Oma Hedi und Onkel Fredi - Betina Alexandra Lavender - E-Book

Oma Hedi und Onkel Fredi E-Book

Betina Alexandra Lavender

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Beschreibung

Anna ist nach dem Verschwinden ihrer Mutter allein bei ihrem Vater aufgewachsen. Doch sicherlich nicht völlig allein: Ein ganzes Netz an Verwandten hat sich mit wechselndem Erfolg um die kleine Anna gekümmert. Als junges Mädchen erbte sie ein kleines Vermögen von ihrer Uroma und möchte sich nun, kurz nach der Wende, damit ihren Traum von einem Buchladen in Ostberlin erfüllen. Ihre ersten Schritte in die Selbstständigkeit und in ein eigenes Leben werden zur Herausforderung, weil die weitläufige Familie mit ihren Festen, Aktivitäten und diversen Notfällen stets präsent bleibt. Ein charmantes und skurriles Familien- und Berlin-Porträt, das auch familiäre Abgründe nicht scheut.

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Seitenzahl: 488

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Impressum

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie­.

Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://www.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte der Verbreitung, auch durch Film, Funk und Fern­sehen, fotomechanische Wiedergabe, Tonträger, elektronische Datenträger und ­auszugsweisen Nachdruck, sind vorbehalten.

© 2025 novum publishing gmbh

Rathausgasse 73, A-7311 Neckenmarkt

[email protected]

ISBN Printausgabe: 978-3-99130-647-4

ISBN e-book: 978-3-99130-648-1

Lektorat: Falk-M. Elbers

Umschlagfoto: Maya Kruchankova | Dreamstime.com

Umschlaggestaltung, Layout & Satz: novum publishing gmbh

www.novumverlag.com

Vorwort

„Oh Bär“, sagte der Tiger, „ist das Leben nicht unheimlich schön, sag!“ „Ja“, sagte der kleine Bär, „ganz unheimlich und schön.“

Janosch. Post für den Tiger

Widmung

Für meine Großeltern

1

Erschrocken sah Anna auf die Uhr. „Oh nein, verdammt, es ist ja schon halb sieben, jetzt komme ich auch noch zu spät.“ Sie ließ die Bücherkiste stehen, die sie gerade auspackte, griff hektisch nach Schlüssel und Handtasche und verließ im Laufschritt das Haus. An ihrem grasgrünen VW Käfer angekommen, riss sie die Tür auf, überschlug, wie lange sie wohl im Feierabendverkehr brauchen würde. Normalerweise dauerte die Fahrt vom Prenzlauer Berg bis Dahlem etwa vierzig Minuten, aber das würde heute nicht zu schaffen sein und auf des Onkels Rangliste der Rücksichtslosigkeit, familienintern nur RR genannt, stand Unpünktlichkeit auf einem der oberen Ränge.

Sie reihte sich in den dichten Verkehr ein. Seit achtzehn Monaten war Berlin nun wieder eine Stadt, jedoch gehörten Infrastruktur und Massentourismus zu den großen Herausforderungen, insbesondere wenn man wie sie im Ostteil der Stadt lebte, die Familie jedoch im Westteil. „Oh Mann, fahr doch“, schimpfte sie lauthals, als sie an der langen Warteschlange vor dem Tacheles vorbeifuhr. „Halt doch keine Maulaffen feil!“

Knapp eine Stunde später klingelte sie an der Pforte im noblen Villengebiet, das Tor öffnete sich langsam und die Tante tönte aus der Sprechanlage: „Wir sind mit Heinrich im Schlafzimmer.“ „Auch das noch“, murmelte Anna denn sie wusste, was jetzt auf sie zukam. Sie parkte, schlenderte durch den Park, öffnete missmutig die Tür, durchquerte die untere Halle und schlich die breite Wendeltreppe nach oben. Im Schlafzimmer saßen wie vermutet Onkel und Tante nackt auf dem Sofa, beide einen Aschenbecher vor sich auf dem Tisch, die Champagnerflasche schien bereits leer zu sein. „Hallo Onkel Rainer, hallo Tante Lore, hallo Heinrich“, sie küsste Onkel und Tante auf den Mund (der Onkel legte Wert darauf) und winkte dem Papagei zu. „Du bist spät dran, Anna. Wir haben den Champagner schon geöffnet und ein paar Spargelröllchen gegessen. Wenn du etwas möchtest, musst du es dir in der Küche holen“, sagte der Onkel streng. „Es tut mir leid, ich hatte beim Bücherauspacken die Zeit vergessen und dann war so viel Verkehr.“ „Was macht denn dein Geschäft, Kind? Kommst du voran?“ Interessiert beugte sich die Tante vor und Anna versuchte, nicht auf ihre riesigen Brüste zu sehen. „Ja, das besprechen wir gleich noch. Jetzt geh erstmal in die Küche und hol uns einen Sekt und bring mir noch eine Packung Juno mit.“ Der Onkel klang gereizt. Schnell machte sich Anna auf den Weg, holte einige Spargelröllchen aus dem Kühlschrank, öffnete den Champagner und nahm eine Packung Zigaretten aus dem Schrank.

Die Tante war eine miserable Köchin, aber zwei Stangen Dosenspargel in eine mit Mayonnaise getränkte Scheibe gekochten Schinken zu rollen, das bekam sogar sie hin. Anna setzte sich mit ihrem Teller gegenüber von Onkel und Tante in den Ohrensessel und biss herzhaft in ein Röllchen. „Kau nicht so laut, Anna“, merkte der Onkel sogleich an und goss den Champagner ein. „Außerdem will ich gar nicht über diese Schnapsidee von dir reden. Einen Buchladen eröffnen! Mit Mittagstisch! Und das dann auch noch im Osten! Wer liest denn da? Das ist ein Arbeiter- und Bauernstaat, da wird nicht gelesen!“ „Ach, Onkel Rainer, genau da wird gelesen. Die Leute haben einen riesigen Nachholbedarf, du wirst schon sehen. Und außerdem warst du seit dem Mauerfall nicht einmal im Osten. Du weißt ja gar nicht, was bei uns los ist.“ Anna nahm all ihren Mut zusammen. „Zu den Kommunisten kriegen mich keine zehn Pferde, das kannst du glauben, junges Fräulein.“ Der Onkel hasste Widerspruch. „Außerdem ist mir weiterhin völlig unklar, warum du mein Angebot mit der Apotheke nicht angenommen hast. Du hättest Pharmazie studieren können, ich hätte dir eine Apotheke gekauft und du wärest schön versorgt gewesen.“ „Aber Pharmazie interessiert mich nicht“, murmelte Anna trotzig.

Tatsächlich hatte sie vor einigen Jahren von ihrer Uroma die für sie unglaubliche Summe von einhundertvierzigtausend D-Mark geerbt. „Für die Erfüllung deiner Träume“ hatte Tante Ella in ihrem Testament geschrieben und genau daran arbeitete sie jetzt: Ihr Traum war seit ihrer Kindheit ein eigener Buchladen gewesen. Seit der Öffnung der Mauer war sie monatelang auf der Suche nach dem perfekten Ort und hatte ihn schließlich in der Kopenhagener Straße im Prenzlauer Berg gefunden: Ein kleines, schmales Haus mit einem eingerichteten Café, das zwei älteren Damen gehörte. Die kleine Wohnung befand sich direkt über dem Café, das Anna gerade renovierte: Ein Großteil der Möbel hatte seine besten Zeiten hinter sich und musste raus, die Tapete stammte vermutlich noch aus den vierziger Jahren, doch sie hatte mithilfe ihres besten Freundes Martin den Raum bereits in ein helles, freundliches Ladenlokal verwandelt. Am nächsten Wochenende würden sie die Regale aufbauen, die Bücher konnten eingeräumt werden und dann würde die kleine Küche geliefert.

Am Anfang wollte Anna jeweils ein Tagesessen servieren. Man konnte dann schmökern und ein bisschen essen, hoffentlich interessante Gespräche führen und spannende Leute kennenlernen. Und diese dämliche Apotheke wollte der Onkel ihr schon seit ihrer Grundschulzeit aufdrängen.

