch immer dasselbe, dachte sie niedergeschlagen. Geht es darum, den Kindern etwas Trauriges mitteilen zu müssen, bittet man mich darum. Alle glauben, ich könnte das besonders gut. Vor dem Portal des Herrenhauses von Sophienlust blieb Denise zögernd stehen. Was für ein wundervoller Tag, ging es ihr durch den Kopf, als sie zu dem tiefblauen Himmel emporblickte. Kein einziges Wölkchen zeigt sich. Und in drei Tagen ist Ostersonntag. Vielleicht sollte ich mit der traurigen Mitteilung bis nach Ostern warten? Nein, damit wäre nichts gewonnen.

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Seitenzahl: 150

Veröffentlichungsjahr: 2023

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Sophienlust Extra – 125 –Niemand soll uns trennen

Unveröffentlichter Roman

Gert Rothberg

»Nicht wahr, Mutti, du sagst es den Kindern so schonend wie möglich?«, bat Andrea noch einmal eindringlich und tupfte sich mit dem Taschentuch die Tränen ab.

»Selbstverständlich, Andrea.« Denise von Schoenecker kämpfte ebenfalls mit den Tränen. »Es wird für sie ein schrecklicher Schock sein. War es denn notwendig?«

»Es gab keinen anderen Weg. Du kennst doch Hans-Joachim und weißt deshalb auch, dass er niemals voreilig handelt.« Andrea gab ihrer Stiefmutter einen Kuss und lief dann die letzten Stufen der Freitreppe hinab. Vom Auto aus winkte sie ihr noch zu und fuhr dann los.

Denise wartete, bis der Wagen fort war, dann stieg sie die Stufen langsam hinauf. Es ist doch immer dasselbe, dachte sie niedergeschlagen. Geht es darum, den Kindern etwas Trauriges mitteilen zu müssen, bittet man mich darum. Alle glauben, ich könnte das besonders gut.

Vor dem Portal des Herrenhauses von Sophienlust blieb Denise zögernd stehen. Was für ein wundervoller Tag, ging es ihr durch den Kopf, als sie zu dem tiefblauen Himmel emporblickte. Kein einziges Wölkchen zeigt sich. Und in drei Tagen ist Ostersonntag. Vielleicht sollte ich mit der traurigen Mitteilung bis nach Ostern warten? Nein, damit wäre nichts gewonnen. Es liegt doch nahe, dass die Kinder es dann von einer außenstehenden Person erfahren würden. So etwas spricht sich in dieser Gegend, in der jeder jeden kennt, schnell herum.

Dass Andrea sich geweigert hatte, den Kindern diese Nachricht von Batus Tod zu übermitteln, verstand Denise nur zu gut. Andrea hatte ein weiches Herz und litt sehr unter dem Tod des Schimpansen. Es musste schlimm für sie gewesen sein, dass sie Batu, als er von Hans-Joachim die erlösende Spritze bekommen hatte, in den Armen gehalten hatte.

»Mutti, was ist denn geschehen?«, fragte Nick plötzlich hinter Denise. Gespannt richtete er seine dunklen Augen auf sie.

»Gut, dass ich erst mit dir allein sprechen kann, Nick«, erwiderte Denise und fuhr ihrem nun schon sechzehnjährigen Sohn, der sie fast um einen halben Kopf überragte, übers dunkle Haar.

»Deine Stimme klingt so seltsam. Ist es etwas Schlimmes, Mutti?« Er sah sie besorgt an.

»Es ist etwas sehr Trauriges, Nick. Batu ist tot.«

»Batu? Aber … Ich verstehe nicht …« Seine Stimme brach.

