Null, unendlich und die wilde 13 - Albrecht Beutelspacher - E-Book

Null, unendlich und die wilde 13 E-Book

Albrecht Beutelspacher

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Beschreibung

Vor mehr als 20000 Jahren aus praktischen Gründen erfunden, haben Zahl en für viele etwas Magisches. Albrecht Beutelspacher erzählt die spannendsten Geschichten rund um die wichtigsten Zahlen. Ein Buch, das sich ganz ohne mathematische Vorkenntnisse erschließt und in dem jeder seine Lieblingszahl entdecken wird.

Über 30 Prozent aller Zahlen beginnen mit 1, und so steht auch die Zahl, mit der das Zählen beginnt, am Ausgangspunkt dieser kurzweiligen Reise durch die Welt der Zahlen. Mit der 2 zerfällt die Welt in zwei Teile, in der 3 wächst sie wieder zusammen. Die 4 ist die Zahl der Orientierung, die 5 die Zahl der Natur und mit der 6 kommt endlich Ordnung in die Welt. Die 7 Weisen waren eigentlich 22, und dafür, dass die Woche ausgerechnet 7 Tage hat, gibt es keine rationalen Gründe. Die 0 hat lange Zeit gefehlt und war, als sie vor 2000 Jahren in Indien erfunden wurde, längst überfällig. Wäre es nach der Französischen Revolution gegangen, hätte ein Tag heute 10 Stunden mit jeweils 100 Minuten, von denen jede aus 100 Sekunden bestünde. Die wilde 13 zerstört die perfekte innere Balance der 12 – muss sie aber deshalb gleich Unglück bringen? Die 5 607 249 ist die größte Zahl, auf die je ein Mensch gezählt hat, aber nicht die größte in diesem Buch. Mit der Kreiszahl p betreten wir das Reich der transzendenten, mit der –1 das Reich der negativen Zahlen. Deren scheinbare Paradoxien illustriert vortrefflich der folgende Witz, der sich ebenfalls in diesem wunderbar leichtfüßig geschriebenen Buch findet: Ein Professor steht vor einem Hörsaal. Er sieht fünf Studierende den Hörsaal betreten und nach einiger Zeit sechs Studierende heraus-kommen. Da denkt sich der Prof: "Wenn jetzt noch einer reingeht, ist der Hörsaal wieder leer."

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Zum Buch

Albrecht Beutelspachers kurzweilige Zahlenkunde

Vor 30.000 Jahren aus praktischen Gründen erfunden, sind Zahlen bis heute wesentlich für unser Verständnis der Wirklichkeit; für viele haben sie etwas Magisches. Der bekannte Mathematiker und Gründungsdirektor des Gießener Mathematikums erzählt die spannendsten Geschichten rund um die wichtigsten Zahlen. Ein Buch, das sich ganz ohne mathematische Vorkenntnisse erschließt und in dem jeder seine Lieblingszahl entdecken wird.

Über den Autor

Albrecht Beutelspacher ist Professor em. für Diskrete Mathematik und Geometrie an der Universität Gießen sowie Gründungsdirektor des Mathematikums. Er ist Träger zahlreicher Auszeichnungen und Preise, darunter des Communicator-Preises des Stifterverbandes für die deutsche Wissenschaft (2000), des Deutschen IQ-Preises (2004), des Hessischen Kulturpreises (2008) sowie der Medaille für naturwissenschaftliche Publizistik der Deutschen Physikalischen Gesellschaft (2014). Bei C.H.Beck sind von ihm lieferbar: Albrecht Beutelspachers Kleines Mathematikum. Die 101 wichtigsten Fragen und Antworten zur Mathematik (42016); Geheimsprachen. Geschichte und Techniken (52013); Zahlen. Geschichte, Gesetze, Geheimnisse (22015); Wie man in eine Seifenblase schlüpft. Die Welt der Mathematik in 100 Experimenten (2015).

