Old Surehand. Zweiter Band - Karl May - E-Book

Old Surehand. Zweiter Band E-Book

Karl May

4,2

Beschreibung

Nach Überwindung vieler Gefahren lichtet sich nun das Dunkel um Old Surehands Vergangenheit. Old Shatterhand und Winnetou ziehen mit ihren Begleitern, unter ihnen die "Verkehrten Toasts" Dick Hammerdull und Pitt Holbers, hinauf ins Felsengebirge, wo alle Fäden zusammenlaufen. Die vorliegende Erzählung spielt Ende der 60er-Jahre des 19. Jahrhunderts. "Old Surehand. Zweiter Band" ist die Fortsetzung von Band 14 "Old Surehand. Erster Band".

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KARL MAY’s

GESAMMELTE WERKE

BAND 15

OLD SUREHAND

ZWEITER BAND

REISEERZÄHLUNG

VON

KARL MAY

Herausgegeben von Dr. Euchar Albrecht Schmid

© 1949 Karl-May-Verlag

ISBN 978-3-7802-1515-4

KARL-MAY-VERLAG

BAMBERG • RADEBEUL

1. Bei Mutter Thick

Jefferson City, die Hauptstadt des Staates Missouri und zugleich der Hauptort des County Cole, liegt am rechten Ufer des Missouri auf einer anmutigen Höhe, die einen fesselnden Blick auf den unten strömenden Fluss und das auf ihm herrschende rege Leben und Treiben bietet. Die Stadt hatte damals viel weniger Einwohner als jetzt, war aber trotzdem bedeutend durch ihre Lage und durch den Umstand, dass hier die regelmäßigen Sitzungen des Distriktsgerichts abgehalten wurden. Es gab dort mehrere große Gasthäuser, die für gutes Geld leidliche Wohnung und genießbares Essen gewährten. Ich verzichtete aber auf eine solche Unterkunft, weil ich lieber dahin gehe, wo ich die Menschen in ihrer Ursprünglichkeit kennenlernen kann, und weil ich auch einen Ort wusste, wo man für viel weniger Geld sehr gut wohnte und vortrefflich verpflegt wurde. Das war Firestreet Nr. 15 bei Mutter Thick, in dem von den Seen bis zum mexikanischen Golf und von Boston bis San Franzisco wohl bekannten Boardinghouse; denn dort ging gewiss kein echter Westmann, falls er einmal nach Jefferson City kam, vorüber, ohne einen kürzeren oder längeren Drink zu halten und dabei den Erzählungen zu lauschen, die im Kreise der anwesenden Jäger, Trapper und Squatter die Runde machten. Mutter Thicks Haus war bekannt als ein Ort, wo man auf diese Weise den Wilden Westen kennenlernen konnte, ohne die ‚dark and bloody grounds‘ selbst aufsuchen zu müssen.

Es war Abend, als ich den mir bisher unbekannten Gastraum betrat. Mein Pferd und meine Gewehre hatte ich auf einer flussaufwärts liegenden Farm gelassen, wo Winnetou meine Rückkehr erwarten wollte. Er liebte die Städte nicht und hatte deshalb für einige Tage diesen Aufenthalt auf dem Land genommen. Ich beabsichtigte, in der City verschiedene Einkäufe zu machen. Auch bedurfte mein Anzug, der außerordentlich mitgenommen war, einiger Aufbesserung oder vielmehr, er bedurfte ihrer sehr; besonders die langen Stiefel waren an vielen Stellen höchst ,offenherzig‘ geworden und hatten ihren früheren Gehorsam in einer Weise verloren, dass sie, so oft ich auch die Schäfte herauf bis an den Leib ziehen mochte, doch immer wieder bis auf die Füße hinunterrutschten.

Zugleich wollte ich meinen kurzen Aufenthalt hier in der Stadt dazu benutzen, eine Erkundigung nach Old Surehand einzuholen. Als ich ihn bei unserer Trennung gefragt hatte, ob, wann und wo ich ihn vielleicht wieder sehen könne, war er nicht im Stande gewesen, mir eine bestimmte Antwort zu geben, hatte mir aber gesagt:

„Wenn Ihr einmal zufällig nach Jefferson City, Missouri, kommt, so geht in das Bankgeschäft von Wallace & Co.; dort werdet Ihr erfahren, wo ich mich gerade befinde.“

Nun war ich da und wollte diese Gelegenheit nicht vorübergehen lassen, ohne Wallace & Co. aufzusuchen.

Also es war abends, als ich bei Mutter Thick eintrat. Ich sah einen langen und ziemlich breiten Raum, der von mehreren Lampen hell erleuchtet war. Es standen wohl gegen zwanzig Tische da; die Hälfte davon war besetzt, und zwar von einer sehr gemischten Gesellschaft, die einen dichten Tabakqualm um sich verbreitete. Es gab da einige fein gekleidete Gentlemen – die Papiermanschetten weit aus den Ärmeln hervorstrebend, den Zylinder tief im Nacken und die in glanzledernen Stiefeln steckenden Füße auf dem Tisch; Trapper und Squatter in allen Formen und Farben und in die unbeschreiblichsten Gewandungen gehüllt, farbige Leute vom tiefsten Schwarz bis zum hellsten Graubraun, mit wolligem, lockigem und schlichtem Haar, mit wulstigen und schmalen Lippen, mit gestülpten Negernasen oder solchen von mehr oder weniger kaukasischem Schnitt; Flößer und Schiffsknechte – die Stiefelschäfte hoch heraufgezogen und das blitzende Messer neben dem heimtückischen Revolver im Gürtel; Halbblutindianer nebst anderen Mischlingen von allen möglichen Sorten und Schattierungen.