Rasch wandte er seinen Kopf zur Seite. Zu dumm, dass ihm Tränen in die Augen gestiegen waren. Er schluckte mehrmals. Dann hatte er sich wieder gefasst. »Mutti, Hans-Joachim sagte doch aber noch vorgestern, er würde Batu vermutlich retten können. Der Schimpanse war doch noch jung.«

»Hans-Joachim hat alles getan, um ihn am Leben zu erhalten. Vielleicht hätte Batu auch noch ein oder zwei Tage gelebt, aber es wären qualvolle Tage für ihn gewesen. Glaub mir, Hans-Joachim ist es schwergefallen, ihm eine erlösende Spritze geben zu müssen. Andrea erzählte mir, dass auch ihm die Tränen dabei gekommen sind.«

»Na ja, dann …« Nick räusperte sich. »Soll ich es den Kindern sagen? Pünktchen hat erst vorhin zu mir gesagt, dass sie an Batus Genesung glaube. Für Luja wird es nun schwer sein.«

»Ja, mein Junge. Sie ist von ihrem ersten Lebenstag an mit Batu beisammen gewesen. Herr Koster wird sich jetzt besonders um sie kümmern. Und Andrea will sie öfters zu sich ins Haus nehmen, um sie zu beschäftigen. Schwermut ist eine schlimme Krankheit bei Zootieren. Sie kann tödlich ausgehen.«

»Ich weiß das, Mutti.« Nick fuhr sich mit beiden Händen durch sein gelocktes schwarzes Haar und stieß einen tiefen Seufzer aus. »Die Kinder sind draußen im Park. Ich werde sie suchen.«

»Tu das, Nick. Ich bin wirklich dankbar, dass du mir das abnimmst.« Denise lächelte matt. »Aber ich begleite dich natürlich.«

»Gut, Mutti.« Nick sah seine Mutter stolz an. Wie hübsch sie noch immer war mit ihren glatten schwarzen Haaren und ihren gütigen Augen, die stets liebevoll in die Welt blickten. In seinen Augen war sie die schönste Frau, die er kannte. Dass er ihr auffallend ähnlich sah, wusste er. Natürlich waren seine Züge männlicher und markanter. Trotzdem war er sehr stolz auf diese Ähnlichkeit.

Nick hängte sich bei seiner Mutter ein, als er mit ihr die Freitreppe hinabstieg. Pünktchen kam den beiden entgegen. Ihr hübsches Gesicht mit den großen blauen Augen und der Stupsnase mit den unzähligen Sommersprossen strahlte vor Freude. Bei jedem Schritt wippte ihr rotblonder Pferdeschwanz auf und nieder. Sie trug ihre neuen Jeans und einen kanariengelben langärmligen Rollkragenpulli. Weil die Temperatur im Laufe des Tages stark angestiegen war, hatte sie die Ärmel aufgekrempelt.

»Mutti, Pünktchen musst du es aber sagen«, flüsterte Nick seiner Mutter rasch zu, wobei er sie flehend ansah.

»Ich verstehe dich«, sagte Denise und lächelte ihm gütig zu.

»Hallo, Tante Isi!«, rief Pünktchen jetzt lebhaft und umarmte Denise. »Wie schön, dass du heute früher gekommen bist. Ist das Wetter nicht wundervoll? Der Wetterbericht ist gut. Ostern wird das herrlichste Wetter sein.« Sie gab Denise einen Kuss und sah sie dann forschend an. »Ist was?«, fragte sie leise.

»Ja, Pünktchen, ich muss dir etwas Trauriges sagen und …«

Ein Schatten verdunkelte die reizenden Züge des Mädchens. »Batu? Nicht wahr, es geht um Batu?«, fragte Pünktchen und fing zu weinen an. »Obwohl ich mir eingeredet habe, dass er wieder gesund werden würde, habe ich doch genau gespürt, dass er sterben wird.«

»Er war schwer krank, mein Kleines.« Denise zog das weinende Mädchen an sich und gab Nick einen Wink.

Er nickte und ging davon, um die traurige Nachricht den anderen Kindern so schonend wie möglich beizubringen.

»Hat er sehr leiden müssen, Tante Isi?«, fragte Pünktchen und wischte sich mit dem Handrücken über die Augen.

»Nein, mein Kleines. Hans-Joachim hat ihm eine erlösende Spritze gegeben.«

»Aus diesem Grund möchte ich auch nicht Tierarzt werden«, erklärte Pünktchen. »Ich brächte es nicht fertig, einem hilflosen Tier eine tödliche Spritze zu geben.« Sie schluchzte leise auf.