Inhalt

Vorwort

1 Es kann nur eine geben

2 Die Zahl, die den Unterschied macht

3 Die erste Ganzheit

4 Die Zahl der Orientierung

5 Die Zahl der Natur

6 Die Form der Natur

7 Die Zahl, die es nicht gibt

8 Kompromisslose Schönheit

9 Eine langweilige Zahl?

0 Das Symbol für Nichts

10 Die Zahl der Rationalität

11 Die Zahl, die im Verborgenen wirkt

12 Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile

13 Eine wilde Zahl

14 B + A + C + H

17 Die Gauß-Zahl

21 Kaninchen und Sonnenblumen

23 Die paradoxe Geburtstagszahl

42 Die Antwort auf alle Fragen

60 Die beste Zahl

153 Die Zahl der Fische

666 Die Zahl des Tieres

1001 Die Cliffhanger-Zahl

1679 Eine Zahl für Extraterrestrische

1729 Die Ramanujan-Zahl

65 537 Die Zahl im Koffer

5 607 249 Die Opalka-Zahl

267 − 1 Ohne Worte

−1 Eine absurde Zahl

2/3 Gebrochene Zahlen

3,125 Einfach, aber genial

0,000… Ein Hauch von Nichts

Die irrationale Zahl par excellence

Die Verdoppelung des Würfels

φ Der Goldene Schnitt

π Die geheimnisvolle Transzendente

e Die Zahl des Wachstums

i Ist das Imaginäre vorstellbar?

∞ Größer als alles

Bildnachweis

Vorwort

Zahlen wurden schon vor 30.000 Jahren erfunden, vermutlich aus praktischen Gründen. Damals wurden Strichlisten angelegt, mit denen offenbar etwas gezählt wurde. Die Verwendung von Zahlen markiert den Übergang von qualitativen, subjektiv gefärbten Einschätzungen zu quantitativen und damit objektiven Feststellungen. Man kann die Frage nach mehr oder weniger oder nach gleich viel durch Zahlen objektiv und damit «gerecht», ohne Beeinflussung durch Rang, Macht oder Ansehen eines der Kontrahenten, entscheiden.

Neben ihrer Verwendung zur Lösung praktischer Probleme spielten Zahlen von Anfang an auch eine wichtige Rolle für das Verständnis der Welt. In allen Kulturen wurde die kosmologische Frage gestellt: «Warum und wie und nach welchen Regeln bewegen sich Sonne, Mond und Sterne?» Diese Frage wurde in vielen Mythen aufgegriffen, aber auch wissenschaftlich behandelt, indem Beobachtungen durch Zahlen in Tabellen festgehalten und daraus Vorhersagen generiert wurden. Die wissenschaftliche Astronomie begann, als man versuchte, die Beobachtungen festzuhalten. Hier leisteten die Mathematiker in Mesopotamien ab dem 3. Jahrtausend v. Chr. Bahnbrechendes.

Bei den Pythagoreern im 6. Jahrhundert v. Chr. gewannen die Zahlen eine neue Bedeutung. Damals war die zentrale wissenschaftliche Frage die Frage nach dem Urgrund des Seins, nach dem, was die Welt möglich macht und am Leben hält. Darauf wurden sehr unterschiedliche Antworten gegeben, für Pythagoras (um 570–nach 510 v. Chr.) war die Antwort klar: Die Zahl ist die entscheidende Grundlage. Das bedeutete nicht nur, dass man in den Phänomenen der Welt Zahlen entdecken und die Welt mit Zahlen beschreiben kann, sondern vor allem, dass Zahlen dem Getriebe der Welt zugrunde liegen, dass die Welt durch Zahlen strukturiert ist und ohne Zahlen prinzipiell nicht funktionieren könnte.

Zahlen haben, so können wir das bisher Gesagte zusammenfassen, insgesamt eine große Bedeutung. Sie sind ein Schlüssel zur Welt.

Was für die Zahlen insgesamt gilt, könnte auch für einzelne Zahlen Gültigkeit haben. Jedenfalls liegt diese Annahme nahe. Deshalb fragen wir in diesem Buch: Haben einzelne Zahlen spezifische Bedeutungen? Allgemeiner gefragt: Hat jede Zahl eine Bedeutung, hat sie sozusagen einen individuellen Charakter? Ist jede Zahl ein Schlüssel zu einem Teil der Welt?

Auf diese Frage gibt es zwei extreme Antworten.

Die erste Antwort lautet: Bei den Zahlen ist eine wie die andere. Keine zeichnet sich vor den anderen aus. Alle Zahlen sind gleich interessant und deshalb als Individuen uninteressant. Zahlen machen nur als Masse Sinn.