„Was ist, träumst du mit offenen Augen? Ich habe dich soeben etwas gefragt?!“ Der Onkel schon wieder. „Entschuldigung, ich hatte gerade nicht zugehört. Was möchtest du wissen?“ „Ich wollte mal wissen, wie ihr meinen morgigen sechzigsten Geburtstag geplant habt. Wann fangt ihr mit dem Aufbau an? Ich fahre zeitig zum Bahnhof Zoo, Filomena kommt mit dem Zug um zehn direkt aus Warschau.“ „Ach, die auch schon wieder.“ Die Tante lallte leicht. Der Onkel erwiderte scharf: „Willst du etwas sagen, Lore?“

In dem Moment wurde die Tür schwungvoll geöffnet und mit wehenden Locken wirbelte Hendrick herein, des Onkels Sohn aus erster Ehe und so etwas wie Cousin, Freund, Beschützer für Anna. „Guten Abend, liebe Familie.“ Er grinste ironisch. „Na, Spargelprofessor, wie ist die Lage im Hause Grünbrunn? Alles frisch?“ „Er ist wirklich der Einzige, der so mit dem Onkel spricht“, dachte Anna bewundernd. „Guten Abend, Sohn. Gut, dass du da bist. Die Lage ist leider, wie sie ist, da muss man nichts beschönigen: Morgen wird das Haus ab Mittag voll sein, Kollegen, Freunde und natürlich Lores Familie. Wie gerne hätte ich meine Ruhe, aber man hat schließlich Verpflichtungen.“ Er lächelte säuerlich. „Wir werden dir sicherlich einen unvergesslichen Tag bereiten.“ Hendrick lachte. „Genau das befürchte ich.“ Der Onkel wirkte verärgert. „Aber wir fangen um acht mit dem Aufbau an. Annas Papa und Manne kommen, da kann nichts schiefgehen.“ „Ja, und ich mache uns einen Kringel Fleischwurst zum Frühstück mit Senf und Brot.“ Die Tante klang undeutlich. „Gut, dass ich weg bin“, sagte der Onkel entsetzt. Daraufhin begann die Tante eine Art Lied zu nuscheln: „Rainer, mein Kleiner, mein kleiner, feiner Rainer …“ Und sie legte ihre schwere Hand auf seinen faltigen Penis. „Lass das, Lore!“, zischte der Onkel und Anna sah Hendrick aus den Augenwinkeln an. „Ja ihr Lieben, wir gehen dann mal rüber zu Mamachen und schauen, was sie noch so macht. Lasst es euch gut gehen! Komm, Anna.“

Auf dem Weg zur Tür hörten sie die Tante wieder leise summen „Rainer mein Kleiner …“ und der Onkel atmete hörbar aus. Sie liefen die Treppe hinunter und keuchten vor Lachen. „Die sind ja wieder der absolute Brüller“, gluckste Anna. „Voll in Form. Aber so langsam geht mir das FKK-Programm auf den Keks. Schöner werden die ja auch nicht. Und ich frage mich, warum Lore immer dieses Lied singt?!“ Hendrick schüttelte den Kopf. „Sie muss doch wissen, dass der Alte irgendwann ausflippt.“ „Ja, das ist wahrscheinlich ihre Art, sich zu wehren. Es kann nicht so toll sein, in der Öffentlichkeit regelmäßig vorgeführt zu werden, wenn dein Vater mit allen möglichen Frauen rummacht.“ Anna war plötzlich ganz still. „Das stimmt, da hast du Recht, entschuldige bitte. Oha, der kleine Rainer wird wahrscheinlich das ganze Wochenende in Betrieb sein, bei all den Frauen hier im Haus.“ Hendrick grinste. „Hey, das ist einfach widerlich und dann ruft sie nachts meinen Papa an, der kommt hierhin und dann geht das ganze Theater wieder von vorne los.“ Anna schüttelte sich. „Lass uns jetzt zu deiner Omi gehen, da ist wenigstens Ruhe und Frieden.“

Mamachen wohnte in einem kleinen Anbau neben der Villa. Sie klopften und fanden die alte Dame zurechtgemacht im adretten Chanel-Kostüm, mit makelloser Perücke und einer Handtasche auf den Beinen vor dem Fernseher. „Hallo Oma, hallo Tante Ruth, wie geht es dir?“ Anna und Hendrick traten ein. Sofort erhob sich die alte Dame aus ihrem Sessel. „Guten Abend, Sie holen mich wahrscheinlich für die Veranstaltung ab, richtig? Ich freue mich seit Tagen auf das Kasino.“ „Sie ist wieder durcheinander, ich übernehme mal“, murmelte Hendrick leise. „Guten Abend, Oma. Ich bin Hendrick, dein Enkel und hier ist Anna, deine Großnichte oder so ähnlich. Wir wollten dich besuchen, um zu fragen, wie es dir geht.“ Erwartungsvoll sah er auf die kleine Dame herab. „Ach so, Sie sind also mein Enkel? Sind wir verwandt? Und die junge Frau auch?“ „Ja, Oma, wir sind alle irgendwie miteinander verwandt.“ „Aber wer bringt mich denn nun ins Kasino?“ „Das machen wir später, wir können ja erst noch ein wenig plaudern. Vielleicht hast du auch noch etwas zu trinken da?“ Die alte Frau strahlte. „Tatsächlich habe ich irgendwann neulich einen Früchtekuchen gebacken und dazu nehmen wir ein Gläschen Grand Marnier. Was halten Sie davon?“ „Das klingt sehr schön. Darf ich helfen?“ „Bitte folgen Sie mir.“ Und Anna ging mit Mamachen in die Küche.

Nach mehreren Stücken Früchtekuchen und einigen Gläsern Grand Marnier gähnte Ruth mehrfach. „Wenn es Ihnen nichts ausmacht, gehe ich nun zu Bett, aber vorher habe ich noch eine Bitte an Sie: In letzter Zeit kommt jeden Tag eine große, dicke Frau mit einem Herrenhaarschnitt. Sie spricht sehr laut und macht mich furchtbar nervös, außerdem trägt sie entsetzliche Kleider und ist immer schlecht gelaunt. Ich mag sie nicht. Könnten Sie bitte veranlassen, dass sie nicht mehr kommt? Sie ist ganz und gar nicht nach meinem Geschmack.“ Ernst verneigte sich Hendrick. „Ich werde mit der Dame reden und gebe mein Bestes.“ „Ich danke Ihnen, mein Herr.“ Und mit zierlichen Schritten begab sich Ruth zum Schlafzimmer. „Du lieber Himmel, Anna, das ist ja wie auf Bonnies Ranch hier.“ Hendrick verdrehte die Augen. „Jetzt lass uns noch eine Pulle Schampus besorgen und eine im Garten rauchen. Hier wird man bekloppt.“ „Gute Idee, du holst den Sekt und ich warte vorne auf dem Rasen.“

Als Hendrick zurückkam, hörte sie ihn schon von weitem kichern: „Herrlich, unser Spargelprofessor hat schon wieder ein Spargelexperiment gestartet und es klappt natürlich nicht, ich sehe das schon, vollkommen sinnlos.“ Tatsächlich versuchte der Onkel seit Jahren hartnäckig, Spargel anzubauen – bislang ohne jegliche Erfolgsaussicht. „So Annalein, lass mal hören: Wie läuft’s?“ „Ich bin sehr zufrieden, komme gut voran und ich denke, dass ich am ersten August eröffnen kann. Macht irre viel Spaß. Und bei dir?“ Sie sprachen über dies und das, teilten sich den Sekt und bliesen Rauchringe in die Nacht.

„Anna, wer kommt eigentlich morgen alles? Ich hab ehrlich gesagt gar keine Ahnung, was abläuft. Erzähl mal bitte kurz.“ „Naja, wir fangen um vierzehn Uhr an, bis dahin sollten alle da sein. Zuerst gibt es eine kleine Ansprache vom Onkel, dann von den Kollegen an der Uni, dann von denen am Gericht und danach Champagner, Kanapees, klassische Musik. Um achtzehn Uhr wird das Buffett eröffnet, ab zwanzig Uhr spielt eine Band hier im Park und um dreiundzwanzig Uhr haben wir ein Feuerwerk geplant. Morgen um sieben kommen die Zeltbauer, sie bauen auch die Tische auf. Um acht kommt mein Papa mit Manfred und ihr müsst euch dann um die Lieferungen kümmern, die Getränke verstauen. Um das Essen kümmere ich mich. Ja, es wird ein langer Tag.“ „Das kriegen wir schon hin. Aber wer kommt denn alles aus deiner Familie?“ „Oh je, ich fürchte alle, also: Oma Hedi und Onkel Fredi, Oma Lotte, die Ostberliner, Onkel Werner und Tante Sigrid …“ „Ach wie klasse, und das in der Kombination mit Vattis verschiedenen Weibern.“ Hendrick schüttelte den Kopf. „Ja, und was ist mit deiner Schwester, kommt Maike auch?“ „Oh, das ist der Knaller, Anna: Sie kommt und sie ist seit letzter Woche verheiratet. Mit einem Mann aus Ghana. Sie hat ihn an der Humboldt Universität kennengelernt, wo er studiert, und sie haben sich ineinander verliebt und spontan beschlossen zu heiraten.“ Anna sah ihn erschrocken an. „Das weiß der Onkel aber nicht, oder?“ „Nein, das soll eine Überraschung sein für den lieben Professor. Joe, also ihr Mann, ist natürlich schwarz.“

Beide lachten lange und ausgiebig. „Das gönne ich dem alten Rassisten, nach allem, wie er sich seit Jahren benimmt. Und das an seinem Sechzigsten. Perfekt.“ Anna legte sich auf die Wiese und sah in den Sternenhimmel. „Du hast eben deine Tante Sigrid und den Onkel Werner erwähnt. Darf ich dich bitten, mir noch ein einziges Mal die Geschichte von dem Nachmittag zu erzählen, als du bei Onkel Werner warst?“ „Ach Hendrick, das habe ich dir doch schon so oft erzählt.“ „Och bitte, das ist meine Lieblingsgeschichte, bitte.“