Denise strich zärtlich über Pünktchens goldblondes Haar. »Du musst nur daran denken, dass Batu jetzt nicht mehr leiden muss.«

»Ja, Tante Isi. Es ist schon vorüber.« Pünktchen lächelte verkrampft. »Komm, wir werden Nick helfen. Ich kenne ihn doch und weiß, wie schwer es ihm fallen wird, den Kindern Batus Tod mitzuteilen.«

Sie fanden Nick und die übrigen Kinder auf der Spielwiese. Der große Junge redete leise auf die Sophienluster Kinder ein.

Das jüngste Dauerkind, die kleine Heidi, fing laut zu weinen an. Denise ging zu ihr hin und tröstete sie.

Auch andere Kinder fingen zu schluchzen an. Allmählich beruhigten sie sich aber wieder, und Fabian meinte: »Tante Isi und Nick haben recht. Jetzt braucht Batu keine Schmerzen mehr auszustehen. Er hätte sich sonst noch tagelang quälen müssen.«

»Aber man hätte ihm doch Morphium geben können«, meinte die altkluge Angelika. »Dann hätte er keine Schmerzen gespürt.«

»Ist das denn ein Leben?«, fragte Nick ernst. »Jeden Tag ein oder zwei Spritzen zu bekommen, um langsam dahinzusiechen? Nein, das ist bestimmt kein Leben. Batu war so fröhlich und …« Er konnte plötzlich nicht weitersprechen.

Sein kleiner Bruder Henrik sah ihn aufmerksam an. Er konnte sich nicht entsinnen, Nick jemals weinen gesehen zu haben. Wenn Nick weint, dann darf ich das auch, überlegte er und gab sich für einige Sekunden seinem Kummer hin.

Pünktchen strich Henrik tröstend über den braunen Haarschopf. »Wir müssen nur daran denken, dass Batu jetzt im Tierhimmel ist.«

Henrik schnüffelte, putzte sich die Nase und sah sie an. »Gibt es denn einen Tierhimmel?«, fragte er interessiert.

»Natürlich gibt es einen«, erwiderte Pünktchen überzeugt von ihrer Behauptung. »Für alle Lebewesen gibt es einen Himmel.«

»Für alle?«, fragte Vicky neugierig. »Glaubst du das wirklich?«

»Für alle«, wiederholte Pünktchen fest.

Eines der Ferienkinder kicherte. Es war ein ungefähr achtjähriger Junge aus München, der jedes Jahr in den Osterferien nach Sophienlust kam, weil seine Eltern um diese Jahreszeit immer zu den Kanarischen Inseln flogen.

»Warum lachst du, Toni?«, fragte Angelika, empört über so viel Pietätlosigkeit. Schließlich war Batu gestorben.

»Weil ich mir nicht gut vorstellen kann, dass ein Regenwurm auch in den Himmel kommt.«

»Und warum nicht?« Fabian blitzte ihn ärgerlich an. »Im Himmel gibt es wunderschöne grüne Wiesen. Und zu einer Wiese gehören auch Regenwürmer, Käfer, Bienen, Schmetterlinge und viele andere Tiere. Nicht wahr, Tante Isi, so ist es doch?«

Denise lächelte ihn an. »Ich hoffe, dass es dort oben so aussieht«, antwortete sie diplomatisch.

»Es hat zum Mittagessen gegongt!«, rief Irmela Groote, ein großes hübsches Mädchen mit langen blonden Haaren und freundlichen blauen Augen. Sie war nach Nick das älteste Kind in Sophienlust.

»Ich habe keinen Hunger«, klagte Heidi.

»Ich auch nicht!«, rief Vicky. »Mein Magen ist wie zugeschnürt.«

»Ich bekomme bestimmt auch keinen Bissen herunter«, sagte Henrik und dachte mit Bedauern an den Spinat, den es heute gab. Auch Spiegeleier aß er für sein Leben gern. Aber wenn die anderen Kinder wegen Batu nichts aßen, durfte er doch auch nicht viel essen.

»Was ist denn mit euch heute los?«, fragte Schwester Regine, als die Kinder mit hängenden Köpfen den Speisesaal betraten:

»Batu ist tot!«, rief Toni.

