Oma Josie im Wilden Westen - Josie Schubert - E-Book

Oma Josie im Wilden Westen E-Book

Josie Schubert

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Beschreibung

Oma Josie und ihre beste Freundin Luzi reisen mit einem Mietwagen durch den amerikanischen Westen. Die beiden Rentnerinnen sind Ende sechzig, sehr unternehmungslustig und noch ziemlich rüstig. Auf ihrer turbulenten Abenteuertour rutschen sie von einem kuriosen Erlebnis in das nächste. In einem Casino in Las Vegas entlarven sie einen lang gesuchten Falschspieler. Wenig später kreuzen zwei Gangster ihren Weg - und eine wilde Verfolgungsjagd auf dem Highway beginnt. Bald darauf sind Josie und Luzi im "Wilden Westen" bekannt wie zwei bunte Hunde. Zudem werden sie anscheinend von einem rätselhaften Mann verfolgt, der immer dann zur Stelle ist, wenn sie sich in Gefahr befinden. "Oma Josie im Wilden Westen" ist eine heiterer Reiseroman. Nebenbei gibt er zahlreiche Informationen über sehenswerte Orte rund um Las Vegas, San Francisco und Los Angeles.

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Inhalt

Luzi und ich

Reisevorbereitungen

Los geht’s

Ankunft in Las Vegas

Der erste Abend in Las Vegas

Ausflug zum Grand Canyon

Zwischenfall im Hotel Venetian

Weiter geht es zum Bryce Canyon

Ab zum Monument Valley

Luzis Malheur am Monument Valley

Flagstaff und Sedona

Auf der Route 66 nach Las Vegas

Hofbräuhaus in Las Vegas

Gangsterjagd auf dem Highway

Ausruhen im Sequoia-Nationalpark

Von Tulare nach Mariposa

Yosemite-Nationalpark

Bonanza-Stadt: Virginia City

Lake Tahoe

Vom Lake Tahoe nach San Francisco

Der erste Tag in San Francisco

Hippie-Festival in San Francisco

Bei Clint Eastwood in Monterey

Highway One bis Santa Barbara

Schönes Santa Barbara

Von Santa Barbara nach Los Angeles

Tag 1 in Los Angeles

Tag 2 in Los Angeles

Zurück nach Las Vegas – und ab ins Casino

Ab nach Hause

Ich fuhr mit der erlaubten Höchstgeschwindigkeit von 110 Kilometer pro Stunde, Kevin im Fahrzeug hinter uns auch. Rasch näherten wir uns der Ausfahrt des Highways. Als sie neben uns auftauchte, lenkte ich den Jeep scharf nach rechts und schaffte es gerade noch, abzufahren. Kevin konnte nicht rechtzeitig reagieren und rauschte an der Ausfahrt vorbei.

Dann hörten wir die Räder seines Wagens quietschen.

Emma schaute sich um. »Kevin fährt auf dem Highway rückwärts! Er wird uns folgen. Ich habe Angst.«

»Ach was. Du brauchst keine Angst zu haben. Josie macht das schon«, wollte Luzi sie beruhigen.

Durch Luzis Lob fühlte ich mich gebauchpinselt. Das stachelte mich in meinem Handeln noch mehr an.

Ich fuhr auf eine Straße, die parallel zum Highway 50 verlief. Laut NAVI befanden wir uns kurz vor Sacramento, der Hauptstadt Kaliforniens. In der Ferne sahen wir bereits die Wolkenkratzer der Metropole.

Kevin war uns inzwischen dicht auf den Fersen.

»Oh, mein Gott! Wir schaffen es nicht. Die haben uns gleich«, unkte Emma.

Doch ich wiegelte ab.

»Macht euch keine Sorgen. Eure Josie hat einen Plan. Haltet euch mal kurz fest!«

Wir näherten uns einer Tankstelle. Ich sah, dass sie menschenleer war, und steuerte direkt auf sie zu. Auf dem Gelände der Tankstelle schlug ich einen Haken nach links, genau zwischen zwei Zapfsäulen hindurch.