Anna seufzte. „Na gut. Also: Ich war gerade sechs geworden, meine Mutter war wenige Wochen zuvor verschwunden und mein Papa musste viel arbeiten. An einem Nachmittag sollte ich also zu Onkel Werner und Tante Sigrid in den Wedding fahren. Tante Lore brachte mich hin, weil sie selbst einen Arzttermin hatte. Als wir ankamen, stellte sich heraus, dass Tante Sigrid doch arbeiten musste und ich bei Onkel Werner bleiben würde. Tante Lore schien das nicht so recht zu sein, aber sie hatte keine andere Wahl und ließ mich dort. Ich kannte Onkel Werner nicht besonders gut, denn er und Papa hatten immer Probleme miteinander, aber jetzt wirkte er sehr nett und versprach mir ein Abenteuer. Als ich mein Butterbrot gegessen und meine Milch getrunken hatte, sagte er geheimnisvoll, dass wir nun in den Keller gehen würden. Ich hatte ein bisschen Angst, aber er schien sich sehr zu freuen. Wir gingen also eine lange Treppe hinab und kamen in einen hell erleuchteten Raum voller Puppen, also solcher Schaufensterpuppen. Jede dieser Puppen trug entweder eine braune oder eine graue Uniform mit roten oder schwarzen Binden am Arm. Alle trugen eine Mütze. Onkel Werner ging zu einer Puppe mit einem komischen Schnurrbart, knallte die Hacken zusammen, riss die Hand unnatürlich hoch und schrie ganz laut: ‚Heil Hitler, Sieg Heil!‘ Dann drehte er sich um und sagte, ich solle das nun auch tun. Also ging ich zu dem Schnurrbartmann, riss den Arm hoch, knallte mit den Hacken und schrie auch das Zeug. Der Onkel wirkte zufrieden und stellte mir die anderen Puppen vor. Jede hatten einen Namen, eine hieß Göring, eine Goebbels, eine Himmler und Onkel Werner erklärte mir, welche er am meisten mochte und warum. Danach stellte er ein Tonband an und sang mit erhobenem Arm mit: ‚Die Fahne hoch, die Reihen fest geschlossen! SA marschiert …‘ Heute weiß ich natürlich, dass es das Horst-Wessel-Lied war. Die Stimme des Onkels überschlug sich vor Begeisterung und er schrie: ‚Du kannst immer wiederkommen und wir spielen Führerbunker. Aber jetzt kommt das Beste!‘ Er startete ein kleines Kino, es waren Soldaten zu sehen, der Mann mit dem Schnurrbart, ein kleines hässliches Männlein an einem Sprechpult inmitten einer riesigen Versammlung. ‚Das war hier in Berlin, das ist die historische Sportpalastrede.‘ Der Onkel war außer Rand und Band. Inzwischen hatte er sich eine Flasche Bier geöffnet und skandierte die ganze Zeit irgendwas mit Sieg und Heil und mein Führer. Mir wurde langsam langweilig und ich freute mich, als es an der Tür klingelte. Ich rannte die Treppe hoch, Onkel Werner folgte schwitzend. ‚Hallo Papi, da bist du ja.‘ Er nahm mich in die Arme: ‚Ja, ich bin ein bisschen schneller fertig geworden und dachte, ich hole dich ab. Wo ist denn Tante Sigrid?‘ ‚Die musste doch arbeiten. Ich war bei Onkel Werner.‘ Mein Vater sah misstrauisch aus. ‚Wo ist der denn jetzt?‘ ‚Ich weiß nicht, eben waren wir noch im Keller.‘ Mein Vater sah mich lange an: ‚Ist alles in Ordnung?‘ ‚Ja, mir war nur am Schluss ein bisschen langweilig. Können wir jetzt nach Hause?‘ ‚Gut, dann fahren wir mal, wenn Werner nicht auftaucht.‘ Wir stiegen ins Auto, ich saß auf dem Rücksitz und als wir losfuhren, fragte mein Vater mich, was ich denn gespielt hätte. ‚Oh, wir haben Führerbunker gespielt und Onkel Werner hat gesagt, ich darf jetzt immer kommen und das mit ihm spielen. Ich habe verschiedene Männer getroffen, also als Puppen, und die hießen Göring oder so und Onkel Werner hat mir gesagt, warum er sie mag, und dann haben wir noch Lieder gesungen und Filme geguckt.‘ Mein Vater bremste abrupt, das Fahrzeug kam mit quietschenden Reifen zum Stehen, er sah grau aus. ‚Ihr habt WAS gespielt?‘ ‚Hab ich doch gesagt, Führerbunker.‘ Nun wurde Papa knallrot im Gesicht, er wendete das Auto und wir fuhren mit einem Affenzahn zurück. ‚Du bleibst jetzt hier, ich muss was klären. ABER DU BLEIBST HIER!‘ Nach einiger Zeit und lautem Geschrei im Haus kam Papa wieder raus und wirkte sichtlich erregt, schlug auf das Lenkrad und raste wieder los. ‚Papa, habe ich was falsch gemacht?‘, fragte ich vorsichtig vom Rücksitz. Nach einer langen Pause sagte er gepresst: ‚Nein, du hast überhaupt nichts falsch gemacht. Dein Onkel war in Hitlers letztem Aufgebot im Krieg, da war er erst fünfzehn und war wohl einige Tage verschüttet. Das hat ihn den Rest Hirn gekostet, viel wird auch vorher nicht dagewesen sein.‘ Ich hatte nicht alles verstanden, aber weil Papa so grimmig aussah, fragte ich nicht nach, doch er hatte noch etwas zu sagen: ‚Ab jetzt werden wir uns mit der jüngeren deutschen Geschichte beschäftigen und ich werde dir alles erklären. Es ist an der Zeit.‘ Naja, und das tat er dann auch.“

Hendrick hatte die ganze Zeit gelacht und wirkte sehr heiter. „Dass gerade deinem Papa so ein Schwager geschenkt werden würde, ist eine Perfidie des Himmels. Oder zwei Schwager des Grauens.“ Er lachte wieder. „Aber ehrlich, ich verstehe nicht, warum sich Lore so gehen lässt. Mamachen hat schon ein bisschen Recht, Lore sieht wirklich grauenhaft aus und dabei war sie früher so hübsch.“ „Ich weiß, es ist ihr völlig egal, wie sie auf andere wirkt, aber das Schlimmste ist, dass sie sich irgendwie aufgegeben hat. Hoffentlich sieht sie morgen einigermaßen präsentabel aus. Ich werde mal versuchen, sie zu etwas Make-up zu überreden. Aber jetzt gehe ich ins Bett, morgen wird anstrengend und ich habe den ganzen Tag gearbeitet.“ „Schlaf gut, Kleines, ich rauche noch eine und träume dann auch schön.“

2

Am nächsten Morgen hörte Anna schon früh das Stapfen schwerer Schritte, die Tante stöhnte vernehmlich, als sie am Zimmer vorbeiging. Das war das Zeichen zum Aufstehen; Anna linste auf den Wecker, es war erst sechs und das Haus noch ganz still. Aber sie kannte die Tante, die wahrscheinlich voller Nervosität und Versagensängsten durch das Haus tigerte und jemanden brauchte, den sie anmotzen konnte. Naja, das bin dann also schon wieder ich.

Anna wollte nur diesen Tag einigermaßen zivilisiert hinter sich bringen und beschloss, schon einmal einen Kaffee mit der Tante zu trinken. Auf dem Weg zur Küche roch sie bereits die gekochte Fleischwurst und ein kurzer Ekel überfiel sie. Die Tante stand im Blaumann in der Küche und sprach mit sich selbst. „Wie soll das alles nur werden, wie soll ich den Tag überstehen, all diese Weiber und dann noch Mama und Erich und Sigrid …“„Guten Morgen, Tante Lore.“ Anna küsste die Tante und umarmte sie. „Ach Anna, du bist ja schon wach, das ist aber schön. Wollen wir einen Kaffee trinken?“ „Gerne, und dann können wir alles noch mal besprechen wegen heute.“ „Gut, Kind. Setz dich an den Tisch, ich hole uns einen Kaffee. Magst du auch einen Toast?“ „Das wäre super. Hast du noch von deiner tollen Kirschmarmelade?“ Anna achtete darauf, dass die Tante sich beruhigte und einige Minuten des Friedens hatte. Aber sie sah wirklich entsetzlich aus: Vor einigen Jahren hatte sie sich die Zähne überkronen lassen und irgendwie zog sich nun das Zahnfleisch zurück und man sah an jedem Zahn schwarze Ränder. Wenn sie lachte, dachte man automatisch an Tod. Und ihre Haut. Sie war zwar erst fünfundvierzig, aber Jahre des Rauchens, des extensiven Alkoholkonsums und ohne sichtbare Pflege hatten sie um Jahre altern lassen. Die Haare schnitt sie sich selbst und das frühere Hellblond war zu einem Straßenköterbraun geworden. Anna seufzte, denn sie liebte die Tante, die ihr in ihren einsamen Jahren ans Herz gewachsen war.

