Nur das Meer kennt ihre Sehnsucht - Maja Merling - E-Book

Nur das Meer kennt ihre Sehnsucht E-Book

Maja Merling

0,0

Beschreibung

Der Liebesroman mit Gänsehauteffekt begeistert alle, die ein Herz für Spannung, Spuk und Liebe haben. Mystik der Extraklasse – das ist das Markenzeichen der beliebten Romanreihe Irrlicht – Neue Edition: Werwölfe, Geisterladies, Spukschlösser, Hexen und andere unfassbare Gestalten und Erscheinungen erzeugen wohlige Schaudergefühle. Diese Serie enthält alles, was die Leserinnen und Leser von Mystik Romanen interessiert. Mühsam schlug Muriel die Augen auf. Es war nur wenig zu erkennen, denn es gab kein Licht in diesem grausigen Gefängnis. Die Nacht draußen war zwar relativ hell, denn es war wolkenlos, und der Mond würde bald seine volle Scheibe zeigen, aber vor der Luke, gerade in Muriels Blickfeld, saß die alte Gräfin. Muriel versuchte sich umzusehen, aber außer dem schwachen Lichtschimmer, der am Körper der alten Frau vorbei durch die Luke fiel, war alles nur schwarze, undurchdringliche Dunkelheit. »Was ist das hier?« fragte Muriel mühsam. »Wo sind wir?« »Du bist an dem Ort, wo du dein künftiges Leben verbringen wirst«, antwortete Gräfin Camilla und betonte fast genüßlich jedes Wort. »Ich bin selbst mit hergekommen, um es dir zu zeigen und zu erklären. Gleich werde ich dich verlassen, und dann wirst du niemanden mehr sehen und mit niemandem mehr reden können…« Die junge Gräfin schaute zu dem Reiter auf, und grenzenlose Traurigkeit lag in diesem Blick. »Dies muß ein Abschied für immer sein, Alain«, sagte sie leise. »Wir dürfen uns nicht wiedersehen. Auch diese Begegnung hätte nicht sein dürfen. Aber es war schön, dich noch einmal zu sehen, noch einmal mit dir zu reden...« »Ich konnte es einfach nicht aushalten«, antwortete der Mann gepreßt. »Ich mußte dich sehen, Muriel.«

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 108

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Irrlicht - Neue Edition – 4 –

Nur das Meer kennt ihre Sehnsucht

… doch das Böse bahnt sich seinen Weg

Maja Merling

Mühsam schlug Muriel die Augen auf. Es war nur wenig zu erkennen, denn es gab kein Licht in diesem grausigen Gefängnis. Die Nacht draußen war zwar relativ hell, denn es war wolkenlos, und der Mond würde bald seine volle Scheibe zeigen, aber vor der Luke, gerade in Muriels Blickfeld, saß die alte Gräfin. Muriel versuchte sich umzusehen, aber außer dem schwachen Lichtschimmer, der am Körper der alten Frau vorbei durch die Luke fiel, war alles nur schwarze, undurchdringliche Dunkelheit. »Was ist das hier?« fragte Muriel mühsam. »Wo sind wir?« »Du bist an dem Ort, wo du dein künftiges Leben verbringen wirst«, antwortete Gräfin Camilla und betonte fast genüßlich jedes Wort. »Ich bin selbst mit hergekommen, um es dir zu zeigen und zu erklären. Gleich werde ich dich verlassen, und dann wirst du niemanden mehr sehen und mit niemandem mehr reden können…«

Die junge Gräfin schaute zu dem Reiter auf, und grenzenlose Traurigkeit lag in diesem Blick.

»Dies muß ein Abschied für immer sein, Alain«, sagte sie leise. »Wir dürfen uns nicht wiedersehen. Auch diese Begegnung hätte nicht sein dürfen. Aber es war schön, dich noch einmal zu sehen, noch einmal mit dir zu reden...«

»Ich konnte es einfach nicht aushalten«, antwortete der Mann gepreßt. »Ich mußte dich sehen, Muriel.«

»Ja, ich weiß, Liebster. Und es war auch so etwas wie Glück für mich, dieses heimliche Treffen. Aber es hat doch nichts geändert. Unsere Wege trennen sich jetzt und hier. Und diesmal muß es für immer sein.«

»Ich würde meine Seligkeit dafür hergeben, wenn ich es ändern könnte!«

»Versündige dich nicht, Alain. So etwas darf man nicht einmal denken.«

»Wenn du wüßtest, meine Muriel, was ich alles denke, welche Pläne ich schon erwogen und wieder verworfen habe! Aber das Recht ist nicht auf unserer Seite. Und wer fragt schon nach Liebe?«

