Nun bist du daheim, Susan - Patricia Vandenberg - E-Book

Nun bist du daheim, Susan E-Book

Patricia Vandenberg

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Beschreibung

Der Sophienlust Bestseller darf als ein Höhepunkt dieser Erfolgsserie angesehen werden. Denise von Schoenecker ist eine Heldinnenfigur, die in diesen schönen Romanen so richtig zum Leben erwacht. Das Kinderheim Sophienlust erfreut sich einer großen Beliebtheit und weist in den verschiedenen Ausgaben der Serie auf einen langen Erfolgsweg zurück. Denise von Schoenecker verwaltet das Erbe ihres Sohnes Nick, dem später einmal, mit Erreichen seiner Volljährigkeit, das Kinderheim Sophienlust gehören wird. »Susan heißt sie und morgen kommt sie«, rief Dominik den Kindern zu, die ihn erwartungsvoll angeschaut hatten. »Wieder eine Susi«, stellte Pünktchen eifersüchtig fest. »Keine Susi, eine Susan«, widersprach er unwillig. Pünktchen senkte den Kopf, tief betrübt, Dominik verärgert zu haben. »Sei doch nicht gleich beleidigt«, brummte er. »Ich meine es nicht so.« »Ich bin nicht beleidigt«, erwiderte sie heiser. »Hast du einen Frosch in der Kehle?«, fragte er. »Oder hast du dich gestern beim Eislaufen etwas erkältet? Komm, du musst gleich Hustensirup nehmen.« Seine Besorgnis versöhnte sie. Nick war doch der Allerbeste, und es mochten noch so viele Susis nach Sophienlust kommen, er blieb doch ihr bester Freund. Immer, wenn ein neues Kind in Sophienlust erwartet wurde, herrschte beträchtliche Aufregung. Wie würde das Kind sein, nett oder weniger nett, still oder vorlaut, ängstlich oder verwegen, verwöhnt oder bescheiden?

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Sophienlust Bestseller – 76 –

Nun bist du daheim, Susan

Patricia Vandenberg

»Susan heißt sie und morgen kommt sie«, rief Dominik den Kindern zu, die ihn erwartungsvoll angeschaut hatten.

»Wieder eine Susi«, stellte Pünktchen eifersüchtig fest.

»Keine Susi, eine Susan«, widersprach er unwillig.

Pünktchen senkte den Kopf, tief betrübt, Dominik verärgert zu haben.

»Sei doch nicht gleich beleidigt«, brummte er. »Ich meine es nicht so.«

»Ich bin nicht beleidigt«, erwiderte sie heiser.

»Hast du einen Frosch in der Kehle?«, fragte er. »Oder hast du dich gestern beim Eislaufen etwas erkältet? Komm, du musst gleich Hustensirup nehmen.«

Seine Besorgnis versöhnte sie. Nick war doch der Allerbeste, und es mochten noch so viele Susis nach Sophienlust kommen, er blieb doch ihr bester Freund.

Immer, wenn ein neues Kind in Sophienlust erwartet wurde, herrschte beträchtliche Aufregung. Wie würde das Kind sein, nett oder weniger nett, still oder vorlaut, ängstlich oder verwegen, verwöhnt oder bescheiden? Und zu wem würde es ins Zimmer kommen?

Diesmal hatte es keine Geheimniskrämerei und keine Überraschung gegeben. Jennifer Kürten, die Tante der Zwillinge Odette und Oliver, die einmal in Sophienlust gewesen waren, hatte als Vermittlerin für ihre sehr beschäftigte Freundin Kirsten Holm fungiert.

Dominik war, wie üblich, über alles bestens informiert. Während er mit Pünktchen zu Carola ging, damit seine kleine Freundin Hustensirup bekam, teilte er ihr vorsichtig mit, dass Susan zu ihr ins Zimmer kommen würde.

»Dann bist du nicht mehr allein und kannst abends auch ein bisschen schwatzen«, meinte er.

»Ich bin aber gern allein«, widersprach Pünktchen.

»Sie ist bestimmt nett«, redete er ihr zu. »Sie will sich gar nicht gern von ihrer Mutti trennen. Du kannst sie dann ein bisschen trösten.«

Wenn Dominik so auf sie einredete, wollte Pünktchen nicht bockig sein, aber der Gedanke, das Zimmer nun mit einem anderen kleinen Mädchen teilen zu müssen, war ihr doch nicht ganz geheuer.