Als sie zusammen am Tisch saßen und Anna ihre Toasts gegessen hatte, fragte sie: „Was ziehst du heute eigentlich an?“ Lore sah sie ratlos an. „Keine Ahnung, darüber habe ich noch nicht nachgedacht. Es ist ja so viel zu tun.“ „Aber Tante Lore, heute ist ein wichtiger Tag und du musst dich ein bisschen zurechtmachen. Denk mal an die ganzen Gäste.“ Anna schüttelte den Kopf. „Ja, aber es hat doch keinen Sinn, das weißt du. Ich komme gegen die ganzen Weiber sowieso nicht an: Filomena, Inge, Erna, die süße Nicole …“ Kraftlos ließ Lore die Kaffeetasse sinken. „Du bist hier die Hausherrin, Tante Lore, du bist mit dem Onkel verheiratet und nicht die ganzen anderen Weiber.“ Anna sah sie ernst an. „Bitte lass uns mal schauen, was du anziehen kannst, und dann mache ich dir später die Haare und das Make-up. Wie früher. Weißt du noch?“ Lore lächelte. „Natürlich weiß ich das noch. Damals gingen wir noch regelmäßig in die Oper, aber inzwischen schämt sich dein Onkel für mich.“ „Wir machen dich später schön, das wird ganz prima. Und jetzt müssen wir das Tor öffnen, denn die Zeltbauer kommen bald, Papa und Manne auch. Und wollten nicht eure Nachbarn von gegenüber helfen?“

Nur wenig später wimmelte der Garten von Menschen: Zeltbauer eilten geschäftig hin und her, der Catering-Service des KaDeWe erschien mit mehreren Transportern, die Band brachte Instrumente, Getränke wurden geliefert und mittendrin stand die Tante und bellte Befehle: Je mehr sie sich unter Druck gesetzt fühlte, desto weniger war mit ihr gut Kirschen essen. Anna half, wo sie konnte, und schließlich hörte sie ein lautes Hupen: Manne steuerte seinen übertriebenen Benz auf den Parkplatz und stieg mit ihrem Papa aus. Er sieht viel besser aus als beim letzten Mal, viel glücklicher und gesünder, dachte Anna voller Freude. Vielleicht hat er endlichjemanden kennengelernt. Sie lief auf die beiden Männer zu.

Erich war mit seinen zweiundvierzig Jahren ein großer, attraktiver Mann. Er trug sein braunes Haar kurz und war von schlanker Gestalt. Manfred hingegen war nur drei Jahre älter, aber Gesicht und Körper gaben seine Geschichte preis: Ex-Knacki, ehemaliger Flüchtlingshelfer aus dem Osten, siebenfacher Vater, Herumtreiber und vieles mehr hatten Spuren hinterlassen. Der Onkel hatte ihn vor vielen Jahren aus dem berüchtigten Gefängnis in Bautzen freigekauft und dafür war ihm Manne dankbar bis an sein Lebensende. Inzwischen gehörte er zur Familie. Anna schmiegte sich in die Arme des Vaters und Manne rief: „Ick gloob det nich, unsere kleene Anna is ja ein Sahnehäubchen geworden. Wie schnieke du bist, Kleene. Komm, gib dem ollen Manne nen Schmatzer.“ Anna umarmte auch ihn und leise fragte Erich: „Wie ist denn die Stimmung im Krisengebiet? Geht’s noch einigermaßen?“ „Jotte doch, ick hab Lore jesehn, wie sieht die denn wieder aus?!“ Manne verdrehte die Augen. „Ja, ihr müsst kommen, die Tante ist verrückt und Onkel Rainer habe ich heute noch gar nicht gesehen.“ „Na, denn wolln wir mal. Wird kein Spaziergang heute. Erichen, haste die Flachmänner dabei?“ „Oh, wartet kurz, die Nachbarin kommt mit ihrem Sohn. Bin gleich wieder da.“

Evelyn Knolls, eine reizende Siebzigjährige, erschien mit ihrem Sohn Jens, der mit über vierzig noch zuhause lebte. Kürzlich hatte Anna ihn in Martins Kneipe beim heftigen Knutschen mit Albert gesehen, woraufhin er fast auf die Knie gefallen war, um sie zu bitten, ihn nicht zu verraten. Warum sollte sie? Westberlin war ein Dorf und es war ihr klar, dass er im Osten endlich eine Möglichkeit gefunden hatte, nach seiner Fassonselig zu werden. Auch jetzt sah er sie vollkommen verunsichert an, doch sie nickte ihm unmerklich zu und flüsterte ein „Okay“. Inzwischen machten sich nun alle auf den Weg zu der bellenden Tante. Manne und Erich kicherten wie Schulbuben und stießen einander in die Seite. Lore sah auf. „Ach, da seid ihr ja, guten Morgen, das wurde ja auch Zeit. Jetzt frühstücken wir erstmal.“ Im Gänsemarsch führte sie alle in die Küche. „Jetzt gibt’s ein Bier, Fleischwurst, Senf und Brot. Anna, hilf mir mal.“

Als sie schmausend am Tisch saßen, öffnete sich die Tür und das Geburtstagskind erschien: Im dunklen Anzug mit perfektem Einstecktuch und offenem Hemd, glattrasiert und nach Chanel Eau de Toilette duftend, die vollen schwarzen Haare zurückgestrichen, die Hände manikürt, blieb er einen Augenblick vor den Essenden stehen, sonnte sich in ihrer Bewunderung und spreizte sein Federkleid wie ein Pfau. Die Tante stand auf. „Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag, mein lieber Rainer.“ Und sie küsste ihn. Erschrocken zuckte er zurück, ihr Fleischwurstatem verursachte ihm Übelkeit.

Beklommen sah die kleine Gesellschaft zu: Die Diskrepanz zwischen der hässlichen dicken Tante im Blaumann und diesem distinguierten, eleganten Herrn hätte größer nicht sein können. Beschämt wandten sie die Gesichter ab und traten langsam zum Onkel, um ihm ebenfalls zu gratulieren. „Gut, dass ihr helft. Wo ist denn Hendrick?“ Auf die Idee eines Dankeschöns kam der Onkel gar nicht. „Guten Morgen, Spargeltarzan, ich bin hier. Toll, dass du dich so herzlich bei allen bedankt hast.“ Verwuschelt stand Hendrick in der Tür und blinzelte die kleine Gruppe an. „Ah, ein Bierchen nehme ich auch gerne und dann geht’s los. Aber keine Wurst für mich, Lore, danke sehr.“ „Ich fahre jetzt zum Bahnhof Zoo und hole Filomena ab.“ „Das war uns bereits bekannt“, maulte die Tante. „Lore?! Möchtest du noch etwas diskutieren?“ „So, wir haben ja jetzt viel zu tun. Gute Fahrt, Rainer, bis später.“ Hastig sprang Erich ein und alle setzten sich wieder an den Tisch. „Au revoir!“ Der Onkel verabschiedete sich und schritt würdevoll durch die Tür.

Inzwischen war es zwölf Uhr und die Arbeiten waren abgeschlossen. Der Park war wunderschön geschmückt, fünfunddreißig kleine, runde Zelte verteilten sich über die Grasfläche, eine Bühne war aufgebaut worden und zwei lange Buffets warteten nur auf die herrlichen Speisen, die in einem Verpflegungszelt aufbewahrt wurden. Anna betrachtete mit Hendrick zufrieden ihr Werk, als sie aus den Augenwinkeln Mamachen wahrnahm. „Hendrick, deine Omi ist wieder auf Beutefang. Kannst du dich bitte darum kümmern, dass sie nicht wieder die Silberlöffel klaut? Ich muss die Tante schminken.“

Unglücklicherweise hatte Ruth seit vielen Jahren die Eigenart entwickelt, Silberbesteck zu stehlen und am Ende jeder Party die Alkoholreste zu verwerten. Meistens schlief sie dann blau auf irgendeinem Sofa ein und man konnte ihr die Handtasche mit dem Besteck wieder abnehmen, aber manchmal vergrub sie die Beute irgendwo im weitläufigen Park und dann waren die Erfolgsaussichten gering.

„Ich kümmere mich, Anna. Viel Spaß mit Lore, ich trink noch einen mit Erich und Manne und wasch mich dann auch mal. Wo bleibt eigentlich der Vatter so lange?“ „Das kannst du dir wohl denken, oder? Musste wohl den kleinen Rainer gleich in Betrieb nehmen … zum Kotzen, das alte Schwein.“ Anna sah böse aus. „Geh mal hoch zur Tante und mach dich schön, wir sehen uns bei der Drama-Parade.“

Als Anna die Treppe heraufkam, sah sie die Tante in einer seltsamen Haltung auf dem Stuhl sitzen. Sie wirkte irgendwie verkrampft und vollkommen abwesend. „Hallo, Tante Lore, ist alles okay bei dir? Jetzt machen wir dich schön. Freust du dich?“ Wie aus einer Trance schien Lore aufzuwachen. „Du bist es ja, Anna. Was machen wir jetzt, was hast du gesagt?“ Beunruhigt sah Anna sie an. „Was ist mit dir? Warum bist du so durcheinander? Du wolltest doch längst geduscht haben und dann machen wir dein Make-up.“ „Ah, ja, klar, entschuldige bitte. Ich gehe sofort ins Bad und du kannst ja schonmal in meinem Kleiderschrank schauen, ob es etwas Schönes gibt.“