Im Rückspiegel sah ich, dass Kevin es mir nachmachen wollte. Doch er hatte Pech und rammte eine Tanksäule, die sofort in Flammen aufging, und mit ihr auch der Wagen von Kevin.

Alle drei Insassen wurden herausgeschleudert. Aber sie lebten noch. Mit brennender Kleidung rannten sie, einer Fackel gleich, in die Waschstraße. Dann verlor ich sie aus den Augen.

Wie alles begann

Luzi und ich

Ich heiße Josie. Josie Schubert. Ich lebe in einem kleinen Ort in Deutschland. Eigentlich lautet mein vollständiger Vorname Josephine, aber alle nennen mich nur Josie. Josephine klingt mir zu brav und außerdem wie eine alte Frau. Dabei bin ich gerade mal 75 Jahre! Kein Alter für eine Frau, die noch voller Tatendrang und Unternehmungsgeist steckt.

Als Kind nannte mich meine Mutter immer Jo. Den Spitznamen Josie bekam ich von meinem Mann. Er war ein großer Peter-Maffay-Fan und das Lied »Josie« war sein Lieblingslied. Ich fand immer, dass der Text überhaupt nicht zu mir passte. Bis auf die zwei Zeilen vielleicht:

Sie hat ein Kleid aus Sonnenschein

Und traut sich nicht, es anzuziehn

Mein Mann verstarb vor sieben Jahren plötzlich. Doch ich habe noch lange keine Lust, mich ebenfalls in die ewigen Jagdgründe zu begeben. Warum auch? Ich bin noch sehr rüstig, kontaktfreudig und schon gar nicht auf den Mund gefallen. Für mein Leben gern fahre ich Auto, lese viel und gehe oft auf Reisen. Das Laufen fällt mir zwar manchmal etwas schwer – die Knie, wissen Sie –, aber ansonsten bin ich noch fit wie ein Turnschuh.

Gelegentlich höre ich etwas schlecht, aber damit stehe ich glücklicherweise nicht alleine da. Das geht sicher vielen Omas und Opas so. Zuweilen kommt es auch vor, dass ich gar nichts verstehe. Besonders, wenn ich etwas absolut nicht hören möchte, beispielsweise die permanenten Anmachsprüche meines sehschwachen achtzigjährigen Nachbarn. Der nervt vielleicht! Macht mir ständig Komplimente, wie fesch ich doch sei. Dabei sieht mein Gesicht aus wie ein Waschbrett und meine Haare sind weiß wie die von Karl Lagerfeld, als er noch unter uns weilte. Gott habe ihn selig.

Mein Gedächtnis funktioniert hingegen noch recht ordentlich. Das ist einer der Gründe, warum ich angefangen habe zu schreiben. Nein, nicht um damit eine Menge Geld zu verdienen. Meine Rente ist ausreichend (und sicher!). Hauptsächlich möchte ich mit der Verschriftlichung meiner Erinnerungen mein Gehirn auf Trab halten und einer Demenz vorbeugen. Andere in meinem Alter lösen Kreuzworträtsel und ich schreibe eben Bücher.

Aber jetzt mal Butter bei die Fische: Wenn Hollywood meine Erlebnisse verfilmen würde, hätte ich nichts dagegen. So schlecht sieht der Oscar gar nicht aus, finde ich. In meiner Vitrine würde er einen gebührenden Platz bekommen. Ich müsste nur eines meiner selbst gehäkelten Deckchen unterlegen, dann wäre er ein richtiger Eyecatcher. Da könnte ich endlich mal die hässliche grüne Vase aussondern, die ich von meiner Schwester Ilse vor ein paar Jahren geerbt habe.

Das mit Hollywood ist natürlich nur Spinnerei. Andererseits sollte man seine Ziele nie aufgeben und immer optimistisch in die Zukunft schauen.