Vor den geistigen Augen der Vertreter dieser These erscheinen die Zahlen als Punkte auf der Zahlengeraden, die wie auf einer unendlich langen Perlenkette aufgereiht sind. Aus dieser Sicht sind Fragen wie «Bei welcher Zahl beginnen wir mit dem Zählen?» oder «In welche Richtung zählen wir?» vollkommen irrelevant, weil sich die Zahlen zum Verwechseln ähnlich sehen. Die Namen für Zahlen sind dann nur oberflächliche Bezeichnungen, die nichts mit dem Wesen der Zahl zu tun haben.

Die zweite Antwort ist der ersten diametral entgegengesetzt und besagt: Jede Zahl ist etwas Besonderes, keine ist wie die andere, und jede hat einen spezifischen Charakter.

Mathematiker untermauern diese Sicht manchmal, indem sie behaupten, dass alle Zahlen interessant seien, und stützen diese Behauptung sogar mit einem «Beweis»: Angenommen, es gäbe uninteressante Zahlen. Dann gäbe es auch eine kleinste uninteressante Zahl – das ist aber zweifellos eine höchst interessante Eigenschaft.

Ich neige der zweiten These zu, wenn auch in abgeschwächter Form: Vermutlich ist nicht jede Zahl interessant, aber viele haben einen ausgeprägten Charakter, und unter den kleinen Zahlen sind es besonders viele. Dass verschiedene Zahlen unterschiedliche Charaktere haben, leuchtet eigentlich unmittelbar ein. Denken Sie an die Zahlen 6, 7 und 8. Sie werden nicht nur sagen: Diese Zahlen folgen aufeinander wie Hausnummern, sondern zu jeder dieser Zahlen wird Ihnen etwas einfallen, was auf die anderen beiden nicht zutrifft.

Was macht eine Zahl interessant? Natürlich ihre mathematischen Eigenschaften, aber auch die Geschichten, die über sie erzählt werden, sozusagen die Rezeptionsgeschichte der Zahl. In diesem Buch sollen beide Aspekte zu Wort kommen und danach gefragt werden, ob und wie sie zusammenhängen. Zum Beispiel kann man fragen, ob die mathematischen Eigenschaften einer Zahl auch eine Erklärung für ihre kulturgeschichtliche Bedeutung oder ihren alltäglichen Gebrauch sein können.

Bei mathematischen Eigenschaften einer Zahl denken wir an Fragen wie: Kann sie durch viele Zahlen geteilt werden oder ist sie eine Primzahl? Ist sie eine Quadratzahl? In welcher Beziehung steht sie zu anderen Zahlen? Ist sie eine irrationale Zahl?

Bei außermathematischen Eigenschaften von Zahlen fallen uns zum Beispiel folgende Aspekte ein: Märchenzahlen, Zahlen in den Religionen, die Zahlen der Natur, aber auch Geschichten, die uns nicht nur von der Mathematik, sondern von Mathematikern erzählen.

***

Jeder Zahl, die in diesem Buch zu Wort kommt, ist ein eigener Abschnitt gewidmet. Sie können etwas erfahren über kleine Zahlen (wie 1, 2, 3 und 0), über große Zahlen (wie die größte Zahl, auf die jemals ein Mensch gezählt hat) und auch über Zahlen wie oder die Kreiszahl π.

Jede dieser Zahlen erhält ungefähr gleich viel Platz – obwohl man über manche Zahl dicke Bücher schreiben könnte (und das auch getan hat). Sie können die Abschnitte in beliebiger Reihenfolge lesen; fangen Sie einfach bei Ihrer Lieblingszahl an oder bei einer Zahl, bei der Sie sich fragen, was man über sie überhaupt erzählen kann.

Sie brauchen zur Lektüre dieses Buches keinerlei mathematische Vorkenntnisse – aber Sie werden ganz nebenbei, und ohne dass es wehtut, immer wieder etwas aus der Mathematik erfahren. Wenn es zu der jeweiligen Zahl passt, werden Themen angerissen wie Binärzahlen, Dreieckszahlen und vollkommene Zahlen oder Kugelpackungen, Pascalsches Dreieck und platonische Körper oder Irrationalität, Unendlichkeit und ungelöste Probleme.