»Mach mal deinen Mund auf und sag A«, wurde sie von Carola aufgefordert.

»Mir tut aber gar nichts weh«, erklärte Pünktchen. Doch Carola blieb unnachgiebig.

»Na, das sieht gar nicht schön aus«, meinte sie. »Da ist eine Mandelentzündung im Anrücken. Wir werden gleich mal Fieber messen.«

Dominik war sofort von großer Sorge um Pünktchen erfüllt. »Ich sage Mutti Bescheid«, rief er aus. »Dr. Wolfram muss gleich kommen.«

Pünktchen konnte protestieren, so viel sie wollte, Carola steckte sie doch ins Bett. Als Dr. Wolfram bald darauf feststellte, dass sich ein Mandelabszess entwickelte, war auch schon entschieden, dass Pünktchen nun doch keine Zimmerkameradin bekommen würde.

Pünktchen wusste nicht recht, ob sie sich darüber freuen sollte, denn schließlich bedeutete das Kranksein auch, dass sie auf Dominiks Gesellschaft verzichten musste. Dass der Hals scheußlich wehtat, gestand sie sich erst ein, als sie die Medizin schlucken musste. Sie war schon ganz fiebrig, doch bevor sie einschlief, ging ihr noch durch den Sinn, ob Nick sich nun mit der neuen Susi anfreunden würde.

»Susan«, murmelte sie schon halb in Fieberträumen, aber das deutete Carola falsch.

»Sie hat sich sicher schon darauf gefreut, dass sie nun nicht mehr allein sein sollte«, meinte sie betrübt zu Denise von Schoenecker.

*

Die kleine Susan Holm hatte keine Ahnung, dass sie bereits Grund zur Eifersucht gab, noch bevor sie in Sophienlust war. Sie hatte auch ihren Kummer, denn ihr stand nun die erste Trennung von ihrer geliebten Mutti bevor.

»Muss es denn sein, Muttichen?«, fragte sie mit erstickter Stimme. »Ich kann doch in den Kindergarten gehen, und wenn du mich ins Geschäft nehmen würdest, wäre ich ganz brav.«

Kirsten Holm war es schwer ums Herz. Auch ihr fiel die Trennung nicht leicht. Sie hatte sich jedoch dazu entschlossen, damit Susan nicht miterlebte, wie grundlegend sich ihr Leben ändern musste.

»Ich werde oft sehr lange arbeiten müssen und auch viel unterwegs sein, Liebling«, tröstete sie das Kind. »Und da Lina heiratet, ist auch niemand daheim!«

»Wir könnten uns doch eine andere Lina suchen«, meinte Susan.

Das konnten sie aus finanziellen Erwägungen eben nicht, aber warum sollte sie das Kind mit solchen Sorgen belasten? Verstehen konnte Susan es doch nicht, dass sie, die immer aus dem Vollen geschöpft hatte, plötzlich rechnen musste.

»Niemand will mehr in den Haushalt«, sagte Kirsten Holm ablenkend, »und auch nicht den ganzen Tag im Geschäft stehen. Aber schau, du willst doch, dass wir es behalten. Du hast doch auch Freude an den schönen Sachen und willst mir später einmal helfen. Wenn du zur Schule kommst, werde ich dich wieder heimholen.«

»Das ist ja noch so lange«, seufzte Susan. »Noch fast ein Jahr.«

»Bei den netten Kindern wird dir die Zeit rasch vergehen, mein Kleinchen«, sagte Kirsten zärtlich.

»Papa wollte nie, dass du ins Geschäft gehst«, fuhr Susan fort. Er hatte auch seine Gründe dafür, dachte Kirsten Holm bitter. Aber niemals sollte Susan erfahren, dass ihr Vater schuld daran war, dass sie vor dem Ruin standen.

Susan vermisste ihren vor ein paar Wochen tödlich verunglückten Vater nicht. Wie sollte sie auch. Sie hatte ihn ja nur selten zu Gesicht bekommen. Mit Kindern hatte er nie etwas anzufangen gewusst. Seine Hobbys, die Sportfliegerei und Autorallyes waren ihm wichtiger gewesen.