Lassen Sie uns jetzt wieder in die Realität zurückkehren: Ich sprach gerade von Demenz. Meine beste Freundin, die Müller Luzi, ist nämlich leicht dement. Das ist vielleicht belastend, kann ich Ihnen sagen. Dabei ist sie zwei Jahre jünger als ich. Mit ihrer sportlichen Figur wirkt sie für ihr Alter aber noch ausgesprochen attraktiv. Schließlich war sie in ihrer Jugend mal Leistungssportlerin, genauer gesagt Leichtathletin. Na gut, das eine oder andere Gelenk hat schon darunter gelitten, aber sonst fehlt ihr nichts – bis auf die Dinge, die sie eben vergisst. Aber da kann man nichts machen. Es ist, wie es ist. Das Alter hinterlässt nun mal seine Spuren.

Ach so, eines habe ich noch vergessen. (Sehen Sie, bei mir geht es auch schon los!) Leider hört Luzi auch noch schwer. Im Vergleich zu ihr höre ich noch wie eine Eule. Jedes Mal, wenn ich sie besuchen gehe, muss ich erst gefühlte zehn Minuten Sturm klingeln.

Wenn sie sich schließlich doch bemüht, die Tür zu öffnen, fragt sie meist leicht verwundert: »Was wollen Sie?«

»Na, ich bin es, die Josie! Du kennst mich doch.«

»Ich kenne keine Josie.«

Immer wenn ich diesen Satz höre, kriege ich so einen Hals. Das kann ich im Buch leider nicht zeigen. Ich weiß nicht, ob sie nur so tut oder ob sie es wirklich ernst meint. Seit vierzig Jahren sind wir nun befreundet und auf einmal will meine beste Freundin mich nicht mehr kennen. Ist das nicht traurig?

»Die Schubert Josie, meine Gute«, helfe ich ihr auf die Sprünge.

»Ach die, die kenne ich! Warst du nicht gestern erst da? Was willst du schon wieder?«

»Das ist doch drei Tage her, Luzi. Ich möchte nur wissen, wie es dir geht, ob du einen Wunsch hast. Hier, schau, ich habe deinen Lieblingskuchen mitgebracht.«

»Ich esse keinen Kuchen.«

»Was redest du? Natürlich isst du Kuchen, leckere Eierschecke.«

»Eierschnecke, was ist das denn?«

»Schecke, nicht Schnecke«, berichtige ich Luzi halb singend.

»Habe ich noch nie gegessen. Komm doch erst mal rein! Zwischen Tür und Angel rede ich nicht gern.«

So geht das schon fast zwei Jahre. An manchen Tagen bin ich froh, wenn ich wieder weg bin. Weil sie dann aber ganz alleine ist, tut sie mir wiederum leid.

Ganz auf sich gestellt ist Luzi aber nicht. Zweimal am Tag kommt ein hübscher junger Mann vom Roten Kreuz zu ihr und kümmert sich um sie. Er passt auf, dass Luzi ihre Medikamente pünktlich nimmt, und hilft ihr sogar bei ihrer persönlichen Hygiene.

Ich besuche sie mehrmals in der Woche. Meistens spazieren wir gemeinsam durch den Park oder machen einen Ausflug in die nähere Umgebung.

Auf Kaffeefahrten kann ich Luzi leider nicht mehr mitnehmen. Das geht gar nicht. Es ist zum Fremdschämen mit ihr. Dieser Trude kann man einfach alles aufschwatzen. Sie hat schon über zehn Heizdecken im Schrank und würde immer noch welche kaufen. Luzi meint immer, die wären später einmal für ihre Kinder. Dabei hat sie schon eine große Tochter, die Jasmin. Das ist doch verrückt, oder?

Wenn ich sie darauf anspreche, meint sie nur: »Man weiß nie, was noch kommt. Mein Nachbar, der Manfred, bei dem ich abends öfter fernsehe, hätte gern noch ein Kind.«

»Luzi, jetzt spinnst du aber. Der Manfred ist über achtzig, genau wie mein Nachbar, der Karl, und du bist 73. Da ist doch nichts mehr mit einem Kind. Der Manfred macht nur Spaß.«

»Na, na, na. Seit zwei Monaten nehme ich keine Pille mehr. Da kann schnell mal was passieren.«

»Quatsch! Die Pille, die du meinst, war gegen deinen hohen Blutdruck. Dafür hat dir dein Hausarzt jetzt ein anderes Mittel verschrieben.«

»Ach was. Immer weißt du alles besser. Bist du nun meine beste Freundin oder nicht?«

Darüber haben wir schon so oft gesprochen. Aber immer endete das Gespräch auf ähnliche Weise.