Bei den meisten Abschnitten folgt «unterm Strich» noch ein Postskriptum mit zusätzlichen Informationen. Manchmal zur Mathematik der entsprechenden Zahl, manchmal auch zu etwas anderem.

Mein Dank gilt vielen Menschen, die mich in den vergangenen Jahren angeregt haben, über einzelne Zahlen oder auch über die Zahlen insgesamt nachzudenken, zu sprechen und zu schreiben. Diese Impulse und Erfahrungen waren ein wertvoller Input für dieses Buch: Manche Anregungen habe ich übernommen, manche erweitert, einige habe ich korrigiert und einige weggelassen, manche waren das ersehnte Puzzleteil, und manche entpuppten sich als wahres Juwel.

Ich hoffe, dass die Texte insgesamt erhellende Einblicke in die Welt der Zahlen öffnen und, zumindest exemplarisch, ihre Funktion zum Verständnis unserer realen und mentalen Welt zeigen.

1

Es kann nur eine geben

Die Eins wurde lange Zeit nicht als Zahl angesehen, sondern sie galt als eine «Einheit», aus der sich alle Zahlen ergeben. Das ist zum Beispiel der Standpunkt Euklids, der zu Beginn des Buches VII seiner Elemente (ca. 300 v. Chr.) zunächst versucht, den Begriff «Einheit» zu definieren: «Einheit ist das, wonach jedes Ding eines genannt wird.» Dann fährt er viel inhaltsreicher fort: «Zahl ist die aus Einheiten zusammengesetzte Menge.»

In vielen Kulturen steht die Eins in der Tat für etwas Einzigartiges, das durch Zählen nicht erfassbar ist: In Ägypten gehört die Eins zum Schöpfergott Ptah, in Mesopotamien wurde sie mit dem Gott Anu identifiziert. In monotheistischen Religionen steht die Eins für die Einzigkeit Gottes. Der jüdisch-christliche Gott verlangt im ersten Gebot: «Ich bin der Herr, dein Gott, du sollst keine anderen Götter neben mir haben.» Und im Koran heißt es über Allah: «Er ist Gott, außer dem es keinen Gott gibt.»

Tatsächlich ist die Eins etwas Grundlegendes. Zum Beispiel beginnt das Zählen mit der Eins. Sie ist die erste Zahl und, könnte man fast sagen, die einzige, jedenfalls die wichtigste, denn aus ihr setzen sich – ganz im Sinne Euklids – alle anderen Zahlen zusammen. Die Eins sieht jede Zahl nur als eine Zusammenstellung von ihresgleichen: 5 ist 1 + 1 + 1 + 1 + 1; daher besteht die Zahl 5 aus fünf Einsen. Entsprechend setzt sich die Zahl 12 aus zwölf Einsen zusammen, und eine Billion ist die Summe von einer Billion Einsen.

Und zumindest das macht die Eins einzigartig. Keine andere Zahl hat die Eigenschaft, dass man durch fortgesetzte Addition der Zahl alle natürlichen Zahlen erreichen kann: Durch sukzessive Addition von 2 erhält man nur die geraden Zahlen, durch mehrfache Addition von 3 nur die durch 3 teilbaren Zahlen und so weiter. Nur mit der Eins erhält man alle Zahlen. Aus Sicht der Eins besteht keinerlei Notwendigkeit für andere Zahlen.

Die Darstellung einer natürlichen Zahl als Summe von Einsen ist nur der mathematische Ausdruck des Aneinanderfügens von Strichen zu einer Strichliste, die als erste Zahlendarstellungen überliefert sind. Schon vor 30.000 Jahren haben die Menschen Zahlen dargestellt, indem sie Kerben in Knochen eingeritzt haben. Berühmt ist der «Wolfsknochen», der in der Mammutjägersiedlung Dolní Věstonice in Tschechien gefunden wurde (siehe oben). Auf ihm kann man die Zahlen 25 und 30 durch sehr regelmäßige Striche erkennen. Warum diese Zahlen so aufwändig geschrieben wurden und was damit gezählt wurde, wissen wir allerdings nicht.