»Eins musst du mir versprechen, Muttichen«, flüsterte Susan, »den Engel mit der Harfe darfst du nie verkaufen.«

»Nein, mein Liebling«, erwiderte Kirsten stockend, während ihr die Kehle ganz eng wurde. Eigentlich gehörte ihr nichts mehr, auch der Engel mit der Harfe nicht, eine kostbare Holzschnitzerei, die seit vielen Jahren im Besitz ihrer Freundin war und wie ein Schutzengel in dem renommierten Antiquitätengeschäft stand, das sie von ihrem verstorbenen Vater übernommen hatte. Jetzt gehörte alles Felix Dohna, der Peter Holms Hauptgläubiger gewesen war. Allein seinem Entgegenkommen hatte es Kirsten zu verdanken, dass sie die Möglichkeit hatte, ihr verlorenes Eigentum zurückzuerwerben. Oft hatte sie sich in diesen Wochen gefragt, warum er ihr gegenüber so großzügig war.

»Nun schlaf, mein kleines Mädchen«, sagte sie jetzt zärtlich. »Es wird dir in Sophienlust bestimmt gefallen. Tante Jennifer hat dir doch viel davon erzählt.«

Susan schloss die Augen. So schön, wie Tante Jennifer Sophienlust geschildert hatte, konnte es gar nicht sein, dachte sie. Sicher wollte man ihr nur den Abschied leicht machen. Aber weil sie spürte, wie traurig ihre Mutti war, sagte sie nichts mehr.

*

»Dass du ja nie ein Wort darüber verlierst, dass ich Felix kenne«, sagte Dr. Eric Kürten zu seiner Frau. »Es würde Kirsten den Rest geben, erführe sie, dass wir die Hände im Spiel haben.«

»Aber er kann doch nicht ewig nur brieflich mit ihr verkehren«, entgegnete Jennifer skeptisch. »Man soll ja Toten nichts Schlechtes nachsagen, aber Peter Holm war ein Schuft. Hoffentlich hat Kirsten wenigstens nicht mehr erfahren, dass er sie nicht nur um ihr Geld betrogen hat.«

»Vielleicht hat er keinen Ausweg mehr gesehen«, murmelte er. »Ob nun Unglück oder Selbstmord, wird wohl für alle Zeiten ein Rätsel bleiben. Jedenfalls ist Kirsten manches erspart geblieben, und irgendwie werden wir es schon deichseln, dass ihr das Geschäft erhalten bleibt, damit sie nicht das Gefühl haben muss, von Almosen zu leben. Fahr vorsichtig, Liebling. Ich kann es kaum erwarten, dass du wieder daheim bist.«

Sie gaben sich noch einen heftigen Kuss, dann startete Jennifer, um Kirsten und Susan abzuholen. Unterwegs überlegte sie, was Felix Dohna, diesen kühlen, nüchternen Finanzier, eigentlich dazu bewegte, Kirsten so großzügig entgegenzukommen. Er hatte an sich wirklich keinen Grund, darüber zu schweigen, dass Peter Holms Schulden bei Weitem den Wert des Antiquitätengeschäftes überstiegen.

Man sagte Felix Dohna nach, dass er ein außerordentlich korrekter Geschäftsmann sei, der ohne Rücksicht auf persönliche Bindungen seinen Vorteil wahre. Persönliche Bindungen aber zu Kirsten Holm gab es nicht.

Doch was sollte sie sich den Kopf zerbrechen. Wichtig war nur, dass Susan gut untergebracht wurde und dass Kirsten ihr Selbstvertrauen zurückgewann.

Kirsten und Susan waren reisefertig, als Jennifer Kürten erschien. Doch die freudige Begrüßung, die Jennifer sonst von Susan gewöhnt war, blieb diesmal aus. Das ernste Gesicht der Kleinen stimmte auch sie traurig. Hätte es doch eine bessere Lösung gegeben?, fragte sie sich. Aber gab es denn eine bessere als Sophienlust? Odette und Oliver waren so begeistert von dem Wiedersehensfest anlässlich der Errichtung der Baumschule zurückgekommen.

