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Wenn Kinder staunend versuchen, die Welt der Eltern und Großeltern zu verstehen und zu imitieren, führt das nicht selten zu ungewollt komischen Resultaten oder höherer Philosophie. In diesem Buch erfahren Sie daher etwas über gefährliche Haare, komische Kühe, Rauchständer, dass Jugendlicher eigentlich ein schreckliches Schimpfwort ist, Frösche rülpsen, wann es Sinn macht, beim Küssen die Augen zu schließen, Sexualkunde für Anfänger, schlimme Augenkrankheiten, fundamentale Logik, Traumberufe, Ohrwürmer, Elefine, Märchenbrillen und anderes. In fünfzig Mini-Geschichten wird gezeigt, was es in einer kinderärztlichen Sprechstunde wirklich zu besprechen gibt.
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Seitenzahl: 36
Veröffentlichungsjahr: 2016
Für
Julia und Clemens
Orange wie der Himmel
Der Rufname
Außergewöhnliche Schilder
Schlechte Manieren
Nicht noch einer!
Am Lagerfeuer
Lösungsmittel
Un-erhört
Mein schönstes Urlaubserlebnis
Übertragbare Krankheiten
Halbe Tiere
Falsch gedacht
Mängelware
Ich kann schon Kerstin!
Schlechtes Gewissen
Widersprüche
Geduld
Überzogene Forderung
In den Urin getrieben
Ein interessanter Versuch
Das Loch
Poldi
Simple Problemlösung
Das doppelte Geheimnis
Bitte keine Füße
Sexualkunde
Augen zu beim Küssen
Selbstbewusstsein
Blitzlichter
Tolle Kartoffel
Rücksichtsloser Geistlicher
Ganz einfach
Unterschiedliche Interessen
Wunderbare Zukunft
Weitere Traumberufe für Fünfjährige
Anbetung
Das „Weh“
Wanderjahre
Der Ohrwurm
Klein und leise
Berühren verboten
Durst
Weitsicht
Sie nannten ihn Papa
Frau Lieselotte
Fernseh-Doktor
Vermeintliches Umtauschrecht
Der unsichtbare Schmerz
Wörterbuch
Wahre Schönheit
Der Elefant und die Lebenskunst
Martin ist erst drei Jahre alt, aber schon sehr interessiert. Mit großem Eifer beantwortet er unsere Testfragen und demonstriert dabei gern, dass er schon viel mehr weiß, als wir vermuten. Seine Farben differenziert er nicht einfach in „blau“ und „rot“, wie es altersüblich wäre, sondern in „hellblau“ und „feuerwehrrot“. Als wir zuletzt nach der Farbe des knallgelben Kükens fragen, das er in seinen Händen hält, strahlt Martin stolz:
„Orange wie der Himmel!“
Wir schmunzeln. Vielleicht haben wir es mit einem Romantiker zu tun, der sich gerade einen Sonnenuntergang mit orangefarbenem Himmel vorgestellt hat? Aber dann umwölkt sich sein Blick und wir erkennen, dass er die Augen auch vor den Schrecken der Realität nicht verschließt. Er hat einen grünen Holzdrachen entdeckt, auf dessen Rücken sich kleine, stumpfe Stacheln vorbuckeln. Ganz vorsichtig tippt er mit dem Zeigefinger auf die Spitze der Stacheln, bevor er uns finster zuflüstert:
„Gefährliche Haare!“
Johanna absolvierte gerade alle Tests zu ihrer Vorsorgeuntersuchung mit Bravour. Sie kannte Zahlen, Farben und die Aussprache war korrekt. Offenbar hatte sie jedoch nicht vor, genauere Angaben zu ihrer Person zu machen, denn als unsere Arzthelferin sie nach ihrem Namen fragte, schwieg das Mädchen plötzlich. Auch, als die Frage wiederholt wurde, kam keine Antwort. Nun versuchte die Arzthelferin, Johanna mit Humor wieder aus der Reserve zu locken:
„Ach, ich weiß, du bist doch das Lieschen Müller, oder?“, fragte sie.
Das Kind schüttelte den Kopf, verschränkte die Arme vor der Brust und schwieg weiter.
„Aber du bist doch schon so groß, du musst doch deinen Namen wissen! Wie ruft dich deine Mama denn immer?“
Und da bekamen wir unvermutet doch noch eine Auskunft:
„Stinkstiefel.“
Katrin ist beim Sehtest sehr konzentriert und bemüht, die Zeichen und Symbole nicht nur richtig zu erkennen, sondern auch zu interpretieren.
Als die Arzthelferin zum Schluss und in der kleinsten Zeile der Sehtafel noch auf ein winziges Kreuz deutet, lehnt sie sich erleichtert zurück und verkündet:
„Das ist das Verkehrszeichen für die Frau Doktor.“
Die vierjährige Lisa sitzt auf dem Schoß ihrer Mutter und verfolgt wachsam jede Bewegung unserer Arzthelferin. Obwohl wir ihr erklärt haben, dass wir heute nur schauen möchten, ob sie gesund ist und gut hören, sehen und sprechen kann, kuschelt sie sich eng an die Mama und antwortet auf keine Frage.
Alle mühsamen Kommunikationsversuche laufen ins Leere.
Als wir fast fertig sind, kommt sie offensichtlich zu dem Schluss, dass es nicht schaden kann, uns ab und an einen Wortbrocken zum Fraß vorzuwerfen. Und so antwortet sie auf die Frage, welche Töne eine Katze von sich gibt, mit einem vorsichtigen:
„Miau.“
Die Helferin lobt sie und fragt weiter: „Und was sagt die Kuh?“
Wieder werden wir mit einem einsilbigen „Muh“ belohnt.
„Dann weißt du doch bestimmt auch, was der Frosch macht?“, forscht die Helferin.
Lisa schüttelt angewidert den Kopf und antwortet zu unserer Verblüffung im Satz:
„Na---, Frösche rülpsen!“
Johann langweilt sich. Mutwillig reißt er Blätter von den Bäumen und wirft sie auf den Weg. „Hey, das ist aber nicht schön. Der arme Baum hat dir doch gar nichts getan!“, greift seine Mutter ein. „Komm lieber zu mir zum Kuscheln!“
Johann überlegt kurz. „Ich komm zum Kuscheln. Aber nur, wenn ich trotzdem die Blätter abhauen darf“, verhandelt er.