Um noch einmal auf Luzis Tochter zurückzukommen: Jasmin hat fast dreißig Jahre in Australien gewohnt. Nach ihrer Scheidung vor fast fünf Jahren ist sie mit ihrer Tochter Marie, also Luzis Enkelin, wieder zurück nach Deutschland gezogen. Leider hat Jasmin beruflich bedingt wenig Zeit um sich um ihre Mutter zu kümmern und Marie, Luzis Enkelin, wohnt wochentags in einem Internat in München. Aber über Jasmin und Marie werde ich in meinem zweiten Buch ausführlicher berichten.

Vor sechs Jahren fing es bei Luzi an, dass ihr Gedächtnis nachließ, ganz langsam und schleichend. Trotzdem hatte Luzi die Idee, mit mir eine Reise nach Amerika zu unternehmen. Eine Rundreise sollte es werden und beginnen sollte sie in Las Vegas. Luzi wollte unbedingt mal in einem Casino um Geld spielen und natürlich auch gewinnen.

Ich war zuvor noch nie in den USA gewesen, geschweige denn in einem Casino. Aber Luzis Idee gefiel mir. Wenn schon Amerika erkunden, dachte ich mir, dann mit einem Mietwagen.

Ja, Sie haben richtig gelesen. Wir, also Luzi und ich, wollten gemeinsam eine Rundreise durch den Westen der USA unternehmen – wir zwei Grandmas ganz alleine in einem Auto!

Warum auch nicht? Schließlich fahre ich sehr gern Auto und war viel in ganz Europa unterwegs, damals noch mit meinem Mann. Er hatte große Flugangst, deshalb fuhren wir nur in Gegenden und Länder, die man bequem mit Bahn, Bus oder dem Auto erreichen konnte. Bis an die Algarve, Südfrankreich, Kroatien oder hoch nach Schweden und Finnland hatte es uns verschlagen.

In letzter Zeit wurde ich leider einige Male geblitzt, weil ich immer so rase, wissen Sie. Aber für das nächste Jahr habe ich mir fest vorgenommen, mich zu ändern. Ich werde mir nämlich eine Blitzer-App downloaden. Da bin ich ja mal gespannt, ob die was bringt.

Die Reise war jedenfalls beschlossene Sache. Wenn nicht jetzt, wann dann? Schließlich wird man ja nicht jünger.

Bevor ich über unsere abenteuerlichen Erlebnisse im Wilden Westen berichte, noch ein paar ergänzende Worte: Mein Buch soll nicht den Zweck eines Reiseführers erfüllen. Davon gibt es nämlich bereits genug. Trotzdem habe ich mich entschlossen, einige sehenswerte Orte auf unserer Tour näher zu erläutern.

Diese Informationen sind vor allem für jene Leser gedacht, die noch nie im amerikanischen Westen Urlaub gemacht haben. Ihnen möchte ich eine Vorstellung von der grandiosen Landschaft und den liebenswerten Städten an der Westküste vermitteln, damit sie sich besser in unsere Situation hineinversetzen können.

Für alle anderen Leser dienen die Informationen vielleicht als Auffrischung. Mag sein, dass der eine oder andere trotzdem etwas Neues erfährt oder den Wunsch entwickelt, unsere Reise durch den Wilden Westen selbst zu unternehmen.

Sollten Sie noch Fragen haben, können Sie mir gern eine E-Mail schreiben. Die Adresse finden Sie am Ende des Buches. So, jetzt geht es aber los. Genug gelabert.

Reisevorbereitungen

Als wir mit den Reisevorbereitungen begannen, war ich 69 und Luzi immerhin 67 Jahre alt. Gemeinsam setzten wir uns an meinen Laptop und starteten mit der Planung.