Natürlich war es eine große Umstellung für das Kind, das bisher kaum einen Tag von seiner Mutter getrennt gewesen war. Man musste Susan Zeit lassen, sich daran zu gewöhnen. Jennifer war überzeugt, dass Denise von Schoen­ecker auch diesmal dafür sorgen würde, dass das Kind den Trennungsschmerz rasch überwand.

*

Mit fieberheißem Köpfchen lag Pünktchen in ihrem Bett. Carola hatte ihr eben Tee eingeflößt und ihr einen neuen Halswickel gemacht.

»Ist Susan schon gekommen?«, fragte Pünktchen heiser. Das Sprechen fiel ihr unendlich schwer, aber sie wollte doch wissen, was sich getan hatte.

»Vor einer Stunde«, sagte Carola.

»Ist sie nett?«, fragte Pünktchen.

»Ein liebes Kind. Sie wird dir bestimmt gefallen. Werde nur schnell gesund. Du wirst dich bestimmt gut mit ihr verstehen.«

»Hat Nick sich schon angefreundet mit ihr?«, kam die nächste Frage.

»Nick ist heute daheim. Malu hat Susan begrüßt.«

»Warum ist Nick daheim?«, fragte Pünktchen aufgeregt.

»Er hat sich auch erkältet. Nun sprich nicht so viel, Pünktchen. Es strengt dich zu sehr an.«

Aber Pünktchen wollte noch mehr wissen. »Habe ich ihn angesteckt?«, fragte sie bekümmert. »Da wird er mir böse sein, weil er doch so gern Schlittschuh fährt.«

»Ohne dich macht es ihm sicher nicht so viel Spaß«, versuchte Carola sie zu beruhigen. »Außerdem ist ganz scheußliches Wetter.«

Mit fieberglänzenden Augen sah Pünktchen zur Decke. Ihre kleinen Finger griffen plötzlich ängstlich nach Carolas Hand.

»Nimm das Bild weg«, bettelte sie.

»Welches Bild?«, fragte Carola betroffen.

»Die böse Fee. Sie will mich fortholen. Ich will nicht fort. Nick … Nick«, schluchzte sie auf.

Carola bekam Angst. »Es ist doch keine böse Fee da, Pünktchen«, sprach sie beschwörend auf das Kind ein.

»Sie will mich aber holen«, hauchte Pünktchen. »Sie hat ganz kalte Hände.«

»Nein, nein, sei doch ruhig. Dr. Wolfram wird gleich kommen.« Das sagte Carola mehr zu ihrer eigenen Beruhigung. Pünktchen vernahm es gar nicht mehr.

Von panischer Angst ergriffen tauchte Carola Tücher in kaltes Wasser, machte Fußwickel und legte Pünktchen ein feuchtes Tuch auf die Stirn. Glühend heiß war der zarte Körper. Keuchend gingen jetzt die Atemzüge.

Carola sprang auf, rannte hinaus und lief zum Telefon. Edith Wolfram meldete sich. Ja, Bert sei schon auf dem Weg nach Sophienlust, sagte sie. Er habe nur vorher noch nach Dominik sehen wollen.

Von quälender Angst gepeinigt rief Carola nun in Schoeneich an, das Bert Wolfram eben verlassen hatte. In ein paar Minuten konnte er hier sein. Doch diese Minuten wurden ihr zur Ewigkeit.

*

»Wer war es denn?«, fragte Nick seinen Vater.

»Carola«, erwiderte Alexander von Schoenecker.

»Was wollte sie denn?«, bohrte der Junge weiter. »Sie hat wegen Dr. Wolfram angerufen, Vati. Geht’s Pünktchen nicht gut?« Er wollte schon aus dem Bett springen, aber Alexander drückte ihn in die Kissen zurück.

»Hübsch brav sein, mein Junge«, sagte er mahnend. »Du weißt, was Dr. Wolfram gesagt hat.«

»Mir fehlt überhaupt nichts«, knurrte Dominik. »Ich will zu Pünktchen. Sie regt sich bestimmt nur wegen Susan auf.«

»Warum sollte sie sich aufregen?«, fragte Alexander verwundert.

»Weil es eine Susan ist. Sie macht sich Gedanken darüber, dass ich mich mit ihr anfreunden könnte. Und ich war gestern so patzig zu ihr. Es tut mir so schrecklich leid, Vati.«

»Ihr habt Sorgen«, brummte Alexander.