Tatsächlich glich der Kleiderschrank dem Sündenfall: Hier waren Jahrzehnte C&A-Sales versammelt, Braun und Grau dominierten, alles wirkte billig und abgetragen. „Das gibt es doch nicht, sie muss noch die Kleider für die Oper haben, sie wirft doch nie etwas weg“, murmelte Anna und machte sich weiter auf die Suche. Ah hier! Ganz hinten fand sie die eleganten Modelle in Schutzhüllen und suchte ein unglaublich feines Modell aus schwarzer Seide mit einem raffinierten Strassausschnitt aus. Wie wunderschön es war! Und sie erinnerte sich dunkel an einen Geburtstag, an dem Lore es getragen hatte. Allerdings hatte sie seither mindestens fünfzehn Kilo zugenommen, aber das Kleid war leger geschnitten. So give it a try, dachte Anna. Als sie schließlich passable Unterwäsche und einigermaßen feine Schuhe gefunden hatte, erschien die Tante. „Ich war noch nicht im Bad, Mamachen stiehlt schon wieder. Was hast du denn da für ein Kleid? Das kann ich unmöglich anziehen, das passt mir nicht mehr und außerdem ist es unbequem. Ich will lieber eine Hose tragen.“ „Weißt du was, ich platze gleich. Wir helfen dir alle, jeder ist da und du bist der personifizierte Widerstand. Ich hab die Nase voll. Entweder wir versuchen das jetzt oder du wirst wie eine hässliche fette Ente enden und alle lachen sich tot über dich.“ „Nun sei du doch nicht auch noch böse auf mich.“ Die Tante weinte beinahe und Anna schämte sich sehr. „Entschuldige bitte, Tante Lorchen, es tut mir leid.“ Sie umarmte die große, zitternde Frau. „Ich geh dann jetzt mal ins Bad und dann machen wir alles, was du willst.“ Anna hatte noch eine Idee: „Hast du vielleicht irgendetwas wie ein Mieder?“ „Ach, das ist ja so schrecklich eng, aber ja, habe ich. Liegt in der dritten Schublade im Schlafzimmerschrank.“

Kurze Zeit später kam die Tante mit nassen Haaren und in einen riesigen Umhang gehüllt aus der Dusche. „Ich habe schon alles im Schlafzimmer vorbereitet. Komm, wir fangen an.“ Anna bat Lore, sich in den Sessel zu setzen, und begann ihr die Augenbrauen zu zupfen. Die Tante meckerte: „Das tut so weh, einfach schrecklich.“ „Ja, wenn du regelmäßig zur Kosmetik gingest, hättest du das Problem jetzt nicht.“ Nach einer entspannenden Gesichtsmassage (die Tante schnarchte leise) und einem dezenten, aber hübschen Make-up begann Anna, ihr die Haare zu föhnen. „Du hast so schönes, dichtes Haar. Schau mal, mit der Tönung jetzt sieht es wunderbar aus!“ Tatsächlich hatte das Haar einen leichten Kupferschimmer und glänzte ganz natürlich. Die Tante betrachtete sich verwundert im Spiegel. „Nanu, ich sehe ja richtig gut aus.“ „Das tust du ja auch, Tante Lore, du musst dich nur ein bisschen mehr pflegen. Und jetzt zieh dir bitte Mieder, Strümpfe und Kleid an und dann mache ich das Finish.“ Mit vielen Seufzern, ausgiebigem Stöhnen und Schimpfen zwängte sich die Tante in Mieder und Kleid, Anna hatte Mühe mit dem Reißverschluss. „Du darfst dich nicht zu ruckartig bewegen, sonst reißt es. So, und jetzt noch ein wenig Parfum und Haarspray, mach mal die Augen zu.“ Anna sprühte. „Jetzt kannst du die Augen öffnen und dich bewundern.“ Der Tante stand der Mund offen. „Das bin ich, wirklich ich?! Das gibt es ja gar nicht!“

Tatsächlich war zwischen dem Blaumann-Monster und dieser eleganten, hübschen Frau keine Ähnlichkeit mehr zu erkennen: Ihre Haut hatte einen gesunden Farbton, die Lippen glänzten in Rosé, die Haare waren zu einer hübschen Föhnfrisur arrangiert und das Kleid wirkte ausnehmend stilvoll. „Schön, dass es dir gefällt. Ich gehe jetzt selbst duschen und dann können wir hinunter in den Garten gehen.“ „Das machen wir. Ich bleibe lieber einfach hier sitzen, damit ich nichts kaputtmache.“

Nach der Dusche begann Anna, ihr langes, welliges, dunkles Haar zu trocknen und ein wenig Schminke aufzutragen. Sie hatte eine gesunde, pralle Haut und benötigte nicht viel. Schnell zog sie ein hellblaues Kleid über, das ihre zarte Gestalt umspielte, ließ das Haar einfach offen und holte ihre Ballerinas. „Ach Kind, du siehst so schön aus, du bist eine wunderschöne junge Frau geworden.“ Die Tante war begeistert. „Na, dann können wir zwei schönen Frauen ja jetzt mal nach unten gehen und schauen, was da los ist.“ Sie schritten Arm in Arm die Treppe hinab.

Inzwischen war der Onkel zurück, Filomena dicht neben sich. Mamachen, Erich und Manne standen in einigem Abstand bei Hendrick, der gerade die erste Flasche Champagner des Tages öffnete. Er sah auf. „Oh, ihr hübschesten aller Frauen, wie wunderbar seht ihr aus.“ Er kam auf sie zu und küsste sie auf die Wange. „Gestattet ihr mir, euch ein Gläschen Sekt einzuschenken?“ „Lore, du siehst zauberhaft aus, Schwesterherz.“ Die Tante errötete, Komplimente war sie nicht gewohnt. Beim Vorübergehen hörte Anna den Onkel sagen: „Naja, wenigstens sieht sie heute einigermaßen menschlich aus.“ Filomena drückte seinen Arm und lächelte maliziös. Hoffentlich hat die Tante das nicht gehört, dir zahle ich es heim, du alte Ratte. „Apropos, Onkel …“ – Anna drehte sich um – „… du solltest nach deinem kleinen Ausflug vielleicht mal das Hemd wechseln, es ist ganz verschwitzt und zerknittert. Außerdem steht dein Hosenstall auf.“ Sie grinste schadenfroh, als der Onkel panisch an sich herabsah.

Wie sie diese Filomena-Schlampe hasste! Als ehemalige Balletttänzerin, klein, biegsam und zierlich, hatte sie sie als Kind regelmäßig auf dem Onkel herumturnen gesehen und ihre Besuche endeten stets in Tränen, Unglück und Familiendramen, doch der Onkel setzte bis heute durch, dass meine liebeFreundin mindestens dreimal pro Jahr im Haus weilte. Erich hatte die Szene verfolgt. „Komm, von Spröckel, lass es jetzt, wir können uns so früh am Tag nicht schon ein Drama leisten. Gib mir einen Kuss und dann wird es wieder.“

Seit ihrer Kindheit nannte er sie von Spröckel. Wenn sie wissen wollte, warum, gab er an, dass sie oft so spröckelig sei. Was das denn wäre? Ja, so etwas wie widerspenstig. Aber der Spitzname beruhigte sie und sie ging zu dem kleinen Kreis. Der Onkel indes beugte sich zu Filomena und sagte vernehmlich seufzend: „Siehst du, das meine ich. Selbst heute, selbst an meinem Ehrentage, erhalte ich keinen Respekt, keine Liebe, ganz im Gegenteil. Ich möchte annehmen, dass die Jugend in Polen sehr viel mehr Benehmen hat, meine Liebe?“ Filomena lächelte breit mit ebenmäßigen, weißen Zähnen. „Dessen kannst du dir sicher sein, mein liebster Rainer.“ Sie küsste ihm die Hand.

„Du weißt schon, dass dein Vater zum Speien ist?“ „Ich weiß das sehr gut, Anna. Was glaubst du, warum meine Mutter irgendwann einfach weg war? Er spielt diese Spielchen schon seit Jahrzehnten. Oh, aber schau mal: Da sind deine Omis und Onkel Fredi.“ Jauchzend rannte Anna los.

Ein fein gekleideter Herr in den Siebzigern, den Panamahut lässig in den Nacken geschoben, betrat mit zwei Damen etwas jünger als er den Park. Lotte und Hedi kamen fein onduliert vom Friseur, die eine in gefärbtem Braun, die andere mit noch fast pechschwarzem Haar. Beide hatten es sich nicht nehmen lassen, das volle Programm ihrer jeweiligen Kleiderschränke zu präsentieren, und strahlten mit der Sonne um die Wette. „Kind, wie schön, wir haben uns seit mindestens einer Woche nicht gesehen.“ Sie umrundeten Anna und alle umarmten einander. „Ihr seht so fein aus! Ich freue mich, dass ihr da seid!“ Anna war glücklich, hier waren nun ihre Liebsten, jetzt konnte nichts mehr passieren. „Wo ist denn mein Schwiegersohn, ich muss ihm doch mal gratulieren.“

Oma Lotte war mit gerade siebzig zwar nur knapp eine Dekade älter als Rainer, sie verkörperte jedoch eine andere Zeit. „Und wo ist denn Lore? Ah, da ist sie ja, wie schön das Kind aussieht. Seht ihr das, Hedi und Fredi?“ Langsam bewegten sie sich auf die beiden Grüppchen zu. „Erichen ist ja auch schon da. Oh nein, guck mal Hedi, da ist ja schon wieder diese Tänzerin.“ „Ich habe dir immer gesagt, Lotte, dieser Rainer ist ein s’winia (Schwein) und diese Frau ist eine prostytutka.“ Hedi wirkte überaus verärgert. „Na, na, jetzt lassen wir das mal und gehen zu dem Quacksalber und gratulieren.“ Onkel Fredi zog die Damen weiter. „Kiepska dziwka (miese Nutte)“, zischte Hedi. „Brzydka stara wied’zma (hässliche alte Hexe)“, kam es von Filomena zurück. Beide Frauen funkelten sich wutentbrannt an.