Zunächst legten wir die genaue Route fest und einigten uns auf die Anzahl der Übernachtungen in den jeweiligen Städten. Diese Entscheidungen verlangten sehr viel Fingerspitzengefühl, denn es gab einiges zu beachten. Ein paar Orte würden wir bereits auf der Fahrt von einer Station zur anderen besichtigen können. Für andere wiederum wollten wir ein oder zwei Tage einplanen. Ich denke da nur an die großen Städte San Francisco oder Los Angeles.

Nachdem die Route feststand, wählten wir die passenden Hotels aus. Diese buchten wir über ein bekanntes Online-Portal. Auf keinen Fall wollten wir in Vorkasse gehen. Im Gegenteil, wir achteten sehr darauf, dass wir die Buchungen jederzeit und kostenlos stornieren konnten. In unserem Alter kann schnell mal was passieren und dann bekommt man womöglich sein Geld nicht mehr zurück.

Sehr intensiv lasen wir die Bewertungen ehemaliger Hotelgäste. Meist sagten sie bereits eine Menge über die Qualität der Zimmer oder die Lage aus – wenn sie denn der Wahrheit entsprachen. Das kann man aber vorher nicht wissen. Wir hofften, dass die meisten Bewertungen die Realität wiedergaben, damit wir an Ort und Stelle keinen Reinfall erleben würden. Diese Vorbereitungen nahmen sehr viel Zeit in Anspruch, denn sie mussten bis ins kleinste Detail durchdacht sein.

Als Nächstes buchten wir beim ADAC die Flüge und den Mietwagen. Es war uns wichtig, den Wagen in Deutschland zu buchen, da im Falle eines Unfalles und einer eventuellen Gerichtsverhandlung immer der Gerichtsstand zählt. Welches Gericht zuständig ist, hängt in der Regel davon ab, wo man den Mietwagen gebucht hat. Schlimmstenfalls müsste man zu den Gerichtsverhandlungen in die USA reisen.

Mit der Buchung des Mietwagens waren die Vorbereitungen jedoch lange nicht abgeschlossen. Darüber hinaus mussten wir eine ganze Menge mehr beachten. Das ging schon damit los, dass wir uns vom Hausarzt auf einem Formular bestätigen lassen mussten, welche Medikamente wir wie oft einnehmen und dass wir bei Reiseantritt gesund sind.

Das bekloppteste Formular, das wir ausfüllen mussten, war allerdings von der ESTA. Da wollte man tatsächlich von uns wissen, ob wir schon mal illegale Drogen verteilt haben oder ob wir uns in den USA an terroristischen Aktivitäten beteiligen wollen. Was für ein Schwachsinn. Wer ist denn so bescheuert und gibt das freiwillig zu? Luzi meinte, wir sollten da mal aus Spaß »Ja« angeben.

»Bist du wahnsinnig!«, rastete ich aus. »Solche Späße verstehen die Amis überhaupt nicht. Wenn die so was sehen, lassen sie dich gar nicht erst in den Flieger oder du landest nach der Ankunft umgehend in Alcatraz.«

»Alcatraz? Ist das ein Hotel?«

»Ist das dein Ernst?«, fragte ich verblüfft. »Sag bloß, du kennst Alcatraz nicht. Dieses alte Gefängnis kennt doch jedes Kind. Al Capone war jahrelang dort eingesperrt.«

»Reg dich ab, Josie, das war doch nicht ernst gemeint. Hast du tatsächlich geglaubt, ich würde so etwas tun?«

»Ja, habe ich. Ich kenne dich schon sehr lange. Dir ist einiges zuzutrauen.«

»Ach was.«

Diese Antwort ist typisch für Luzi. Sie benutzt sie gern und in den unterschiedlichsten Situationen. Meistens aber, wenn sie verärgert ist.

Nicht nur die Formulare nervten. Wir mussten uns zudem Adapter für 110-Volt-Steckdosen besorgen, damit wir täglich die Akkus unserer Handys und Fotoapparate aufladen konnten. Außerdem benötigten wir neue Koffer mit TSA-Schloss, eine SIM-Karte fürs mobile Internet und so weiter und so fort.