Unendliche Bitterkeit lag in der Stimme des Mannes. Er saß straff aufgerichtet im Sattel und schien in unbestimmte, weite Fernen zu schauen. Aber es war sicherlich nicht das Glück, das er dort sah, irgendwo in den Spiegelungen des zu dieser Stunde so ruhigen Meeres. Das Wasser umspielte die Beine des Pferdes. Der Reiter beabsichtigte diesen Weg zu nehmen, über den Strand und teilweise durchs flache Wasser, denn danach war ihm zumute. Er wollte keinem Menschen begegnen. Nicht nur, weil er nicht gesehen werden wollte. Er wollte allein bleiben mit sich und seinen Gedanken, die nicht nur traurig waren, sondern auch voller Anklage gegen das Schicksal und vor allem gegen die Menschen, die sich einer großen Liebe in den Weg gestellt hatten und die auch die Macht besaßen, ihren Willen durchzusetzen.

Alain Cordier war Pferdezüchter und einer der reichsten Männer hier in der Camargue, dem geheimnisvollen Land im Rhonedelta, das, obwohl im Süden Frankreichs gelegen, doch recht düster und unheimlich wirken konnte mit seinen Seen und Sümpfen, mit den Salzsteppen, den Auwäldern und mit den Dünen und Lagunen mit alten Strandwällen an der flachen Küste. Seit eh und je wurden in diesem weiten, einsamen Land Kampfstiere und Pferde gezüchtet, vor allem die schönen, temperamentvollen Camarguepferde, die herrlichen Schimmel mit üppigem Mähnen- und Schweifhaar.

Besonders berühmt und erfolgreich war die Zucht von Alain Cordier. Er galt etwas in der Camargue, und das nicht nur seines Reichtums wegen.

Aber die Frau, die er aus ganzem Herzen liebte, die ihn liebte – sie hatte er nicht heimführen dürfen. Die junge, schöne Muriel war von ihrem Vater gegen ihren Willen mit dem Grafen Gerard von Sanaron verheiratet worden.

Schon seit Monaten war Muriel nun die Gräfin von Sanaron.

Möglich, daß sie dieses Titels und auch des gutaussehenden Grafen wegen von mancher Altersgenossin beneidet wurde, aber Muriel war nicht beneidenswert glücklich. Sie war traurig und unglücklich, und wenn sie auch tapfer versucht hatte, das bei diesem Wiedersehen mit dem geliebten Mann zu verbergen,

so war es ihr doch nicht gelungen.

»Leb wohl, Alain«, sagte sie jetzt mit zitternder Stimme, »Gott möge dich beschützen. Und er möge dir bald eine Frau über den Weg führen, mit der du glücklich werden kannst.«

»Nie wird das geschehen, Muriel, nie! Mein Herz gehört dir, da wird niemals Platz für eine andere Frau sein. Und wenn du mich jemals brauchen solltest, Muriel, wenn du Hilfe benötigst in irgendeiner Form – ich werde immer für dich dasein. Versprich mir, daran zu denken, es nie zu vergessen!«

»Ich werde es nie vergessen«, flüsterte Muriel, und die Stimme wollte ihr kaum gehorchen.

Da gab Alain Cordier seinem Pferd die Sporen, und der Schimmel stob davon, daß das vorher so ruhige Wasser nur so spritzte.

Gräfin Muriel aber stand da und blickte dem Reiter hinterher, so lange sie ihn noch sehen konnte. Sie merkte nicht, daß ihr unaufhörlich Tränen über die blassen Wangen rannen.

*

Nein, Muriel war nicht glücklich in ihrer Ehe mit dem Grafen von Sanaron. Hätte sie es werden können ohne die Liebe zu einem anderen Mann in ihrem Herzen? Die junge Frau hatte sich schon oft diese Frage gestellt, aber natürlich fand sie keine Antwort. Ja, wenn da nur ihr Gemahl, der Graf Gerard, gewesen wäre! Er war jung mit seinen fünfundzwanzig Jahren, er sah gut aus, und er war auch recht liebenswürdig.

Aber er war schwach. Er stand völlig unter dem Einfluß seiner Mutter, der Gräfin Camilla, und diese wurde nicht zu Unrecht gefürchtet auf Schloß Sanaron, denn sie war streng und hochmütig, und manche sagten hinter vorgehaltener Hand sogar, sie sei böse wie der Teufel.