„Lieber Rainer, herzlichen Glückwunsch zu deinem Geburtstag, lieber Schwiegersohn, und von Herzen alles Gute, wenn Gott will. Es sieht so fein aus hier, ihr habt euch selbst übertroffen.“ Lotte umarmte den sich windenden Professor fest. „Danke Lotte“, sagte er wenig überzeugend und dann kam auch schon Oma Hedi. „Ich gratuliere zum Geburtstag, Herr Grünbrunn “ – bei ihr klang es nach Grienbrunn – „möge Ihr neues Lebensjahr von Glauben, Demut und Verzicht geprägt sein.“ Sie hatte sich nie dazu überwinden können, den Onkel zu duzen, und trug seit Jahrzehnten ihre Abneigung offen zur Schau. „Danke Hedwig, du siehst hervorragend aus.“ Woraufhin die Genannte die Augen verdrehte. „Alles Gute, Rainer“, meldete sich Fredi zu Wort und dann machten sie sich auf zur restlichen Familie. „Lore, mein Liebling, du siehst entzückend aus, Erichen und Anna auch. Ach, ich freue mich, dass wir diesen Tag miteinander verbringen können. Ah, da sind ja auch Hendrick und Manne. Alle da außer Sigrid, aber die kommt bestimmt gleich.“

Lotte, oder Charlotte Hildegard, wie sie mit vollem Namen hieß, war eine bescheidene, liebevolle und gütige Frau, die Menschen schnell in ihr Herz schloss. „Hallo Mama“, sagten Erich und Lore im Chor. „Und sieh mal, da kommen Sigrid und Werner.“ Erich zeigte auf das Tor.

„Das ist ja wohl dreist, jetzt bringt die auch noch den Nazi mit“, murmelte Hedi missmutig. „Komm Jadwiga, mach kein langes Gesicht, ich hole uns einen Wodka.“ Hendrick lächelte charmant, wohl wissend, dass sie ihren polnischen Namen verabscheute. „Du bist wirklich frech, aber einen Wodka kann ich brauchen.“ Grinsend nahm Hendrick sie an die Hand. „Ich wusste, dass ich dich bestechen kann.“ Und er führte sie Richtung Zelt. Tatsächlich waren Sigrid und Werner eingetroffen und näherten sich langsam den beiden Grüppchen. „Erichen, die ist ja fett wien Otter, ick vermute mal, fetter als Lore.“ Manne wirkte betroffen. „Ja, ich weiß, das hängt alles mit dem Nazi da zusammen, der macht sie unglücklich.“ Erich ließ die Schultern hängen. Inzwischen hatte Sigrid den Spargelprofessor erreicht. Sie überragte ihn um Haupteslänge und hob ihn hoch, um ihm einen Schmatzer auf die Lippen zu drücken. Danach wirbelte sie ihn jauchzend dreimal im Kreis. „Langsam, Schneeflöckchen, du erstickst den armen Mann noch.“ Erich warf Werner düstere Blicke zu, doch dieser grinste provozierend. „Erichen, reg dir nich auf. Du weeßt, wat det fürne Kanallje ist.“

Das Geburtstagskind war mittlerweile sichtlich derangiert und hatte sich gerade erst einigermaßen erholt, als die ersten Abgesandten von Universität und Gericht nebst ihren Gattinnen erschienen. „Lieber Professor, unsere besten Glückwünsche, danke für die Einladung, dies ist ein wundervoller Ort, eine Oase mitten in Berlin, zauberhaft“ klang es von allen Seiten. „Wo ist denn Ihre werte Gattin?“

Ärgerlich rief der Onkel die Tante an seine Seite. „Benimm dich jetzt endlich“, flüsterte er zornig.Champagner wurde serviert, die Gäste wandelten mit Rufen der Bewunderung durch den Park, die Servicekräfte des KaDeWe boten kleine Erfrischungen an und dann sah der Onkel zum Eingang.

Er erstarrte, sein Gesicht nahm einen blöden Ausdruck an, er schnappte nach Luft. Anna sah, dass Hendrick sich im Hintergrund mit der Videokamera aufgebaut hatte. Dies würde in die Annalen der Familie Grünbrunn eingehen: Am Tor erschien Maike, sie sah phänomenal aus. Ihre schlanke Gestalt wurde von einem bunten, eng anliegenden Kleid betont, dazu trug sie einen Turban in gleicher Farbgestaltung. An Händen und Füßen hatte sie verschiedene Henna-Tattoos; sie wirkte exotisch und doch vollkommen natürlich. Ein Mann hielt ihre Schultern umfasst, er war der schönste Mann, den Anna je gesehen hatte. Groß, muskulös ging er neben Maike her. Er war gekleidet in einen feinen Anzug, das weiße Hemd betonte den Schimmer seiner Haut.

„Jetzt geht’s los.“ Leise lachend stellte Hendrick die Kamera an. „Guten Abend, Vati, herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag. Darf ich dir meinen Mann Jonathan vorstellen?“ Lächelnd küsste Maike ihren Vater auf die Wange und sah ihm in die Augen. „Guten Tag, Herr Grünbrunn, alles Gute zum Geburtstag. Maike hat viel von Ihnen erzählt. Ich freue mich, dass ich hier sein darf.“ Jonathan sprach perfekt Deutsch.

In des Onkels Gesicht herrschte Krieg: Eine Abfolge tiefster menschlicher Tragödien, des Hasses, der Verachtung, der Scham und des festen Willens, sich jetzt, hier und heute nicht zum Gespött zu machen, ließen seine Miene merkwürdige Formen annehmen. Sein Gesicht verzerrte sich, er riss die Augen auf, versuchte, sich wieder unter Kontrolle zu bekommen, qualvolle Zuckungen entstellten ihn, bis er sich endlich abwandte. Jonathans Hand hing noch in der Luft. Der Onkel entfernte sich schleunig und schrie eine Kellnerin an, dass er jetzt sofort einen Bols Alter Weinbrand benötige. Dann begab er sich in sein Arbeitszimmer, knallte die Tür zu und versuchte sich zu beruhigen.

Welch eine Ungeheuerlichkeit, was für eine Schmach! Hier heute einen Neger als Ehemann zu präsentieren … wie abscheulich. Nicht dass ich etwas gegen Neger habe, aber die sollen in ihrem Lebensraum bleiben und nicht die Zivilisation angreifen. Der Onkel trank einen großen Schluck Bols. Warum tat diese vermaledeite Familie alles, um ihn zu behindern? Um ihn bloßzustellen, lächerlich zu machen …

Meine Mutter verschwindet und muss nachts von der Polizei nach Hause gebracht werden, meine Frau ist ein scheußlicher Trümmer, meine Tochter heiratet einen Neger. Stöhnend vergrub er den Kopf in den Händen. Leise klopfte es an der Tür. „Ja, was ist denn jetzt schon wieder?“, schrie der Onkel aufgebracht. Herein trat Anna. „Deine Rede beginnt gleich, Onkel Rainer. Ich wollte dich nur erinnern.“ Der Alte sah finster aus, aber wenigstens krächzte er eine Art Zustimmung und Anna machte sich schnell wieder auf den Rückweg. Diese Rede nun auch noch. Was soll ich den Tölpeln vorlügen?

Schlecht gelaunt machte sich der Onkel auf zum Bad, benetzte sich mit ein paar Tropfen Eau de Cologne und ging steifbeinig Richtung Park. Dort war bereits die Bühne vorbereitet und in ein angenehmes goldenes Licht getaucht, das Publikum stand erwartungsvoll da. Er erklomm die wenigen Stufen und sah auf die Menschen hinab: Ein großer schwarzer Fleck überragte die Harmonie der weißen Gesichter. Er seufzte und setzte zu seinen Standardfloskeln an.

„… und in diesem Sinne habe ich stets und mit ungeheurem Vertrauen in unser Land, in unsere Demokratie die Sache der Moral, die Sache der Gerechtigkeit mit meinem ganzen Herzen vertreten, ich habe dafür gekämpft, ich werde dafür kämpfen, denn dies zeichnet uns Menschen aus, die wir ehrenvoll für Menschlichkeit, Gleichheit vor dem Gesetz und Demokratie eintreten. Ich werde – solange ich lebe – niemals von diesen Grundsätzen lassen und mein letzter Atemzug wird ihnen gewidmet sein. Ich danke Ihnen, dass Sie heute meine Gäste sind, ich danke meiner wunderbaren Familie, meiner geliebten Frau dafür, dass sie mein Leben besonders gemacht haben und dieser Abend ein herrlicher Abend ist. Vergnügen Sie sich, haben Sie Spaß. Vielen Dank.“

Der Onkel verbeugte sich leicht, die Menge jubelte und klatschte. Er begab sich in Richtung Tante, die bereits leicht schielte. „Reiß dich zusammen, Lore“, flüsterte er wutentbrannt und sah sich um. Aha, nun begannen die anderen Reden und er hatte ein bisschen Zeit. Ich will diesen Neger nicht sehen, und mit abgewandtem Blick schlich er Richtung Filomena.Oh nein, da sind Inge und Erna. Zu spät, sie haben mich erwischt.

Die kleine dicke Inge lief bereits auf ihn zu, Erna folgte ihr in einigem Abstand. Die Sünden meiner Jugend, und jetzt sind sie beide nun gar nicht mehr attraktiv und Inges Vaginismus ist wirklich unerfreulich.