Ach so, etwas Wichtiges habe ich noch vergessen: Menschen in unserem Alter, also über sechzig, sollten während des Fluges Stützstrümpfe tragen. Wegen der besseren Durchblutung, wissen Sie, und um einer eventuellen Thrombose vorzubeugen. Man weiß ja nie, wie der Körper auf einen so langen Flug reagiert. Aber auch jüngeren Leuten sind derartige Strümpfe anzuraten. Na ja, letztlich muss es jeder selbst wissen. Das kann man niemandem vorschreiben.

Als wir unsere To-do-Liste vollständig abgearbeitet hatten, freuten wir uns auf unser großes Abenteuer im Wilden Westen und konnten es kaum erwarten. Leider mussten wir uns noch einige Monate gedulden.

Diese Zeit überspringe ich mal und komme gleich zu unserer Reise.

Los geht’s

Wir fuhren mit der Bahn bereits einen Tag eher nach Frankfurt am Main und übernachteten in einem dem Flughafen nahegelegenen Hotel.

Am nächsten Morgen brachte uns der Hotel-Shuttle zu unserem Abflug-Gate, und zwar mehr als zwei Stunden vor dem Start. Das ist bei Amerika-Flügen so Vorschrift und daran sollte man sich auch strikt halten.

Auf dem Flughafen war vielleicht ein Durcheinander. So viele Menschen habe ich in meinem ganzen Leben noch nicht gesehen. Die einen kehrten mit ihren Koffern gerade aus dem Urlaub zurück, die anderen hasteten zum Check-In ihrer Fluggesellschaft. Zum Glück gab es einen Info-Stand, an dem man uns den Weg bis zum Condor-Check-In genau beschrieb. Über die rollenden Gehsteige kamen wir bequem an unser Ziel und hatten obendrein eine Menge Spaß dabei.

Der Check-In verlief reibungslos und unsere Nervosität, gepaart mit Flugangst, erreichte langsam ihren Höhepunkt. Vor dem Boarding mussten wir ein paar Routine-Kontrollen über uns ergehen lassen, dann durften wir endlich an Bord.

Im Flieger gab es ein mächtiges Geschiebe und Gedränge, bis alle Fluggäste ihre Plätze gefunden und ihr Handgepäck verstaut hatten. Wir waren froh, als wir endlich saßen und dem Start entgegenfiebern konnten.

Uns ging ganz schön die Düse, wir waren beide noch nie geflogen. Und dann gleich so lange! Fast elf Stunden Flug mussten wir bis nach Las Vegas überstehen. Zweimal gab es sogar Essen und in unregelmäßigen Abständen kamen die Flugbegleiterinnen (ich wollte erst »Saftschubsen« schreiben, aber Luzi meinte, das wäre diskriminierend) mit Getränken vorbei.

Leider hatten wir sehr ungünstige Plätze. Wir saßen in der Mittelreihe, wo sich drei Personen nebeneinanderquetschen mussten. Luzi hatte den ungemütlichsten Platz in der Mitte, ich saß links und rechts von ihr ein Mann. Er machte von Anfang an keinen sympathischen Eindruck auf uns. Sein Äußeres erinnerte ein wenig an Klaus Kinski, den legendären Film-Bösewicht. Der Mann war Italiener, sprach aber gut Deutsch und stellte sich auch umgehend vor.

»Ciao Bella. Mein Name ist Francesco, ich bin Italiano, aber sprechen gut Deutsch. Fliegen Bella Donna das erste Mal in die Staaten, oder?«, fragte er Luzi.

Doch Luzi antwortete ihm nicht, sondern schaute einfach nur stumm geradeaus. Ich stupste sie an und wollte ihr damit sagen, dass sie nicht sie arrogant sein sollte. Sie schaute mich nur kurz an und schüttelte ihren Kopf.

Der Italiener tat mir etwas leid und ich fand es unhöflich von Luzi, nicht auf die Frage ihres Nachbarn zu reagieren. Stattdessen antwortete ich ihm. »Ja, ja, das erste Mal.«

»Machen Sie Holidays?«, fragte der Italiener und schaute mich an.