»Ja, der Schimpanse ist gestorben«, berichtete die braunhaarige Ursel Weber, ein neunjähriges Mädchen, das erst seit zwei Tagen in Sophienlust weilte und Batu nicht mehr kennengelernt hatte.

»Batu ist tot?«, wiederholte die Kinderschwester erschrocken.

»Ja, Schwester Regine, mein Schwiegersohn musste ihn gestern Nachmittag einschläfern.«

»Ist das nicht traurig?« Pünktchen schluckte ihre Tränen herunter. »Die arme Luja. Sie ist nun schrecklich allein.«

»Andrea und Hans-Joachim könnten doch einen neuen Affen kaufen, damit Luja nicht mehr so allein ist«, meinte Nick. »Dann hätte sie auch einen Ehemann. Batu war doch ihr Bruder. Und dann könnte Luja ein Baby bekommen.«

»So einfach, wie du dir das vorstellst, ist es nicht. Ein Schimpanse kostet viel Geld«, erwiderte seine Mutter.

»Na und?« Beschämt senkte Nick unter dem vorwurfsvollen Blick seiner Mutter den Kopf. Er wusste, sie fand es unfein, wenn er auf seine Erbschaft und auf das Vermögen seiner Eltern anspielte.

Denise war jedoch mit ihren Gedanken schon wieder ganz woanders. Unwillkürlich erinnerte sie sich an den Großindustriellen Günther Roeder. Vor ein paar Wochen war sie mit ihrem Mann Alexander bei ihm zu Besuch gewesen und hatte dabei auch seinen Privatzoo bewundert, um den sich hauptsächlich seine Tochter Karin kümmerte.

Karin hatte großes Interesse für das Kinderheim Sophienlust gezeigt und ihr vorgeschlagen, einmal mit allen Kindern zu ihnen zu kommen. Die Familie Roeder wohnte in einer herrlichen Villa in Heidenheim, einem romantischen Städtchen mit einer Burg.

»Wie wäre es, wenn wir morgen früh nach Heidenheim fahren würden?«, fragte Denise und blickte die Kinder an, die lustlos im Essen herumstocherten.

»Heidenheim?« Nicks Stirn runzelte sich. »Heidenheim? Aber ja, du warst doch einmal mit Vati dort. Gibt es dort nicht einen Privatzoo, Mutti?«

»Ganz recht. Eben den wollen wir besuchen. Wir müssen aber schon früh losfahren. Sagen wir, zwischen sieben und acht.«

»O ja, Tante Isi!«, riefen die Kinder durcheinander.

»Gibt es in diesem Zoo auch Schimpansen?«, fragte Pünktchen.

»Ja, es gibt dort ein richtiges Affenhaus.«

»Fahren wir auch bestimmt?« Heidi sah Denise erwartungsvoll an.

»Wenn ihr damit einverstanden seid, fahren wir.«

Auf einmal wurden die Teller leer. Die Freude über den Besuch in diesem Privatzoo half den Kindern über den Schmerz, den Batus Tod in ihren Herzen hervorgerufen hatte, hinweg.

*

Der Wetterbericht hatte recht behalten. Am nächsten Morgen war das Wetter ebenso schön wie am vergangenen Tag. Der Chauffeur Hermann hatte einen der beiden roten VW-Schulbusse auf Hochglanz poliert. Damit würden sie nach Heidenheim fahren.

Aufgeregt liefen die Kinder immer wieder hinaus, um nachzusehen, ob Tante Isi mit Nick und Henrik komme. Als sie das Auto endlich erblickten, atmeten sie erleichtert auf. Schwester Regine war auch schon reisefertig. Denise hatte darauf bestanden, dass sie mitfuhr. Es war nicht so einfach, auf vierzehn lebhafte Kinder aufzupassen.

Inzwischen hatte Denise von Andrea erfahren, dass Batu auf dem Lehnschen Grundstück begraben worden war. Sie erzählte es den Kindern, die sich vornahmen, am nächsten Tag viele Blumen auf das Grab zu legen.