Heute ist die Eins selbstverständlich als Zahl anerkannt. Es ist die Zahl, mit der das Zählen beginnt. Sie bildet den Anfang der Zahlen, in gewissem Sinne ist sie die erste Zahl. Erster zu sein ist etwas ganz Besonderes.

Wenn etwas zum ersten Mal stattfindet, bekommt dieses Ereignis sozusagen den Stempel «Eins»; dieser kann ihm nie mehr aberkannt werden. Das war so, als Wilhelm Conrad Röntgen am 8. November 1895 abends im Physikalischen Institut der Universität Würzburg «eine neue Art von Strahlen» entdeckte, die später so genannten Röntgenstrahlen. Ein anderes erstes Mal geschah am 29. Mai 1953, als der Neuseeländer Edmund Hillary und sein Sherpa Tenzing Norgay als Erste den Gipfel des Mount Everest, des höchsten Bergs der Welt, erreichten. Und auch der erste Schritt eines Menschen auf dem Mond, den Neil Armstrong am 21. Juli 1969 um 02:56:15 UTC tat, war ein Nummer-1-Ereignis.

Die Eins hat ein sensationelles Alleinstellungsmerkmal. Das erkennt man, wenn man viele Zahlen betrachtet, zum Beispiel die Längen der Flüsse Europas oder die ersten 1000 Primzahlen oder die Zahlen auf der Titelseite einer Zeitung. Man kann jeweils fragen: Wie viele dieser Zahlen beginnen mit der Ziffer 1? Wie viele mit der Ziffer 2? Und wie viele mit der Ziffer 9? Die meisten Menschen sind vermutlich davon überzeugt, dass das im Durchschnitt gleich viele sein müssten, also jeweils etwa 11 Prozent.

Aber das ist nicht richtig: Über 30 Prozent aller Zahlen beginnen mit 1, noch 17 Prozent mit 2 und kümmerliche 4,6 Prozent mit der Ziffer 9. Dieses «Benfordsche Paradoxon» ist nach dem Physiker Frank Benford (1883–1948) benannt, der dieses Phänomen 1938 als Zweiter beschrieben hat. Der eigentliche Entdecker war 1861 der Mathematiker Simon Newcomb (1835–1909).

Benford hatte das Phänomen an Logarithmentafeln entdeckt; diese waren vorne, wo die Zahlen aufgeführt sind, die mit einer 1 beginnen, viel stärker abgegriffen als die Seiten im hinteren Teil der Bücher. Heute wird vermutlich bei jeder Computertastatur die Taste mit der 1 häufiger ausfallen als die anderen Zifferntasten, weil sie viel öfter benutzt wird.

Am Beispiel der Einwohnerzahlen der größten Städte Deutschlands wird das Phänomen deutlich. Es gibt viel mehr Städte, deren Einwohnerzahlen kleine Anfangsziffern haben als große:

Die Erklärung ist einsichtig. Es gibt viele Städte mit 100.000 bis 199 999 Einwohnern (in Deutschland 41), schon weniger mit 200.000 bis 299 999 Einwohnern (in Deutschland 17) und noch weniger, deren Einwohnerzahl zwischen 300.000 und 399 999 liegt, nämlich gerade mal 6.

2

Die Zahl, die den Unterschied macht

Es ist nicht gut, dass die Eins allein sei. Daher folgt auf die Eins die Zwei.

Aber Achtung: Die Zwei kommt zur Eins wie Eva zu Adam. Eva war nicht einfach nur ein weiterer Mensch, sondern sie war ganz anders als Adam. Mit Eva änderte sich alles.

Die Zwei ist keine zweite Eins, sie vergrößert die Eins nicht nur, sie ist nicht nur eins mehr, sondern sie ist etwas ganz anderes. Mit der Zwei ändert sich alles.

Wann und wie die Menschen zum ersten Mal auf zwei gezählt haben, kann man nur vermuten. Vielleicht hat es damit begonnen, dass die Menschen beim Gehen gesungen und dabei die abwechselnde Benutzung des linken und rechten Beins durch zwei verschiedene Töne untermalt haben. Oder damit, dass sie ihre Kinder in den Schlaf gewiegt und die Hin- und Herbewegung durch Laute unterstützt haben.