»Ja, eine Rundreise durch den Westen, mit dem Auto.«

»Mit Auto? Oh, das ist sehr gefährlich!«, er lachte so laut, dass sich einige Gäste nach ihm umdrehten. »Viele Indianer auf Pferden. Sie alle wollen Skalp von deutschen Frauen«, scherzte er und machte mit seiner linken Hand kreisende Bewegungen über Luzis Kopf.

Ich verzog keine Miene über seine schlechten Scherze.

»Und was machen Sie dort?«, fragte ich, obwohl es mich kaum interessierte.

»Ich reisen geschäftlich. Mir gehören ein paar Restaurants in Vegas. Wenn Sie möchten, besuchen Sie Francesco in Hotel Venetian. Ich mich freuen würde. Eis schmecken sehr gut. Bestes Gelato in ganz Vegas. Kaffee ist aus Italien, originale. Morgen Abend 7 Uhr auf dem großen Platz im Hotel! Werden Sie bestimmt gut finden. Überall Wegweiser. Abgemacht?«

»Abgemacht!«, sagte ich und verschaffte mir damit etwas Ruhe.

Nach einer gefühlten Stunde begann er jedoch von neuem.

»Aus welcher Stadt in good old Germany kommen Sie?«

Ich verdrehte die Augen.

Dummerweise nannte ich unseren Wohnort, was ich später noch bereuen sollte. Francesco meinte, er würde unsere Stadt wie seine Westentasche kennen. Das wunderte mich, weil ich bei uns noch nie einem Italiener begegnet bin. Vielleicht sieht man es ihnen aber auch nicht an, wenn sie nicht reden? Ich weiß es nicht.

Obwohl ich absichtlich gelangweilt dreinschaute und öfter auffällig gähnte, dauerte der Small Talk noch eine ganze Weile. Erst als wir so taten, als ob wir schliefen, verstummte Francesco endlich.

Ein Geräusch weckte mich aus meinem Dämmerschlaf. Es waren die Flaschen auf dem Wagen einer Flugbegleiterin. Ich bat um einen Tomatensaft, wie die meisten Passagiere. Zuhause trinke ich nie Tomatensaft. Im Flieger trinken es alle.

Fast alle. Neben mir, auf der anderen Seite des Ganges, saß ein Mann mit dunkler Hautfarbe. Er bestellte sich einen Kaffee mit Zucker und Milch. Immer, wenn ich zu ihm hinüberschaute, lächelte er mich an. Im Gegensatz zu dem Mann neben Luzi wirkte er sympathisch. Er strahlte etwas aus, das ihn interessant machte.

Der Mann war ein paar Jährchen jünger als ich, so schätzte ich ihn jedenfalls ein. Irgendwie hatte ich den Eindruck, ihn zu kennen. Aber so sehr ich mich auch anstrengte, ich wusste einfach nicht, woher. Oder bildete ich mir das nur ein? Außerdem habe ich in meinem Bekanntenkreis gar keinen Schwarzen.

Als sich unsere Blicke erneut trafen und er mich anlächelte, nahm ich meinen ganzen Mut zusammen und fragte ihn direkt.

»Entschuldigung! Kennen wir uns von irgendwoher?«

Wieder lächelte der Mann und antwortete: »Wir kennen uns schon sehr, sehr lange, Josephine.«

Mir wurde etwas unheimlich zumute.

»Sehr lange? Wie meinen Sie das? Woher kennen wir uns denn?«, fragte ich.

»Jetzt ist nicht der Zeitpunkt für Erklärungen. Ich werde es Ihnen sagen, wenn die Zeit gekommen ist. Ich wünsche Ihnen viel Spaß in Amerika. Und passen Sie immer gut auf sich auf!«

»Warum wollen sie mir jetzt nicht sagen, woher sie mich kennen?«, fragte ich neugierig.

»Machen sie sich keine Sorgen. Ich werde es ihnen noch rechtzeitig erzählen.«

Dann drehte er sich um, trank seinen Kaffee aus und schloss die Augen.