Die Fahrt nach Heidenheim bot den Kindern so viel Abwechslung, dass keine traurige Stimmung mehr aufkam. Als sie Heidenheim erreichten, setzte sich Denise neben den Chauffeur Tiermann und zeigte ihm den Weg zu der Villa Roeder, die von einem großen Park umgeben war.

Als sie durch das Parktor fuhren, rissen die Kinder vor Staunen die Augen auf. »Der Park ist ja viel größer als unser Park in Sophienlust«, stellte Pünktchen fest. »Und so viele Blumen haben wir auch nicht.«

»Er ist auch größer als der Schoeneicher Park«, meinte Henrik. »Du, Mutti, da kommt ein Mann. Er winkt uns zu.«

»Das ist bestimmt der Gärtner«, vermutete Nick, als er die grüne Schürze sah.

Der Chauffeur hielt an und kurbelte das Fenster herunter. Fragend sah er den grauhaarigen Mann mit dem hageren Gesicht an.

»Sie werden erwartet«, sagte der Gärtner. »Herr Roeder ist nicht da, aber Karin wird später zum Zoo kommen. Herr Gabriel, das ist der Tierpfleger, wird sich inzwischen um Sie kümmern.«

»Ich weiß«, sagte Denise freundlich. »Ich sprach gestern Nachmittag telefonisch mit Herrn Gabriel.«

Der Gärtner beschrieb ihnen den Weg zum Privatzoo. Dann fuhren sie weiter, die breite Allee entlang. Sie mündete in einen schmalen Weg, der direkt zu den kleinen weißen Gebäuden mit den Gehegen davor führte.

Ein ungefähr vierzigjähriger Mann, der sich im Freigehege des Rotwilds befand, drehte sich bei dem Autogeräusch um und lächelte freundlich. Dann verließ er das Freigehege und wartete auf den roten VW-Bus.

Es dauerte nur wenige Minuten, bis alle sich miteinander bekannt gemacht hatten. Hubert Gabriel war sehr kinderlieb und verstand es vor allen Dingen auch gut, mit Kindern umzugehen.

»Wir haben auch einen Tierpfleger«, erzählte Heidi ihm treuherzig und fasste vertrauensselig nach seiner Hand. »Es ist Herr Koster.«

»Aber das interessiert Herrn Gabriel doch nicht«, ermahnte Schwester Regine die Kleine.

»Sagen Sie das nicht!«, rief der freundliche Tierpfleger. »Ich habe selbst zwei Kinder und verstehe die Kleine.«

»Wirklich?« Denises Interesse war geweckt. »Und Ihre Frau …«

»Ich bin Witwer. Ich verlor meine Frau vor einem Jahr.« Seine Züge verschatteten sich, doch dann heiterten sie sich wieder auf. »So, und nun besuchen wir die Tiere«, erklärte er.

Der Zoo von Herrn Roeder war sehr viel größer als das Tierheim Waldi und Co. Jede Tierart hatte ein eigenes Haus, das mit einer Klimaanlage ausgestattet war. Fasziniert bewunderten die Kinder die beiden Löwen und die Tiger.

»Wir hoffen auf Nachwuchs«, sagte Hubert Gabriel. »So, und nun kommt das Affenhaus.«

»Wir hatten auch zwei Affen«, erzählte Henrik traurig.

»Hatten?« Hubert blickte den hübschen Jungen überrascht an.

»Ja, hatten. Nun haben wir nur noch Luja.«

»So heißt die Schimpansin«, mischte sich Nick ein.

»Unser Batu ist tot. Er war schrecklich krank«, berichtete Heidi mit feuchten Augen. »Wir haben ihn sehr lieb gehabt. Und morgen legen wir Blumen auf sein Grab.«

»Das tut mir wirklich leid. Wir haben auch Schimpansen«, lenkte der Tierpfleger die Kinder von ihrem Kummer ab. »Sie fühlen sich sehr wohl bei uns. Aber sie wären wohl glücklicher in der Freiheit.«

Ehrfurchtsvoll betraten die Kinder das Affenhaus. »Hier ist es fast genauso schön wie in dem Affenhaus vom Frankfurter Zoo«, stellte Nick überrascht fest.