Nicht einmal einen solchen Gedanken erlaubte die junge Gräfin Muriel sich. Aber es war wirklich so, daß Gräfin Camilla zwischen ihr und ihrem Gatten stand. Warum nur hatte sie diese Heirat gewollt, wenn sie doch die Schwiegertochter ganz gewiß nicht liebte? Muriel wußte keine Antwort auf diese Frage. Aber sie spürte täglich den Einfluß, unter dem ihr Mann stand und der ihr das Leben so schwer machte. Sie hatte doch den ehrlichen Willen, ihre Trauer in ihrem Herzen zu verbergen, sie wollte sich sehr bemühen, dem Grafen eine gute Frau zu sein, aber wo Gräfin Camilla war, schien es keine Harmonie geben zu können.

Und Gräfin Camilla war überall!

Als Muriel spürte, daß sie schwanger war, galt ihr erster Gedanke voll verzweifelter Sehnsucht zwar dem immer noch geliebten Mann, der nicht der Vater dieses Kindes war, aber rasch verbot sie sich selbst solche Gedanken. Sie wußte, ihre Pflichten lagen hier auf Sanaron, bei ihrem Mann und dem Kind, das sie ihm gebären würde.

Und damit stellte sich auch ein wenig Hoffnung ein. Gerard würde sich freuen auf sein Kind, und würde ihm dann nicht auch die Mutter dieses Kindes mehr bedeuten? Muriel wollte ja gar nicht, daß die Macht der alten Gräfin eingeschränkt würde, sie wünschte sich nur genügend Spielraum, um mit ihrem Mann eine richtige Ehe führen zu können.

Das Kind würde ihr helfen, dieses bescheidene und doch so wichtige Ziel zu erreichen.

Als Muriel die Bestätigung ihres Arztes hatte, wollte sie sich ihrem Mann anvertrauen. Sie hatte beobachtet, wie Gräfin Camilla das Arbeitszimmer des Grafen verließ; wie jemand, der etwas zu verbergen hat, hatte sie sich hinter einer der Portiere versteckt, um dann, als die alte Gräfin außer Sichtweite war, rasch in den Raum zu schlüpfen, in dem sich der Schloßherr aufhielt.

Graf Gerard blickte seine Frau erstaunt an. »Du, Muriel?« fragte er. »Wieso kommst du? Ich habe dich nicht rufen lassen.«

»Darf ich denn nicht auch unaufgefordert kommen?« fragte Muriel leise zurück.

»Aber sicher«, antwortete der Graf. »Es ist nur bisher noch nicht geschehen, darum bin ich erstaunt. Nimm Platz, wenn du möchtest. Hast du einen besonderen Grund für dein Kommen?«

Graf Gerard sah wirklich recht gut aus. Wie die meisten Südfranzosen war er nicht übermäßig groß, er hatte lackschwarzes Haar, einen sehr gepflegten kleinen Schnurrbart und fast genauso schwarze Augen wie seine Mutter, aber bei ihm wirkten sie nicht so kalt und böse. Von diesem Gesicht ging eher etwas Weichliches aus, trotz des Schnurrbartes.

Gräfin Muriel mochte sich nicht setzen. Sie war innerlich viel zu aufgewühlt. Statt dessen trat sie ans Fenster, warf aber nur einen kurzen Blick hinaus über das Land, das zum Besitz der Grafen von Sanaron gehörte, dann wandte sie sich ins Zimmer zurück und lehnte sich dann mit dem Rücken gegen das Fenstersims.

»Ja, Gerard«, sagte sie mit leicht vibrierender Stimme, »ich habe einen besonderen Grund für mein unangemeldetes Kommen. Ich wollte es dir nämlich sofort sagen, daß ich... daß ich schwanger bin. Wir werden ein Kind haben, Gerard!«

Muriel verspürte in diesem Augenblick wirklich so etwas wie Glück. War es denn nicht das höchste Glück für eine Frau, ein Kind zu bekommen? Und würde dieses Kind nicht ihnen beiden gehören, würden sie nicht dadurch eine Einheit bilden, eine Gemeinschaft, die sich dem unguten Einfluß der Gräfin Camilla widersetzen konnte?

Erwartungsvoll blickte Muriel ihren Gemahl an. Empfand er nicht genauso, mußte er nicht froh und glücklich sein? Würde er sie jetzt zärtlich in den Arm nehmen? Ach, wie gern wollte sie diese Zärtlichkeit dann erwidern, sie wollte ihm eine gute Frau sein, jetzt und für immer. Den Kummer wollte sie ganz fest in ihrem Herzen verschließen. Niemals sollte Gerard etwas davon erfahren.

Doch Graf Gerard zeigte weder Glück noch Freude. Sein Gesicht schien eher zu versteinern. Und eine ganze Weile blieb er stumm. Er schaute seine junge Frau nur an, und nun sahen seine dunklen Augen beinahe zum Fürchten aus wie bei der alten Gräfin Camilla.