Dazwischen fegte die wohlbeleibte, ehrbare Mutter Thick umher und sorgte eifrig dafür, dass keinem ihrer Gäste etwas mangelte. Sie kannte alle, nannte jeden beim Namen, warf dem einen freundlichen Blick zu und drohte jenem, der zum Streit aufgelegt zu sein schien, heimlich warnend mit dem Finger. Sie kam auch zu mir, als ich mich gesetzt hatte, und fragte nach meinen Wünschen.

„Kann ich ein Glas Bier bekommen, Mutter Thick?“, fragte ich.

„Yes“, nickte sie, „sehr gutes sogar. Habe es gern, wenn meine Gäste Bier trinken; ist besser und gesünder und auch anständiger als Brandy, der oft tolle Köpfe macht. Seid wahrscheinlich ein Deutscher, Sir?“

„Yes.“

„Dachte es mir, weil Ihr Bier verlangt, Die Deutschen trinken immer Bier, und sie sind klug, dass sie es tun. Ihr wart noch nicht bei mir?“

„Nein, möchte aber heute Eure Gastfreundlichkeit in Anspruch nehmen. Habt Ihr ein gutes Bett?“

„Meine Betten sind alle gut!“

Sie musterte mich mit prüfendem Blick. Mein Gesicht schien ihr besser zu gefallen als mein sonstiges Äußere, denn sie fügte hinzu:

„Scheint lange keine Wäsche gewechselt zu haben; aber Eure Augen sind gut. Wollt Ihr billig boarden?“

Billig boarden heißt, das Bett mit noch anderen teilen.

„Nein“, antwortete ich. „Es würde mir sogar lieb sein, wenn ich nicht im gemeinschaftlichen Saal schlafen müsste, sondern ein eigenes Zimmer haben könnte. Zahlungsfähig bin ich trotz meines schlimmen Anzugs.“

„Glaube das, Sir. Sollt ein Zimmer haben. Und wenn Euch hungern sollte, da ist der Speisezettel.“

Sie gab mir das Papier und ging fort, um das Bier zu holen. Die gute Frau machte den Eindruck einer sehr verständigen, freundlichen und besorgten Hausmutter, deren Glück es ist, Zufriedenheit um sich zu sehen. Auch die Einrichtung der Gaststube heimelte mich an; sie war mehr deutsch als amerikanisch.

Ich hatte an einem leeren Tisch Platz genommen, der in der Nähe einer langen Tafel stand. Diese war vollständig besetzt von Gästen, die eine besonders lebhafte und spannende Unterhaltung führten. Sie erzählten sich abenteuerliche Geschichten aus dem Wilden Westen, die sie teils vom Hörensagen kannten, teils auch selbst erlebt hatten. Manch einer hatte lange und gefährliche Jahre draußen zugebracht und kam wohl nur ganz gelegentlich herein zu Mutter Thick, um dann wieder zurückzukehren zu seinem aufreibenden und doch auch freudvollen Gewerbe. Aus den Reden der Gäste an der langen Tafel entnahm ich bald, wer die Leute waren: ein Trapper, ein Indianeragent, ein Pedlar, ein Fallensteller und mehrere Squatter. Fast jeder von ihnen wusste zu der Unterhaltung aus eigenen Erfahrungen beizutragen. Mancher schilderte Zusammenkünfte und Erlebnisse mit Old Firehand, Old Death, Sans-ear, und mit meinen alten drolligen Freunden Dick Hammerdull und Pitt Holbers; von Old Surehand wurde gleichfalls gesprochen und auch mein Name wurde erwähnt. Einer der Männer berichtete von Kanada-Bill, ein anderer vom Kapitän Kaiman, und zwar war der Erzähler sogar jener Detektiv Treskow, der diesen Seeräuber mit zur Strecke gebracht hatte und dabei mit Winnetou zusammengetroffen war; er wohnte gleichfalls hier im Gasthaus.

Mutter Thick schenkte mir zum zweiten Mal ein und raunte mir dabei vertraulich zu:

„Es ist heute besonders hübsch hier, Sir. Ich habe es immer gern, wenn die Gents solch schöne Geschichten erzählen, denn dann lauscht alles und es ist still und friedlich. Ich meine, das ist viel besser und vornehmer, als wenn sie sich miteinander zanken und balgen und mir dabei die Tische und Stühle zerschlagen und die Becher und Gläser zerbrechen.“

Einige Stunden waren so mit Erzählen und Zuhören vergangen, da kamen neue Gäste. Es waren sechs Personen, die lärmend eintraten und mehr Spiritus genossen zu haben schienen, als ihnen zuträglich war. Sie sahen sich nach Plätzen um, und obgleich genug andere leer waren, zogen sie es vor, sich an meinen Tisch zu setzen.

Am liebsten wäre ich aufgestanden, das hätten sie aber gewiss als eine Beleidigung betrachtet; und da ich keine Veranlassung zu rohen Streitigkeiten geben wollte, so blieb ich sitzen. Sie verlangten Brandy und bekamen welchen, doch wurden sie von Mutter Thick in einer Weise bedient, die erkennen ließ, dass sie diese Leute lieber gehen als kommen sah.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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