»Ich war früher dort Pfleger«, erzählte Hubert Gabriel. »Nach meinen Vorschlägen wurde das Affenhaus hier erbaut.«

»Dann sind Sie bestimmt gern hier, nicht wahr? Zu dem Beruf eines Tierpflegers gehört große Begeisterung«, sagte Denise, die dem Tierpfleger viel Sympathie entgegenbrachte.

Dass er in seinem Beruf aufging und Tiere liebte, erkannte sie an dem Ausdruck seiner grauen Augen, wenn er seine Schützlinge beobachtete.

Dagegen deutete der bittere Zug um seine Lippen und seine mitunter verlorenen Blicke auf einen versteckten Kummer hin.

Doch jetzt, als er mit den Kindern redete, lachte er übers ganze Gesicht. »Und das ist unsere Natalie«, sagte er und deutete auf eine zierliche Schimpansendame, die mit schmollendem Gesicht in ihrer Schlafkoje saß und nichts von der Welt wissen wollte. »Und das ist ihr Mann Gregory«, fuhr Hubert Gabriel fort.

»Und wie heißt dieser Affe mit den schrecklich langen Armen?«, fragte Denise.

»Unka. Er ist ein Menschenaffe, stammt aus Afrika. Herr Roeder sucht nach einem Gefährten für ihn.«

»Das ist aber ein lustiger Affe«, stellte Angelika entzückt fest. »Er hat ein blaues Gesicht.«

»Das ist ein Kongo-Weißnase. Auch er stammt aus dem afrikanischen Urwald.« Hubert Gabriel lächelte das Mädchen an.

»Und wie heißt er?«, wollte Vicky wissen.

»Es ist wahrscheinlich nicht einfach, die Affen zu pflegen«, meinte Schwester Regine.

»Es ist alles Routine. Wichtig ist nur, dass man immer auf die Regulierung der Klimaanlage achtet und auch beim Füttern keinen Fehler macht. In ihrer Heimat sind die Affen sehr robust und widerstandsfähig. Aber bei uns sind sie recht anfällig.«

»Das haben wir an unserem Batu gesehen«, sagte Denise.

»Ich habe den Vorschlag gemacht, einen anderen Schimpansen zu kaufen, damit Luja wieder Gesellschaft hat. Vielleicht bekommt sie dann ein Baby«, berichtete Nick.

»Das ist nicht so einfach. Menschenaffen paaren sich nicht mit jedem Partner. Sie sind darin oft wählerischer als wir Menschen. Bei Natalie hat es lange gedauert, bis sie Gregory akzeptierte. Nun leben die beiden wie ein Ehepaar zusammen. Nach wie vor hält aber sie das Zepter in der Hand. Sie ist launisch und ärgert Gregory damit. Manchmal wird ihm das auch zu bunt. Dann beschimpft er sie und droht ihr mit der Faust. Auch scheint er verärgert darüber zu sein, dass sie ihr Baby nicht annehmen will.«

»Ihr Baby?« Denise sah den Tierpfleger überrascht an. »Hat sie denn ein Baby?«

»Ja, das hat sie, den kleinen Mogli. Aber sie wollte ihn nicht haben. Vor zwei Jahren hatte sie schon einmal ein Baby, aber es war nicht lebensfähig. Diesmal war das Affenbaby gesund. Wir mussten es ihr jedoch fortnehmen, weil zu befürchten war, dass sie es tötete.«

»Böse Natalie«, schimpfte Heidi empört und blickte die Schimpansin an. »Man muss zu seinem Kind lieb sein«, belehrte sie die Äffin noch.

»Natalie ist in dieser Beziehung keine Ausnahme. So etwas kommt oft vor«, berichtete der Tierpfleger weiter. »Die lange Gefangenschaft führt dazu, dass selbst Urinstinkte wie die Mutterliebe verkümmern. In der Natur zeigt ein Schimpansenweibchen nämlich grenzenlose Mutterliebe. Es ist sogar bereit, für den Nachwuchs das eigene Leben zu opfern. Natalie hat offenbar den Mutterinstinkt verloren.«

»Aber wo ist das Affenkind?«, wollte Henrik aufgeregt wissen.