Muriel fröstelte. Sie hatte plötzlich Angst. Bisher war sie nur unglücklich und verzweifelt gewesen, aber nun war da plötzlich noch ein anderes Gefühl, das ihr fast den Atem abschnürte. Warum war da auf einmal diese dumpfe Angst?

Aber das war sicher nur die Enttäuschung, weil Gerard so ganz anders reagierte, als sie es erwartet hatte.

»Freust du dich denn gar nicht, Gerard?« fragte die junge Gräfin beinahe schüchtern.

Doch darauf bekam sie keine Antwort. »Du bist also schwanger?« fragte Gerard statt dessen zurück, und seine Stimme war kaum wiederzuerkennen. Sie war rauh und krächzend und schien dem Mann nur mühsam zu gehorchen.

»Ja«, antwortete Muriel. Mehr brachte sie im Augenblick nicht heraus.

»Das ist sicher?«

Die junge Frau nickte.

»Der Arzt hat es bestätigt?«

»Ja. Er war eben bei mir. Er müßte noch im Schloß sein.«

»Man soll ihn rufen! Ich will selbst mit ihm reden.« Fast ungestüm betätigte der Graf die silberne Glocke auf seinem Schreibtisch. Ein Diener stürzte förmlich herein, und sein Herr gab mit schroffer Stimme die Anweisung, sofort den Arzt herzuholen.

Während der Wartezeit sprach Graf Gerard kein Wort. Er lief mit großen Schritten durch den Raum, wie ein gefangenes Tier. Die Gegenwart der Frau schien ihm überhaupt nicht mehr bewußt zu sein.

Muriel hatte sich nun doch auf einem Stuhl niedergelassen. Die Knie waren ihr weich geworden. Sie verstand das nicht. Wieso reagierte Gerard so unbegreiflich? Warum freute er sich nicht, warum gab er ihr eher das Gefühl, eine Verbrecherin zu sein?

Der Arzt kam. Er kam mit lächelndem Gesicht, denn auch er erwartete einen strahlenden, glücklichen künftigen Vater anzutreffen.

Doch von solchen Gefühlen ließ die Miene des Grafen nichts erkennen. Der Schloßherr begrüßte den Arzt nicht einmal, bot ihm keinen Platz an.

»Die Gräfin erklärte mir soeben, schwanger zu sein«, sagte er kühl und blieb dicht vor dem Arzt stehen. »Können Sie das bestätigen?«

»Das kann ich, Graf«, antwortete der Arzt. »Es gibt nicht den geringsten Zweifel. Bald wird es neues Leben geben auf Schloß Sanaron. Ich möchte Ihnen schon jetzt dazu Glück wünschen, wenn ich darf.«

»Danke, Doktor. Das war es, was ich wissen wollte. Ich möchte Ihre Zeit nun nicht länger in Anspruch nehmen.«

Damit war der Arzt entlassen. Es gelang diesem nicht ganz, sich sein Befremden nicht anmerken zu lassen. Er machte nur eine knappe Verbeugung, auch zu der jungen Gräfin hin, die blaß und stumm in der Nähe des Fensters saß, dann verließ er rasch den Raum. Auch ihm schien es unbehaglich geworden zu sein in dieser eisigen Atmosphäre.

Noch einmal flackerte ein ganz kleines bißchen Hoffnung auf im Herzen der jungen Gräfin. Jetzt hatte ihr Mann ja die Bestätigung, die ihm offensichtlich so wichtig gewesen war. Würde er ihr nun seine Freude zeigen?

Doch diese kleine Hoffnung sank sofort in sich zusammen.

»Es stimmt also«, sagte Graf Gerard, ohne seine Frau anzusehen. »Du wirst ein Kind bekommen. Da willst du dich jetzt sicher in dein Schlafzimmer zurückziehen, weil du Ruhe benötigst.«

Das klang wie ein Befehl. Muriel erhob sich stumm und ging an dem Grafen vorbei auf die Tür zu. Sie wirkte wie eine Schlafwandlerin.

Für einen winzigen Augenblick hatte es den Anschein, als wolle Graf Gerard seine Frau zurückhalten. Aber das war wirklich nur ein winziger Augenblick. Die Anwandlung verflog sofort wieder. Schweigend sah der Graf zu, wie seine unglückliche junge Frau den Raum verließ.

Dann griff er mit einer jähen Bewegung erneut zur silbernen Glocke auf seinem Schreibtisch und befahl dem eintretenden Diener, seine Mutter, die Gräfin Camilla, zu bitten, sofort zu ihm zu kommen.

*