»Ich weiß, dass es ihr schlecht geht, Vati«, jammerte Nick weiter. »Ich fühle es. Bitte, ruf doch noch einmal an. Sag ihr wenigstens schöne Grüße von mir und dass sie bald gesund werden soll.«

Aber das konnte Alexander nicht. Die Nachricht, die er bekam, stimmte ihn sorgenvoll: Pünktchen musste in die Klinik gebracht werden. Aber wenn er das Dominik sagen würde, würde dieser sich noch mehr erregen. So vertröstete er ihn vorerst damit, dass Pünktchen jetzt schlafe.

In Sophienlust herrschte währenddessen beträchtliche Aufregung. Keiner konnte begreifen, dass Pünktchen so schwer krank war.

»Warum seid ihr traurig?«, fragte Susan Malu, die sich mit der ihr eigenen Ernsthaftigkeit der Kleinen angenommen hatte.

»Weil Pünktchen krank ist«, erwiderte Malu. »Sie ist ins Krankenhaus gebracht worden.«

»Wer ist Pünktchen?«, wollte Susan wissen. »Hat sie keinen anderen Namen?«

»Doch. Sie heißt Angelina, aber wir nennen sie alle Pünktchen. Nick hat sie so getauft.«

»Wer ist Nick?«, erkundigte sich Susan daraufhin.

»Dominik von Wellentin-Schoenecker«, gab Malu Auskunft.

»Von dem haben mir Odette und Oliver schon erzählt«, meinte Susan. »Warum habe ich ihn noch nicht kennengelernt?«

»Weil er auch krank ist. Er ist in Schoeneich. Willst du jetzt die Ponys sehen?«

Susan schüttelte den Kopf. »Lieber den Habakuk«, sagte sie. »Kann der wirklich sprechen?«

»Und wie. Willst du auch Benny kennenlernen, Susan?«

»Wer ist Benny?«

»Mein Hund. Ich durfte ihn mit hierherbringen. Es gibt aber noch mehr Hunde in Sophienlust.«

Das war alles ein bisschen viel für Susan. Sie versank in Nachdenken. Ponys, große Pferde, Hunde, einen sprechenden Papagei, all dies gab es tatsächlich in Sophienlust, wie Tante Jennifer ihr erzählt hatte, und sehr nette Kinder dazu. Vielleicht würde sie doch ganz gern hier sein.

»Ach, ich muss mich um Sissi kümmern«, sagte Malu plötzlich, und diesmal wartete sie Susans Frage, wer denn Sissi sei, gar nicht erst ab, sondern erklärte sofort: »Sissi ist Pünktchens Schildkröte. Die hat sie von Daniela geschenkt bekommen, die auch mal mit ihrem Bruder hier war, aber nicht lange.«

»Haben sie sie wieder fortgeschickt?«, fragte Susan gedankenvoll.

»Nein, ihre Eltern haben sie wieder geholt. Ihren Bruder natürlich auch.«

»Meine Mutti holt mich auch bald wieder«, flüsterte Susan. »Holen dich deine Eltern nicht?«

»Mein Vati ist gestorben«, erklärte Malu bekümmert.

»Mein Papa ist auch tot, aber meine liebe Mutti ist noch da. Hast du auch eine liebe Mutti?«

»Nein«, erwiderte Malu so abweisen, dass Susan verstummte.

*

»Bist du nun einigermaßen beruhigt, Kirsten?«, fragte Jennifer Kürten ihre Freundin, nachdem sie wieder ein geraumes Stück von Sophienlust entfernt waren. »Habe ich dir zu viel versprochen?«

»Sophienlust ist wirklich wunderschön«, flüsterte Kirsten Holm. »Aber wenn Susan nun auch krank werden sollte?«

Es war wirklich ein unglücklicher Zufall gewesen, dass man gerade das Kind hatte in die Klinik bringen müssen, während sie noch mit Frau von Schoenecker gesprochen hatte.

»Sie ist bestimmt gut aufgehoben«, meinte Jennifer Kürten beruhigend. »Ein Arzt ist immer zur Stelle. Nun denke nicht gleich das Schlimmste. Denke jetzt an morgen.«

»Ich kann es doch gar nicht schaffen, die vielen Schulden abzuarbeiten, Jennifer«, erklärte Kirsten deprimiert. »In zehn Jahren vielleicht, aber so lange wird mir Herr Dohna sicher keine Zeit lassen.«

»Warten wir es ab«, sagte Jennifer zuversichtlich.