Mit hängender Unterlippe stand der Onkel da und wartete sehnlich auf die Gelegenheit für einen Drink. Unterdessen dröhnten die Lobhudeleien des Dekans auf der Bühne in seinen Ohren. Mittlerweile hatte Inge ihn erreicht. Mit ihrer platten kleinen Nase, den langen Ohren und dem kompakten Körper erinnerte sie an einen Mops. „Rainer, mein Süßer, herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag, mein Herz.“ Sie umarmte ihn. Wenigstens duftete sie gut. Jetzt Erna: „Ich gratuliere, sieht ja alles sehr gut aus hier. Lore ist allerdings nicht mehr in Form, musst du mal drauf achten.“ Rainer sah die militärisch wirkende hagere Fünfzigjährige an und konnte sich beim besten Willen nicht mehr erinnern, was ihn einst an ihr so fasziniert hatte. „Danke, ihr beiden Schönen. Darf ich euch zu einem Gläschen geleiten?“ Er hakte sie unter und zog sie Richtung Bühne. Die letzte Rede war gerade verklungen, nun sollten die Kanapees gereicht werden. Unauffällig sah sich der Professor um. Wo ist nur der Neger? Indes strömten die Gäste zu ihm, er hatte überall eine geistreiche Bemerkung zu machen, seinen Charme spielen zu lassen – es war Schwerstarbeit.

Der Abend wogte vor sich hin; nach den Kanapees wurde das Buffett eröffnet, die Kapelle spielte heitere Weisen, Menschen lernten einander kennen, viele tanzten, kurzum: Es war ein fröhliches Fest. Lediglich der Onkel schritt übellaunig umher und warf seiner Tochter hasserfüllte Blicke zu. Eine halbe Stunde vor dem Feuerwerk trafen sich Erich, Manne, Anna und Hendrick wie verabredet zur Vorbereitung.

„Tolle Fete“, rief Hendrick. „Ja, echt schön. Aber willst du deiner Schwester nicht vielleicht sagen, sie soll möglicherweise bald gehen? Der Onkel explodiert gleich“, sagte Anna. „Ach, weißt du was, das ist mir jetzt echt egal, die sind alle erwachsen“, erwiderte Hendrick genervt. „Det gloob ick ooch, Anna. Mach dir keine Sorgen.“ Manne nahm noch einen Schluck Bier. „Komm, von Spröckel, los geht’s.“ Erich nahm seine Tochter an die Hand und sie bauten das Feuerwerk auf. „Drei, zwei, eins – los!“ Die Raketen flogen in den Nachthimmel und ein wunderschönes Spektakel begann: Goldregen floss aus dem Himmel, glitzernde Kreisel verteilten sich, der Himmel strahlte in allen Farben. Die Vier hielten sich an den Händen und genossen den Zauber. Sie hörten die Menschen im Park jubeln und singen und kosteten das Gefühl wahrer Freude aus.

Als sie zurück in den Park kamen, war Aufbruchstimmung, es war bereits nach Mitternacht: Wangen wurden geküsst, es gab viele Umarmungen und Dankesworte, das Personal räumte bereits auf, der Park wurde langsam still.

Wie stets versammelte sich die Familie zum Abschluss im Wohnzimmer. Onkel, Tante, Hendrick, Maike, Jonathan, Mamachen, Anna, Erich, Manne, Filomena, Inge und Erna. (Onkel Fredi und die Omas sowie Werner und Sigrid hatten die Feier bereits verlassen, denn nach diesem Showdown war ihnen nicht zumute.)

Der Onkel ließ sich auf dem Sofa nieder, Inge und Erna rechts sowie links von ihm, Filomena saß zu seinen Füßen. Der Rest der Familie stand. Der Onkel kippte noch einen Bols und kreischte schließlich los: „Was in aller Teufels Namen hast du dir eigentlich dabei gedacht, mich heute so vorzuführen? Mich in den Schmutz zu ziehen, die Ehre deiner Familie mit Füßen zu treten, du undankbare Natter, die ich an meinem Busen genährt habe, du Nichts! Ich werde dich enterben, du wirst dieses Haus niemals wieder betreten.“ Des Onkels Stimme war nun im Falsett. „Was hast du eigentlich für ein Problem, Vati?“, fragte Maike laut. „Was ich für ein Problem habe? Willst du mich veräppeln, du miese Nestbeschmutzerin?! Das ist infam.“

„So. Jetzt ist Schluss. Ich erlaube Ihnen nicht, meine Frau zu beleidigen. Wenn Sie mit mir etwas zu besprechen haben, gerne. Aber Sie werden auf keinen Fall Maike kränken.“ Jonathan sprach sehr ruhig, jedoch spürte jeder im Raum eine Härte und Entschlossenheit, die selbst den Onkel überraschte. „Gehen Sie, verschwinden Sie und kommen Sie nie wieder. Sie und Ihre dämliche kleine Frau haben mir heute komplett meinen wohlverdienten Ehrentag verdorben.“ Der Onkel keuchte, Filomena küsste seine Hände und Inge streichelte sein Gesicht. „Mein Herr, Sie sind ja völlig durch den Wind. Wissen Sie, der größte Teil der Weltbevölkerung ist farbig, und wissen Sie was? Es interessiert mich nicht. Überhaupt nicht. Denn das sind nur beliebige Hautfarben. Kommst du, meine Maike?“ Sie verließen das Haus.

„Warum hat dieser Mann hier einen solchen Zorn?“ Überrascht drehten sich alle zu Mamachen um. Der Onkel raunzte die alte Dame an: „Dieser Mann ist dein Sohn, hast du das auch vergessen? Sind hier eigentlich alle durchgeknallt?“ Und dann schrie er theatralisch: „Ein verdammter Negerkuss! Mamachen, was hast du denn für mich getan? Wo warst du, als ich dich brauchte?“ „So, Vatter, lass Oma mal aus dem Spiel, sie kann ja wirklich nichts dafür.“ Hendrick sah seinen Vater erbost an, doch der war nun im Giftmodus. „Und der Trümmer von Frau da drüben! Warum stierst du mich so blöde an, Dicke?“, brüllte er gehässig.

Erich hatte sich lange beherrscht, doch nun konnte er nicht mehr. „Hör auf, meine Schwester zu beleidigen, du aufgeblasene Wurst. Die ganze Familie war heute hier, um dich zu unterstützen, und du musstest wieder deinen kleinen Pimmel in das Weib da stecken, so wie du das seit Jahren tust. Große Reden schwingen, Moralvorstellungen haben und überall das kleine Schwänzchen reinstecken. Du bist zum Kotzen, Rainer.“ Er machte eine Pause und grinste. „Naja, und dass es ein kleines Schwänzchen ist, können wohl alle hier bezeugen.“ „Ja, da haste nich Unrecht, Erichen“, murmelte Manne.

„Manfred, hintergehst du mich nun in meinem eigenen Haus, nach allem, was ich für dich getan habe?“ Der Onkel sah wild umher. „Nee, ick meen doch bloß wegen dem kleinen Pimmel.“ „Wegen des kleinen Pimmels.“ Die kreischende Stimme überschlug sich wieder. „Herrgott, das ist Genitiv!“ „Wegen des kleinen Pimmels, Entschuldigung“, seufzte Manne kleinlaut. „So, und jetzt raus hier, raus aus meinem Haus, alle weg, raus.“ Der Onkel stand auf und machte wilde Armbewegungen, die ihn unsanft wieder auf dem Sofa landen ließen. „Ick müsste noch ein Taxi anrufen“, sagte Manne verlegen. „Dies können Sie auch von meinem Apparat aus tun.“ Mamachen nickte würdevoll. „Folgen Sie mir bitte, die Herren.“ Erich und Manne sahen sich überrascht an und gemeinsam mit Hendrick und Anna machten sie sich auf den Weg. Die Tante war wieder in einer Art Trance und saß ungelenk auf einem der Tische.

„So, hier ist das Telefon. Bevor Sie fahren, reiche ich noch eine Erfrischung. Vielleicht kann mich die junge Dame hier unterstützen.“ Ganz offensichtlich hatte Mamachen wieder gestohlen, denn im Kühlschrank lagen mehrere Flaschen Sekt und drei Käseplatten. „Baguette ist da hinten im Schrank, meine Liebe, bitte richten Sie es ein wenig an. Die Leute unterschätzen mich.“ Sie kicherte verhalten. Anna ging mit einer Käseplatte, dem Brot und Gläsern zurück ins Wohnzimmer, Mamachen folgte mit dem Champagner. „So, meine Freunde, nun stärken wir uns noch, bevor wir uns trennen. Bitte öffnen Sie die Flasche, junger Herr.“ Sie waren alle zu erschöpft, um noch viel zu reden, aber diese kleine Zusammenkunft war schön. „Willst du wirklich hier übernachten, Anna?“ „Papa, ich muss. Ich schaue, wie es Tante Lore morgen geht, lasse die Putzfrauen herein und fahre dann.“ „Was für ein Abend, was für ein Theater.“ Hendrick wirkte düster. „Ich hab auch die Nase voll, das kannst du mir glauben“ nickte Erich „und das seit Jahr und Tag.“ „Ick weeß, aber jetzt sagen wir der famosen alten Dame hier mal Danke und gehen.“ Manfred beugte sich herunter und küsste Mamachen sachte auf die Wange. Die anderen taten es ihm gleich; Erich und Manne verschwanden in die Nacht, Anna ging zu Bett und Hendrick setzte sich noch eine Weile in den Park. Anna hatte sich den Wecker auf acht Uhr gestellt, um neun Uhr würde die Putzkolonne kommen.