Dieses unbewusste Wahrnehmen zweier verschiedener Zustände muss irgendwann bewusst geworden sein. Man machte sich rechts und links klar, man unterschied oben und unten, man nahm vorwärts und rückwärts als zwei verschiedene Richtungen wahr – und die Zwei war geboren.

Zunächst war die Zwei keine Zahl, ja nicht einmal der Anfang des Zählens, sondern eine spezielle Form des Plurals: der «Zweier-Plural», den man «Dual» nennt. Mit diesem werden zwei Objekte bezeichnet, aber nicht irgendwelche, sondern solche, die in einer Beziehung stehen. Im Deutschen schwingt diese alte Form noch in dem Wort «beide» mit. Man soll beide Seiten berücksichtigen, man steht mit beiden Beinen im Leben.

Irgendwann entwickelte sich aus diesen Grunderfahrungen die Zahl 2. Einer der ersten Schritte bestand vielleicht darin, dass den Menschen bewusst wurde, dass die Welt etwas von ihnen Getrenntes, etwas anderes ist.

Zwei sagen können heißt nämlich, zwischen mir und der Welt unterscheiden zu können. Das bedeutet, die Welt als etwas von mir Verschiedenes, etwas anderes, ja als etwas Fremdes in den Blick zu nehmen. Mag die Welt klein oder groß, vertraut oder unheimlich, angenehm oder anstrengend sein – sie ist jedenfalls etwas anderes als ich. Es gibt neben mir noch etwas anderes. Das Zweite.

Kurz: Zwei ist die Zahl des klaren Unterschieds.

Auf zwei zählen können heißt, bei jedem Gegenstand, jedem Phänomen zu fragen: Gibt es das nur einmal oder noch einmal? Wir entdecken an uns zwei Augen, zwei Hände, zwei Füße. Wir sehen Zwillinge, die sich gleichen wie ein Ei dem anderen, wir erkennen unser Ebenbild im Spiegel, und wir erfreuen uns an Verliebten, die durch ihre Umarmung ihre Unzertrennlichkeit zeigen.

Die Zusammengehörigkeit der beiden Hälften wird durch Symmetrie vermittelt. Eine Hälfte spiegelt sich, und aus Bild und Urbild entsteht eine neue Einheit. Durch die Symmetrie werden die beiden Hälften unterschieden und gleichzeitig zusammengebunden. In der Tat schafft Symmetrie den engsten Zusammenhang zwischen zwei Objekten.

Wir benutzen die Symmetrie in Bildern, um Gleichheit, Ähnlichkeit oder eine besonders enge Beziehung zu dokumentieren oder zu wünschen. Menschen, die völlig unterschiedlich sind oder zu sein scheinen, werden durch ein symmetrisches Arrangement in eine enge Beziehung gebracht, die sie auf ewig verbindet. Denken Sie an die ikonischen Bilder von Max und Moritz, Dick und Doof, oder stellen Sie sich Hochzeitsbilder vor, auf denen das Brautpaar in einträchtiger Symmetrie vereint ist.

Kurz: Zwei ist die Zahl der Symmetrie.

Zwei denken können heißt, bei jedem Phänomen zu fragen: Gibt es auch das Gegenteil davon? Uns fallen viele solche Gegensatzpaare ein: Tag und Nacht, Himmel und Erde, Nord und Süd, Ost und West, plus und minus, gut und böse, arm und reich, heiß und kalt, Mann und Frau, Leben und Tod, …

Wir lieben es, zu unterscheiden und einzuteilen. Damit verschaffen wir uns einen ersten Überblick, wir erhalten Orientierung und Einsicht, wir gewinnen Sicherheit. Unterscheiden tut uns gut. Wer unterscheidet, hat mehr vom Leben.

Kurz: Zwei ist die Zahl der polaren Gegensätze.

Eine fundamentale Unterscheidung in der Welt der Zahlen haben schon die Pythagoreer im 6. Jahrhundert v. Chr. erkannt, nämlich die Aufteilung in gerade und ungerade Zahlen. Eine Zahl ist gerade, wenn man sie ohne Rest durch 2 teilen kann, andernfalls wird sie «ungerade» genannt. Natürlich ist 2 der Prototyp aller geraden Zahlen. Die Zahl 2 ist auch eine Primzahl. Die kleinste Primzahl und die einzige, die gerade ist.