»Du hast eine gute Meinung von Finanzleuten«, seufzte Kirsten. »Nun, ich muss immerhin froh sein, dass er mir überhaupt eine Chance gibt. Hoffentlich bringe ich wenigstens so viel Geld zusammen, dass ich den Engel mit der Harfe zurückkaufen kann, obwohl er eins der wertvollsten Stücke ist. Doch ich wüsste nicht, wie ich Susan erklären sollte, dass wir ihn nicht behalten können.«

»Wenn du dir doch von uns helfen lassen würdest«, seufzte Jennifer. »Du weißt, wie gern wir es tun würden.«

»Nein, das kann ich nicht. Es schadet jeder Freundschaft. Sprich nicht wieder davon, Jennifer. Ihr habt genug für uns getan. Ich weiß nicht, was sonst noch passiert wäre. Ich frage mich nur, wie viel Geld in die Tasche von Liane Köhler gewandert ist.«

Jennifer hielt den Atem an. Kirsten wusste also doch mehr, als sie bisher verraten hatte.

»Was meinst du damit?«, fragte sie mit belegter Stimme.

»Du brauchst nicht unwissend zu tun«, erwiderte Kirsten. »Jeder hat doch gewusst, dass Peter ein Verhältnis mit Liane Köhler hatte. Er hat sie auch immer auf seine Flüge mitgenommen. Ich frage mich, ob es Zufall war oder Absicht, dass sie das letzte Mal nicht dabei war.«

Ein Frösteln kroch Jennifer durch die Glieder. Erics Worte kamen ihr in den Sinn. Doch sie sagte: »Mach dir das Herz nicht schwer.«

»Noch schwerer, als es ist, kann es kaum noch werden«, bemerkte Kirsten. »Ich war blind. Es war Irrsinn, dass ich Peter alles überließ und glaubte, meine Ehe damit retten zu können, dass ich mich nur Susan widmete. Vater würde sich im Grabe umdrehen, wenn er es wüsste. Alles habe ich falsch gemacht, aber Peter war so überzeugend. Er konnte selbst die teuersten Sachen an den Mann bringen.«

»Um den Gewinn für seine Zwecke zu vergeuden«, fiel ihr Jennifer ins Wort. »Entschuldige, Kirsten, ich will nicht frische Wunden aufreißen, aber du bist mir hundertmal wichtiger als Peter. Du musst jetzt an dich denken.«

»Ich denke nur an Susan. Ich habe ihr versprochen, den Engel mit der Harfe nicht zu verkaufen, obgleich auch er mir nicht mehr gehört.« Ihre Stimme bebte. »Das kommt davon, wenn man sich auf einen Schutzengel verlässt, sonst aber blind und taub ist.«

»Nun wirf die Flinte nicht gleich ins Korn. Kopf hoch, Kirsten. Morgen startest du in ein neues Leben, und dass wir dir die Daumen drücken, wirst du uns hoffentlich gestatten.«

*

Bisher hatte Kirsten Holm immer mit dem Anwalt von Felix Dohna verhandelt, und eigentlich hatte sie erwartet, dass er auch beim Antritt ihrer Arbeit als Angestellte in ihrem früheren Geschäft anwesend sein würde. Doch ein fremder Mann erhob sich von dem kostbaren Barockstuhl, als sie mit bleischweren Füßen durch die Tür trat. Er war nicht viel größer als sie, schlank, fast hager, hatte tiefschwarzes Haar, das glatt über einer ziemlich breiten Stirn lag, und Augen, die fast ebenso schwarz erschienen. Dennoch sah er nicht düster aus. Er war überaus korrekt gekleidet, und unwillkürlich verweilte ihr Blick eine Sekunde auf seinem Mund, der jene unbeugsame Energie ausdrückte, die sie bei ihrem Mann immer vermisst hatte.

»Guten Morgen, gnädige Frau«, sagte er mit einer angenehmen dunklen Stimme, die nicht recht zu diesem energischen Mund zu passen schien. »Ich bin Felix Dohna.«