3

Als sie die Augen öffnete, war sie gleichermaßen erleichtert – der Tag war endlich vorbei – und verärgert: Schon wieder hatte sie so viel Zeit geopfert, schon wieder war alles komplett aus dem Ruder gelaufen. Sie seufzte und machte sich langsam auf den Weg nach unten. In der Ferne vernahm sie ein seltsames Geräusch. Kam das aus dem Keller? Da muss ich gleich mal nachsehen. Als sie die Tür zum Wohnzimmer öffnete, erwartete sie ein Bild der Verwüstung: Der Sofatisch war umgeworfen, leere Flaschen, volle Aschenbecher überall, der Onkel lag nackt zusammengerollt unter einem Sessel und hatte einen schwarzen Slip im Mund, Bücher waren aus den Regalen gezogen und scheinbar herumgeworfen worden – aber in all diesem Chaos saß Mamachen friedlich lächelnd auf dem Sofa, die Perücke schief auf dem Kopf, eine pralle Handtasche neben sich und ihr Gebiss sowie mehrere halbleere Gläser mit verschiedenen Alkoholika vor sich. „Gun Mon auch.“ Sie war schwer zu verstehen. „Da unnen liegt n nackter Typ.“ Und sie schrie vor Lachen. „Guten Morgen, Tante Ruth. Da unten liegt dein beschissener Sohn und kaut auf einem schwarzen Slip. So, ich geh dann mal.“ Mamachen wälzte sich laut kreischend auf dem Sofa und Anna schloss geräuschvoll die Tür. Wo ist denn nur die Tante und was ist das für ein komisches Geräusch? Sie ging vorsichtig die Treppe hinunter. Ach, da unten, im Partykeller.

Der Raum war vor einigen Jahren eingerichtet worden allerdings blieb er im Allgemeinen ungenutzt, denn er roch modrig und außerdem kam irgendwann keiner mehr die steile Treppe hoch. Vorsichtig spähte Anna hinein. Oh nee, daher kommt das Geräusch. Die Tante saß in unbequemer Haltung auf dem Schallplattenspieler und war eingeschlafen. Das Gerät gab unbeschreibliche Töne von sich bei dem Versuch, die Platte abzuspielen, es war Beethovens Neunte.

Die Strümpfe der Tante waren zerrissen, das Kleid war an mehreren Stellen aufgeplatzt und insgesamt sah sie nun selbst aus wie eine Fleischwurst. Anna schüttelte den Kopf und zog den Stecker aus der Steckdose. Jetzt hab ich wirklich genug, ich fahr heim. Das war meine Ration Irrsinn für längere Zeit. Sie ging in die Küche, machte sich einen Kaffee und packte mehrere Tupperboxen mit feinem Essen ein sowie drei Pullen Schampus. Da wird sich Martin freuen, wenn ich später zu ihm gehe. Dann ließ sie die Putzkolonne rein. (Der Onkel engagierte nur Menschen, die kaum Deutsch sprachen, aus Sicherheitsgründen wegen der Presse.) Sie klaute zehn Zehn-D-Mark-Scheine aus seinem Portemonnaie und gab jedem Mitarbeiter ein Trinkgeld. Dann verließ sie das Haus, es hatte zu nieseln begonnen. Aufatmend setzte sie sich in ihr kleines Auto und fuhr Richtung Osten. Jetzt esse ich erstmal eine Currywurst bei Konnopkes Imbiss und noch einen Kartoffelsalat. Dann fange ich mit der neuen Bücherkiste an und später gehe ich zu Martin. Hach, das wird doch noch ein schöner Tag.

Nach einer scharfen Currywurst, einem schönen, matschigen Kartoffelsalat und einer sauren Gurke zum Dessert beschloss Anna noch ein bisschen spazieren zu gehen. Sie lief die Schönhauser Allee hinunter Richtung Kollwitzplatz. Die Straßen waren in einem furchtbaren Zustand, überall klafften riesige Löcher im Asphalt, die Bürgersteige sahen ähnlich aus. Aber diese Energie, die für alle spürbar in der Luft lag! Überall trafen sich meist junge Leute, viele hatten einen Kasten Bier bei sich, man setzte sich auf den Bürgersteig, trank, diskutierte und lud die Vorübergehenden ein: „Haste Lust auf ein Bierchen? Komm, setz dich.“ Anna lächelte, denn es fühlte sich gut an. So frei und lebendig.

Am Kollwitzplatz drehte sie ihre übliche Runde: Vorbei an den vielen kleinen Konsum Läden näherte sie sich schließlich Mariannes Knopfgeschäft. Das war der Laden ihrer Uroma gewesen. Sie wollte nicht hineingehen, sie stand einfach nur da und zollte der alten Dame Respekt. Das hat Tante Ella allein aufgebaut. Sie war erst sechsundzwanzig, als sie 1922 dieses Geschäft hier eröffnet hat. Wie hat sie das nur geschafft, allein als Frau in dieser Zeit? Und dann ist sie vor dem Bau der Mauer noch ganz knapp entkommen, ist geflohen und hat ihrer Mitarbeiterin Marianne alles überschrieben. Danach hat sie dann ein elegantes Geschäft in Charlottenburg gegründet und dort gearbeitet, bis sie neunundachtzig war.

Ich erinnere mich noch an diese wunderschönen Stoffe, die vielen Knöpfe, die edle Seide. Wohl jede Berlinerin, die etwas auf sich hielt, war in dieses Geschäft gekommen. Ich rieche auch noch förmlich die Düfte der Parfums, wenn die Damen ins Geschäft kamen. Wie oft habe ich dagesessen und gespielt?! Obwohl Tante Ella kein netter Mensch war, zumindest nicht zu mir. Ich glaube, sie konnte mit Kindern nichts anfangen, drückte mir immer einen Hundert-D-Mark-Schein in die Hand, damit ich sie in Ruhe ließ. Als ob Geld für ein Kind einen Wert hätte … Ich dachte sowieso immer, dass sie ziemlich hart und kalt war, aber vielleicht war das ein Zeichen der Zeit. Sie hatte ein eigenes Geschäft, einen Führerschein, sogar ein Fahrzeug, verhandelte mit Männern in einer Epoche, in der das vollkommen unüblich war. Wir haben ihren neunzigsten Geburtstag noch ganz groß gefeiert, das war 1986 und ich war erst siebzehn. Dann sind Papa und ich zu ihr ins Haus gezogen, weil sie nicht mehr allein leben konnte. Das waren Zeiten, wenn ich daran denke … Samstagsabends mussten wir immer zusammen essen, um Punkt achtzehn Uhr.

Papa bekam einen Ring Fleischwurst, wir alle Rippchen mit Sauerkraut, sie aß Grahambrot und ich musste eine Schüssel Vanillepudding mit kandierten Kirschen überstehen – es war jede Woche das gleiche. Am Sonntagmorgen dann musste Papa ihr ein Moorbad einlassen und sie lag stundenlang darin und hörte die Sonntagsmesse in einer unglaublichen Lautstärke, weil sie inzwischen fast taub war. Ach ja, und sie hatte diesen Bekannten, wie hieß der gleich – Wenzel Schmitt, genau. Der brachte ihr immer frisch gesammelte Pilze aus dem Forst vorbei. Wenn sie nicht sicher war, musste Papa die Pilze probieren – wie oft hatte er sich nach einer solchen Pilzmahlzeit übergeben. Aber über meinen Uropa hat sie nie gesprochen, ich weiß eigentlich nur, dass sie einen Paravent zwischen den Ehebetten stehen hatten.

Wirklich seltsam, dass sie mir das Geld hinterlassen hat und dazu noch mit dem Hinweis „Für die Erfüllung deines Traums“. Woher wusste sie das? Und vor allem: Warum hatte sie an mich in dieser Weise gedacht?

Anna schüttelte den Kopf, sie würde es nie erfahren. Jedoch dankte sie Tante Ella im Stillen und sagte ein kurzes Gebet.

Dass dieser Laden alle Jahre überdauert hatte! Und nun würde sie ihr eigenes kleines Geschäft gründen, gleich in der Nähe. Selbstverständlich würde es Tante Ella heißen. Beschwingt und voller Freude ging Anna zurück in die Kopenhagener Straße, um die nächste Bücherkiste auszupacken. Angekommen in ihrem kleinen Geschäft zündete sie erst einmal einige Kerzen an, das Wetter draußen war inzwischen von einem leisen Nieseln zu einem ernsthaften Regen geworden, es dämmerte bereits. Anna öffnete die nächste Kiste und machte sich daran, die Bücher zu den unterschiedlichen Themenblöcken zu sortieren. Ich freue mich so unglaublich auf diesen Laden. Wie großartig ist es, so eine Chance zu bekommen. Leise summte sie vor sich hin.

Sie war zwar erst zweiundzwanzig, jedoch hatte sie seit dem Zeitpunkt ihrer Erbschaft vor fünf Jahren beinahe minutiös ihren Eintritt in die Geschäftswelt geplant. Nach dem Abitur stand für sie fest, dass sie nicht studieren würde. (Ich verstehe nicht, warum du bei dem Status quo deiner Familie bleiben willst, wo ich dir doch die Apotheke offeriere.) Stattdessen beschäftigte sie sich mit Firmenplanung, Steuerrecht, suchte nach einem passenden Ort, schrieb einen Businessplan und bereitete sich so gut wie möglich vor.